Die Welt der Microbrands ist vielfรคltig und es gibt wohl kaum ein Land, in der nicht mindestens eine Microbrand gegrรผndet wurde. Dennoch gibt es mit Magrette, Draken und Beaufort eine durchaus bemerkenswerte Konzentration von Microbrands in Neuseeland. Und es gesellt sich mit Zealandic und deren Einstandsmodell Iceborne nun sogar noch eine Vierte dazu. Ob das wohl an der atemberaubenden und vielfรคltigen Landschaft oder der guten Luft liegt, welche die Marken-Initiatoren zu Kreativitรคt verleitet? Nun, egal was es ist – so viel vorweg: Zealandic ist eine absolut willkommene Ergรคnzung in der Welt der Microbrands. Schauen wir mal genauer hin.
[Update 20. September: Im ersten Anlauf schaffte Zealandic รผber Kickstarter immerhin 45.000โฌ – das hat aber nicht fรผr das selbst gesteckte Ziel von rund 100.000โฌ gereicht. Daher wagt Zealandic nun einen zweiten Anlauf mit einem reduzierten Ziel von rund 30.000โฌ. In jedem Fall gilt natรผrlich: Die Kรคufer bzw. „Backer“ der Kampagne haben nur Kosten, wenn das Ziel erreicht wird]
Eckdaten Zealandic Iceborne:
- Gehรคuse aus 316L-Edelstahl
- Durchmesser 39mm
- Horn-zu-Horn 47mm
- Hรถhe 12mm
- Gewicht: 74 Gramm (am Lederband)
- Verschraubte Krone
- Wasserdichtigkeit 200 Meter / 20 bar
- Schweizer Super-LumiNova C3, Grade X1
- Doppelt gewรถlbtes Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
- Japanisches Automatikkaliber Miyota 9039, Gangreserve 42 Stunden, 28800 bph
- Preis: 699 NZ-Dollar fรผr Super Early Birds = 465โฌ inklusive Einfuhrumsatzsteuer/Zoll
- ab 20. September รผber Kickstarter
Zealandic Iceborne im Hands-On
Wenig รผberraschend mit Blick auf den Markennamen kommt Zealandic aus Neuseeland bzw. Aotearoa (die heute am weitesten verbreitete und meistakzeptierte Mฤori-Bezeichnung fรผr Neuseeland). Zealandic ist dabei eine Microbrand, wie man sie wohl ganz klassisch definieren wรผrde: Die Marke wurde von einem Branchenfremden gegrรผndet, dem ausgebildeten Maschinenbauingenieur Derek.
Die Ideenfindungsphase begann im Jahr 2021 – Dereks Vision: Die neuseelรคndischen Natur โ von den Eishรถhlen des Tasman-Gletschers bis zu den schneebedeckten Bergen der Neuseelรคndischen Sรผdalpen โ einfangen und ein Stรผck weit die Geschichte von Neuseeland erzรคhlen. Das geht schon beim Zealandic-Bildlogo los: Das zeigt auf stark stilisierte Art und Weise Berge und Wellen in Verbindung mit einem ganz besonderen Symbol im Inneren, der Koru.
Der Koru ist ein tief verwurzeltes Symbol in der neuseelรคndischen Kultur, das sowohl fรผr die Mฤori als auch fรผr die gesamte Nation eine wichtige Rolle spielt: Er basiert auf der Form eines jungen Silberfarnwedels, der sich aufrollt und noch nicht ganz entfaltet ist (in etwa wie eine Schnecke). Der Koru steht unter anderem fรผr neue Anfรคnge und Wachstum. Die spiralfรถrmige Form reprรคsentiert auch die Vorstellung von Harmonie und Frieden.
Der Koru wird hรคufig in der Mฤori-Kunst verwendet, insbesondere in Schnitzereien und Tattoos (Tฤ moko). Neben seiner traditionellen Bedeutung hat der Koru auch im modernen Kontext an Bedeutung gewonnen: Er wird oft als Symbol fรผr Fortschritt, persรถnliche Entwicklung und das Streben nach einer besseren Zukunft interpretiert.
In jedem Fall lรคsst sich aus meiner Erfahrung mit Microbrands festhalten, dass es nicht unbedingt von Nachteil sein muss, wenn die Verantwortlichen branchenfremd sind – ganz im Gegenteil: Branchenfremde bringen oftmals viele frische Ideen mit und brechen dadurch Konventionen auf. Es gibt genug positive Beispiele dafรผr, darunter HEINRICH aus meiner Wahlheimat Baden-Wรผrttemberg.
Die Iceborne ist Zealandics Einstandsmodell. Wenig รผberraschend mit Blick auf den Modellnamen hat sich Derek vom ewigen Eis inspirieren lassen, konkret dem Tasman-Gletscher auf dem Mount Cook (Aoraki) mit seinen vielen Eishรถhlen. Der wichtigste Faktor fรผr die charakteristische Struktur des Eises in dortigen Eishรถhlen ist die konstant niedrige Temperatur: Diese sorgt dafรผr, dass das Eis dauerhaft gefroren bleibt und sich รผber lange Zeitrรคume stabile und komplexe Strukturen entwickeln kรถnnen. Zealandic greift diese Strukturen, die auch ein wenig an zerknittertes Papier erinnern, in Form einer wunderschรถnen, tief geprรคgten Zifferblatttextur auf, die die Optik des Modells wesentlich prรคgt.
Am Ende des Tages ist sich Derek dabei sicherlich der ungebrochen groรen Beliebtheit strukturierter Zifferblรคtter bewusst – insbesondere die Japaner wie Grand Seiko (z.B. Snowflake) oder Citizen (z.B. NJ0180-80M Super Titanium โTiffanyโ) & Co. machen vor, wie es geht. Vor den Japanern braucht sich Zealandic aber keineswegs zu verstecken: Der Effekt bei der Iceborne ist in jedem Fall mehr als gelungen und ich bin positiv รผberrascht welch hohe Detailqualitรคt in dieser Preisklasse (unter 500โฌ) mรถglich ist – man schaue insbesondere auch auf die (selbst auf Nahaufnahmen) perfekt verarbeiteten, applizierten und hochglanzpolierten Ziffern, die fรผr zusรคtzliche Tiefe sorgen.
Alle Ziffern und Stunden-Indizes sind mit Super-LumiNova in der Farbe C3 in der hรถchsten Qualitรคtsstufe X1 gefรผllt โ der Schweizer Super-LumiNova-Produzent RC Tritec benennt die wesentlichen Vorteile von X1, und zwar insbesondere eine um 60% erhรถhte Nachleuchtperformance nach zwei Stunden im Dunkeln.
Die Farbe der hier vorgestellten hellblauen Variante wiederum ist laut Derek inspiriert vom Lake Pukaki bei Mt. Cook: Der Zufluss an Gletscherwasser gibt den Seen eine typische strahlend blaue Farbe, die durch feine Partikel aus dem Abrieb des Gletscheruntergrundes entsteht. Auch hier ist sich Derek sicherlich der Beliebtheit hellblauer Farbvarianten bewusst gewesen: Losgetreten durch den Hype rund um die Patek Philippe Nautilus Tiffany Blue haben viele weitere Uhrenmarken in den letzten Jahren die hellblauen Farbtรถne fรผr sich entdeckt โ darunter bekannte Namen wie Nomos oder Titoni und kleinere Microbrands wie Nordic Marine Instruments – oder nun eben auch Zealandic. Zusรคtzlich fรคhrt Zealandic auch die Farben Burgund und Grรผn auf. Ein klassisches Schwarz oder Dunkelblau beispielsweise fehlt – keine schlechte Entscheidung, denn diese Farben wรผrden den Struktureffekt des Blattes wohl zu sehr „schlucken“.
Das Gehรคuse aus 316L-Edelstahl ist mit einem Durchmesser von 39mm (Horn-zu-Horn 47mm) eher dressig und kleiner dimensioniert – Herren mit etwas schmaleren Handgelenken dรผrfen sich also auf hohen Tragekomfort freuen. Mit 12mm ist das Gehรคuse, auch unter Berรผcksichtigung der mit 20 bar mehr als alltagstauglichen Wasserdichtigkeit (zum Tauchen geeignet), vergleichsweise flach, was auch auf das Kaliber zurรผckzufรผhren ist (dazu gleich mehr). Ein nettes Gutsel ist die Gehรคusebodengravur mit den Umrissen Neuseelands mit den darum befindlichen Strรถmungen.
Auf den Tragekomfort zahlt auch das schรถn flexible Suede-Leder ein, auch bekannt als Veloursleder. Es handelt sich um eine Art von Leder, das aus der Unterseite des Tierfells hergestellt wird, was ihm seine charakteristische weiche und samtige Textur verleiht. Es unterscheidet sich von herkรถmmlichem Leder, das aus der Oberseite des Fells gefertigt wird und eine glatte, glรคnzende Oberflรคche hat. Aufgrund seiner weichen Haptik wird Suede-Leder auch hรคufig fรผr Bekleidungsstรผcke wie Jacken, Schuhe und Handschuhe verwendet.
Miyota 9039 an Bord
Mรถglich macht die geringe Bauhรถhe das 2018 von der Citizen-Gruppe eingefรผhrte automatische Kaliber Miyota 9039, das mit 42 Stunden Gangreserve und einer Frequenz von 28.800 bph tickt. Anders als der Dauerbrenner Miyota 9015 hat das 9039 kein Datum an Bord, was mit Blick auf das aufgerรคumte Zifferblatt der Iceborne eine gute Entscheidung ist.
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Uhrwerken besteht darin, dass das 9039 in einem etwas dรผnneren Gehรคuse verwendet werden kann als das 9015: Die Mindestgehรคusedicke beim 9039 betrรคgt 8,25 mm, beim 9015 sindโs 8,6 mm. Viele Uhrenfreunde denken daher, dass das 9039 per se ein schlankeres Kaliber ist. Tatsรคchlich sind beide jedoch mit 3,9 mm identisch in der Hรถhe. Der Grund dafรผr, dass das 9039 in ein dรผnneres Gehรคuse passt, liegt ganz einfach darin, dass die Zeiger flacher anliegen als beim 9015 (1,75 mm vs. 2,1 mm).
So oder so ist Miyotas 9000er-Reihe auf jeden Fall deutlich flacher konstruiert als das Schweizer Pendant von Sellita, vor dem sich Miyota hinsichtlich Robustheit und Zuverlรคssigkeit nicht verstecken muss (das SW200-1 kommt auf 4,6 mm Hรถhe). In der Summe ist das Miyota 9039 in einer Uhr der Preisklasse der Zealandic Iceborne die perfekte Wahl.
Abschlieรende Gedanken
Zealandic krempelt mit dem Einstandsmodell Iceborn sicherlich nicht die ganze Uhrenindustrie um. Dennoch merkt man die Liebe zum Detail und in der Summe fรผgen sich alle Bestandteile des Modells wunderbar zusammen. Insbesondere das Blatt mit seiner Struktur und den fรผr diese Preisklasse immens gut verarbeiteten applizierten Indizes/Ziffern ist eine Wucht. In Verbindung mit dem 9000er Miyota-Kaliber ist der Preis ab 699 New Zealand Dollar (Super Early Birds), umgerechnet in Euro und inklusive Einfuhrumsatzsteuer/Zoll rund 465โฌ, mehr als gerechtfertigt. Der Vorverkauf รผber Kickstarter startete am 20. September 2024.
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Bitte lasst den Leuten Ihre Meinung. Mich haut diese Uhr ganz und gar nicht vom Hocker. Aber so ist es halt. Dem Einen gefรคllt sie, dem Anderen eben nicht.
Sympathische Uhr von einem sympathischem Mann! ๐
Sehr schรถnes und einzigartiges Zifferblatt!
Chapeauยด!
Ich wรผnsche dem Unternehmen alles Gute!
LG
THOR
Vom Grundsatz eine schicke Uhr mit schรถnen Zifferblรคttern.
Aber ich finde die Zeigerlรคngen nicht optimal: mir ist der Stundenzeiger eine Idee zu kurz und der Minutenzeiger etwas zu lang. In beiden Fรคllen nicht viel, aber es stรถrt mein Empfinden.
Bei allem gebรผhrenden Respekt,aber „Wo“sind die Zeiger anders als bei gefรผhlt 1000 anderen Uhren auch??? ๐
Kann ich รผberhaupt nicht nachvollziehen,zu kurz,zu lang…was denn nun?? ;-/
Gepriesen sei Herr, welcher auch immer! Kein NH-Mist sondern ein 9er Miyota.
Auch sonst gefรคllig und mit netten Hintergedanken designed! Dazu ein gefรคlliger Preis.
Wer dachte, Magrette war nur eine Schnapsidee, die beim Schafehรผten entstanden ist, sieht sich getรคuscht. Bravo NZL! Ich bin gespannt, was da noch kommt.
Lieber „Lord“,
Deine Einstufung von NH 35, NH 34, … als „NH-Mist“ kann ich ganz und gar nicht teilen. Die Werke dieser Linie von TMI sind robust, langlebig und, da preiswert (schon ab 60โฌ/Werk als Endkundenpreis), in vielen gรผnstigen Uhren anzutreffen. Lediglich die ab Fabrik spezifizierte Ganggenuigkeit ist ziemlich weit gefasst. Dies ist aber ohne riesigen Mehraufwand durch Feinstellung wenn nรถtig zu korrigieren. Der Uhrenhersteller muss das nur wollen und hier liegt meist der sprichwรถrtliche „Hase im Pfeffer“ – dies bedeutet Arbeit und drรผckt die Marge!
In den 1980/90er Jahren hatten wir aus einem ganz anderen Grund eine รคhnliche Situation auch im Bereich der hochpreisigen schweizer Uhren: Die meisten Hersteller verwendeten nicht nur fรผr ihre Volumenmodelle ETA 2824, 2892 oder 7750 – es war bei angestrebten Marge schlicht nichts anderes verfรผgbar.
Hรคttest Du, lieber Lord, รผbrigens bei der ursprรผnglichen Fifty Fathoms von AP das verbaute Werk als „AS-Mist“ bezeichnet?
Freuen wir uns stattdessen lieber darรผber, dass die Uhrenmarken heute wieder eine Auswahl unter qualitativ meist ordentlichen Werken haben.
Ein NH35 kann man auf AliExpress fรผr 25 Euro kaufen, MwSt. und Versand eingeschlossen. Nur zur Info.