Liebe Chrononautix Leser, in einem unserer letzten Facebook/Instagram Beitrรคge รผber eine Omega Seamaster haben wir deren Funktionen inklusive des Heliumventils besprochen. Nach der interessanten Frage in den Kommentaren, wie denn das Helium รผberhaupt in die Uhr gelangt, dachte ich mir, dass wir heute mal einen kleinen Ausflug in die Welt des Tauchens unternehmen und dabei auf die Besonderheiten einer Taucheruhr eingehen. Ich habe schon im Jugendalter meinen Tauchschein gemacht und mรถchte deshalb auch ein wenig auf die Hintergrรผnde beziehungsweise verbauten Funktionen der Taucheruhr eingehen und beschreiben, warum diese benรถtigt werden…
[Beitrag von Leon Zihang, Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com] |
Taucheruhren: Wasserdichtigkeit und die Krux mit der Krone
Zuerst aber mal zur Wasserdichtigkeit im Allgemeinen: Taucheruhren mรผssen unter Wasser extremen Bedingungen standhalten und gleichzeitig eine genaue Zeitmessung ermรถglichen. Dies funktioniert nur, wenn das Gehรคuse komplett wasserdicht ist und das Werk nicht schon nach wenigen Metern โabsรคuftโ.
Um diese Wasserdichtigkeit herzustellen, werden heutzutage im Bereich der Lรผnette, des Glases und im Bodenbereich teilweise mehrere Dichtungsringe aus synthetischem Kautschuk verwendet. Da diese Teile des Gehรคuses meist fest verschlossen bleiben, stellt die Wasserdichtigkeit bei einem einwandfreien Zustand an diesen Stellen meist kein Problem dar.
Das groรe Problem ist die Krone, durch welche der Anwender einen Zugang zum Uhrwerk im inneren erlangt, zum Beispiel, um die Uhrzeit einzustellen. Hier gibt es unterschiedliche Varianten, bei der Taucheruhr werden aber hauptsรคchlich verschraubte Kronen verwendet, da erst hier ein ordentlicher Anpressdruck der Dichtungen gewรคhrleistet werden kann.
In Abbildung 1 sieht man den Querschnitt einer solchen verschraubten Krone mit ihrem Tubus und drei Dichtungen (der Tubus ist ein keines Rรถhrchen, das in das Gehรคuse geschraubt oder gepresst wird und dient zur Fรผhrung der Aufzugwelle und Krone).
Verschraubte Kronen mit drei Dichtungen gelten als sehr wasserdicht und kรถnnen schon hรถhere Tiefen vertragen. Oft befindet sich auch noch im Boden der Krone eine Dichtung, die beim Zuschrauben der Krone fest gegen den Tubus gepresst wird.
Bezรผglich der Wasserdichtigkeit von Uhren sollte man aber dringlichst beachten, dass die meisten Hersteller keine Wasserdichtigkeit garantieren. Wasserschรคden werden zwar oft aus Kulanz repariert, aber die Wasserdichtigkeit wird beim Prรผfen nur zum Zeitpunkt der Prรผfung garantiert. Sobald der Kunde damit aus dem Haus geht und eventuell mit der Uhr am Tรผrstock hรคngen bleibt, kรถnnen sich die Dichtungen verschieben oder das Gehรคuse verziehen und schon ist die Wasserdichtigkeit nicht mehr gegeben. Oftmals liegt es auch an einfachen Bedienungsfehlern bzw. Unachtsamkeiten, die dafรผr sorgen, dass die Krone nicht vollstรคndig eingedrรผckt oder verschraubt ist.
Die Funktionen einer Taucheruhr
Nun aber zurรผck zu den Funktionen einer Taucheruhr. Taucheruhren besitzen meist eine drehbare Lรผnette. Diese dient dazu, um die verstrichene Zeit beim Tauchen abzulesen. Dafรผr wird der groรe Index bei „12 Uhr“ so weit gedreht, bis der Minutenzeiger der Uhr direkt auf diesen Index zeigt. Beim Tauchen kann man dann immer die bereits verstrichenen Minuten an der รคuรeren Lรผnette ablesen, je nachdem wo der Minutenzeiger gerade hinzeigt. Meist ist der 15 Minuten-Index der Lรผnette etwas hervorgehoben. Dies hat den Grund, dass die Tauchflaschen meist fรผr 15 Minuten Atmung unter Wasser ausgelegt sind und die meisten Tauchgรคnge von Freizeittauchern meist 15-20 Minuten dauern. Dies ist allerdings nur eine grobe Orientierung. Wie schnell sich die Flasche leert, hรคngt natรผrlich davon ab, wie schnell und wie viel man unter Wasser atmet und wie groร die Atemgasflasche tatsรคchlich ist.
Normalerweise hat man immer ein Manometer mit dabei, welches den tatsรคchlichen Druck (Fรผllstand) der Flasche anzeigt. Normalerweise sollte die Lรผnette nur gegen den Uhrzeigersinn drehbar sein. Der Grund dafรผr ist, dass wenn man unter Wasser irgendwo mit der Uhr hรคngen bleibt, man bei einer ungewollten Drehung der Lรผnette die Tauchzeit nur verkรผrzen und niemals verlรคngern kann. Dies ist also ein wichtiger Sicherheitsaspekt, falls man ohne Manometer tauchen gehen sollte.
Natรผrlich ist auch die sichere Zeitmessung mit der Uhr wichtig. Um dies zu erklรคren, mรถchte ich etwas ausholen und tiefer in die Tauchmaterie eindringen. Beim Tauchen wird der Kรถrper einem hohen Druck ausgesetzt. Unter diesem hohen Druck verhalten sich die eingeatmeten Gase in unserem Kรถrper etwas anders und kรถnnen sogar zur Gefahr werden. In grรถรeren Tiefen nimmt der Kรถrper des Tauchers in den Geweben Stickstoff aus seiner Atemluft aus der Flasche auf. Wenn man nun zu schnell aufsteigt, wird der Druck auf den Kรถrper wieder geringer. Dabei sinkt auch der Druck, der auf den Stickstoff wirkt, der sich bereits in unserm Blut befindet. Wenn wir nun zu schnell aufsteigen, kann es sein, dass der Stickstoff Blasen bildet – das ist zu vergleichen mit einer Flasche Limonade, in der man durch schรผtteln Druck aufgebaut hat und die Flasche dann ganz schnell รถffnet: Sie schรคumt รผber.
Nun kรถnnt Ihr euch wahrscheinlich vorstellen, was da in unserem Blut passieren kann und wie gefรคhrlich das ist. Die Blasen kรถnnen zu einer Dekompressionskrankheit, oder auch โTaucherkrankheitโ genannt, fรผhren. Ab einer bestimmten Dauer und Tauchtiefe muss man beim Auftauchen sogenannte Dekompressionsstops einlegen. Dabei bleibt der Taucher fรผr ein paar Minuten in einer bestimmten Tiefe, um den Stickstoff wieder kontrolliert abzubauen. Die Dauer dieser Stopps und in welchen Tiefen sie stattfinden mรผssen, kann man anhand von Computern oder speziellen Tauchtabellen ermitteln. Bei einer maximalen Tauchtiefe von 40 Metern beispielsweise sollte man einen dreiminรผtigen Stopp in einer Tiefe von 5 Metern vollziehen. Falls unsere Taucheruhr bis dahin schon abgesoffen ist, lassen sich die drei Minuten aber natรผrlich sehr schlecht messen. ๐
Taucheruhren: Heliumventil
Zu guter Letzt mรถchte ich noch auf die Funktion des Heliumventils eingehen. Die Frage war ja, wie das Helium รผberhaupt in die Uhr reinkommen kann. Und da ist schon der Punkt. Das kann tatsรคchlich nur hochprofessionellen Tauchern passieren. Im Wasser befindet sich nรคmlich gar kein Helium. Bei professionellen Tauchgรคngen, wie zum Beispiel wissenschaftlichen Tauchmissionen in groรer Tiefe, setzen sich die Taucher in Druckkammern, รคhnlich einem U-Boot. In dieser Druckkammer verbringen die Taucher lรคngere Zeitrรคume unter hohem Druck. Die Tauchkammern sind mit einem Helium-gesรคttigten Atemgasgemisch gefรผllt. Warum? Das Helium wird genauso wie der Sauerstoff und der Stickstoff vom Kรถrper aufgenommen. Allerdings hilft das Helium den Stickstoff in den Kompressionsphasen schneller abzubauen. Dies ist bei so tiefen und langen Tauchgรคngen notwendig, da die Dekompressionsstopps sonst sehr lang werden.
Was genau hat das jetzt aber mit der Uhr zu tun? Die Helium-Teilchen sind sehr sehr sehr klein und kรถnnen unter dem hohen Druck durch die Dichtungen des Gehรคuses hindurch diffundieren. Wenn wir also mit unserer Uhr nach unten tauchen, wird der Druck immer grรถรer und die Uhr wird immer stรคrker zusammengepresst. Wenn wir nun eine Weile in diesem Druck verweilen, kommen die kleinen Heliumteilchen in die Uhr und sie dehnt sich wieder etwas aus. Es findet also ein Druckausgleich statt.
Wenn die Druckkammer nun wieder aufsteigt, wird der Druck geringer und die Uhr dehnt sich weiter aus. Das Heliumventil sorgt nun dafรผr, dass die kleinen Heliumteilchen wieder aus dem Gehรคuse austreten kรถnnen und der Druckausgleich aus der Tiefe wieder rรผckgรคngig gemacht werden kann, ohne das Gehรคuse zu รถffnen. So dicht wie die Uhr von auรen ist, so ist sie nรคmlich auch von innen. Wenn wir das Heliumventil nicht hรคtten, wรผrde sich die Uhr beim Aufsteigen immer weiter ausdehnen und je nach Aufbau des Gehรคuses fรถrmlich explodieren.
Das kann man sich vorstellen wie einen Luftballon: Wenn man diesen mit in die Tiefe nimmt, wird dieser durch den Druck immer kleiner. Wenn ich diesen unten weiter aufpuste, damit er wieder genauso groร ist und damit wieder auftauche, ist deutlich mehr Luft darin. Beim Aufsteigen dehnt sich die Luft wieder auf ihr ursprรผngliches Volumen aus und der Luftballon wรผrde platzen. Damit dies bei unserer Uhr nicht passiert, gibt es das Heliumventil, wodurch die eingedrungenen Heliumteilchen wieder entweichen kรถnnen.
Ich hoffe euch hat der kleine Ausflug in die Tauchmaterie gefallen. Der Bericht war zwar nicht ganz so technisch, aber ich denke, dass es fรผr viele ein cooles Hintergrundwissen zu der Technik an ihrem Handgelenk darstellt.
Vielen Dank fรผr eure Fragen und Inspirationen! Macht weiter so!
Bis Bald!
Euer Leon von ChronoRestore
Erstens sind das keine Sauerstoffflaschen, sondern Pressluft, mit reinem Sauerstoff kann man max. 6 m tauchen weil dieser ab 1,7 bar toxisch wird. Zweitens ist das kein Barometer, sondern wenn ein Manometer bzw. in Taucherkreisen Finimeter genannt. Uhrtechnisch aber sehr gut erklรคrt.
Hey Andreas,
hja das stimmt. Bitte entschuldige die falsche Wortwahl. ๐
LG Leon
Wow, super gut erklรคrt und endlich Mal alles Relevante in einem Artikel.
Anmerkung zum Heliumventil, abgesehen davon das die meisten Kรคufer diese Funktion niemals nutzen werden, ist ein Heliumventil eine Schwachstelle die die Uhr absichtlich undicht macht – nur diesmal von innen nach aussen.
Besser ist eine Helium dichte Uhr, z.B. die es fรผr wenig Geld von gibt Citizen – Eco Zilla.
Toller Artikel mit eindrucksvollen Bildern. Gibt es das „Heliumproblem“ auch bei Titangehรคusen?
Hey Martin,
ja dieses Problem hast du bei jedem Uhrengehรคuse, dass nicht aus einem Stรผck besteht. Dadurch, dass wir immer mindestens eine Glasdichtung fรผr das Frontglas verbaut haben, drรผckt es die extrem kleinen Heliumteilchen durch die Dichtung hindurch in das Gehรคuse. ๐
Wenn man dieses Problem lรถsen mรถchte und auch die Uhrzeit ablesen mรถchte, mรผsste das Gehรคuse aus einem komplett geschlossenen Glaskรถrper bestehen. Dieses bietet natรผrlich keinerlei Mรถglichkeiten das Werk zu Servicen oder irgendwie an sie heranzukommen ohne einen Schaden zu erzeugen.