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Ein pfiffiger Italiener entwickelte vor fast 700 Jahren einen Meilenstein in der Uhrmacherei: Ein gewisser Giovanni de’ Dondi tüftelte das sogenannte Astrarium aus, eine mechanische Räderuhr, die eine der ersten astronomischen Uhren der Welt war, die erstmals die Länge eines Tages in Stunden und Minuten und das genaue Datum anzeigen konnte. Lang lang ist’s her – im Vergleich zu Schweizer, japanischen und deutschen Uhren-Marken fristen die Italiener heute eher ein Nischendasein. Daher freue ich mich besonders über neue italienische Marken, die sich langsam, aber sicher etablieren: Eine ist die Microbrand echo/neutra, deren mechanisches Chronographen-Modell Cortina 1956 ich hier ausführlich vorstelle.

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Der hier gezeigte echo/neutra Chronograph wurde für diesen Test von Chronofactum, dem offiziellen Händler für echo/neutra in Deutschland, zur Verfügung gestellt.

Eckdaten echo/neutra Cortina 1956 Chronograph:

echo neutra Chronograph Test Erfahrungen Chronofactum 3

echo/neutra Cortina 1956 Chronograph im Test

echo/neutra ist gekommen, um zu bleiben: Nach der ersten Kollektion der italienischen Microbrand, die sich mit dem Einstandsmodell Averau im Jahre 2020 ganz klassisch über Kickstarter-Crowdfunding finanziert hat (mit immerhin rund 72.000€), folgte wenig später die Cortina-Modellreihe.

Die zwei Köpfe hinter echo/neutra sind Nicola Callegaro, Designer und Kommunikationsberater, und Cristiano Quaglia, Luft- und Raumfahrtingenieur mit Spezialisierung auf Antriebssysteme – die beiden haben offensichtlich per Vita nix mit Uhren am Hut; das ist bei Microbrands nicht unüblich und erst recht kein Hinderungsgrund für nachhaltigen Erfolg (man schaue nur auf die überaus erfolgreiche Microbrand Direnzo, gegründet vom gleichnamigen Architekten und Designer).

echo neutra Cortina Chronograph 1956 Test 13
echo neutra Chronograph Test Erfahrungen Chronofactum 2

Nicola und Cristiano, beide leidenschaftliche Bergsteiger, haben die Cortina-Modellreihe nach Cortina d’Ampezzo, einem bekannten Skiort in den Dolomiten und Teil des UNESCO-Weltnaturerbes im Norden Italiens, benannt. Genauer: Cortina d’Ampezzo ist Teil des Gebiets Dolomiti Superski, zu dem auch der Gebirgspass Passo di Falzarego mit seinen bekannten Abfahrten gehört. Hier verbrachten die beiden echo/neutra-Gründer von Kindesbeinen an viel Zeit mit ihren Familien.

Cortina d’Ampezzo war anno 1956 auch der Austragungsort der Olympischen Winterspiele. Kein Zufall daher auch, dass Cortina d’Ampezzo (zusammen mit Mailand) den Zuschlag für die anstehenden Olympischen Winterspiele 2026 erhalten hat. Die Modemetropole Mailand ist für Eishockey, Eiskunstlauf und Shorttrack vorgesehen. In Cortina wird im Skialpin der Frauen, Bob, Rodeln, Skeleton, Curling und Biathlon um Medaillen gekämpft.

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Ganz im Zeichen der Olympischen Winterspiele 1956 ist der Cortina Chronograph voll auf retro gebürstet und hat auch ein paar passende “Easter Eggs” an Bord: So ist beispielsweise die Spitze des zentralen Sekundenzählers rot-weiß lackiert – ein Hinweis auf die Wegbeschilderung des Club Alpino Italiano (CAI; Italienischer Alpenverein) in den Dolomiten.

Auf “6 Uhr” wartet ein “1956”-Logo mit im Prinzip nur unter der Lupe lesbarer, rundum laufender Schrift “CORTINA DOLOMITI D’AMPEZZO ITALIA”, das die perfekte Symmetrie des Zifferblattes abrundet. Als ich mir im Vorfeld dieses Artikels Bilder zum Cortina Chrono angeschaut habe, empfand ich das rote Logo teilweise als etwas zu aufdringlich – “in echt” wirkt die Farbgebung aber sehr zurückhaltend; vor allem bei der braunen Variante, bei der das Rot eine schöne Symbiose mit dem Zifferblatt eingeht (denn Braun ist ja bekanntermaßen eine Mischung von Rottönen und Grün).

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CAI Trail-Schild, Bild: MicheleOSM3, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Leser meines Blogs wissen, dass ich meine Bilder gerne mit der einen oder anderen Requisite aus meinem üppig gefüllten Requisitenschrank mache. Und so viel es mir auch nicht schwer den Farbton des Zifferblattes mit entsprechenden, alten Requisiten zu untermauern – darunter Papier aus circa den 50er Jahren oder ein alter Mercedes-Druckmesser, die über die Jahrzehnte durch natürliche Alterung Brauntöne ausgebildet haben. Das Zifferblatt des Cortina Chronos trifft diese Vintage-Brauntöne ganz hervorragend. Super-LumiNova im Farbton “Old Radium” unterstreicht dies noch – mehr retro geht fast nicht.

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Das Zifferblatt ist dabei perfekt symmetrisch: Der Chrono kommt mit klassischer Bicompax-Anordnung der mit feinem Schallplattenmuster ausgestatteten Totalisatoren (kleine Sekunde bei 9 Uhr und 30-Minuten-Zähler bei 3 Uhr). Ins Auge sticht auch die verhältnismäßig große, dominante “12”; die langen, dünnen Stundenmarkierungen lenken den Blick in das Zentrum des Zifferblattes. Kritisch sei dabei angemerkt, dass das Zifferblatt vielleicht etwas zu voll geraten ist: Der “mechanical”-Schriftzug hätte gerne komplett wegfallen und der “echo/neutra”-Schriftzug etwas kleiner ausfallen dürfen. Auch das bereits erwähnte rote “1956”-Logo ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Manchmal ist weniger dann eben doch mehr.

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Das Zifferblatt wird von einem zum Rand hochgewölbten („box shaped“) Saphirglas geschützt, das den Charme von vor vielen Jahrzehnten zum Einsatz kommenden gewölbten Kunststoffgläsern durch tolle perspektivische Verzerrungen hervorragend einfängt. Durch die spezielle Glasform wirkt das Gehäuse aber noch einen Tick höher (14,1 mm, dazu aber gleich mehr). Toll: Durch die beidseitige Entspiegelung, gut erkennbar am dezent bläulichen Schimmer, wirkt das Zifferblatt sehr klar und gut ablesbar.

Dem gewölbten Saphirglas ist eine leicht schräg nach innen zulaufende Lünette zugewandt, die mit kratzfester, auf Hochglanz polierter Keramik kommt und eine Telemeterskala beherbergt.

Die Telemeterskala ist eine eher seltener anzutreffende Funktionserweiterung von Uhren mit Chronographen-Komplikation (Stoppuhr). Im Allgemeinen kann man mit der Telemeterskala („tele“ von fernweit) die Distanz zwischen einem sichtbaren und dem dazugehörigen hörbaren Ereignis messen. Zugrunde liegt dabei die Ausbreitung des Schalls (Schallgeschwindigkeit).

Ein klassischer Anwendungsfall ist die Messung der Distanz zu einem nahenden Gewitter: Schall breitet sich mit einer bestimmten Geschwindigkeit aus, weshalb ein Donnergrollen naturgemäß immer später zu hören als der Blitz zu sehen ist. Genauso verhält es sich auch bei Feuerwerken in weiter Entfernung.

Mit einer Telemeter-Skala lassen sich genau solche Anwendungsfälle ganz einfach und vergleichsweise präzise lösen: Startet man den Chronographen, sobald ein Blitz oder Feuerwerk zu sehen ist und stoppt man diesen beim darauf folgenden Donnergrollen bzw. “Peng”, so kann man auf der Telemeter-Skala die Entfernung des Gewitters bzw. Feuerwerkes in Kilometern ablesen  (zum Beispiel 6 Sekunden Chrono-Messung = 2 Kilometer Entfernung)..

Nur eine Sache aus der Kategorie “Dippelschisser”: Beim Cortina Chronographen sind die Sekunden in fünf Abschnitte aufgeteilt – eine solche Fünftelsekundenmessung ergibt (technisch) aber nur bei 5-Hertz-Kalibern (36.000 bph) wirklich Sinn, da der Sekundenzähler, der im Falle der echo/neutra Cortina von einem 4 Hertz-Kaliber (28.8000 bph) angetrieben wird, nicht bündig auf den Sekundenbruchteilen landen kann. Eine Rolle spielt das im Alltag aber faktisch nicht, denn man braucht schon eine Uhrmacherlupe, um das überhaupt wahrnehmen zu können. Und in jedem Fall ist die Messung der Kilometer über die Telemeter-Skala deutlich präziser als irgendwelche Daumenregeln, die man schon als Kind lernt.

Mehr: Uhren mit Telemeter-Skala – Anwendungsbeispiele und Funktionsweise

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echo neutra Cortina Chronograph 1956 Test 8

Ausgelöst, gestoppt und zurückgesetzt wird die Messung der Kilometer (oder natürlich der Zeit) über klassische Pilzkopf-Drücker, welche die Krone bei 2 und 4 Uhr flankieren und typisch für sportliche Chronographen der 60er und 70er waren (z.B. Heuer Autavia, Zenith Cronometro Tipo CP-2). Die Krone hat eine angenehme Größe für den Handaufzug, der gemäß Gangreserve-Spezifikation spätestens alle 56 Stunden anfällt.

Der echo/neutra Cortina Chronograph wird von einem Handaufzugkaliber aus der im Schweizer La Chaux-de-Fonds ansässigen Sellita SA angetrieben – und darüber habe ich mich sehr gefreut, denn leider “trauen” sich nur wenige Hersteller auf Handaufzugskaliber zu setzen (und ich zelebriere das aufziehen einer Handaufzugsuhr gerne und besitze daher auch bewusst die Omega Speedmaster Professional Moonwatch in der Handaufzugsvariante). Und sowieso: Was könnte besser zu einem waschechten Retro-Modell passen? (die ersten Automatikchronographen kamen erst Ende der 60er auf den Markt, darunter die Zenith El Primero)

Da das verbaute Schweizer Handaufzugskaliber SW510 M BH b (27 Steine, 28.800 bph (4 Hz), sehr gute 58 Stunden Gangreserve, Sekundenstopp) auf einen Automatikaufzug verzichtet baut es mit 7 mm außerdem etwas flacher als das Automatikpendant SW 500 (knapp 8 mm). Das macht sich echo/neutra allerdings nicht zu Nutze – leider: Mit einer Höhe von 14,1 mm (inklusive Glas) ist der Cortina Handaufzugs-Chronograph nicht schmaler als typische Automatikchronographen (siehe zum Beispiel Titoni Heritage Chronograph 94019).

Das Verhältnis von Durchmesser (40 mm) zu Höhe ist aber grade noch so ausgeformt, dass die Cortina 1956 nicht pummelig wirkt – dennoch: Hanhart hat mit der 417 ES in dieser Hinsicht einfach einen besseren Job gemacht (Höhe mit Glas 13,3 mm, Höhe ohne Glas 11,55 mm; Wasserdichtigkeit ist mit 10 bar identisch). Dennoch ist der echo/neutra Chrono, auch wegen der ergonomisch nach unten gezogenen Hörner und des kompakten Horn-zu-Horn-Maßes von 46 mm auch für schmalere Handgelenke geeignet.

Gut ist auch, dass das verbaute SW510 M in der höheren Elaboré-Qualität kommt – keine Selbstverständlichkeit für eine Microbrand und auch nicht in dieser Preisklasse.

Neben verschiedenen Lederbandoptionen oder einem Tropical Rubber steht auch ein Mesh-Band zur Auswahl. Das macht wegen der zweiteiligen Machart auf den ersten Blick den Eindruck, als könne man jederzeit eine Feinjustierung vornehmen. Tatsächlich aber handelt es sich um eine Schließenkonstruktion, bei der man einen kleinen Clip mit viel Schmackes runterdrücken muss, um die Schließe an der richtigen Stelle (also passend zum Handgelenkumfang) zu fixieren. Lösen lässt sich diese Fixierung wiederum nur mit Hebelwirkung, zum Beispiel mit einem kleinen Schraubenzieher. Ist die Schließe an der richtigen Stelle, so so kann man das andere Band-Ende “einhängen”. Prädikat: Etwas gewöhnungsbedürftig. Haptisch macht das Band aber einen guten Eindruck (dank Herstellung bei Hermann Staib kein Wunder) und Mesh-Bänder sind ohnehin sehr komfortabel zu tragen. Auch optisch passt das Band sehr gut.

echo neutra Cortina Chronograph 1956 Test 3

Fazit zu echo/neutra

echo/neutra ist für mich eine echte Bereicherung der (fast nicht mehr überschaubaren) Microbrand-Landschaft: Die Eckdaten sind optimal ausgewählt (Keramiklünette, Box-shaped Saphirglas, Sellita Handaufzugskaliber…) und die allgemeine qualitative Verarbeitung ist in dieser Preisklasse absolut wettbewerbsfähig (sowohl im Vergleich zu anderen Microbrands, siehe z.B. VANDAAG Schallmauer, als auch im Vergleich zu gestandenen Marken, siehe z.B. Titoni Heritage 94019 Retro-Chronograph oder Laco Kiel.2).

Und noch viel wichtiger: Das Design des hier vorgestellten Cortina 1956 Chronographen ist eigenständig, was ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine Microbrand ist, die noch in den Kinderschuhen steckt. Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf weitere Neuerscheinungen. Molto bene!

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Der hier gezeigte echo/neutra Chronograph wurde für diesen Test von Chronofactum, dem offiziellen Händler für echo/neutra in Deutschland, zur Verfügung gestellt.
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Cord
1 Jahr zurück

Ich habe zwei von denen. Die Vanillepudding und eine Blaue. Leider haben beide es etwas eilig, da dürfte Echo besser regulieren. Und die blaue hat einen „milchigen“ Effekt im Glas, da sich das glänzende Blatt etwas zu spiegeln scheint. Den Effekt hat Milli Vanilli nicht.
Aber grundsätzlich tolle Uhren für den, der gern etwas Action auf dem Blatt mag. Nichts für Bauhaus-Fanatiker. 😉 Und der leuchtende Telemeterring ist eine Show für sich. Omegas MK II lässt grüßen. Jetzt bin ich auf die Avereau Moonphase gespannt, die hoffentlich diese Woche kommt.
Schön, dass hier auch solche Uhren Gehör finden, die man nicht bei jedem Händler an der Ecke findet. Danke!

Michael
1 Jahr zurück

Schöner Artikel . Eine interessante Uhr. Ich habe gesehen , dass Echo/Neutra bei seinen Uhren auch das Uhrwerk STP 1-11 verbaut. Hast du Erfahrungswerte zur Qualität dieses Werks ?