In der ersten Jahreshälfte 2024 war es ziemlich ruhig um Hanhart. Nun geben die Gütenbacher im Jahresendspurt aber richtig Gas: Nach der Hanhart Preventor HD12 und der Hanhart Aquasphere kommt nun schon das dritte neue Modell innerhalb von drei Monaten. Der Hanhart-Chronograph 415 ES ist dabei eine (Retro-)Neuauflage der gleichnamigen Uhr aus den 60er Jahren. Zwei Besonderheiten hielten damals zum ersten Mal in der Geschichte Einzug bei Hanhart…
Eckdaten Hanhart 415 ES:
- Schweizer Sellita SW510 M, 28.800 bph, 58 Stunden Gangreserve, Hanhart-Regulierung: 0 bis +8 Sekunden proTag, als Durchschnitt über alle Lagen
- Durchmesser 39 mm
- Höhe 13,5 mm
- Horn-zu-Horn 45,6 mm
- Gewicht (am Lederband): 87 Gramm
- Gehäuse aus Edelstahl
- Lünette mit schwarz-mattem Keramikinlay, beidseitig mit 60 Klicks drehbar
- Verschraubter Gehäuseboden mit fortlaufender Seriennummer
- Krone, Zifferblatt und Schließe mit Hanhart-Flügellogo
- Hochgewölbtes, innen entspiegeltes Saphirglas
- Wasserdichtigkeit bis bis 10 bar / 10 ATM
- Gehäuse antimagnetisch
- Stoßgeschützt mit Hanhart-Werkdämpfung als zusätzlicher Stoßschutz
- Super-LumiNova X1 auf Ziffern, Indizes und Zeigern
- Schwarzes, dunkelbraunes oder hellbraunes Kalbsleder
- 2.390€ am Lederarmband, direkt über Hanhart oder verschiedene Fachhändler
Hanhart 415 ES damals und heute
Die 415 ES war der erste Hanhart-Chronograph mit einer beidseitig drehbaren Lünette mit 60 Minuten-Einteilung. Hinzu kam erstmals das „Flügellogo“, mit dem Hanhart seinen Außenauftritt etwas frischer gestalten wollte. Dabei gab es einige unterschiedliche Varianten der 415 ES: Einige Modelle, die auch in historischen Katalogen zu finden sind, wurden beispielsweise mit spitz zulaufenden Dauphine-Zeigern und langen Strichindizes zu jeder vollen Stunde umgesetzt. Andere Varianten hatten schlichte, grade Zeiger an Bord, die denen der Hanhart 417 ES ähnelten. Zifferblätter gab es in hellen und dunklen Ausführungen. Das „ES“ im Namen stand dabei für „Edelstahl“, aus dem das Gehäuse der Uhr gefertigt war – damals keine Selbstverständlichkeit, denn manche Uhren kamen aus Kostengründen auch mit verchromten Messinggehäusen.
Eine Variante der 415 ES, die ganz konkret das Vorbild für die 2024er Neuauflage war, kam mit schlichten, graden Zeigern, Tachymeter Skala und roter Hunderterskala – insbesondere letzteres ist eine Besonderheit (daher dazu gleich mehr). Im Inneren sorgte ein Valjoux 23 mit 17 Steinen für den Antrieb.
Ins Auge sticht sofort, dass das mattschwarze Zifferblatt der neuen 415 ES damals wie heute das „Flügellogo“ mit zwei stilisierten Flügeln auf den beiden „h“s des Schriftlogos trägt. Weitere originalgetreue Schriften sind „23 Rubis“ und „Incabloc“ – analog zu „17 Rubis“ und „Incabloc“ bei der Vorlage, um auf die Anzahl Lagersteine und die Stoßsicherung hinzuweisen.
Die Flügel, mit denen ich spontan Sportlichkeit und Geschwindigkeit assoziieren würde, sind historisch betrachtet sicher kein Zufall: Als der sportbegeisterte Hanhart-Sohnemann Wilhelm Julius in den 1920er Jahren persönlich bei einem Leichtathletikfest an den Start ging, beobachtete er wie mühselig die Veranstalter wenige Zeitmesser aus der Schweiz zusammenkratzen konnten, die dazu auch noch sündhaft teuer waren. Hanhart erkannte die Marktlücke und brachte 1924 mechanische Stoppuhren auf den Markt, die rund die Hälfte anderer Stoppuhren kosteten – ein echtes Schnäppchen also und der Startschuss für einen neuen, prosperierenden Geschäftszweig. Und so kam es auch, dass Hanhart-Stoppuhren früher bei Sportereignissen, Autorennen und 1952 sogar bei den olympischen Spielen zum Einsatz kamen.
Hier ein Bild einer alten Hanhart-Stoppuhr mit Flügel-Logo, die im hauseigenen kleinen Museum in Gütenbach begutachtet werden kann – das Besondere bei diesem Modell ist dabei auch die Einteilung des Minutenrings innen nach Sportarten und deren typischen Zeitintervallen (z.B. Halbzeit im Fußball nach 45 Minuten):
Die 415 ES kommt ferner mit einer Tachymeter-Skala (häufig auch Tachymetre-Skala oder Tachometer-Skala genannt), mit der sich Einheiten pro Stunde messen lassen. Eine klassische Anwendung ist die Messung der Durchschnittsgeschwindigkeit, zum Beispiel bei Autorennen – so weit, so „normal“, denn Tachymeter-Skalen findet man sehr häufig bei analogen Chronographen, um den Anwender bei der Berechnung zu unterstützen.
Zusätzlich findet sich auf dem Zifferblatt aber auch eine rote Hunderterskala für die Messung der Industriezeit – was hat es damit auf sich? Nun, im Gegensatz zur gängigen Zeitmessung, die Stunden, Minuten und Sekunden in einem 12- oder 24-Stunden-Format darstellt, basiert die Industriezeit auf dem Dezimalsystem. So wird beispielsweise eine Arbeitszeit von 1 Stunde und 15 Minuten in der Industriezeit als 1,25 Stunden dargestellt, während 45 Minuten als 0,75 Stunden angegeben werden. Dadurch lassen sich Berechnungen, insbesondere für Arbeitskosten, Lohnabrechnungen oder Zeiterfassungen, einfacher und präziser durchführen.
Und hier schließt sich der Kreis: Neben Flieger-Armbanduhren sind Stoppuhren eine Säule des Schwarzwälder Uhrenherstellers – auch heute noch. Denn man glaubt es kaum, aber bis heute landen viele Hanhart-Stoppuhren nicht nur bei Uhrenfreunden und -sammlern, sondern insbesondere auch in der Industrie, da Hanhart in bekannten Industrie-Katalogen wie dem Hoffmann Werkzeugkatalog oder bei vwr international gelistet ist. Stoppuhren werden beispielsweise bis heute in Laboren eingesetzt, wo kein Zündfunke entstehen darf. Einige allgemeine Vorteile klassischer Stoppuhren sind ihre Einfachheit, ihre Unabhängigkeit von Stromquellen und ihre Haltbarkeit. Sie können auch leicht transportiert werden und erfordern keine komplexe Einrichtung oder Programmierung. Darüber hinaus sind sie normalerweise intuitiv zu bedienen und erfordern keine besondere Schulung.
Wir bleiben beim Zifferblatt: Das verbaute Handaufzugskaliber Sellita SW510M (dazu gleich mehr) sorgt für eine horizontale Aufteilung der Totalisatoren bzw. Hilfszifferblätter (kleine Sekunde (links) und 30-Minutenzähler (rechts)) in Ergänzung zum zentralen Stoppsekundenzeiger. Landläufig spricht man auch vom sogenannten Bicompax-Design (der Begriff geht diversen Quellen zufolge zurück auf den Schweizer Uhrenhersteller Universal Genève SA, der anno 1936 den Chronographen „Le Compax“ herausbrachte, der die zu messenden Minuten und Stunden auf zwei Hilfszifferblättern anzeigte).
Die Neuauflage der 415 ES hat Hanhart in derselben Größe von damals wiederbelebt: 39 mm Durchmesser und knapp unter 46 mm Horn-zu-Horn sprechen auch Uhrenfreunde mit schmaleren Handgelenken an und die eher kleinen Abmessungen passen grundsätzlich gut zu einer waschechten Retro-Uhr wie der 415 ES (wenngleich ich mit meinem eher großen 19 cm-Handgelenk sagen muss, dass sie mir leider etwas zu klein ist). Die Entscheidung auf ein Handaufzugskaliber zu setzen, war goldrichtig, denn das Sellita SW510 M baut etwas flacher, wodurch auch das Gehäuse mit 13,5 mm relativ flach konstruiert werden konnte – fast genau so flach wie die 417 ES (eine höhere Bauweise würde die Uhr im Verhältnis zum Durchmesser eher pummelig aussehen lassen).
Das Gehäuse ist außerdem bis 10 bar wasserdicht und damit sogar zum Schwimmen geeignet, was alles andere als eine Selbstverständlichkeit für einen Chronographen ist. Ein weiteres schönes Detail: Das geflügelte Hanhart-„h“ ist auch an Bord der angenehm griffigen Krone.
Das Ziel der Neuauflage war es laut Hanhart nicht eine exakte Kopie der Vorlage zu erschaffen. Dennoch muss man sagen, dass die Neuauflage sehr nah am Original ist. Gleichzeitig setzt Hanhart auf den aktuellen Stand der Technik und setzt insbesondere auf eine Lünetteneinlage aus kratzfester Keramik. Gut: Die Oberfläche der Lünette ist matt, um den Charakter der Aluminium-Lünette der Vorlage gerecht zu werden.
Zudem ist das Gehäuse der Neuauflage antimagnetisch, was thematisch zu einer Fliegeruhr passt: Elektromagnetische Felder im Flugzeug sind sogar Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, denn im Flugzeug kommen immer mehr elektrische Systeme und elektronische Komponenten zum Einsatz, die insbesondere die Navigations- und Kommunikationssysteme stören können. Nun hat eine analoge Armbanduhr heute natürlich nicht die Relevanz von Navigations- und Kommunikationssystemen, der Einsatz eines abschirmenden Weicheisenkäfigs in einer Fliegeruhr wie der Hanhart 415 ES ergibt aber thematisch absolut Sinn, denn Elektromagnete im Cockpit können einen enormen, negativen Einfluss auf die Ganggenauigkeit einer mechanischen Uhr ohne speziellen Magnetfeldschutz haben. Und auch im Alltag fernab des Cockpits gibt es etliche Quellen für Magnetismus: Wie ich in einem praktischen Experiment über Uhren und Magnetismus festgehalten habe, gehen von einer handelsüblichen Soundbar beispielsweise stellenweise 6000 Mikrotesla aus.
Ganz konkret hält der Weicheisenkäfig der Hanhart 415 ES Magnetisierung bis 16.000 A/m nach DIN 8309 „Antimagnetische Eigenschaften von Kleinuhren“ vom Uhrwerk fern. Das entspricht umgerechnet rund 20.000 Mikrotesla, mit denen man für alle Alltagssituationen definitiv bestens gewappnet sein dürfte. Die DIN besagt übrigens im Detail, dass bei Uhren nach Magnetfeldeinfluss von 4800 A/m die Gangabweichung höchstens 30 Sekunden am Tag betragen darf. 4800 A/m wiederum entsprechen ca. 6000 Mikrotesla – in etwa so viel wie die genannte Soundbar.
Eine weitere (wenig überraschende) Modernisierung betrifft die Leuchtmasse in Form von Super-LumiNova X1 beschichteten Indizes, Ziffern und Zeiger. Die in der Neuauflage verwendete Qualitätsstufe X1 bietet laut Schweizer Super-LumiNova-Lieferant RC Tritec eine um über 60% verbesserte Nachleuchtperformance nach zwei Stunden im Dunkeln. Die Super-LumiNova kommt dabei in einem vanilligen Farbton, der an „Old Radium“ erinnert, aber einen deutlich stärkeren, kontrastreichen Gelbstich hat (siehe im direkten Vergleich die Titoni Seascoper 600 Retro). So oder so: Solche gelblich/bräunlichen/vanilligen Farbtöne ahmen die vor Jahrzehnten häufig zum Einsatz kommenden Radium-haltigen Leuchtfarben nach, die über die Jahre bräunlich wurden (wenn Radium mit Sauerstoff aus der Luft oder anderen Verunreinigungen in Kontakt kommt, bildet sich Radiumoxid, das braun ist). Die goldfarbenen Zeiger der 415 ES harmonieren gut mit der Leuchtmasse.
Für den Antrieb der 415 ES, versteckt hinter einem verschraubten Stahlboden mit dem reliefartigem, geflügelten Hanhart-Schriftlogo, sorgt – wie bereits erwähnt – das bewährte Schweizer Kaliber Sellita SW 510 in der „M“-Variante, was für „Manuell“ steht und die Handaufzugstechnik identifiziert. Jedes einzelne Werk wird dabei im Hause Hanhart in Gütenbach von Uhrmachern geprüft und feinreguliert (Reglage). Die hauseigenen Vorgaben für die Ganggenauigkeit liegen bei 0 bis +8 Sekunden pro Tag im Durchschnitt über 6 Lagen (entspricht +/-4 Sekunden pro Tag). Gleichzeitig ist bei Hanhart in den Hauptlagen keine Minussekunde erlaubt. Zwischen den Lagen ist darüber hinaus ein maximales Delta von 10 Sekunden erlaubt. Mit Zifferblatt oben habe ich bei der Testuhr perfekte 0 Sekunden pro Tag gemessen:
Abschließende Gedanken
Kann Hanhart mit der 415 ES den enormen Erfolg der 417 ES wiederholen? Nun, das grundlegende Zifferblattdesign der 415 ES, das Hanhart im Wesentlichen beibehalten hat, ist natürlich schon etwas spezieller als das der Hanhart 417 ES und damit auch vielleicht nicht ganz so „massenkompatibel“. Dank viel Liebe zum Detail, sinnvollen Modernisierungen gegenüber der Vintage-Vorlage (insbesondere antimagnetische Eigenschaften, Keramiklünette) und einem alles in allem vergleichsweise fairen Preis wird die 415 ES aber sicherlich ziemlich viele Freunde finden. Insbesondere für Retro-Fans ist die 415 ES einen Blick wert.
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Preislich zu nah dran an der 417ES Panda/Reverse Panda und hier dann nicht mal Flyback oder Schaltrad. Die Schriftzüge von Inclabloc und Co. wären mir zu fett.
Wie auch bei den anderen 39mm-Modellen sind die Totalisatoren ziemlich klein und man braucht noch gute Augen…
Die HANHART erinnert mich an die GUINAND 361 bzw. SINN 102B, welche ebenso aus den 1960ern kommen. Sehr nahe am Original, sehr begehrenswert, aber zu klein und nicht wirklich zur präzisen Zeitablesung zu gebrauchen. WATCHTIME hatte fälschlicherweise vom Automatikkaliber SW510 M geschrieben. Dann wäre der Preis der 415 ES wirklich fair gewesen.
Schönen Gruß, Frank
Hi Frank, das SW510M ist aber verbaut.
Yepp, das „M“ steht für manuellen Aufzug. Der Fehler lag beim WATCHTIME-Redakteur.
Aus der Praxis:
a) Das Band und seine Farbe bleibt Hanharts Geheimnis. Für mich ein Griff ins, nun ja, die Farbe verrät es.
b) Es ist tricky, die Zeit außerhalb der 5-Minuten-Punkte einzustellen. Da die inneren Skalen nicht geeignet sind, muss dies über die Lünette geschehen. Davon sind die kurzen Zeiger zu weit weg, was den inneren Skalen geschuldet ist.
c) Der erste Eindruck vom Lume ist eher so lala.
Aber d) bis z), ist die 415 eine klasse Uhr. Sie ist warm, verströmt vintage Vibes und hat für mich klasse Proportionen. Ja, mal wieder ein anderes Logo, aber so war es damals nunmal…
Danke fürs Anfixen, eine Klasse Uhr!
Wie bei vielen Marken in erster Linie eine Marketing-Massage. Ich trage Uhren von der russischen Vostok vor Seiko 5, Dugena, klassische Edox-Automatikuhren bis hin zu tschechoslowakischen Prim-Uhren. Keiner davon überschritt den Preis von 350 Euro (Edox), die anderen kosten nur einen Bruchteil des Listenpreises. Gleichzeitig verfügen sie alle über automatische oder manuelle Bewegungen, eine solide Priorität und Benutzerparameter, die sogar besser sind als die der um ein Vielfaches teureren Konkurrenz. Aber es erfordert Wissen und vor allem eine gute Intelligenz.
Dann ist mit meiner guten Intelligenz nicht weit her. Ich mag das Ding, wenn ich auch noch die Massagefunktion suche. Da muss ich wohl noch an meinen trolligen Bewegungen arbeiten.
Hat wer Troll gesagt? 🫣
Hanhart sollte erst mal dringend seine Firmenlogos aufräumen. Wer hat denn schon 5-6 verschiedene Logos ( incl. der Unterschrift unter dem „Hanhart“ ?? Dein Bericht ist wie immer tadellos – die Uhr hat mir zu viel Design-Durcheinander und ist zu klein. Schade, ich würde gerne mal eine Hanhart-Uhr besitzen.Hasta pronto
Imo ein weiterer Volltreffer für Hanhart. Leider habe auch ich ein 19cm Handgelenk 🙁
Aber vielleicht kommt ja noch eine 42mm Version, ähnlich wie bei der 417.