Rolex-Krise in Mรผnchen! Hysterische Szenen vor Weihnachten! – so beschrieb die Redaktion des Boulevardblattes Abendzeitung einst die Situation in den Mรผnchner Shoppingmeilen, um auf leergefegte Auslagen der Rolex-Konzessionรคre hinzuweisen. Man gewinnt den Eindruck, dass in der Metropole mit der zweithรถchsten Einkommensmillionรคrsdichte Deutschlands Hamsterkรคufe stattfinden und Rolex-Uhren gebunkert werden wie Klopapier in der Corona-Krise. Trotz der reiรerischen Schlagzeile der Abendzeitung muss man festhalten, dass die Rolex-Blase in den letzten zwei Jahren tatsรคchlich signifikant angeschwollen ist: In Zeiten, in denen Banken mit Negativzinsen drohen, sehen viele offenbar Rolex-Uhren als attraktive Wertanlage bzw. satte Rendite versprechende Investition. Die Graumarktpreise fรผr Rolex sind exorbitant hoch – der Kauf einer Rolex ist in dem Sinne quasi ein No-Brainer. Oder?
Rolex als Wertanlage kaufen – ein No-Brainer?
Nun, vor einiger Zeit habe ich mich sehr kritisch im Allgemeinen mit dem Thema Uhren als Wertanlage beschรคftigt. Mein Fazit damals, untermauert mit einigen Rechenbeispielen: Uhren sind grundsรคtzlich keineswegs eine so einfache oder sichere Wertanlage wie viele Online-Shops das ihren potentiellen Kunden in „redaktionellen“ Beitrรคgen gerne vermitteln wollen („Investieren Sie in James Bonds Lieblingsuhr!“ etc.).
Faktoren wie…
- signifikante Modellverbesserungen (zum Beispiel Keramiklรผnette und Glidelock-Schlieรe bei der Rolex Submariner),
- Kosten fรผr Revisionen,
- abgelaufene Herstellergarantien,
- Reduzierung (!) von Listenpreisen wie beispielsweise bei IWC
- oder allgemeine Marktverรคnderungen (z.B. Online-Rabatte bei Grauhรคndlern wie Chronext)
… kรถnnen die vermeintlich todsichere Verzinsung einer Uhr ganz schรถn drรผcken und den Spaร an einer „Investition“ schnell verderben. Und das ist auch heute noch grundsรคtzlich so bei Marken wie Omega, Breitling, TAG Heuer oder IWC.
Bei Rolex hat sich die Situation allerdings massiv zugespitzt: Anfang 2018 noch habe ich die beliebte Rolex Submariner ohne Wartezeit bei einem Juwelier direkt mitnehmen kรถnnen. Heute kaum vorstellbar: Mittlerweile hat sich die Situation bei Rolex so verschรคrft, dass beispielsweise die Submariner NoDate mit einem Listenpreis von rund 7000โฌ sogar als Gebrauchtuhr kaum unter 11.000โฌ zu bekommen ist. Weitere Beispiele gefรคllig?
- Die Rolex Air King spaltet die Gemรผter und wird aufgrund der Rolex-untyischen Design- und Farbelemente gerne als „hรคssliches Entlein“ bezeichnet. Das sorgte dafรผr, dass die Air King vor ein paar Jahren noch locker mit ein paar Prozent Online-Rabatt zu bekommen war. Heute undenkbar – selbst die eher unbeliebte Air King ist nur mit saftigem Aufschlag auf den Listenpreis zu bekommen.
- Rolex Daytona und Rolex GMT Pepsi sind nicht ohne Grund die meistzitierten und krassesten Beispiele der Rolex-Blase: Jahre oder Jahrzehnte-lange Wartezeiten bei offiziellen Hรคndlern oder ein Faktor 2 auf den Listenpreis bei (inoffiziellen) Online-Hรคndlern, die mit sofortiger Verfรผgbarkeit werben, sind seit einiger Zeit so normal wie das Amen in der Kirche. Wenn man versucht offline bei offiziellen Rolex-Hรคndlern auf die Warteliste zu kommen, ist die Wahrscheinlichkeit auรerdem hoch, dass man mit schallendem Gelรคchter wieder raus begleitet wird. Das gilt รผbrigens auch fรผr das Ausland: Ein Arbeitskollege berichtete mir kรผrzlich, dass er es auf seinen Geschรคftsreisen in Asien in mehreren Lรคndern (z.B. Singapur) probiert hat an die Rolex Pepsi zu kommen – keine Chance!
- Auch die Rolex Explorer I gehรถrt auch nicht grade zu den beliebtesten Rolex-Modellen. Aber auch hier ist ein saftiger Aufschlag auf den UVP bei sรคmtlichen Online-Hรคndlern ganz normal. Offline ist die Verfรผgbarkeit ebenfalls miserabel: Von mir durchgefรผhrte E-Mail-Anfragen bei verschiedenen Juwelieren im Raum Stuttgart wurden – wahrscheinlich dank strikter Rolex-Vorgaben – allesamt mit inhaltlich รคhnlichen Absage-Textbausteinen beantwortet (viel aufwendige Handarbeit in der Rolex-Manufaktur blabla, groรe Beliebtheit blabla, gerne zeigen wir Ihnen Alternativen blabla. etc. pp.).
Rolex reagierte auf die raketenartige Nachfrage mit einer Preiserhรถhung im Jahre 2020 – immerhin durchschnittlich fast 7% schlรคgt Rolex auf die Listenpreise auf. Besonders betroffen sind beliebte Modelle wie Submariner oder Daytona. Etwas weniger beliebte Modelle wie die Explorer I wurden nur moderat erhรถht.
Ob das das Spekulations-Klientel wohl davon abhalten wird, die Regale leerzukaufen? Wohl kaum! Sehr zum Leidwesen von Uhrennerds, die ihre Uhren nicht irgendwo in einem dunklen Schlieรfach parken, um auf Rendite zu hoffen, sondern diese tragen wollen (ja, ich habe gehรถrt, dazu sind Armbanduhren tatsรคchlich da ;-)).
Am Rande dazu noch eine kleine Pointe: Kurz nach der Bekanntgabe der Rolex’schen Preiserhรถhung zum 1.1.2020 flatterte am 18.12.2019 um 18 Uhr ein Newsletter des bekannten Online-Hรคndlers Chronext in mein Postfach – das Versprechen: Preisstabilitรคt bei Rolex-Modellen! Hรถrt, hรถrt!
Nun mรถchte ich gar nicht tiefer darauf eingehen, dass es bei Online–Uhren-Hรคndlern wie Chronext, Uhrinstinkt, Watchdeal, Uhren2000 & Co. Usus ist sofort verfรผgbare, neue und gebrauchte Rolex-Modelle (insbesondere die Stahl-Sport-Modelle) fรผr weit รผber Listenpreis anzubieten. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann man dazu nur sagen: Warum auch nicht? – die Nachfrage der Spekulanten, die sich scheinbar nicht mal von Aufschlรคgen jenseits der 100% abschrecken lassen, ist ja offenbar vorhanden. „Nur noch fรผr kurze Zeit zu stabilen Preisen“ ist im Chronext-Jargon allerdings offenbar wirklich extrem kurz – bei der Rolex Explorer I beispielsweise gab es innerhalb von 24 Stunden nach besagtem Newsletter eine saftige Erhรถhung um 6,6% von 6750โฌ auf 7200โฌ (UVP 2019 = 5900โฌ / UVP 2020 = 6050โฌ).
Rolex als Wertanlage: Macht die Blase peng!?
Aber zurรผck zu Rolex als Wertanlage. Handelt es sich vielleicht nur um eine Blase, die bald peng macht? Werden sich die Preise wieder auf ein normales Maร einpendeln? Wird es gar einen starken Preisverfall geben? Wird man die Rolex Daytona irgendwann mal wieder zum Listenpreis mit humanen Wartezeiten beim Juwelier bekommen kรถnnen? Nun, das alles halte ich persรถnlich leider fรผr รคuรerst unwahrscheinlich – die Nachfrage ist nach wie vor ungebrochen und viel zu extrem, als dass diese Fรคlle realistischerweise eintreten.
Warum? Nun, zum einen wird Rolex sicherlich nicht die Produktionskapazitรคten massiv erweitern: Die kรผnstliche Verknappung von Luxusgรผtern ist ein gรคngiges Mittel, um die Begehrlichkeiten hoch zu halten. Ziehen wir noch mal die Rolex Daytona oder die Rolex GMT Master II als Beispiele heran: Quasi kein deutscher Juwelier nimmt mehr Bestellungen fรผr besagte Modelle an – bei den groรen Schmuckhรคusern liegen pro Filiale bereits bis zu 300 Vorbestellungen vor. Jรคhrlich werden aber nur bis zu fรผnf Stรผck von Rolex ausgeliefert. Wรคre man der Letzte auf der Liste, kรคme das รhrchen frรผhestens in 60 Jahren. Der Volkswirt wรผrde 5โฌ ins Phrasenschwein stecken und sagen: „Angebot und Nachfrage halt“…
Natรผrlich kann man dagegenhalten, dass die Rolex-Blase derzeit bis zum Anschlag aufgepumpt ist: Die Weltwirtschaft ist bereits seit 2019 im Krisenmodus, die Corona-Pandemie 2020/2021 hat die Lage noch deutlich verschรคrft. Viele deutsche Unternehmen haben Kurzarbeit angemeldet oder bauen Stellen ab. Den typischen bayerischen Einkommensmillionรคr, der nicht wohin mit seinem Geld weiร, wird das natรผrlich weniger jucken. Allerdings drรผckt die Konjunkturflaute sicherlich auf die Bereitschaft von „Gutverdienern“ sich einen Luxusgegenstand wie eine teure Uhr zu leisten. Auรerdem gibt es ja auch noch Alternativen: Die Omega Seamaster 300m beispielsweise hat meiner Meinung nach das bessere Preis-Leistungs-Verhรคltnis als die Rolex Submariner. Und auch von der Rolex-Tochter Tudor gibt’s geniale und gรผnstigere Alternativen wie die Tudor Black Bay 58 (BB58).
Allerdings wird auch eine durchwachsene Wirtschaftslage die Rolex-Preise nicht komplett in den Keller stรผrzen lassen: Rolex setzt nicht nur auf beschrรคnktes Produktionsvolumen bzw. kรผnstliche Verknappung, sondern kontrolliert die Vertriebskanรคle wie kaum eine andere Marke. Hierzu ein Beispiel: In der Mega-Krise 2009 hat Rolex Uhren zurรผckgekauft, die bereits an Juweliere ausgeliefert wurden, um den Druck von diesen zu nehmen. Denn: Ein Juwelier kรถnnte in Krisenzeiten natรผrlich schnell auf die Idee kommen mit Rabatten um sich zu werfen oder an Grauhรคndler weiterzuverkaufen. Ein Preisverfall wรคre aus Image-Grรผnden natรผrlich sehr unschรถn. Das weiร Rolex natรผrlich und spielt – strategisch sehr langfristig denkend – sein komfortables finanzielles Polster geschickt aus, um die Preise stabil und die Begehrlichkeiten hoch zu halten.
Kurzum: Meiner Meinung nach werden die horrenden Online- und Gebrauchtuhren-Aufschlรคge von bis zu 100% oder mehr mittelfristig hรถchstens marginal sinken und sich die Wartelisten nur minimal verkรผrzen – dafรผr wird Rolex schon sorgen. In dem Sinne kann man nur jeden beglรผckwรผnschen, der es irgendwie schafft, eine beliebte Stahl-Sport-Rolex (zum Listenpreis!) รผber die Tรผrschwelle eines Juweliers zu tragen – denn dann ist die beachtliche Rendite bereits sicher eingetรผtet…
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Habe die Stahl-Daytona in Mรผnchen 2014 noch fรผr 10000 Euronen erworben, die Preisentwicklung mittlerweile ist nur noch abartig!!!
Die Diskussion kommt rรผber als gesagt wie es ist. Ohne Eigeninteresse. Vielen Dank!
Uhrenkauf ist eine rein emotionale Sache. Mit rationalen Argumenten „xy hat ein besseres Preis-Leistungs-Verhรคltnis als yz“ kommt man da nicht weit.
Natรผrlich sind Omega und Rolex technisch fast auf Augenhรถhe, aber emotional (und darum geht es beim Uhrenkauf) hat Omega keine Chance gegen Rolex, deswegen taugt auch ausnahmslos jede Rolex als sichere Geldanlage, wรคhrend bei Omega maximal die Moonwatch Emotionen (und eine positive Wertentwicklung) auslรถst
Naja ich wรผsste nicht warum Rolex emotionaler sein sollte als Omega. Die meisten kaufen Rolex doch nur weil die Uhren eine Wertsteigerung haben aber nicht weil die Uhr Sie emotional berรผhrt. Ich mein ich find Rolex macht schรถne Uhren und die Strategie die Sie fahren find ich auch sehr gut. Aber ansonsten hmm…
Das haben alle gemeinsam: Jede Blase platzt mal. Nur weiร niemand wann. Unvorstellbar, wenn mal Erben auf die Idee kommen, all die in Schlieรfรคchern gebunkerten Rolex in benรถtigtes Geld umzuwandeln. รbrigens: Auch mein Tankwart, mein Frisรถr und meine Autoverkรคufer (Hyundai und Porsche) tragen Rolex (vielleicht auch Rollex ? ;-)). Die Argumente von Chronautix bezรผglich Revision, Garantie und Modellwechsel halte ich fรผr stichhaltig, das ist wie Gebrauchtwagen und Neuwagen. Spitzweg-Bilder als Geldanlage wurden รผbrigens auch mal unmodern, die Kundschaft starb aus. Und soooo doll sind die Dinger nun wirklich auch nicht.
Ich bin u.a. auch in einem Forum fรผr Edelmetall (EM) und Mรผnzsammler. Glaub mir, wir sehen erst die Spitze des Eisbergs. Erst wurde die Barkaufgrenze von 10.000โฌ auf 2000โฌ zu Anfang des Jahres runter gesetzt. DAS hat schon mal dafรผr gesorgt, daร es Schlangen vor den EM Hรคndlern gab zum Jahresende. Und auf der Flucht vor Niedrigzinsen gehts jetzt auch in die Uhren. Es sind kleine mobile Gegenstรคnde, in denen man viel Wert speichern kann. Perfekt also fรผr die Krise. Und ja, NORMALERWEISE sind Uhren zum Tragen da. Rolex nimmt da aber ne Sonderstellung ein. Diese Uhren sind wie Bargeld am Arm und wurden und werden nicht umsonst in der Unterwelt gern getragen. Wenn die Polizei dem Kriminellen morgens die Tรผr eintritt und er alles los ist von seinem zweifelhaft erworbenem Geld, kann er wenigstens noch die Uhr am Handgelenk ins Pfandhaus bringen, um sich einen Rechtsanwalt zu leisten. Ein klassischer Krisengegenstand also.
Ich lese in besagten EM Gruppen mittlerweile auch die bangen Fragen wie „Wo kann ich mein Geld noch unterbringen?“, weil die Leute halt keine Lust auf Negativzinsen und Krisen haben. Und da dรผrfte die Flucht in Rolex Uhren nur der Anfang sein. Ich selber beobachte gerade fasziniert, wie meine alte Air King aus den 90ern mittlerweile das doppelte kostet. Denn auch der Gebrauchtmarkt hat massiv angezogen.
Danke fรผr die Ergรคnzung, ist schon irre, was grade in der Finanzwelt los ist…
Wรผnsche ein gesundes Neues Jahr,
nun zum Artikel…
Wenn man sich die Technik unter dem Ziffernblatt einer dieser Wartelistenuhren und deren Gefolge anschaut, tritt bei emotionsloser Betrachtung der Fakten doch schnell Ernรผchterung ein.
Gehaeusehรถhe, Gangreserve auch inklusive der Gangwerte eines Manufakturkalibers und Magnetfeldwiderstand.
Da gibt es mindestens eine Uhrenmarke an der Kenner nicht vorbei kommen. Stichwort Goldener Schnitt.
Lรคsst man sich natรผrlich durch Aesserlichkeiten (Ziffernblatt oder Luenette) den Blick auf das Wesentliche verklรคren, so mรถgen diese Uhren weiterhin mit Wartelisten in Verbindung gebracht werden.
Danke fรผr deinen Input!
„Jรคhrlich werden aber nur bis zu fรผnf Stรผck von Rolex ausgeliefert.“ Mario, ist das ein Tippfehler? Rolex baut und versendet doch nicht nur 5 Pepsi IM JAHR ??
Laut WiWo im August 2019 schon:
https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/kuenstliche-knappheit-wir-wollen-immer-das-was-wir-nicht-haben-koennen/24856740.html
Und ja, ich finde es auch einfach nur krass…
ah! „Pro Filiale“ heisst es da… ok, das klingt schon anders. Trotzdem idiotisch. Auch bei 10 pro Filiale wรผrden die Preise nicht auf Swatch Niveau fallen.
Danke fรผr den Link Mario.
Die Kombination aus mickriger Auslieferungsrate und den ganzen Spekulanten ist halt echt รผbel, wenn man einfach nur eine der Uhren haben und auch tragen (!) will… ๐