Viele YouTuber, TikToker und Blogger im Allgemeinen loben die Casio MTP 1302 Tiffany รผber den grรผnen Klee – in Verbindung mit dem allgemeinen Hype um die knallige Zifferblattfarbe „Tiffany“-Blau, der von Patek Philippe und Rolex auch auf andere Modelle und Marken rรผbergeschwappt ist, sorgte das dafรผr, dass die Casio MTP 1302 Tiffany (exakte Ref. MTP-1302PD-2A2VEF) รผber Monate รผberall ausverkauft war.
Mehr noch: Infolgedessen wimmelte es auf Marktplรคtzen wie eBay und Chrono24 lange von „Scalpern“, die versucht haben, die Casio MTP Tiffany zu unverschรคmten Preisen zu verticken – bis zu mehrere Hundert Euro und damit ein Vielfaches des UVP.
Mehr: Rolex Tiffany Blue: Der von Patek abgefรคrbte Hype / erschwingliche Alternativen
Man braucht kein Uhrenexperte zu sein, um zu verstehen, dass die Casio MTP 1302 zu den Scalper-Preisen einfach maรlos รผberteuert ist. Nun hat sich die Lage aber mittlerweile entspannt und das Modell ist relativ problemlos bei Casio und diversen Fachhรคndlern zum Listenpreis zu bekommen. Fรผr knapp 60โฌ muss der Kauf doch quasi ein No-Brainer sein, oder? Nun, ganz so einfach ist es leider nicht…
Eckdaten Casio MTP-1302PD-2A2VEF:
- Wasserdichtigkeit 5 bar / 50 Meter
- Durchmesser 38,5mm
- Horn-zu-Horn 44.2
- Hรถhe 9.2 mm
- Gewicht 105 Gramm
- Mineralglas
- Quarzwerk Modul 2784, ungefรคhre Akkulaufzeit 3 Jahre mit Batterie SR626SW, Genauigkeit: ยฑ20 Sekunden pro Monat
- Preis: 59,90โฌ, direkt รผber Casio oder viele Fachhรคndler
Casio MTP 1302 Tiffany (MTP-1302PD-2A2VEF)
Zunรคchst mal: Ich bin groรer Casio-Fan – ich nenne beispielsweise Digitaluhren wie die CasiOak, die „Zurรผck in die Zukunft“-Taschenrechner-Uhr CA-53W-1 und natรผrlich das Aushรคngeschild des Herstellers, die G-Shock, mein eigen. Im analogen Bereich hat beispielsweise die Casio Duro MDV106 (โMarlinโ) durchaus Kultcharakter – nicht zu unrecht. Kann sich die Casio MTP in der Zifferblattfarbe „Tiffany“ (Referenz MTP-1302PD-2A2VEF) hier nahtlos einreihen?
Schauen wir uns zunรคchst das Gehรคuse an: Hier springt vor allem die charakteristische, „gezackte“ Lรผnette ins Auge – ein Merkmal, das man von der Rolex Datejust kennt. Kein Zufall daher, dass die Casio MTP Tiffany von Uhrenfreunden zusรคtzlich den Spitznamen „Datejust“ bekommen hat.
Nun kann man natรผrlich darรผber diskutieren, ob es Casio „nรถtig“ hat der MTP-Reihe Hommagen-Elemente zu verpassen. Der Knackpunkt ist allerdings eher das Gehรคusematerial – Casio schreibt auf der eigenen Website:
Gehรคuse- und Lรผnettenmaterial: Ionisierte Lรผnette
Diese Angabe seitens Casio ist leider maximal intransparent – denn das Gehรคuse ist tatsรคchlich einfach nur aus Messing, also eine Legierung, die hauptsรคchlich aus Kupfer und Zink besteht, wobei Kupfer den Hauptbestandteil ausmacht. Das Messing wiederum ist verchromt โ und der Grund dafรผr ist einfach: um die Kosten gering zu halten. Um die Verwirrung noch zu maximieren, schreibt der eine oder andere Casio-Fachhรคndler sogar fรคlschlicherweise von Edelstahl als Gehรคusematerial – tatsรคchlich aber ist nur der Gehรคuseboden aus Edelstahl („Stainless Steel Back“).
Zugegeben: Optisch merkt man nicht wirklich, dass verchromtes Messing zum Einsatz kommt – der Glanz ist chrometypisch vielleicht etwas hรถher als bei poliertem Edelstahl. Rein praktisch gesehen bin ich bei der Beschichtung trotzdem kritisch: Kratzer sehen in Beschichtungen einfach immer deutlich unschรถner aus als bei echtem Edelstahl, da durch die Beschichtung das Messing durchschimmern kann. Hmm! Mutige Gemรผter kรถnnen aber auch einfach versuchen die Beschichtung komplett zu entfernen, wenn die Kratzer allzu sehr zunehmen โ natรผrlich auf eigene Gefahr. CHRONONAUTIX-Leser Ronald hat das beispielsweise mit dem verchromten Messinggehรคuse seiner gรผnstigen mechanischen Vostok Komandirskie gemacht (mehr dazu in meinem Artikel รผber russische Uhren).
Zusammenfassend sei gesagt, dass die Verwendung von verchromtem Messing (trotz des ziemlich gรผnstigen Preises der Casio MTP) einfach nicht mehr zeitgemรคร ist – vor allem nicht mit Blick auf die enorm starke Konkurrenz aus China in Form von Marken wie Addiesdive oder Pagani Design (dazu mehr im Fazit).
รbrigens bekleckert sich die Webshop-Abteilung von Casio auch bei den Angaben zur Gehรคusegrรถรe nicht grade mit Rum: Von den angegebenen 44.2 ร 38.5 ร 9.2 mm kรถnnte man mitunter darauf schlieรen, dass die Uhr recht groร ist. Tatsรคchlich aber ist die Casio MTP mit 38,5 mm Durchmesser und 9,2 mm Hรถhe ziemlich klein – zu klein fรผr mein Handgelenk mit 19 cm Umfang (die 44,2 mm beziehen sich auf das Horn-zu-Horn-Maร, das ebenfalls ein wichtiger Anhaltspunkt fรผr die Grรถรe ist, aber nicht mal ansatzweise so sehr wie der Durchmesser).
Zumindest das Band ist aber aus Edelstahl – aber auch hier eher Ernรผchterung, statt Aha-Effekt: Das Armband fรผhlt sich alles andere als massiv und sehr klapprig an – kein Wunder, denn wie man beim Blick auf die Seiten der Bandglieder sieht, sind diese nicht „aus dem Vollen“ gefrรคst, sondern aus gefaltetem Blech. Immerhin: Die Faltschlieรe kommt mit vier Lรถchern zwecks Feinjustierung, um sicherzustellen, dass die Uhr gut am Handgelenk sitzt.
Die Stunden-Indizes der Casio MTP sehen auf den ersten Blick appliziert aus – sie sind es aber nicht: Es handelt sich um plastische Erhebungen auf dem Blatt, die wiederum mit metallischer Farbe beschichtet sind – auch hier sicherlich aus Kostengrรผnden.
Alles in allem macht das Zifferblatt aber auf jeden Fall einen sehr gut verarbeiteten Eindruck – auch auf Nahaufnahmen sitzen alle Drucke perfekt (u.a. „WR 50M“ als Hinweis auf 50 Meter bzw. 5 bar Wasserdichtigkeit = Uhr darf beim Duschen am Arm bleiben). Der Zeigersatz scheint ebenfalls ziemlich gut verarbeitet zu sein.
Die knallige Zifferblattfarbe, das an das โTiffany Blueโ der gleichnamigen Edeljuweliers erinnert (Pantone 1837) ist eine Art grelles Tรผrkis/Meerblau/Babyblau/Pastellblau, das geneigte Uhrenfreunde vielleicht an den Urlaub unter Palmen denken lรคsst. Die Farbe ist natรผrlich hochgradig Geschmackssache – es gibt von der Casio MTP aber auch deutlich dezentere Varianten (Weiร, Schwarz, Dunkelgrรผn).
Das Zifferblatt wird von einem Mineralglas geschรผtzt, das bekanntermaรen hinsichtlich Kratzresistenz nicht mit Saphirglas mithalten kann (Mehr: Experiment: Saphirglas vs. K1 Mineralglas/Hardlex vs. Hesalitglas im Bruch- und Kratz-Test).
Fรผr den Antrieb der drei Zeiger und des Datums der Casio MTP sorgt das hauseigene japanische Quarzwerk 2784 mit einer Genauigkeit von ยฑ20 Sekunden pro Monat und drei Jahren Batterielaufzeit mit der Knopfzelle SR626SW. So weit, so unspektakulรคr.
Das Ticken des Sekundenzeigers ist dabei angenehm leise, jedenfalls viel leiser als beispielsweise bei der Omega x Swatch MoonSwatch. Gut ist auch, dass die Zeiger sehr gut auf die Sekundenmarkierungen ausgerichtet sind – das ist in dieser Preisklasse alles andere als eine Selbstverstรคndlichkeit und spricht fรผr eine ordentliche Qualitรคtskontrolle.
Grundsรคtzlich spricht gar nichts gegen ein Quarzwerk in der Preisklasse der Casio MTP – dennoch rate ich aus Preis-Leistungs-Grรผnden eher zu Alternativen…
Abschlieรende Gedanken
In der Summe muss man einfach sagen, dass die zwar teureren, aber hinsichtlich der Spezifikationen weit รผberlegenen China-Hommagen Pagani Design DD36 (mit Saphirglas und mechanischem Kaliber ST16) oder die (selbststรคndigere) Addiesdive Pilotenuhr (mit Saphirglas und Seiko NH35 Automatikwerk) nรผchtern betrachtet das deutlich bessere Preis-Leistungs-Verhรคltnis mitbringen. Im Vergleich wirkt die Casio MTP irgendwie aus der Zeit gefallen – unbeachtet einer mรถglichen Diskussion rund um Sympathien fรผr das japanische Traditionsunternehmen Casio. Insofern empfehle ich die Casio MTP Tiffany hรถchstens mit Rabatt zu erwerben – fรผr 30-40โฌ ist der Zeitmesser bei Gefallen meiner Meinung nach ein ordentlicher Fang.
Mehr: Pagani Design-Nachfolger: Bersigar Uhren im Test โ nix fรผr Hommagen-Hasser!
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich รผber ein Like bei Facebook, Instagram, YouTube oder
Auch รผber WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:
Darรผber hinaus freue ich mich รผber Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprรผft und freigeschaltet). Vielen Dank!
Guten Abend Mario,
ich teile Deine Kritik an der Wahl von verchromtem Messing als Gehรคusematerial. Allerdings habe ich dafรผr einen anderen Grund: Man kann nรคmlich auch beiner Verchromung eine sehr hohe Kratzfestigkeit uns Sรคurebestรคndigkeit erreichen – das beweisen die Armaturenhersteller bei uns im mรคrkischen Sauerland seit Ewigkeiten. Persรถnlich besitze ich neben den genannten Armaturen seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts auch einige „nur“ verchromte Uhren, die auch heute noch perfekt ausschauen. Man muss halt die galvanischen Prozesse behernschen.
Ich sehe Verchromungen immer dann kritisch, wenn man nicht nachvollziehen kann, wie die Verchromung erfolgte. Perfekte Verchromungen erzielt man unter Verwendung von 6-wertigem Chrom, fรผr das es in Europa praktisch, und das zu Recht, ein Verbot bzw. extrem strenge und kostenintensive Auflagen gibt. Stammt wie hier das Gehรคuse von einem nicht nรคher bezeichneten Hersteller in Asien, so ist nur sehr schwer nachzuverfolgen, ob dieser sich tatsรคchlich an alle Gesundheits- und Umweltauflagen hรคlt. Ich habe einfach kein gutes Gefรผhl dabei.