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Hallo liebe Chrononautix-Leser! Heute möchte ich mich einem Thema widmen, das den ein oder anderen von euch sehr interessieren wird. Ich möchte mit euch über den Zusammenhang zwischen der Frequenz des Schwingsystems und dem schleichenden Sekundenzeiger sprechen.

Sehr interessant wird dieses Thema, wenn man im Millisekundenbereich mit einem Chronographen messen möchte bzw. die Bereiche zwischen den Sekunden ordentlich ablesen möchte. Vielleicht ist es dem ein oder anderen schon einmal aufgefallen, dass manche Chronographen auch zwischen den einzelnen Sekundenstrichen noch weitere kleine Striche besitzen. Ich erkläre heute, wofür diese da sind und ob sie nur für das Design da sind oder ob sie wirklich einen Sinn haben. 😊

Tipp: Mehr zum Thema gibt’s im ChronoBros-Livestream:

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Wie Frequenz und schleichender Sekundenzeiger zusammenhängen

Um auch die Anfänger der Uhrentechnik abzuholen, möchte ich aber noch einmal kurz auf den Kraftverlauf in den Uhren eingehen. Die Kraft in unseren mechanischen Uhren wird im Federhaus gespeichert und direkt an das Räderwerk weitergegeben. Bei dem Dauerrenner ETA 2824-2 besteht das Räderwerk beispielsweise aus einem Großbodenrad (oder oft auch Minutenrad), Kleinbodenrad, Sekundenrad und dem Hemmrad. Diese Räder bilden insgesamt ein Getriebe. Das vorherige Rad greift immer in das Trieb des nachfolgenden Rades. So greift also die Verzahnung des Federhauses in das kleine Trieb des Minutenrades. Die große Radscheibe des Minutenrades greift dann in das kleine Trieb des Kleinbodenrades ein. So geht das Ganze weiter bis zum Hemmrad. Diese Reihenfolge der Eingriffe sorgt dafür, dass sich beim Aufziehen der Uhr (ohne den Einbau der Hemmung) das Hemmrad unglaublich schnell dreht, während sich das Federhaus recht langsam dreht. Wenn das Federhaus eine Umdrehung vollzogen hat, zählt das Hemmrad ca. 7.700 Umdrehungen. (Abbildung 1)

Um diesen unkontrollierten Ablauf des Räderwerkes zu verhindern, muss noch der Anker des Schwingsystems eingebaut werden. Dieser greift immer mit einer seiner Ankerpaletten in die Verzahnung des Hemmrades ein und blockiert dieses. Erst, wenn man den Anker hin und her bewegt, dreht sich das Hemmrad Stück für Stück, Zahn für Zahn, weiter. Da es keine „kleine Heinzelmännchen“ gibt, die man in diese Uhr hineinsetzen konnte, um den Anker von einer zur anderen Seite zu werfen, muss man sich eine andere Möglichkeit der Automatisierung dieses Prozesses einfallen lassen (*zwinker*). Hier kommt das Schwingsystem ins Spiel. Das Schwingsystem besteht aus einer Unruhwelle, Doppelrolle, Unruhreif und einer Spirale. Die Spirale sorgt dafür, dass sich das Schwingsystem nach dem Anschwingen hin und her dreht. Die Doppelrolle hat dann nur noch die Aufgabe von hinten in den Anker einzugreifen und ihn von einer Seite zur anderen zu werfen. So wurde der Prozess automatisiert und die Uhr läuft. Da dem Schwingsystem über den Anker immer wieder Kraft zugeführt wird, wird die Schwingung auch aufrecht erhalten, bis die Zugfeder im Federhaus komplett entspannt ist und keine Kraft mehr speichert. (Abbildung 2)

Damit die Uhr nun noch eine Zeit anzeigen kann, wurde das Zusammenspiel aus Schwingung des Schwingsystems und Übersetzung im Räderwerk so berechnet, dass sich das Minutenrad in einer Stunde genau einmal dreht und das Sekundenrad in einer Minute genau einmal dreht. Wenn ihr mehr über die Zeitanzeige und das Zeigerwerk einer mechanischen Uhr wissen wollt, dann könnt ihr euch folgende Berichte gerne durchlesen:

Grundlagen: Funktionsweise einer mechanischen Uhr

oder

Warum liegt bei mechanischen Uhren eigentlich der Stundenzeiger immer UNTER dem Minutenzeiger?

Nun aber wieder zurück zum Thema! Wir schränken unseren Blick etwas ein und schauen nur auf den Bereich zwischen dem Sekundenrad, auf dem der Sekundenzeiger direkt aufgepresst wird, über das Hemmrad und den Anker bis zum Schwingsystem. Vielen wird der nächste Fakt bekannt sein. Die meisten aktuellen Uhren machen 28800 Halbschwingungen in der Stunde. Doch was bedeutet das genau? Als Halbschwingung bezeichnet man hier eine Drehung des Schwingsystems von der Nullage in eine Richtung und wieder zurück bis zur Nullage. Während einer Halbschwingung wird der Anker genau ein Mal umgeworfen, lässt das Hemmrad also um einen Zahn weiterdrehen. Wenn sich das Hemmrad leicht weiterdreht, dann dreht sich natürlich auch das Sekundenrad und das restliche Räderwerk ein minimales Stück weiter. Wie weit genau, das möchte ich nun mit euch berechnen.

Wenn das Schwingsystem 28800 Halbschwingungen in der Stunde macht, dann sind das 28.800/60=480 Halbschwingungen in der Minute und 480/60=8 Halbschwingungen in der Sekunde. Anders gesagt, wird das Hemmrad also 8-mal in der Sekunde um einen Zahn weitergedreht. Somit dreht sich auch das Sekundenrad 8-mal in der Sekunde um eine kleine Winkelbewegung weiter. Da direkt auf der Sekundenradwelle unser Sekundenzeiger sitzt, macht unser Sekundenzeiger also genau 8 kleine Sprünge in der Sekunde. Eine Sekunde sind 1000 Millisekunden. Wenn wir diese durch 8 teilen, dann kommen wir auf 125 Millisekunden. Der Sekundenzeiger macht also alle 125 Millisekunden einen Sprung. Da es bei den meisten Armbanduhren aber zwischen zwei Sekundenstrichen eng wird sieben weitere Teilstriche unter zu bringen, haben viele Hersteller nur 3 weitere Teilstriche eingefügt. Dies wären dann also 4 Sprünge bis zur nächsten Sekunde. So kann man also zumindest 250 Millisekunden-Schritte mehr oder weniger ordentlich ablesen.

Zenith-El-Primero-Chronomaster-42
Bei diesem Zenith El Primero Chronographen sind die Teilstriche also richtig. Mit seinen 36.000 Schwingungen pro Stunde macht er also 10 Sprünge in der Sekunde. Somit würde der Sekundenzeiger immer genau auf oder zwischen zwei Teilstrichen beim Stoppen des Chronos landen.

Hier setzt uns das menschliche Auge (ohne den Einsatz von Lupen oder Mikroskopen) eine Grenze. Damit wir feinere Unterteilungen ablesen könnten, müsste die Uhr im Durchmesser deutlich größer werden, damit die Sekundenstriche weiter auseinander wandern und wir mehr Teilstriche zwischen den Sekunden hinzufügen können.

Die Frequenz einer Uhr wird aber oft nicht in Halbschwingungen, sondern in Hertz (Hz) angegeben. Hertz beschreibt die Vollschwingungen in der Sekunde. Wenn unsere Uhr also 8 Halbschwingungen in der Sekunde vollzieht, dann sind das 4 Vollschwingungen und damit 4 Hz. Immer, wenn ihr die Angabe in Hertz verdoppelt, dann wisst ihr wie viele Sprünge euer Sekundenzeiger pro Sekunde vollzieht. Je höher die Frequenz, desto schleichender wirkt der Zeiger, weil er viel mehr Sprünge in dieser einen Sekunde vollzieht. Irgendwann wird dies für das menschliche Auge aber nicht mehr sichtbar und der Zeiger wirkt für uns vollständig schleichend, obwohl er immer noch ganz viele kleine ruckartige Bewegungen macht.

Höherfrequente Uhren sind zum Beispiel 5Hz-Uhren. Diese führen statt den 28800 Halbschwingungen pro Stunde gleich mal 36000 Halbschwingungen pro Stunde aus. Beispiele dafür wären die Grand Seiko High Beat-Modelle oder der Zenith El Primero Chronograph. Beim Zenith Chrono wurde das Problem der Darstellung der Sekunden durch einen zusätzlichen Zeiger auf einem zusätzlichen Zahnrad im Räderwerk gelöst. Dieser Zeiger dreht sich dann einmal pro Sekunde und zeigt aufgrund der 5 Hz und somit 5 Teilsprünge pro Sekunde sehr genau die 100 Millisekunden an.

Mittlerweile bauen die Marken, wie auch Zenith oder TAG Heuer, Uhren mit noch höherer Messgenauigkeit. Hier handelt es sich um 50 Hz-Schwinger, die das Stoppen von 1/100-Sekunden ermöglichen. (siehe z.B. TAG Heuer Carrera Mikrograph 100 oder Zenith Defy Extreme). Diese werden dann aber nicht mehr vom normalen Laufwerk für die Zeitanzeige angetrieben, sondern besitzen ein zweites Laufwerk, dass dann mit einem 50 Hz Schwinger betrieben wird. Dieses Laufwerk ist dann nur für den Chronographen da. Die beiden Laufwerke werden getrennt, weil sonst die Gangreserve sehr schnell in den Keller gehen würde. Das Chronolaufwerk mit dem 50 Hz Schwinger läuft bei Vollaufzug dann auch nur knapp eine Stunde, weil sich das Federhaus viel schneller drehen muss und sich die Feder damit viel schneller entspannt als beim normalen Laufwerk mit 4 oder 5 Hz.

Ich hoffe, dass meine Erklärungen zu diesem Thema verständlich waren und ich euren „Uhren Horizont“ wieder erweitern konnte! Ich freue mich jederzeit über eure Rückmeldungen in den Kommentaren und freue mich auf den nächsten Bericht!

Bis dahin!

Euer Leon von ChronoRestore

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