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Nadir kann man sicherlich als ganz klassische Microbrand bezeichnen: Hinter der unabhängigen, kleinen polnischen Marke steckt Bart Maniecki, seines Zeichens hauptberuflich IT-Manager in einem großen E-Commerce-Unternehmen. Nadir ist für Bart entsprechend ein Feierabendprojekt, mit dem er nach eigenen Aussagen etwas ins Leben rufen wollte, das handfester bzw. “materieller” ist als E-Mails zu verschicken, in Zoom-Meetings zu sitzen und Systemintegrationen zu machen. Gleichzeitig macht Bart mit Nadir auch einige Dinge anders als typische Microbrands (Stichwörter: 904L-Edelstahl, sofortige Verfügbarkeit, Kaliber…) – schauen wir uns das Einstandsmodell Vespera also mal genauer an…

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Eckdaten Nadir Vespera:

  • Japanisches Automatikkaliber Miyota 9015, 42 Stunden Gangreserve, 28.800 bph
  • Durchmesser 42mm
  • Höhe 12,3mm
  • Bandanstoß 20mm
  • Horn-zu-Horn 47mm
  • Gehäuse aus 904L-Edelstahl
  • Drehring innen, bidirektional 
  • Mattes Zifferblatt mit Super-LumiNova BGW9 
  • Polierte/matt dekorierte Zeiger mit Super-LumiNova BGW9
  • Saphirglas mit vier Schichten Antireflexbeschichtung
  • Gehäuseboden: Verschraubter Gehäuseboden aus Edelstahl mit geprägtem Muster und Seriennummer 
  • Dual Crown-Stil, die untere ist verschraubt und mit geprägtem Nadir-Logo
  • Wasserdichtigkeit 10 bar / 100 m (330 ft) / 10 ATM
  • Armband: Handgefertigt aus italienischem Pueblo-Leder von Badalassi Carlo (aus der Toskana) mit Schnellwechselfederstegen
  • Limitiert auf 100 Stück je Farbvariante
  • Preis: 490€, direkt auf nadirwatches.com
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Nadir Vespera: Das Einstandsmodell im Hands-On

Nadir bewirbt die Vespera als Automatikuhr für sämtliche Outdoor-Aktivitäten – nun gibt es ja nicht wenige Uhrenmarken, die sich das Outdoor-Thema auf die Fahne geschrieben haben. Bei Nadir könnte dies aber authentischer kaum sein: Wie auch schon ein kurzer Blick auf Barts privaten YouTube-Kanal klar macht, ist er auf Feld, Wald und Wiesen Zuhause – und in Polen gibt es da sicherlich so einiges zu entdecken, so wie das Gebiet rund um die Masurische Seenplatte, Teil der Ostbaltischen Seenplatte im Südwestteil des Baltischen Landrückens.

Beim Marken- und Modellnamen schließt sich dabei der Kreis zu Barts Hang zu motorisierten Outdoor-Erkundungen: Als Nadir (vom Arabischen Wort für “Gegenstück”) wird in der Geometrie und in der Himmelsnavigation die dem Zenit entgegengesetzte Richtung bezeichnet, also die Himmelsrichtung, die genau nach unten durch den Erdmittelpunkt hindurch verläuft.

Schwaben dürften beim Modellnamen Vespera außerdem direkt in Verzückung geraten: Und tatsächlich leitet sich “Vespera” vom lateinischen Wort “vesper” für “Abend” oder “Vorabend” ab.

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Bild: wikipedia user DTR, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Wer Nadirs Instagram-Account besucht, stellt auch schnell fest, dass Bart sich passenderweise offenbar zur EDC-Anhängerschaft zählt. Every Day Carry (kurz EDC, engl. für “jeden Tag tragen”) bezieht sich dabei auf die Ausrüstung, die man typischerweise bei sich trägt oder täglich mitführt, um auf alltägliche Anforderungen vorbereitet zu sein. EDC umfasst typischerweise eine Vielzahl von Gegenständen, darunter Werkzeuge wie Taschenmesser, Multitools, Taschenlampen, Feuerzeuge und – na klar – Uhren.

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Bart offroad

Eine Sache unterscheidet Nadir aber dann doch von vielen anderen Microbrands: Anstatt den (aus Sicht der Microbrand) weitgehend risikofreien Weg über Crowdfunding-Plattformen wie Kickstarter zu gehen, entschied sich Bart dazu das unternehmerische Risiko ganz auf seine Kappe zu nehmen – und das zeigt, dass er zu 100% hinter seinem Produkt steht.

Auf meine Nachfrage hin, warum Bart mit Nadir nicht über Crowdfunding ging, verriet er mir, dass er vor allem keinen unnötigen Druck haben wollte und die Unterstützer einer solchen Kampagne nicht durch eventuelle Verzögerungen im Projektplan vertrösten wollte. Daher ging er eben den Weg ohne Crowdfunding, so ganz ohne “Big Bang”: Das Endprodukt ist das Einstandsmodell Nadir Vespera, das ab sofort verfügbar ist bzw. sofort geliefert werden kann – kundenfreundlich ganz ohne Vorbestellerphase und ohne (Kickstarter-typisch) wochen- oder monatelange Warterei.

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Nadir Vespera im Hands-On

Das Modell Vespera wirkte wegen der Doppel-Krone auf den ersten Blick auf mich wie ein klassischer Super Compressor-Taucher. Anstatt wie bei einem klassischen Super Compressor-Modell eine 60-Minuten-Einteilung auf dem Drehring zu verewigen, hat sich Nadir allerdings für eine 12-Stunden-Einteilung entschieden: Mit anderen Worten steuert man mit der oberen Krone den innenliegenden, bidirektionalen Drehring mit 12-Stunden-Einteilung an, um im Sinne einer Dualzeit eine “GMT-Komplikation light” zu bekommen. Ich empfand das Drehen des Rings über die Krone zwar als butterweich, allerdings auch als etwas schwergängig – andererseits kann sich der Drehring so auch nicht unbeabsichtigt verstellen. Obwohl die obere Krone nicht verschraubt und damit immer im sofortigen Zugriff ist, beträgt die Wasserdichtigkeit alltagstaugliche 10 bar bzw. 100 Meter. 

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Ansonsten steht die Funktionalität im Mittelpunkt des Zifferblattes: Dafür spricht der klare Zifferblattaufbau und die sehr gute Ablesbarkeit. Gleichzeitig hat Bart die Vespera um ein paar designtechnische Besonderheiten ergänzt: So ist der Rand des toolig-matten Zifferblatts ausgeschnitten, was für etwas Tiefe auf dem ansonsten flachen Zifferblatt sorgt und gleichzeitig an Zahnräder erinnert.

Das Herzstück des Blattes ist aber natürlich ganz klar die farbige Leiste, die vom Zentrum zum Datum überleitet – eine kleine Designanleihe aus der Welt der Automobile, die man in ähnlicher Form auch bei Vintage-Carreras von Heuer findet. Eine weitere kleine Besonderheit ist, dass das metallisch glänzende Wortlogo und Bildlogo voneinander getrennt sind, um den oben beschriebenen Zenit-Nadir-Gedanken aufzugreifen.

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Als Gehäusematerial setzt Nadir auf 904L-Edelstahl (bei Rolex auch bekannt als “Oystersteel”), anstelle des gängigen 316L-Edelstahls – das ist in der Preisklasse der Nadir Vespera mehr als ungewöhnlich.

Aufgrund seines höheren Nickel-, Chrom- und Molybdängehalts bietet 904L-Edelstahl beispielsweise eine verbesserte Korrosionsbeständigkeit, insbesondere gegenüber stark korrosiven Medien. 904L Edelstahl hat außerdem Vorteile hinsichtlich antimagnetischer Eigenschaften: Sowohl 316L als auch 904L-Edelstahl sind zwar austenitische Edelstähle, was bedeutet, dass sie eine nichtmagnetische Struktur bei Raumtemperatur haben. Jedoch kann 904L Edelstahl aufgrund seiner Legierungsanteile, insbesondere des erhöhten Nickelgehalts, im Vergleich zu 316L dazu beitragen die magnetischen Eigenschaften zu reduzieren (während 316L-Edelstahl etwa 10 bis 14 Prozent Nickel enthält, hat 904L-Edelstahl einen höheren Nickelgehalt, der in der Regel zwischen 23 und 28 Prozent liegt).

Optisch wird 904L nachgesagt tendenziell einen leichteren, helleren Farbton aufzuweisen, während 316L etwas matter erscheinen kann. Diese Unterschiede sind jedoch sehr subtil und hängen oft von der Oberflächenbehandlung ab.

Nun kann man natürlich drüber diskutieren, ob man als Otto Normal-Uhrenfreund die Vorteile von 904L-Edelstahl wirklich effektiv braucht, aber es ist natürlich schön zu sehen, dass sich Bart für die Nadir Vespera bis ins letzte Detail Gedanken über die Spezifikationen gemacht hat.

Mehr Lesestoff zum Thema: Rolex, Steinhart & Co.: Über den (Un)sinn von Uhren mit 904L Edelstahl (Oystersteel)

Der Gehäusedurchmesser der Vespera beträgt auf dem Papier 42mm, das Horn-zu-Horn-Maß ist dabei mit 47mm im Verhältnis zum Durchmesser relativ klein. Auch die Höhe ist mit 12,3mm Gehäusehöhe angenehm kompakt. Insgesamt trägt sich das Modell deutlich kleiner, eher wie 40mm. 

Mehr: Die richtige Uhrengröße für jeden Handgelenk-Umfang

Die Kronen der Nadir Vespera sind wegen des Dual Crown-Stiles nicht nur versetzt angeordnet, sondern auch eingebettet in einen Kronenschutz. Charakteristisch ist dabei die Gehäuse-Symmetrie, die dadurch erzeugt wird, dass der Kronenschutz rechts auch auf der linken Gehäuseseite aufgegriffen wird. Insgesamt zahlt das gehäusedesign stark auf den Tragekomfort ein, da sich die Kronen beim Beugen des Handgelenkes nicht in den Handrücken bohren können.

Hinsichtlich Tragekomfort möchte ich auch das Lederband positiv hervorheben: Es stammt von der toskanischen Gerberei Badalassi Carlo, die seit über 40 Jahren auf vegetabil gegerbtes Leder spezialisiert ist, also Leder, bei dessen Gerbungsprozessen kein Chrom eingesetzt wurde, sondern nur natürliche, pflanzliche Rohstoffe wie Eichen- und Fichtenrinden.

Diese Gerberei ist besonders für das sogenannte Pueblo Leder bekannt, das einen eher rustikalen Vintage-Look hat und bei der Nadir Vespera zum Einsatz kommt. Die Oberfläche ist rau und matt und erinnert an Papier. Mit der Zeit entwickelt sich außerdem eine Art Patina auf der Oberfläche. Besonders genial ist aber, dass das Leder “out of the box” extrem weich und anschmiegsam ist – sowas sehe ich, vor allem in dieser Preisklasse, sehr selten (und nein, ich bin kein großer Fan davon Bänder “eintragen” zu müssen). Auch durch die Anschmiegsamkeit ist der Tragekomfort wirklich phänomenal.

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Mit Nadir-Kopf Bart als passionierten Motorrad-Schrauber in seiner heimischen Garage, ist das tickende Innere der Vespera nachvollziehbarerweise auch mechanisch: Und nein, die Nadir Vespera kommt nicht mit dem im Microbrand-Dunstkreis fast schon ubiquitär eingesetzten Seiko NH35 – das tickende Innere der Vespera ist zwar auch aus Japan, kommt allerdings vom Wettbewerber Citizen-Miyota: Das Kaliber 9015 mit 42 Stunden Gangreserve. Und auch das ist durchaus eine Besonderheit: Ich frage mich ja immer wieder warum Microbrands nicht öfter auf das Miyota 9015 setzen, das 2009 als Weiterentwicklung des Miyota 8215 und Alternative zu Schweizer Kalibern wie dem Sellita SW200-1 auf den Markt gebracht wurde – und endlich wurde ich erhört: Das Miyota 9015 gilt technisch als ebenbürtig zu den bekannten Schweizer Standardkalibern und hebt dadurch das Preis-Leistungs-Verhältnis der Vespera noch mal deutlich an.

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Normalerweise behandele ich in meinen Reviews Uhrenboxen höchstens am Rande – bei der Vespera sind ein paar Zeilen aber mehr als gut investiert, denn Nadir liefert das Modell in einer massiven Kiste aus Echtholz (Eiche) mit Magnetverschluss, die lokal in Polen hergestellt wird. Mit solch einer genialen Box hätte ich überhaupt nicht gerechnet, erst recht nicht in der Preisklasse, in der sich Nadir mit der Vespera bewegt. Daumen hoch!

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Abschließende Gedanken

Unsere polnischen Nachbarn haben schon einige nennenswerte und mittlerweile gestandene Microbrands hervorgebracht, darunter Balticus, Gerlach oder Vratislavia Conceptum. Und hier darf sich Nadir definitiv selbstbewusst einordnen: Das Design des Einstandsmodells Vespera ist überaus eigenständig und mit Blick auf die vielen liebevollen Details von viel Herzblut geprägt (alles andere als eine Selbstverständlichkeit in der Welt der Microbrands). Und auch die Qualität ist auf absolut wettbewerbsfähigem Niveau. Die Nadir Vespera ist mit 490€ außerdem im Vergleich überaus fair bepreist – denn wo findet man heute noch so ein tolles Gesamtpaket für unter 500€? Kurzum darf der Einstand als überaus gelungen bezeichnet werden. Ich bin jedenfalls mehr als gespannt auf weitere Modelle von Nadir – dobrze zrobiony!

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