Wenn die meisten Menschen an eine bestimmte Marke denken, kommt ihnen als erstes das Logo in den Sinn. Kein Zufall: Unter Uhrennerds werden beispielsweise Rolex-Uhren nicht umsonst auch einfach „Kronen“ genannt – schon seit den Anfรคngen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, fรผhrten die Schweizer eine stilisierte Krone als Logo ein. Seit der Einfรผhrung der Krone hat sich das Design im Laufe der Jahre nur subtil verรคndert.
Nun sind aber nicht alle Uhrenhersteller so konstant und stringent in der Nutzung ihres Logos – vor allem der Schweizer Uhrenhersteller Breitling zeigte sich hier รผber die Jahrzehnte รคuรerst wechselwillig…
Das Breitling Logo in den Anfรคngen der Marke
Das Konzept von Marken und Logos geht auf das frรผhe 20. Jahrhundert zurรผck. In dieser Zeit begannen Unternehmen, ihre Produkte und Dienstleistungen verstรคrkt zu bewerben und zu vermarkten. Ein Markenlogo ermรถglicht es Kunden, eine Marke auf einen Blick zu erkennen und von anderen Marken zu unterscheiden. Es dient als visuelles Kennzeichen, das die Identitรคt und Prรคsenz einer Marke kommuniziert.
Ein bedeutendes Ereignis, das die Bedeutung von Logos im Marketing verstรคrkte, war die Einfรผhrung des Fernsehens in den 1950er und 1960er Jahren. Mit dem Aufstieg des Fernsehens als Werbemedium wurde es fรผr Unternehmen immer wichtiger, schnell erkennbare Logos zu haben, die sich in kurzen Werbespots gut prรคsentieren lieรen. Beispiele dafรผr sind Logos wie das Nike-Swoosh oder das Apple-Logo, die heute weltweit bekannt sind. Mit dem Aufkommen des Internets hat sich die Bedeutung von Logos im Marketing weiter verstรคrkt.
Vor diesem Hintergrund wird auch klar, warum der 1884 gegrรผndete Uhrenhersteller Breitling in frรผhen Jahren noch kein echtes Logo an sich hatte, sondern einen einfachen Schriftzug – hier eine Anzeige aus dem Jahre 1913:
Erst rund zwei Jahrzehnte spรคter hat Breitling einen geschwungenen Schriftzug als klarer identifizierbares Logo eingefรผhrt. Es gab allerdings kein spezifisches Symbol oder grafisches Element, sondern nur den Markennamen in dieser speziellen Schriftart. Hier Anzeigen von 1939 bis 1945:
Ab Mitte der 1950er taucht das geschwungene „B“ dann auch solo auf – mit einem einfachen Breitling-Schriftzug darunter. Dieses vielleicht nicht spektakulรคre, aber zweckdienliche Logo blieb auch in den nรคchsten Jahrzehnten erhalten.
Time to Fly – das Flรผgel-Logo der AOPA
Parallel zum geschwungenen „B“ haben in den 50ern auch erstmalig Flรผgel auf dem Zifferblatt Einzug erhalten – und zwar in Form des AOPA-Logos im Rahmen der Einfรผhrung der Breitling Navitimer.
Und das kam so: Anfang der 50er wurde Willy Breitling von der amerikanischen Vereinigung AOPA (Aircraft Owners and Pilots Association) angesprochen, die mit knapp 500.000 Mitgliedern heute die grรถรte Pilotenvereinigung der Welt darstellt. Die AOPA bat Breitling damals darum, einen neuen Chronographen fรผr deren Mitglieder zu entwickeln. Willy Breitling entwarf daraufhin einen Chronographen mit integriertem logarithmischen Rechenschieber, mit dem die AOPA-Piloten alle notwendigen Flugberechnungen durchfรผhren konnten, einschlieรlich der Durchschnittsgeschwindigkeit, der zurรผckgelegten Strecke, des Treibstoffverbrauchs, der Steig- oder Sinkflugrate und der Umwandlung von Meilen in Kilometer oder nautische Meilen.
Diese allererste Navitimer, die fรผr die AOPA entworfen wurde, trรคgt weder den Markennamen noch das Logo von Breitling auf dem Zifferblatt – das Modell war ausschlieรlich AOPA-Mitgliedern vorbehalten.
Nur wenige Jahre spรคter, um 1956, wird die Navitimer schlieรlich mit dem Namen Breitling รผber einem stilisierten Flรผgellogo ohne direkten Bezug zur AOPA auf dem freien Markt angeboten und erhรคlt auch die Gravur ยซReference 806ยป.
Kurzum: Ob eine frรผhe Navitimer direkt an die AOPA verkauft wurde, lรคsst sich leicht am Logo erkennen: Alle Uhren mit AOPA-Flรผgellogo und AOPA-Signatur innerhalb des Wappenschildes wurden an die amerikanische Vereinigung geliefert, wรคhrend man die stilisierten Flรผgellogos ohne Signatur รผber das weltweite Vertriebsnetz von Breitling vermarktete.
Die Zusammenarbeit mit der AOPA war sicherlich ein wesentliches Puzzleteil, damit Breitling in den folgenden Jahren als offizieller Lieferant groรer Airlines und Flugzeugbauer (KLM, Lockheed etc.) auf einer beachtlichen Erfolgswelle reiten konnte und sich in Werbeanzeigen sogar selbstbewusst โLieferant der Weltluftfahrtโ nannte (fournisseur attire de lโaviation mondiale).
Mehr: Breitling Navitimer 1884 Chronograph: Evolution und Modelle
Twin Jet-Logo trifft Navitimer
In den frรผhen 1960er-Jahren erhรคlt die Navitimer ein paar optische Verรคnderungen: Das Zifferblatt wird mit kontrastreichen weiรen Hilfszifferblรคttern versehen (sogenanntes Rerverse-Panda-Design); 1965 erhรคlt die Navitimer auรerdem das neue Twin-Jet-Logo mit zwei รผbereinanderliegenden, stilisierten Flugzeugen. Uhren mit frรผheren Logos befanden sich damals ebenfalls noch in Produktion.
Hier dazu entsprechende Bilder aus einem Katalog und eine Anzeige aus den 60er Jahren:
In der Quarzkrise sah man sich bei Breitling zu einer Verzweiflungstat gezwungen: Eine batteriebetriebene LCD-Version der Navitimer wurde hurtig auf den Markt geworfen – mit Twin Jet-Logo an Bord. Es half aber alles nichts: Breitling musste im Jahre 1979, kurz vor Willy Breitlings Tod, verkauft werden โ an den Entrepreneur Ernest Schneider. Schneider war Elektroniker, der in der Schweizer Armee auf Getriebe spezialisiert war. Zuvor hatte er das Uhrenunternehmen Sicura gefรผhrt, das unter seiner Leitung florierte und sich mit verschiedenen technischen Entwicklungen im Bereich von Solarzellen- und Quarzuhren hervortat. Privat war Schneider Luftfahrtbegeisterter, hatte einen Pilotenschein und besaร ein eigenes Flugzeug – alles gute Voraussetzungen fรผr ein langfristiges Engagement bei Breitling. Und so kam es auch: der Uhrmacher und Pilot kรผmmerte sich zusammen mit seiner Familie bis 2017 um das Erbe von Breitling.
Das geschwungene „B“ blieb dabei zunรคchst erhalten – hier etwas unscheinbar links unterhalb des Logos der Frecce Tricolori, der Kunstflugstaffel der italienischen Luftwaffe, fรผr die Schneider 1983 einen speziellen Chronographen entworfen hatte, der die Grundlage fรผr die spรคtere Chronomat-Modellreihe darstellte.
Mit den Serienmodellen der Breitling Chronomat entwarf Schneider dann das geflรผgelte und mit einem Anker versehene Breitling-„B“, das fรผr die nรคchsten Jahrzehnte von Breitling genutzt wurde und von vielen Fans ins Herz geschlossen wurde.
Flรผgel gestutzt: Die รra Georges Kern
2017 wurde Breitling an die Private-Equity-Gesellschaft CVC Capital Partners verkauft. Die Investmentgruppe รผbergab die Unternehmensfรผhrung an den erfahrenen, frรผheren IWC-Manager Georges Kern.
Kerns Zeit bei IWC wird gemeinhin als รผberaus erfolgreich angesehen. Der Start bei Breitling glรผckte ihm aber nur so semi-gut: Es klingt wie eine Lappalie, aber was viele Uhrennerds Georges Kern nicht so recht verzeihen konnten war, dass er die Flรผgel des Breitling-Logos bei der Navitimer gestutzt hat: Die neuen Navitimer-Modelle, haben zwar grundsรคtzlich noch die DNA der Ur-Navitimer in sich getragen, kamen aber (wie zunรคchst alle anderen Neuerscheinungen von Breitling unter Georges Kern) mit dem geschwungenen โBโ als Logo.
Heute verwendet Breitling ein Sammelsurium aus allen alten Logos im Sortiment – unter dem Aspekt, dass ein Logo ja auch einen Wiedererkennungswert schaffen soll (wie Eingangs ausgefรผhrt), ist das auf den ersten Blick nicht unbedingt taktisch klug. Andererseits passt dieses Vorgehen zum Fokus auf Re-Issues bzw. Re-Editionen: Breitling lanciert unter Kern vornehmend Uhren, die sich designtechnisch an Modellen aus der eigenen Firmenhistorie orientieren.
Das historische, geschwungene Solo-„B“ findet sich beispielsweise bei der aktuellen, 2022 neu aufgelegten SuperOcean wieder – genau wie bei der Vorlage, der SuperOcean โSlow-Motionโ Ref. 2005 Mk2 aus 1970:
Das geflรผgelte „B“ von Ernest Schneider findet sich (passenderweise) heute beispielsweise noch in moderneren bzw. neueren Breitling-Modellen wie der Avenger und der Endurance Pro.
Auch fรผr die Navitimer gab’s ein Happy End: Kern ruderte zurรผck und verpasst der aktuellen Navitimer wieder das Logo, das sich nah am AOPA-Logo bewegt. Mir gefรคllt’s!
Es gibt aber auch Unstimmigkeiten: Grade bei der Neuauflage der Chronomat hรคtte ich mir beispielsweise das Logo mit Flรผgeln und Anker zurรผckgewรผnscht – schade!
Mehr: Breitling Chronomat B01 42 mit Rouleaux-Stahlband: das Kern-Update (2020) im Test
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich รผber ein Like bei Facebook, Instagram, YouTube oder
Auch รผber WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:
Darรผber hinaus freue ich mich รผber Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprรผft und freigeschaltet). Vielen Dank!
Sehr sorgfรคltig und aufwรคndig recherchiert! Respekt und groรes Lob fรผr den interessanten Bericht รผber einen Klassiker.