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Der Luxusuhrengigant Rolex nutzt seinen Gründer Hans Wilsdorf gerne als Aushängeschild: Altruist und philanthropische Gesinnung sind nur zwei beschreibende Merkmale auf der Website von Rolex für den Mann hinter der Krone.

Unter dem Titel “Wilsdorf und die Nazis: Die Wahrheit über den Rolex-Erfinder” berichten F.A.S./FAZ am 12. Mai 2024, dass nun ein “Schatten auf Hans Wilsdorf fallen” könnte. Im März berichtete bereits Le Temps unter dem Titel “Historiker bezweifelt Nazismus-Vorwürfe gegen Rolex-Gründer Hans Wilsdorf“.

Der F.A.S./FAZ-Artikel behandelt zunächst sehr ausführlich die Geschichte von Rolex. Erst gegen Ende wird die Überschrift – nicht besonders ausführlich – wieder aufgegriffen: Wie F.A.S./FAZ berichten, hat der Schweizer Historiker und Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Universität Osaka Pierre-Yves Donzé bei seinen Recherchen zu seinem neuen Buch über die Geschichte von Rolex herausgefunden, dass Wilsdorf ein glühender Bewunderer des Hitler-Regimes gewesen sein soll. Dies sei in einem Bericht der Genfer Sicherheitspolizei aus dem Jahr 1941 vermerkt.

Dazu sei erwähnt, dass Wilsdorf kein Schweizer war, sondern Deutscher, geboren 1881 im fränkischen Kulmbach. Auf einem deutschen Internat knüpfte Wilsdorf erste Kontakte in Richtung Schweizer Uhrenindustrie. Zunächst machte sich Wilsdorf mit seinem Partner Davis in London selbstständig (Wilsdorf & Davis), 1915 verlegte er seinen Firmensitz in die Schweiz. Wilsdorf hatte durch Heirat auch die britische Staatsbürgerschaft.

Auf Deutsche, die während des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz wohnten oder wie Wilsdorf gar geschäftlich tätig waren, hatte die Sicherheitspolizei damals sicherlich ein besonderes Auge geworfen: Nachdem im Sommer 1940 Frankreich dem deutschen Angriff nichts entgegenzusetzen hatte, war die Schweiz fast vollständig von den faschistischen Mächten Deutschland und Italien umzingelt. Eine (nicht unbegründete) Angst vor einem Einmarsch der Achsenmächte machte sich in der Schweiz breit. Ganz konkret seien die Ermittlungen gegen Wilsdorf aber aufgrund von Hinweisen der Briten eingeleitet worden: Im Juni 1941 ermittelten die britischen Behörden gegen Hans Wilsdorf, da sein Bruder angeblich im deutschen Propagandaministerium unter der Leitung von Joseph Goebbels tätig war. Die Briten nahmen daraufhin Kontakt zu den Schweizer Behörden auf und verweigerten Exportvisa für Rolex-Uhren in das Vereinigte Königreich.

Wilsdorf hatte allerdings nichts Illegales getan, wie die Schweizer Polizisten festhielten: Es sei nichts davon bekannt, dass Wilsdorf Nazi-Propaganda betrieben hätte. Die Schweizer Bundespolizei hat auf den Genfer Bericht hin auch keinerlei Maßnahmen gegen Wilsdorf ergriffen.

In der Summe empfinde ich den Titel des FAZ/F.A.S.-Artikels “Wilsdorf und die Nazis: Die Wahrheit über den Rolex-Erfinder” daher als doch etwas sehr reißerisch, nahe am Clickbait. Die Informationslage ist meiner Meinung nach einfach viel zu dünn.

Die Reaktion der Hans-Wilsdorf-Stiftung

F.A.S./FAZ konfrontierte die Hans-Wilsdorf-Stiftung als Rolex-Eigentümer mit den Vorwürfen: Der Generalsekretär der Stiftung, Marc Maugué, sagte, dass man die Behauptungen ernst und ein Gremium unabhängiger Historiker mit einer umfassenden Untersuchung beauftragen werde. Die sollen auch Zugang zu den Archiven von Rolex und der Stiftung erhalten.

So wirklich ins Bild passen die Vorwürfe aber meiner Meinung nach nicht: Rolex hat die Nazis nie mit Uhren beliefert – anders als so einige andere Schweizer Uhrenhersteller. Mit einer indirekten Ausnahme: Rolex lieferte im Jahre 1944 Zeitmesser an Panerai in der norditalienischen Stadt Florenz. Diese fanden später ihren Weg an die Arme deutscher Kampfschwimmer. Kurz zur geschichtlichen Einordnung: Nach dem Sturz Mussolinis im Juli 1943 besetzten die Nazis im Rahmen der Operation “Achse” am 8. September 1943 den größten Teil Nord- und Mittelitaliens, einschließlich Rom.

Die von Wilsdorf an Panerai gelieferten Uhren hatten allerdings keinerlei Rolex-Markierungen und weder das Gehäuse noch die Uhrwerke waren signiert. Gestempelt waren lediglich die fortlaufenden Rolex-Gehäusenummern. Nach neuen Erkenntnissen scheinen die Rolex-Stempel auf den Gehäuserückseiten entfernt worden zu sein. Der Blogger Perezcope berichtete 2016 ausführlich. Seine Hypothese: Es sei Rolex gewesen, die die Stempel entfernt hatten, als man ahnte, dass die Uhren möglicherweise bei den Nazis landen würden. Rolex und insbesondere sein Besitzer Hans Wilsdorf wollten einfach nicht mit Nazi-Deutschland in Verbindung gebracht werden.

Anno 1943 machte Hans Wilsdorf mit einer Aktion aber sehr deutlich, auf welcher Seite er stand: Tausende alliierte Kriegsgefangene wurden in deutschen Lagern gefangen gehalten, teilweise auch außerhalb der deutschen Grenzen. Ihre Uhren waren von den Nazis beschlagnahmt worden. Als Hans Wilsdorf das hörte, bot er an, alle beschlagnahmten Uhren zu ersetzen – zunächst kostenlos, bis Kriegsende war keine Zahlung erforderlich. Allein im Kriegsgefangenenlager für Offiziere (Offizierslager) Oflag VII B in Bayern sollen britische Kriegsgefangene mehr als 3000 Rolex-Uhren bestellt haben.

Aufschluss werden am Ende des Tages aber wohl nur die zusätzlichen Recherchen der Historiker bringen…

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Manuel
2 Monate zurück

Rolex hat ab 1936 die “meccanismi” fuer Panerai Uhren geliefert, also fuer Mussolini und sein Heer(Marine), mit Rolex Siegel. Rolex haette sich auch weigern koennen. Auch 1944 wenn es Uhren fuer die Besatzungsmacht Deutschland waren. Warum hat man all die Jahre mit Panerai zusammengearbeitet wenn man wusste dass Panerai nur militaerische Uhren verkaufte?

Beatus
2 Monate zurück

Der Grund für die Nachforschungen über Wilsdorf war nicht die Bedrohungslage in der Schweiz, sondern eine konkrete Nachfrage der britischen Behörden.
Die unten aufgeführten Textpassagen stammen aus dem Bericht der Kriminalpolizei von Genf:
Des renseignements recueillis il ressort que Wilsdorf es un fervent admirateur du régime hitlérien. Il ne se cache pas pour manifester sa satisfaction lorsque des événements favorables à l’Allemagne se produisent……Au point de vue politique Wilsdorf est connu de nos services comme «nazi».
(Aus den gesammelten Informationen geht hervor, dass Wilsdorf ein glühender Verehrer des Hitler-Regimes ist. Er hält nicht hinterm Berg, wenn er seine Genugtuung über für Deutschland günstige Ereignisse zum Ausdruck bringt……Aus politischer Sicht ist Wilsdorf unseren Diensten als “Nazi” bekannt.)
Dieser Passagen lassen mich an ihrer Aussage zweifeln, dass es deutlich sei, auf welcher Seite er stand.
Alle obenstehenden Angaben stammen aus dem Buch «la fabrique d’exellence» von Pierre-Yves Donzé.

Carsten
2 Monate zurück
Antworten...  Beatus

…und wo ist anno 2024 der Bus mit den Leuten die das interessiert?