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Hallo liebe Uhrenfreunde! Heute möchte ich euch mal wieder mit einer interessanten Leserfrage aufschlauen und euch mit in das Thema hineinnehmen. Auch wenn es sich bei mir nicht um den angeschriebenen „Mario“ handelt, möchte ich die Frage gerne beantworten! 😉

Hier zunächst einmal die Frage des Lesers:

Moin Mario,

Ich habe meine Citizen Promaster Diver NY0040 Oktober 23 nach einer Wartung von Citizen Hamburg mit einem neuen Werk (Miyota 8204) zurückbekommen.

Es hieß gemeinhin, dass sich das Werk nun erst einlaufen müsste, was aber nach zwei Monaten abgeschlossen sein sollte.

Neugierig wie ich bin, habe ich im Dezember angefangen mir das Gangverhalten und die Genauigkeit des 8204 anzusehen indem ich die, sich ergebenden, Abweichung protokollierte.

Möglichst zur selben Zeit, habe ich, nach bestem Wissen und Gewissen, meine Uhrzeit mit der auf meinem Laptop verglichen. Keine Zeitwaage also, doch ergab sich ein schon ziemlich genaues Bild.

Im Durchschnitt, nur unterbrochen von gelegentlichen “Ausreißern”:

Dezember 23: 31 Tage/5,3870 sec. Vorgang

Januar 24: 31 Tage/5,0322 sec. Vorgang

Februar 24: 25 Tage/4,64 sec. Vorgang

März 24: 30 Tage/3,2 sec. Vorgang

April 24: Durchschnitt 2 sec. Vorgang…seit 2 Tagen 6 bzw. 9 Sekunden Nachgang.

Ich habe mich erstmal gewundert, da der Wert zwar immer weiter herunterging, doch auch gefreut wie ein Schnitzel, da ich ca. 3 bzw. 2 sec. Vorgang für dieses Werk für erwähnenswert halte. 

Frage: Da scheint sich nichts einzulaufen oder aber es geschieht viel langsamer als vorhergesagt.

Kennst Du so etwas und fällt Dir etwas dazu ein?

Ich tendiere inzwischen dazu die Uhr als eine Art “Katzen-Tamagotshi” anzusehen, das sowieso macht, was es will (…mein Trageverhalten/meine Biodynamik ist in der Regel konstant… also kein Holzgehacke etc.), was ich schlicht hinzunehmen habe, wenn ich schlau bin und um meine Nerven zu schonen. Soweit es keine merkbare Verschlechterung gibt, wobei meine rote Linie wohl 20 sec. Abweichung wären.

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Eine Sache vorweg: der liebe Mario hat schon einmal einen Test zu dieser Uhr gemacht: Citizen Promaster Automatik (NY0040 & Co.) im Test. Hier könnt ihr gerne mal rein lesen, um zu sehen, um welche Uhr es sich eigentlich handelt.

Die Uhr ist bereits ab einem Preis von ca. 200€ erhältlich. Da könnte man also meinen, dass man hier nicht allzu viel erwarten darf. Unser Leser beweist aber mit seinen Messungen das Gegenteil. Die Uhr scheint sehr stabil und vor allem sehr genau zu laufen.

Wie er oben schon geschrieben hat, ist ein Miyota Werk der 82er Serie verbaut: Und zwar das Miyota 8203 bzw. Miyota 8204, das gegenüber dem 8203 mit einem Sekundenstopp kommt. Miyota ist ein Japanischer Werkehersteller, der sich seit den Problemen bei der Swatch Group und ETA sehr schnell in viele Uhren „eingeschlichen“ hat. Das hat auch seine Berechtigung! Die, teilweise immer noch mit einem schlechten Ruf versehenen, Werke aus Fernost werden nämlich immer besser! Miyota baut mittlerweile wirklich gute und teilweise auch schöne Werke, die sehr stabil laufen und vor allem günstig sind. Ich finde diese Strategie spitze, weil solche Uhren und Werke den ein oder anderen Uhrenkäufer zum Liebhaber mechanischer Uhren mutieren lassen können. 😊

image
Das ebenfalls verwandte Miyota 8205, Bild: Miyota

Nun aber zurück zu unserem Leserschreiben: Er schreibt, dass ihm gesagt wurde, dass sich das Werk eventuell erst noch einlaufen müsse. Meine Meinung (mit technischem Hintergrundwissen) zum Einlaufen von mechanischen Uhren habe ich in folgendem Bericht schon ausführlich erörtert: „Mythos oder Realität? Die Wahrheit über das „Einlaufen“ von Automatikuhren“.

Ich finde es jedenfalls gut, dass unser Leser das ganze akzeptiert hat und erst zwei Monate später mit den Messungen begonnen hat. Diese Messungen hat er ausschließlich über den Vergleich mit einer Laptop-Uhr durchgeführt, da er keine Zeitwaage besitzt. Dies ist und bleibt immer noch die einzig echte Gangkontrolle bei Uhren. Eine Zeitwaage ist ein Werkzeug und dient nicht zur absoluten Gangermittlung. Näheres zu diesem Thema und allgemein zur Zeitwaage könnt ihr euch an einem entspannten Abend in unserem letzten ChronoBros Livestream ansehen: „Zeitwaagen: Profi-Gerät vs. China-Gerät vs. App“.

Wie man an den Durchschnittswerten des Lesers erkennen kann, sind die Gangwerte echt spitze! Hier möchte ich mal anmerken, dass sich das Werk laut Hersteller einen Gang von -20 bis +40 Sekunden Abweichung pro Tag erlauben dürfte. Da sind Gangwerte von ca. 5 Sekunden sehr sehr sehr gut und jeder Uhrenfreund kann sich da unglaublich glücklich schätzen!

Den abweichenden Gang von Dezember bis April würde ich allerdings nicht aufgrund des stark diskutierten „Einlaufens“ begründen, sondern mit Hilfe von physikalischen Hintergründen, die die äußeren Einflüsse auf die Uhr verursachen: Nicht nur das Trageverhalten, sondern auch Einflüsse wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck usw. haben Einfluss auf den Gang der Uhr. Wer dazu mehr wissen möchte, kann gerne in diesen vergangenen Bericht von mir reinlesen: Stöße, Temperaturschwankungen & Co.: Störfaktoren für die Gangwerte einer mechanischen Uhr [Teil 1].

Ich würde diese (immer noch sehr geringe!) Abweichung mit Blick auf die Temperaturunterschiede zwischen Dezember und April begründen. Jetzt könnte man natürlich argumentieren, dass man ja normalerweise meistens drinnen ist und da immer die Heizung gelaufen ist usw. Ich gehe aber trotzdem davon aus, dass es an der Temperatur liegt – das stetige Verlangsamen der Uhr könnte man sogar für ein Lehrbuch verwenden.

Nun aber mal weiter zu den technischen Hintergründen: Jeder weiß, denke ich, dass ein langes Pendel langsamer schwingt, als ein kurzes Pendel. Genauso verhält sich auch die Spirale der Unruh in einer mechanischen Uhr. Je länger die Spirale ist oder je größer der Unruhreif ist, desto langsamer schwingt die Unruh. Jeder weiß wahrscheinlich auch noch aus Physik in der Schule, dass sich wärmere Materialien ausdehnen und somit minimal größer werden. Dadurch, dass es also von Dezember bis April (Ausnahmen bestätigen die Regel), stetig wärmer geworden ist, hat sich sowohl die Spirale, als auch die Unruh minimal vergrößert und somit schwingt das Schwingsystem etwas langsamer, was zu dem leichten Nachgang der Uhr führen kann.

Wie in meinem Bericht zu den Störfaktoren für die Gangwerte von mechanischen Uhren nachgelesen werden kann, gibt es natürlich unzählige Einflüsse, die hier mit reinspielen können. Deshalb möchte ich nochmal erwähnen, dass es sich wirklich nur um eine Vermutung meinerseits handelt. Genau kann man leider nie sagen, wo diese Gangänderungen herkommen. Ich finde diese Theorie aufgrund des, vom Leser erwähnten, gleichbleibenden Trageverhaltens jedenfalls am sinnvollsten. Mich würde allerdings interessieren, ob dies tatsächlich zutreffend ist und möchte den Verfasser der Nachricht darum bitten diese ausführliche Dokumentation weiterzuführen, damit man eventuell den gegenteiligen Effekt am Ende des Jahres wiedererkennen kann. Das wäre wirklich unglaublich interessant! Ein solch langer Langzeittest wäre da sehr aussagekräftig!

Die von ihm akzeptierten 20 Sekunden Abweichung finde ich bei diesem wirklich sehr genau laufenden Uhrwerk fair, auch wenn der Hersteller hier bei einer Beschwerde nicht zucken wird, weil die Gangwerte des Werkes eine so große Toleranz erlauben. Dennoch bin auch ich als Uhrmacher bei ihm, wenn er manche Uhren mit einem “Katzen-Tamagotshi” vergleicht. Es gibt da draußen tatsächlich Uhren, die einfach jeglichen Erfahrungen und Wissen aus Lehrbüchern trotzen und machen, was sie wollen. Dennoch sehe ich in diesem Fall wie gesagt eindeutig die Temperaturunterschiede zwischen Dezember und April als ausschlaggebenden Einfluss für die obenstehenden Gangänderungen.

Ich hoffe, dass ich damit die Frage ausreichend beantwortet habe und freue mich jederzeit über Rückmeldungen in den Kommentaren. 😊

Außerdem hoffe ich, euch mit den vielen Verlinkungen nicht überrumpelt zu haben. Wenn ihr Lust habt, könnt ihr hier ja gerne mal rein lesen. Schaut doch gerne auch noch in Teil 2 über die Störfaktoren vorbei: Störfaktoren für die Gangwerte einer mechanischen Uhr: die Kompensation [Teil 2].

Ich freue mich auf den nächsten Technik-Bericht!

Euer Leon von ChronoRestore!

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Dirk
24 Tage zurück

Moin Leon,

Messung Juni.

Messungen: 30
Durchschnitt: 3.7 Sekunden Vorgang

Gegen Ende des Monats gab es eine Kolonne von 5 Sekunden Differenz, der Rest war Dienstplan.

(Das Wetter:
Der Juni 24 war ein angenehmer bis wohltuend warmer Herbstmonat. Abends kam dann schon mal die kuschlige Kapuzenjacke zum tragen und geheizt durfte auch werden. Anheimelnd.
Sehr wenige Tage um 25 Grad.)

Servus

Dirk
Hamburg

PS: 1973 hat die “Controle Officiel Suisse des Chronometres” (COSC) -4 bis +5 Sekunden Abweichung als Norm festgelegt. (“Die Uhr”, A. Barter, Prestel Verlag 2021)

Ich habe eine Uhr, die sich in den Chronometerparametern bewegt. Meistens. Find` ich gut. 😉

PPS: Allein es fehlt der Glaube… wie soll es möglich sein, eine Uhr zu bauen, deren Teile mechanischer Natur sind, mit allen Reibungen und Bewegungen, mit schon allein dem Spiel der Unruh, was seine Natur mit sich bringt, die 0(!) Sekunden Abweichung auf die Waage bringt??
Angeblich gibt es soetwas.

Leon?

Dirk
1 Monat zurück

Moin Leon,

Messung Mai.

Messungen: 31
Durchschnitt: 3.8 Sekunden Vorgang

Der Verlauf der Messung war unauffällig.

(Das Wetter:
Der Wonnemonat 24 war bei uns durchwachsen. Eher Mau, bis zur Mitte. Wenige Tage um 25 Grad Celsius.)

Servus

Dirk
Hamburg

Dirk
2 Monate zurück

Lieber Wolfgang,

schönen Dank für Deinen interessanten Kommentar.

Zum einen ergaben sich die ungeraden Messwerte durch das Teilen der Abweichung durch die gemessenen Tage.
Das nächste mal runde ich dann vielleicht.
Zum anderen habe ich bis dato keine Wissenschaft aus diesem kleinen Projekt gemacht und habe es auch weiterhin nicht vor.

Servus

Dirk

PS: Ja, mein Wert für den April ergibt sich aus insgesamt 31 Tagen Beobachtung. Sehr Aufmerksam von Dir.
Im Februar habe ich sie sogar zweimal gestellt, und habe dann noch einmal von vorn begonnen, woraus sich 25 Tage ergaben.

Wolfgang Kühn
2 Monate zurück

 Lieber Dirk,

zunächst: Vielen Dank für Deine überaus positiven Erfahrungen, die Du mit uns teilst!

Den Gang einer Uhr gemittelt auf tausendstel Sekunden anzugeben halte ich für sinnlos.

Begründung:

Zu groß sind die täglichen Ablesefehler zwischen Zifferblatt und einer wie auch immer gearteten Uhr eines Laptops, die sich übrigens auch nicht immer regelmäßig via NTP synchronisiert.
Laptop / PC / IPAD / Smartphone:

Will ich die „genaue“ Zeit nehmen, rufe ich zunächst die PTB Uhr auf ( https://uhr.ptb.de/ ) und aktiviere deren Sprachausgabe ( beim nächsten Piep ist es ….). So kann ich mich auf das Zifferblatt der zu prüfenden Uhr konzentrieren. Parallaxenfehler sind trotzdem vorhanden, der Sekundenzeiger der Citizen bewegt sich in einer Sekunde allerdings nur um 3 Teilschritte.
Freaks nehmen das Zifferblatt mit Makrofunktion auf, während die PTB Uhr piept.
Maximale Fehlablesung sollte hierbei höchstens ein Teilschritt des Sekundenzeigers sein.

Protokoll mit Tabellenkalkulation muss m.E. mindestens folgende Punkte beinhalten:

1. Wann wurde die Uhr ums Handgelenk gelegt?
2. Wann wurde sie des Nachts in welcher Lage abgelegt (Zifferblatt oben, unten, Krone oben, unten, links,rechts). Dies ist wichtig, um die Lagedifferenzen ermitteln zu können.

Bsp.

Tag 1 06:00 Uhr + 3
23:00 Uhr -3 Kr(one) o(ben)
Tag 2 06:00 Uhr -1 (hier Spalte mit Formel für Lage Nachtruhe hier: in 7 Std +2 Sek., also +7 mittlerer Gang)
22:00 Uhr -3 Z(ifferblatt) u(nten)

etc

Kenne ich den Gang in einer Lage, so kann ich durch gezieltes Ablegen den Tagesgang der Uhr kompensieren.

Ich habe vor zwei Jahren meine ca. 20 Jahre alte Diver’s Automatik zur Revision nach HH gesendet und erhielt ebenfalls die Uhr mit dem neuen Werk mit Sekundenstopp zurück. Und dies für 90€!

Die Uhr läuft ebenfalls wesentlich besser als im angegebenen Rahmen und besser als mit altem Caliber. Ich bin jetzt zu bequem, ob täglich x oder y Sekunden, ich würde sagen ca. 2 Minuten.

Meiner geringen Erfahrung (GMT Master II, Submariner, Oyster Perpetual) nach laufen Rolex Uhren auf lange Zeit (bis zu 10 Jahren) sehr stabil und gleichmäßig, während ich dies bei Omega nur bei METAS zertifizierten Calibern innerhalb von 5 Jahren festgestellt habe.

Chronometer ( Spiralfedern sind extrem wichtig, die Temperaturkompensation und die Justierung in den verschiedenen Lagen) laufen zudem meiner Erfahrung bei pfleglicher Behandlung genauer als günstigere Uhren. Ich habe vor vielen Jahren bei dem damaligen Uhrenhändler meines Vertrauens von einem Kunden erfahren, der mit seiner schicken Lange Uhr unbedingt Golf spielen musste.
Die Uhr musste regelmäßig neu eingestellt werden…..

P.S.
Der Monat April hat 30 Tage!
Bitte Rechtschreibfehler nicht überbewerten, danke.

Dirk
2 Monate zurück

Moin Leon,

vielen Dank für die ausführliche Antwort.
Ich finde, das man am Beispiel der Citizen NY0040 sagen kann, das Gutes nicht teuer sein muß und bin mehr als zufrieden mit ihr.
Auch empfehle möchte ich jedem, der erwägt sich eine mechanische/automatische Uhr zuzulegen, den sehr gut recherschierten Artikel zu der Uhr, und insbesondere der Firma Citizen im allgemeinen, von Mario zu lesen (oben verlinkt).
Ich werde die tägliche Dokumentation fortführen. Wir werden sehen wie sich die Werte im laufe des Jahres verändern und ob sich Deine Theorie bewahrheitet.
Bis dahin, spätestens. 😉

Servus

Dirk
(Verfasser des Leserbriefes)

PS: April 24: 31 Tage/2,129sec. Vorgang