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Beim Markennamen Vulcain denken Uhrenfreunde vermutlich instinktiv an ein ziemlich bekanntes Modell, das ein wesentlicher Baustein für den Erfolg der Marke war – eine Uhr mit einer Komplikation, die auch heute noch ein echter Exot ist: die Cricket-Weckeruhr (oder: die „Uhr der Präsidenten” – dazu gleich mehr).

Vulcain feierte nach mehreren Jahren Inaktivität anno 2022 unter neuer Führung mit einer neuen Cricket das Comeback – ein naheliegender Schritt. Aber die Archive von Vulcain haben noch viel mehr zu bieten als nur die Cricket, darunter ein Skindiver-Modell, das die Schweizer haben wieder aufleben lassen. Im Rahmen der Lancierung der neuen Skindiver-Farbvarianten Streamliner und Deep Teal arbeitet Vulcain außerdem mit dem deutschen Microbrand-Fachhändler Chronofactum zusammen…

Eckdaten Vulcan Skindiver:

  • Schweizer Automatikkaliber ETA 2824, 38-41 Stunden max. Gangreserve, Incabloc-Stoßsicherung, 28.800 bph
  • Gehäuse aus 316L-Edelstahl, vertikal gebürstet
  • Wasserdicht 20 bar/ 200m
  • Einseitig drehbare Lünette, 120 Klicks
  • Lünetteneinlage aus Keramik
  • Kratzfestes, entspiegeltes, doppelt gewölbtes Saphirglas
  • Durchmesser: 38,3 mm
  • Horn-zu-Horn: 44,5mm
  • Höhe: 12,2 mm
  • Bandanstoßbreite: 20mm
  • Verschiedene Bandvarianten mit Schnellwechsel-Federstegen
  • u.a. in den Farben Streamliner und Deep Teal
  • ab 1590€ beim offiziellen Fachhändler chronofactum.com
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Vulcain-Zeitmesser: an die Handgelenke der Präsidenten

Da Vulcain auf diesem Blog Premiere feiert, zunächst ein paar allgemeine Einblicke in die Geschichte: Vulcain wurde 1858 als “Manufacture Ditisheim” im schweizerischen La Chaux-de-Fonds von der Familie Ditisheim gegründet. Der 1894 eingeführte Markenname Vulcain rührt dabei vom römischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst her: Vulcanus wurde in der Mythologie oft mit handwerklichem Geschick und der Herstellung von wertvollen Gegenständen in Verbindung gebracht, was sicherlich eine passende (angestrebte) Assoziation für eine Uhrenmarke ist, die für ihre Präzision und Qualität bekannt sein möchte.

Der Durchbruch von Vulcain gelang Mitte des 20. Jahrhunderts: Ab circa 1910 versuchten sich Vulcain und weitere Wettbewerber erstmalig an einer Uhr mit mechanischer Alarmfunktion – doch die technischen Herausforderungen machten solche Uhren im Wesentlichen unbrauchbar: die Wecker waren zu leise, um sinnvoll als solche genutzt zu werden, und die Vibrationen beeinträchtigten die Ganggenauigkeit.

Doch Vulcain blieb hartnäckig: In den 40ern hatte der Hersteller einen Prototypen hergestellt, der diese technischen Hindernisse überwand: Das Kaliber 120 löste das Problem der Vibrationen durch die Verwendung von zwei separaten Federhäusern: eines für das Uhrwerk selbst und das andere für die Alarmfunktion. Da die beiden voneinander unabhängig waren und der Alarm dem Uhrwerk keine Energie entzog, konnte er bei Vollaufzug immerhin bis zu 25 Sekunden lang ertönen.

Der Durchbruch der Cricket ließ allerdings noch bis 1953 auf sich warten, bevor das Modell einen Image-Schub bekam, den man mit Geld nicht kaufen kann: Niemand geringeres als Harry S. Truman bekam am Vorabend seines Ausscheidens aus dem Amt eine 14-karätige Goldversion der Cricket überreicht. Auch nachfolgende Präsidenten wurden mit der Vulcain Cricket ausgestattet, darunter Lyndon B. Johnson, der wahrscheinlich der größte Fan der Uhr war: Er erhielt seine persönliche Uhr in Genf und ließ seine Unterschrift auf dem Zifferblatt aufbringen. 

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Auf und ab: Das Vulcain-Comeback

Doch alle frühen Erfolge von Vulcain wurden, wie auch im Rest der Schweiz, in den 1970ern zunichte gemacht, als die Quarztechnologie aus Japan nach Europa rüber schwappte – nach mehr als 100 Jahren musste das Unternehmen Insolvenz anmelden.

Lange war es ziemlich ruhig um Vulcain, doch vor wenigen Jahren kam es zum Comeback – mit der tatkräftigen Unterstützung von Guillaume Laidet. Laidet hat unter anderem für Zenith und Jaeger-LeCoultre in der Schweiz gearbeitet bevor er auf Kickstarter die Marke William L. initiierte – er war damals einer der ersten, der eine Uhrenmarke über Crowdfunding auf den Markt brachte. Laidet verkaufte William L. nach vier Jahren an einen Investor und mit dem Kapital erwarb er die Rechte an den historischen Marken Nivada Grenchen und Excelsior Park, die er erfolgreich wiederbelebte. Und nun verpasst Laidet auch Vulcain seinen Stempel.

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Vulcain und die Neuauflage der Skindiver

Gehen wir aber noch mal ein paar Jahrzehnte zurück: Die Cricket war so erfolgreich, dass Vulcain auf der Grundlage das Sortiment erweiterte, darunter um die Cricket Nautical: eine 42 mm große, waschechte Taucheruhr mit 30 bar EPSA-Gehäuse, die 1961 auf den Markt kam und über einen Alarm verfügte, der unter Wasser wahrgenommen werden konnte – ziemlich praktisch, wenn man daran erinnert werden wollte, wann es Zeit war aufzutauchen.

Auch in der Kategorie der sogenannten Skindiver mischte Vulcain mit: Ergänzend zu den eher wuchtigen Taucheruhren, die sich ab den 1950er Jahren vor allem im professionellen Bereich durchgesetzt haben, kamen später sogenannte Skin Diver-Uhren auf den Markt. Der Begriff leitet sich vom Wort skin-dive ab, englisch für Freitauchen. Gemeint sind damit Tauchsportaktivitäten ohne Ausrüstung, bei denen der Taucher vor dem Abtauchen einatmet und (im Gegensatz zum Gerätetauchen) für den Tauchgang nur diesen einen Atemzug nutzt. Skin Diver-Uhren wurden damals von Herstellern wie Vulcain als günstigere “Leichtgewicht”-Alternativen zu klassisch-wuchtigen Profi-Taucheruhren positioniert.

Skin Diver Magazin July 1958
Volkssport Tauchen

Skindiver-Uhren kamen klassischerweise aufgrund eines schlankeren Gehäuses mit geringerer, aber für ihren Zweck bestens geeigneter Wasserdichtigkeit (10 bar oder 20 bar). Charakteristisch war auch der dynamische “Schwung” des Gehäuses, ein hochgewölbtes Acrylglas sowie ein eher schmaler Taucher-Drehring aus poliertem oder beschichtetem Edelstahl.

Die Vulcain Skindiver-Modelle von 1960 und von heute haben (ganz im Sinne einer originalgetreuen Neuauflage) extrem viele Designelemente gemeinsam: Das Gehäuse der Neuauflage ist genauso kompakt gehalten, kommt mit relativ kurzen Hörnern, einer schmalen schwarzen Lünette, einem gewölbten Saphirglas, welches das früher zum Einsatz kommende Plexiglas imitiert, und einer griffig-großen Krone ohne Kronenschutz.

Vor allem die Proportionen wurden mit einem kompakten Durchmesser von 38 mm und einer Höhe von 12,2 mm eingehalten. Die Größe ist im Vergleich zu den meisten Retro-Taucheruhren auf dem Markt tatsächlich merkbar kleiner – am Handgelenk wirkt das Modell wie eine eher zierliche Vintage-Uhr, die man irgendwo in der Schublade vergessen hat.

Abgesehen von den Farben (dazu gleich mehr) sind die Zifferblätter der Skindiver-Varianten identisch und bewegen sich mit schlanken, länglichen Minutenmarkierungen und gedruckten Leuchtmarkierungen für die Stunden im klassischen Taucheruhren-Design.

Vulcains Liebe zum Detail zeigt sich unter anderem in der Schriftart auf dem Zifferblatt: Man beachte beispielsweise das flache “A” in “Nautique”, die originalgetreuen “Incabloc©”- und “25 Jewels”-Hinweise und die Buchstaben „L“ links und rechts neben “Swiss Made”, die auf die Verwendung von Super-LumiNova hinweisen (damals erfolgte die Kennzeichnung mit zwei “T” für Tritium).

Die Lünette ist ein vergleichsweise schmaler, einseitig drehbarer Taucherdrehring mit klassischer 60-Minuten-Einteilung. Während die Vorlage noch mit einem Lünetteneinsatz aus kratzempfindlichen Aluminium kam, wurde der Neuauflage eine Keramiklünette spendiert – grundsätzlich ist es natürlich eine gute Entscheidung hier auf das modernere, da quasi kratzresistente, Material zu setzen (genau wie Saphirglas, das das damals zum Einsatz kommende Acrylglas ersetzt). Allerdings hätte ich mir die Keramikeinlage mit satinierter bzw. matter Oberflächenbearbeitung gewünscht und nicht in Hochglanzausführung – das hätte einfach besser zum Retro-Thema der Vulcain Skindiver gepasst.

In jedem Fall scheint die Skindiver gut eingeschlagen zu sein: Das Modell kam zunächst in zwei klassischen Varianten auf den Markt, und zwar mit mattschwarzem Zifferblatt und einem gebürsteten blauen Zifferblatt. Innerhalb recht kurzer Zeit kamen einige weitere Farbvarianten dazu – so wie nun auch die Deep Teal und die monochrome Streamliner…

Vulcain x Chronofactum: Deep Teal und Streamliner Special Limited

Die hier gezeigten beiden neuen Skindiver-Varianten sind zusammen mit dem im oberbayerischen Rosenheim ansässigen Online-Fachhändler Chronofactum entstanden, dessen Schwerpunkt eher ungewöhnlich ist: Anstelle der klassischen, “großen” Uhrenmarken konzentriert sich Tom, der Kopf hinter Chronofactum, auf Microbrands bzw. kleinere und unabhängige Uhrenmarken im Allgemeinen. Schön: Tom hat wesentlichen Input für die beiden neuen Skindiver-Modelle im größten deutschen Uhrforum eingeholt bzw. in die finale Uhr einfließen lassen.

Eine der beiden Special Editions ist die Deep Teal, englisch für “Blaugrün”, wobei der Grünanteil meiner Meinung nach deutlich überwiegt. Auf jeden Fall ist der Farbton eher dezenter und angenehm zurückhaltend bzw. nicht so “aggressiv” wie man das von manch anderen grünen Uhren kennt. Das Zifferblatt kommt ferner mit Sonnenschliff und Farbverlaufs-Effekt. Die Deep Teal ist auf 50 Stück limitiert.

Mit der Streamliner bieten Vulcain und Chronofactum außerdem eine monochrome Farbvariante an – hier ebenfalls mit einem Farbverlauf vom silberfarbenem Zentrum zum schwarzen Rand. Normalerweise bin ich ja ein Fan von farbigen Zifferblättern, aber mir persönlich gefällt die Streamliner besser als die Deep Teal – auch, weil hier der Farbverlauf deutlich intensiver und vor allem “rauchiger” wirkt. Diese Variante wird nicht limitiert sein, aber zunächst in einer Auflage von 50 Stück produziert. 

Das neue Stahlband – hochwillkommene Abwechslung

Sehr angetan war ich vom neuen Stahlband der Vulcain Nautique Skindiver mit seinen übergroßen Gliedern, die ein wenig an die Stahlplatten einer Ritterrüstung erinnern. Ich hatte erst etwas Sorge, ob vielleicht der Tragekomfort unter der eher ungewöhnlichen Machart leidet, dem ist aber definitiv nicht so – das Band trägt sich überaus bequem.

Das Band ist in jedem Fall auch eine eine willkommene optische Abwechslung zum fast ubiquitär eingesetzten Stahlband im Oyster-Stil. Und obwohl des Band historisch betrachtet bei der Cricket zum Einsatz kam (siehe unten), so passt es mit seinem Vintage-Charakter auch wunderbar zur Skindiver.

Auch die Haptik der verschraubten Glieder ist tiptop. Zum Einsatz kommt darüber hinaus eine massive, fein satinierte und am Rande polierte Schließe mit werkzeugfreier Feinjustierung über einen Drücker an der Unterseite, der insbesondere im Sommer wertvoll ist, um dem Handgelenk Luft zu machen.

Auch, wenn die anderen Bandoptionen wie das Kunststoff-Band oder die Lederbänder (übrigens alle mit Schnellwechselfederstegen) einen qualitativ hochwertigen und anschmiegsamen Eindruck machen, empfehle ich in der Summe unbedingt das Stahlband.

Vulcain Skindiver: ETA 2824 an Bord

Unter dem Gehäuseboden der Skindiver Nautique tickt ein bewährtes Uhrwerk, das keiner allzu ausufernden Einführung bedarf: das automatische Kaliber 2824 mit 40 Stunden Gangreserve und 28.800 bph Frequenz von der Schweizer ETA SA. Ja, richtig gelesen: Es handelt es sich zur Abwechslung mal nicht um ein Uhrwerk von der Sellita SA, die vor einigen Jahren die Lücke gefüllt hat, die die ETA SA mit dem Rückzug vom Markt hinterlassen hat. Für Freunde von ETA-Kalibern ist das auf jeden Fall ein gutes Kaufargument für die Vulcain Skindiver, denn es ist für seine Zuverlässigkeit, hohe Präzision und Wartungsfreundlichkeit bekannt (mein Co-Autor, Uhrmacher Leon, der hier im Blog regelmäßig schreibt, schwärmt mir häufig vom ETA 2824 vor).

Das Kaliber ist weitgehend undekoriert, was aber kein Beinbruch ist, da es sich hinter einem verschraubten Stahlboden versteckt, der mit einer schön tiefen, reliefartigen Gravur kommt.

Um die Frage, ob eine Uhr nun ein Datum haben muss oder nicht, entflammen unter Uhrennerds regelmäßig hitzige Diskussionen (ich bin grundsätzlich eher Team “NoDate”). So oder so ist die cleane Optik eines datumsfreien Zifferblattes im Falle der Vulcain Skindiver meiner Meinung nach einfach deutlich stimmiger, da dadurch das Design der Vorlage auf originalgetreue Art und Weise eingefangen wird. Gut: Die Datumsfunktion wurde auch technisch aus dem Uhrwerk entfernt, sodass beim Betätigen der Krone keine “Geister”-Position vorhanden ist. 

Abschließende Gedanken

Retro-Neuauflagen von Taucheruhren sind nach wie vor der letzte Schrei – und die Auswahl mit Modellen wie Oris Divers Sixty-Five, Rado Captain CookSeiko 62MAS, Orient Star Diver 1964, Certina DS PH200M oder diversen Microbrands wie Circula Aquasport II ist (in allen möglichen Preisklassen) ziemlich üppig. Die Vulcain Skindiver betritt hier also einen hart umkämpften Markt – ehrlicherweise sicher eine alles andere als leichte Aufgabe, aber in der Summe ist die Vulcain Skindiver mit originalgetreuen Designmerkmalen und haptisch wie optisch richtig guter Qualität insbesondere eine Alternative für Uhrenfreunde, denen oben genannte Modelle zu groß sind – denn mit 38mm Durchmesser besetzt Vulcain hier durchaus eine gewisse Nische. Umgekehrt muss ich auch sagen: Mir gefällt die Vulcain Skindiver so gut, dass ich mir definitiv eine größere Variante mit Pi mal Daumen 41mm Durchmesser wünsche, denn mir persönlich sind die 38mm (leider!) einfach zu klein (bei einem Handgelenkumfang von 19 cm).

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6 Kommentare
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TobiTool
1 Monat zurück

Klasse Artikel und wirklich sehr schöne Uhr im Retrostil.

Wolfgang
1 Monat zurück

Das Band hat mich sofort begeistert und ich habe recherchiert wo ich es bekommen kann: https://vulcain.ch/products/bracelet-steel-nautique-skindiver
Bei einem Preis von 350.-€ verzichte ich aber gerne, schade das Dinge die mir spontan gefallen immer so teuer sind.

Dlanor Lepov
1 Monat zurück

“Sold the world over”. Echt jetzt?
Das ergab Sinn vor dem internet, da man ein Händlernetzwerk brauchte. Heute komplett sinnfrei. Ansonsten hübsche Uhr ohne besondere Merkmale, die mich so tief in die Tasche greifen lassen würden. Das Band ist toll.

THOR
1 Monat zurück

Na ja…Da finde ich die Version schöner! 😉
Shield Herren-Automatikuhr “Nitrox” grau, 20 ATM | 1-2-3.tv
und um ein vielfaches günstiger!!!
mfG
THOR

Lord Cord
1 Monat zurück

Klasse Größe, Granatenuhr, spannendes Band, Schließe gut mitgedacht, jetzt noch vielleicht in blau?
Vielen Dank für die Vorstellung! Ich geh jetzt mit meiner Gitarre in die Innenstadt und sing mir das Geld zusammen.

Rolex ralle
1 Monat zurück
Antworten...  Lord Cord

jo