• Beitrags-Kategorie:Ratgeber
  • Beitrags-Kommentare:4 Kommentare
  • Beitrags-Autor:
  • Lesedauer:17 min Lesezeit

Wenn die NASA Ausrüstungsgegenstände erwerben will, wird in aller Regel (ähnlich wie beim Militär) erst einmal ein sehr detailliertes Lastenheft zu Papier gebracht, das sämtliche Anforderungen haarklein beschreibt – egal, ob es sich nun um einen Raketenantrieb oder einen Raumanzug handelt. Häufig werden die Anforderungen auch über eine Ausschreibung kommuniziert – so wie beim neuen NASA-Weltraumklo, das auch auf dem Mond funktionieren soll (nein, kein Scheiß).

Bei der Omega Speedmaster Professional Moonwatch lief das, damals in den 60er Jahren, etwas anders ab – der Chronograph wurde zunächst inoffiziell als private Anschaffung von Astronauten getragen bis dann eine ganz normale “Katalog”-Speedmaster zur offiziellen NASA-Uhr wurde. Ende der 60er folgte ein Geheimprojekt zwischen NASA und Omega – das Alaska Projekt, aus dem spezielle Prototypen hervorgegangen sind. Und die landete auch im Weltraum, kurioserweise allerdings an den Armen russischer Kosmonauten, inmitten des Kalten Krieges

Omega: So kam es zum Alaska Project

Ursprünglich hat Omega die Speedmaster in den 50er Jahren entwickelt, um beispielsweise die (irdische) Zeitmessung beim Sport zu unterstützen und das Image als Official Timekeeper der Olympischen Spiele zu untermauern. Auch wenn der Beiname „Moonwatch“ heute fest zur Omega Speedmaster Professional gehört, so war der Chronographen-Klassiker ursprünglich nicht als offizielle Weltraum-Uhr der NASA vorgesehen. Die Mondlandung war erst recht ein völlig absurder Gedanke.

Die Omega Speedmaster, die Wally Schirra, einer der ersten Astronauten der Menschheitsgeschichte, auf der Mercury-Atlas 8-Mission getragen hat, war tatsächlich eine rein private Anschaffung und nicht offiziell von der NASA freigegeben. Erst die ab 1964 in Serie produzierte Omega Speedmaster mit der Referenz 105.003 wurde nach einer Vielzahl bestandener Tests zur offiziellen Uhr der NASA-Astronauten getauft („flight qualified for all manned space missions“).

Zwar hatte die NASA damals ebenfalls ein Lastenheft formuliert, die Speedmaster 105.003 war allerdings keine Sonderanfertigung oder dergleichen, sondern wurde ganz regulär im Omega-Katalog aufgeführt. Oder mit anderen Worten: Die für Otto-Normal-Kunden erhältliche Speedmaster 105.003 war “von Haus aus” so robust, dass sie alle NASA-Tests bestand (z.B. Vibrationen, Temperaturschwankungen, Schläge, Beschleunigung).

Omega-Speedmaster-105.003-Pre-Moon-2
Speedmaster 105.003

Dennoch tüftelten die klugen Köpfe bei Omega ab 1968 (also rund ein Jahr vor der Mondlandung) in enger Abstimmung mit der NASA an weiteren Verbesserungen, um die “perfekte” Weltraum-Uhr zu schaffen. Der Codename dafür: Alaska. Und nein, der Name hatte nichts mit dem gleichnamigen US-Bundesstaat nordwestlich von Kanada zu tun, sondern war einfach der Omega-interne Top Secret-Projektname für alles, was die NASA betraf…

Omega Alaska I Project

Der allererste Prototyp, die Speedmaster Alaska I (Ref. 5-003) wurde 1969, im Jahr der Mondlandung, entwickelt – sowohl Neil Armstrong als auch Buzz Aldrin trugen bei der Apollo 11-Mondlandemission aber nicht etwa den Alaska I-Prototypen, sondern den in Serie produzierten, für jedermann käuflich erwerbbaren Nachfolger der Referenz 105.003, die Referenz 105.012.

Charakteristisch für die Alaska I-Speedmaster war insbesondere das schneeweiße Zifferblatt mit knallig-orangen Zeigern, die an die Gemini-Raumkapseln erinnern. Die weiße Farbe sollte die Sonne besser reflektieren, zusätzlich kam eine Zinkoxid-Beschichtung zum Einsatz, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Sonnenlicht weiter zu verbessern.

Ins Auge sticht auch das mit 46 mm Durchmesser übergroße, kissenförmige Gehäuse aus Titan, welches das Kaliber 861 (Nachfolger des Cal. 321) beherbergte. Heute ist Titan in der Uhrenproduktion ganz normal, damals war das besonders leichte und harte Material aber eine echte Besonderheit – die Verwendung in der Produktion galt als schwierig, weshalb man auf Militärtechnologie zurückgreifen musste. Laut Omega war der Alaska-Speedmaster-Prototyp die allererste Uhr überhaupt, die in einem Titangehäuse kam.

Die wesentliche, auf den ersten Blick ziemlich kuriose Eigenschaft der Alaska I-Speedmaster war aber ein abnehmbarer Außenmantel aus rot eloxiertem Aluminium. Dieser Schutzmantel, auch Thermalschild genannt, sollte ebenfalls das Sonnenlicht fernhalten und dadurch das mechanische Innenleben vor Hitze schützen. Denn merke: Mangels einer “richtigen” Atmosphäre sind die Temperaturunterschiede an der Mondoberfläche zwischen der Tag- und Nachtseite extrem: Im Sonnenlicht kann es bis knapp 130 Grad Celsius heiß werden, im Dunkeln bis zu -160 Grad Celsius.

Omega Alaska II Project

Das Alaska I Project wurde im Jahre 1971 eingestellt, aber bereits im Jahre 1972 in Form eines zweiten Prototypen, Alaska II (Referenz ST 145.022), wiederbelebt: Die Tachymeterskala wich einer im All deutlich nützlicheren Minutenskala, das auf 42 mm geschrumpfte Gehäuse (dieses mal nicht aus Titan, sondern aus Stahl) wurde komplett sandgestrahlt, um sämtliche Reflexionen zu vermeiden. Auch das rote Thermalschild und das weiße Zifferblatt mit Zinkoxid-Beschichtung waren wieder mit an Bord. In der Summe folgte die Optik der Alaska II-Speedmaster deutlich mehr der “normalen” Speedmaster-Reihe.

Offenbarwurden nur eine Handvoll Prototypen der Alaska II-Speedmaster hergestellt – im Jahr 2016 wurde einer davon für sage und schreibe 156.000 CHF (damals ca. 145.000€) beim Auktionshaus Phillips versteigert.

Im Jahre 2008 lancierte Omega eine auf 1970 Stück limitierte Neuauflage der Alaska II-Speedmaster unter der Referenz 311.32.42.30.04.001. Das Gehäuse ist wie das Vorbild, der Alaska II-Prototyp, aus Edelstahl. Der Durchmesser entspricht mit 42 mm ebenfalls dem Original. Mit dabei natürlich: Das Thermalschild. Wer heute eine gebrauchte Alaska II-Neuauflage kaufen will, muss aber ziemlich tief ins Portemonnaie greifen: die Preise sind stark angestiegen, unter 12.000€ ist kaum was zu machen:

Preisentwicklung der Omega 311.32.42.30.04.001 von chrono24.de

Omega Alaska III Project

Mit den Alaska III-Prototypen im Jahre 1978 kehrte Omega von der Idee eines weißen Zifferblattes ab – der Prototyp kam mit einem satinierten Edelstahlgehäuse mit 42 mm Durchmesser, Handaufzugskaliber 861 und einer Besonderheit, die man nur bei genauerem Hinsehen erkennen kann: Große, radial angeordnete Ziffern auf den Totalisatoren, welche die intuitive Ablesbarkeit bei EVA (extravehicular activity‚ also Weltraumspaziergängen) verbessern sollten.

Mehrere Dutzend der Alaska III-Speedmaster wurden von der NASA bei Omega geordert, um die Astronauten auf dem Space Shuttle-Programm mit Zeitmessern zu unterstützen. Notiz am Rande: Wegen Importbeschränkungen mussten verschiedene Komponenten der Alaska III-Speedmaster in den USA gefertigt werden. Der Swiss Made-Schriftzug fehlt daher auf der Alaska III-Speedmaster.

Die Alaska III-Speedmaster wurde lange Zeit insbesondere auf den Space Shuttle-Missionen der NASA getestet – bis das Modell in den späten 90ern von der Omega X33 ersetzt wurde. Die Omega X33 wiederum kam erst kürzlich bei der SpaceX Demo-2-Mission offiziell zum Einsatz

Omega Alaska IV Project

Fans mechanischer Uhren müssen jetzt ganz tapfer sein: Mit der Omega Speedmaster Alaska IV, basierend auf der Referenz 186.0004, folgte Omega dem Quarz-Trend und entwickelte einen Prototypen mit LCD-Display für die Space Shuttle-Mannschaft.

Das Quarzwerk 1620, eine Gemeinschaftsentwicklung von Omega und SSIH (Vorgänger der heutigen Swatch Group), hatte eine Ganggenauigkeit von +/-5 Sekunden pro Monat – gegenüber der Gangabweichung mechanischer Uhren war das natürlich phänomenal und fast schon High-Tech.

Bild: Sotheby’s

Für den Alaska IV-Prototypen nahm Omega eine wichtige Veränderung vor: Unter der Bezeichnung Quarz Cal. 1621 ergänzten die Schweizer mit Tritiumgas gefüllte Rörchen hinter dem LCD-Display, um für die Beleuchtung zu sorgen, da die Mini-Glühbirnen des Serienmodells als potentielles Sicherheitsrisiko von der NASA beurteilt wurden.

Bild: Sotheby’s

Insgesamt 12 Prototypen der Alaska IV-Speedmaster wurden an die NASA geschickt, damit diese an Bord der Space Shuttles getestet werden konnten.

Omega Alaska Project-Speedmaster im Weltraum?

Die Alaska-Speedmaster sollten auf echten Weltraummissionen wie Apollo 18 auf Herz und Nieren getestet werden – eigentlich jedenfalls. Da Apollo 18 und weitere Missionen ab 1970 aber aus Kostengründen abgesagt wurden, kamen die Alaska-Speedmaster nie über den Prototypen-Status hinaus.

Zwei Alaska Project-Speedmaster fanden trotzdem ihren Weg ins Weltall – allerdings nicht im Rahmen des NASA-Raumfahrtprogramms, sondern auf der Sojus 25-Mission, einem am 9. Oktober 1977 gestarteten Flug eines sowjetischen Sojus-Raumschiffs zur sowjetischen Raumstation Saljut 6. Es gibt Bildmaterial, das eindeutig Kosmonauten mit Alaska-Speedmaster-Chronographen kurz nach ihrer Landung auf der Erde zeigt. Genauer: Offenbar haben Kommandant Kovalyonok und Bordingenieur Ryumin zusätzlich zu ihrer Poljot 3133-Armbanduhr die Omega Alaska II-Speedmaster mit dem markanten Thermalschild neben dem Manometer ihres KV01 Sokol-Raumanzugs im Weltraum getragen.

Sojus 25-Kosmonauten: Das rote Thermalschild der Omega ist deutlich zu erkennen

Uhren aus einem NASA-Geheimprojekt am Arm russischer Kosmonauten? Das dürfte den USA inmitten des Kalten Krieges mit der Sowjetunion sicher nicht geschmeckt haben und klingt fast schon nach einem Spionagethriller.

Doch wie kam es dazu? Tatsächlich hatte die NASA, wie oben bereits erwähnt, die Idee einer speziellen Alaska-Speedmaster zunächst begraben, da die Raumfahrtbehörde doch keine “Extrawurst”, sondern kommerzielle Uhren haben wollte, die auch für Otto-Normal-Uhrenfreunde erhältlich waren, sich bewährt hatten und deutlich günstiger waren (und so kam es ja auch). Die Prototypen mit dem roten Thermalschild wurden daher nicht länger benötigt.

Ein Jahr Nachforschung, unendliche Stunden im Archiv und Hunderte Dokumente später fand der Omega-Markenhüter Petros Protopapas heraus, dass es ein Omega-Importeur war, der die Omega Alaska Project-Prototypen Anfang der Siebziger ganz regulär an die russische Raumfahrtbehörde verkauft hatte – das Geschäft lief alles andere als im Geheimen ab, wie die Archivunterlagen dokumentieren…

image

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über ein Like bei FacebookInstagram, YouTube oder

Auch über WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:

DSxOAUB0raA (1)

Darüber hinaus freue ich mich über Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprüft und freigeschaltet). Vielen Dank!

Abonnieren
Benachrichtige mich bei...
4 Kommentare
Neueste Kommentare
Älteste Kommentare Kommentare mit den meisten Votings
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Frank T. aus MZ
2 Jahre zurück

Toll recherchierter Beitrag, Mario! Bei den genannten Preisen nehme ich jedoch lieber eine Moonswatch *wegduck * 😀

Walter F.
3 Jahre zurück

Wie gewohnt, wieder mal ein sehr informativer Artikel. Macht richtig Spass!

D. Hansen
3 Jahre zurück

Spannend.. da googelt man schon so viel zur Speedy und ließt bei dir trotdem noch etwas neues.