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Manchmal ertappt man sich dabei, wie man über eine Marke schreibt, die man gefühlt schon ewig kennt – und plötzlich wird einem bewusst: Hoppla, das ist wirklich schon ewig. So ging’s mir neulich mit Direnzo. Dann schaue ich nach, und siehe da: Anno 2017, Kickstarter-Crodfunding, die noch junge Microbrand-Welt, und ich sitze da und tippe den ersten deutschsprachigen Artikel über die Uhren von Gründerkopf Sergio Godoy Di Renzo, einem in Genf lebenden Argentinier mit italienischen Wurzeln. Lang, lang ist’s her.

Heute, Jahre später, kann man festhalten, dass Direnzo eigentlich fast schon dem Microbrand-Status entwachsen ist – vor allem dank einer deutlich erkennbaren eigenen Handschrift. Uhrennerds sehen sofort: Das ist eine Direnzo. Und sowas ist heute alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Umso gespannter war ich auf die DRZ_06 Wandering Star. Die ebenfalls hier gezeigte DRZ_07 Universo bleibt im direkten Vergleich zwar deutlich konservativer, spricht aber dennoch die klare Direnzo-Designsprache.

Direnzo DRZ_06 Wandering Star

Statt eines „braven“, klassischen Gehäuses mit Hörnern bekommt man mit der DRZ_06 Wandering Star ein 38-mm-Konstrukt (Horn-zu-Horn 46 mm), das wirkt, als hätte sich ein Windkanalingenieur und ein sehr motivierter Haifischbiologe gemeinsam an eine CAD-Software gesetzt. Die Grundform ist „weich“, mit fließenden Rundungen, die fast schon etwas Organisches haben. Die Form erinnert mit Blick auf die Hörner tatsächlich auch ein wenig an jene mysteriösen kleinen Rochen- und Hai-Eikapseln, die man an Stränden findet, vulgo „Nixenhandtasche“.

Besonders markant sind die nach innen geschnittenen, auf Hochglanz polierten Vertiefungen an den Hörnern: Die Verbindung zwischen Band und Gehäuse wirkt dadurch richtig schön integriert, das Stahlband schmiegt sich logisch in die Gehäuseform hinein. Die Komplexität des Gehäuses ist in der Summe beachtlich.

Alternativ stehen auch Leder- oder FKM-Kautschukbänder (120×80 mm) zur Auswahl, die ebenfalls nahtlos und optisch stimmig an das Gehäuse andocken – alles einfach wechselbar über kleine Pins an der Unterseite (Schnellwechselfederstege).

Die wahre Bühne der Uhr ist aber das Zifferblatt – und Direnzo wäre nicht Direnzo, wenn es dort nicht einige Besonderheiten gäbe. Traditionell setzt die Marke auf plastisch gestaltete Blätter – bei der DRZ_06 wirkt das Ganze jedoch besonders fließend: Der äußere Ring fällt fast schon wie eine Skateboard-Halfpipe ab – dieser Übergang zieht den Betrachter förmlich in die Mitte des Blattes hinein. Am äußeren Rand befinden sich dabei ausgeschnittene Stundenbereiche, die die darunterliegende Leuchtmasse freigeben (sogenannter Sandwich-Stil).

Auf der „6 Uhr“-Position befindet sich dann das Detail, das der Wandering Star ihren Namen gibt: Keine klassische zentrale Sekundenanzeige, sondern ein roter, fast schon hypnotisierend seine Bahnen ziehender Punkt, der auf einer transparenten Scheibe „schwebt“. Bei Nacht wird diese Interpretation einer kleinen Sekunde durch Befüllung mit Super-LumiNova noch zusätzlich auffällig „ins Schaufenster“ gestellt.

Die hier gezeigte rote Farbvariante der DRZ_06 sieht dabei herrlich weihnachtlich aus. So weihnachtlich, dass man beinahe erwartet, dass kleine Elfen das Kaliber ölen. Natürlich kann man kräftigere Farben auch ganzjährig tragen – die Uhrenhersteller haben ja nicht erst seit gestern an der Sättigungsschraube gedreht. Aber im Dezember wirkt die rote Version eben besonders stimmig. Wer also dem Festtagslook subtil Uhrentechnik beimischen will, darf sich freuen. Und: Wer es etwas dezenter mag, der greift zu Blau, Grün oder Schwarz.

Direnzo DRZ06 Wandering Star Rot Direnzo DRZ 07 Universo Grau Test Review 1190668

Interessant ist auch die Entscheidung, die DRZ_06 mit einem Schweizer Handaufzugswerk auszustatten. Während die Formensprache retro-futuristisch wirkt und man bei so einer Uhr instinktiv einen Automatikrotor im Hintergrund erwartet, hat Direnzo genau das Gegenteil getan: Unter dem Glasboden arbeitet ein Sellita SW216-1 in Elaboré-Ausführung – ein zuverlässiges und vor allem flaches Kaliber, das die Uhr mit 10,8mm angenehm schlank hält und dem Träger ein kleines tägliches Ritual schenkt: Manche Uhrenfreunde halten den regelmäßigen Handaufzug vielleicht für ein kleines Ärgernis, ich persönlich mag die direkte Interaktion mit der Feinmechanik einer Uhr und das fein-satte Knacken beim Aufzug aber sehr gerne.

In ihrer Standardausführung verfügt die SW216-1 über eine Datumsanzeige bei 3 Uhr – eigentlich, denn die Datumsscheibe und die dazugehörige Kronenposition wurden für dieses Modell zugunsten der Symmetrie entfernt (ich find’s gut, weiß aber, dass das manchem Uhrenfreund sauer aufstößt). Die Optik des Kalibers ist nicht besonders spektakulär, aber immerhin sorgen Genfer Streifen und das Direnzo-Bildlogo für einen kleinen Hingucker.

Am Handgelenk zeigt sich, wie gut die DRZ 06 abgestimmt ist: Die geschwungene Form und die flache Bauhöhe liegen wunderbar am Arm, und das gesamte Erscheinungsbild wirkt elegant-(retro-)futuristisch.

Durch die spezielle Form wirkt die Uhr allerdings auch deutlich präsenter als es die 38 mm Durchmesser auf dem Papier vermuten lassen. Das wird insbesondere im Vergleich mit der DRZ_07 deutlich, die es auf dem Papier auf einen fast identischen Durchmesser bringt (37,5 mm) – gleich mehr zu diesem Modell. Hier ein direkter Vergleich an meinem Handgelenk mit einem Umfang von rund 18 cm:

Direnzo DRZ06 Wandering Star Rot Direnzo DRZ 07 Universo Grau Test Review 1190681

Das sich stark zur Schließe hin verjüngende Stahlband leistet seinen Beitrag dazu, den „Schwung“ des Gehäuses fortzuführen. Die Glieder sind angenehm flach, das Band ist somit auch am Schreibtisch gut tragbar – auch dank der Butterfly-Schließe, die aber naturgemäß konstruktionsbedingt keinerlei Feinjustierung ermöglicht – durch die halben Bandglieder lässt sich die Passform gut treffen, aber eben nicht unterjährig anpassen, ohne, dass man einen Schraubendreher zücken muss (Winter vs. Sommer etc.).

Eckdaten Direnzo DRZ_06:

Direnzo DRZ_07 Universo

Direnzo positioniert die DRZ_07 Universo als “GADA”-Uhr – also als “Go Anywhere, Do Anything”-Uhr. Nun, es ist letztendlich natürlich hochgradig subjektiv, was eine Uhr zu einer Uhr macht, mit der man „überall hin gehen und alles tun“ kann. Kurz gesagt, würde ich persönlich aber eine GADA-Uhr als eine dezente, schnörkellose Dreizeiger-Sportuhr mit guter Wasserdichtigkeit (keine Taucheruhr) und gut tragbaren Abmessungen bezeichnen, die zu allen Angelegenheiten passt, also egal, ob mich der Tag in Schwimmbad, Büro oder auf eine Geburtstagsfeier führt. Und ja, all das trifft am Ende des Tages gut auf die DRZ_07 zu.

Aber schieben wir mal das Schubladendenken beiseite: Das Zifferblatt ist deutlich dezenter als bei der vorher gezeigten DRZ_06, bietet aber dennoch ein paar schöne, Direnzo-typische Details, darunter eine Kombination aus feinem Sunburst mit einem schicken Fumé-Verlauf in Verbindung mit rosegoldfarbenen Zeigern und applizierten Indizes, die für einen schönen warm-kühl-Kontrast zum grauen Blatt sorgen. Man muss außerdem schon genau hinschauen, sonst entgeht einem die Struktur der konzentrischen, fein gebürsteten Ringe, die sich im Zentrum sammeln wie hauchdünne Vinylschichten.

Deutlich auffälliger in ihrer Erscheinung sind beispielsweise die Varianten Orange und Aventurin, die direkt bei Direnzo aber derzeit vergriffen sind – bei Händlern kann man aber noch Glück haben.

Die Anordnung ist typisch Direnzo und wirkt vertraut: Wir finden bei der Universo dreieckige Indizes mit abgerundeten Ecken bei 12, 3, 6 und 9 Uhr, dazwischen kompakt dimensionierte kreisrunde Indizes – alles sauber appliziert und mit Super-LumiNova BGW9 befüllt. Minuten- und Stundenzeiger kommen passenderweise ebenfalls in einer abgerundeten Form. Auch der Sekundenzeiger im Lollipop-Stil fügt sich nahtlos in die Gesamtkomposition ein.

Gemeinsam haben beide hier gezeigten Modelle übrigens eine Härtebeschichtung auf dem Gehäuse sowie dem Band, deren Dienst insbesondere bei der DRZ_07 wegen der großflächig auf Hochglanz polierten Flanken auch bitter nötig ist. Mit solchen Beschichtungen habe ich beispielsweise schon bei Formex (FIELD)Seiko (Speedtimer) und RZE (Resolute) durchaus gute Erfahrungen gemacht. Erfahrungsgemäß können solche Beschichtungen zwar nicht mit „Tiefenhärtungen“ wie Tegimentieren bzw. Kolsterisieren (siehe z.B. Sinn U50, Circula ProTrail, Circula ProSea) mithalten, zwecks Vermeidung feiner Desk Diving-Spuren taugen sie aber auf jeden Fall. Direnzo gibt eine Härte von bis zu 800 Vickers an – zum Vergleich: Unbeschichteter Edelstahl liegt bei knapp über 200 Vickers.

Gut: Die Härte-Beschichtung ist vollständig transparent und absolut unscheinbar – damit ist sie ein guter Kompromiss zu häufig zum Einsatz kommenden, meist schwarzen DLC/PVD-Beschichtungen, die zwar auch für eine Härtung sorgen (>3500 Vickers), im Falle von abgeplatzten Stellen durch groben Kontakt mit einer Wand oder dergleichen aber schnell unschön aussehen können, wenn der „nackte“ Edelstahl durchschimmert.

Das Gehäuse der DRZ_07 misst kompakte 37,5 mm im Durchmesser (45 mm Horn-zu-Horn) und baut mit 10,8 mm Höhe erfreulich flach. Wie bereits erwähnt ist die optische Größenwirkung am Handgelenk merkbar zurückhaltender als bei der DRZ_06 – auch die eine oder andere Dame dürfte an diesem Modell Freude finden.

Im Inneren des Gehäuses arbeitet ein Sellita SW200-1 in der Elaboré-Ausführung, also reguliert in mehreren Lagen, verlässliche 4 Hz, 41 Stunden Gangreserve – der Klassiker, über den man denke ich nicht viele Worte verlieren muss, weil er einfach zuverlässig das macht, was er soll.

Das Jubilee-Stahlband hat mich absolut überrascht – die Haptik ist richtig richtig gut. Die über zwei unscheinbar seitlich untergebrachte Drücker zu öffnende Schließe bringt dabei eine werkzeugfreie Feineinstellung von Nodus bzw. Nodex mit, die funktioniert, ohne dass man drei Hände braucht und die vor allem im Sommer ein großes Komfort-Plus bringt: Einfach den innerhalb der Schließe untergebrachten Drücker betätigen und schon lässt sich das Band um ein paar Millimeter verkürzen oder verlängern. Einen Punktabzug gibt es aber für die Tatsache, dass die Schließe im voll ausgefahrenen Zustand ein Verbindungselement sichtbar macht, dass nicht grade aus der Kategorie „optisch sexy“ ist (siehe Bilder).

Eckdaten Direnzo DRZ_07:

  • Swiss Made
  • Durchmesser 37,5 mm
  • Horn-zu-Horn 45 mm
  • Höhe 10,8 mm
  • Flaches Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
  • 316L Edelstahl mit Anti-Kratzer-Beschichtung (800 Vickers)
  • Sellita SW200-1 Elaboré mit Incabloc-Stoßsicherung
  • Verschraubter Stahlboden
  • Wasserdichtigkeit 10 bar
  • Armband: Jubilee-Typ, 316L mit kratzfester Beschichtung (HV 800), Schraubstifte
  • Gewicht: 130 Gramm (mit allen Gliedern)
  • Date oder NoDate
  • Preis: ab 809€ über den offiziellen Fachhändler Finch Watches mit Code „CHRONONAUTIX“

Abschließende Gedanken

Die DRZ_06 Wandering Star ist definitiv mein persönlicher Favorit: Eine retro-futuristische Uhr, die nicht laut „Designobjekt“ schreit, sondern es einfach ist. Eine Uhr, die zeigt, dass Microbrands nicht nur Diver mit Datumslupe bauen können. Und egal, ob man den wandernden Stern nun als Spielerei, Designakzent oder „meditative“ Sekundenanzeige begreift – die DRZ_06 ist charmant. Und eigenständig. Und durchaus auch etwas mutig. Und das ist heute definitiv viel wert. Zumal Direnzo auch preislich nach wie vor nicht „abgehoben“ ist: Mit Knapp über 800€ bzw. knapp unter 900€ sind die beiden Modelle zu einem bodenständigen Preis erhältlich.

Erhältlich sind die DRZ_06 und die DRZ_07 unter anderem beim Händler Finch Watches, ansässig in den Niederlanden – dahinter steckt der langjährige Gruppo Gamma-Europa-Fachmann Mi-Watch.it. Für alle, die lieber innerhalb der EU shoppen und sich über schnelleren Versand freuen: Eine sehr praktische Option.


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