Es gibt einige sehr bekannte Namen im Uhrenmarkt – darunter Nick Hayek, Kopf der Swatch Group oder auch Jean-Claude Biver, ehemaliger Chef der LVMH-Gruppe (TAG Heuer & Co.). Der Name Rick Marei gehรถrt sicherlich nicht dazu – noch nicht. Denn der eigentlich branchenfremde Unternehmer war mit der Wiederbelebung von Marken bzw. Uhren wie der Doxa SUB, Aquastar Deepstar, Aquadive, Tropic oder ISOfrane in den letzten Jahren รผberaus aktiv – und ziemlich erfolgreich. Dass Marei schon heute einen beachtlichen Fuรabdruck im Uhrenmarkt hinterlassen hat, ist nicht abzustreiten – und fertig ist er ganz offensichtlich noch lรคngst nicht: Zuletzt sorgte Marei mit der Synchron Military fรผr einen ratz-fatz ausverkauften Online-Shop…
INHALT
Rick Marei: Korb von Aquastar, Anfรคnge mit Doxa
Schon 1999 baggerte Rick Marei, seines Zeichens eigentlich in der IT-Branche beheimatet, an einem Uhrenhersteller: Nach eigenen Aussagen kontaktierte Marei damals den Aquastar-Chef Seinet, um Ersatzteile fรผr seine Aquastar Benthos-Taucheruhr anzufragen (die Marke Aquastar ist seit 1982 in der Hand der Familie Seinet). Als IT-Profi bot Marei Seinet eine Kooperation an, konkret: Aquastar gemeinsam effizient รผber Online-Kanรคle zu vertreiben. Die Zusammenarbeit kam allerdings nie zustande – laut Marei winkte Seinet mit folgendem Satz ab: “I am a sailor and a boat with two captains is destined to sink.โ Wer braucht schon dieses Internet? ๐
Einige Monate spรคter kam Marei mit Doxa ins Gesprรคch, um sein Online-Konzept vorzustellen. Zu dem Zeitpunkt war Doxa erst seit einigen Jahren in der Hand der Unternehmerfamilie Jenny…
Doxa, Jenny und Rick Marei
Kurz zum historischen Hintergrund: ab 1968 war Doxa Teil der in Neuchรขtel ansรคssigen Dachgesellschaft Synchron SA, die in den 70er Jahren unter der Initiative der ASUAG (Allgemeine Schweizerische Uhrenindustrie AG) die drei Marken Cyma, Doxa und Ernest Borel zusammenfasste. Typisch fรผr die damaligen Uhren unter dem Schirm von Synchron waren ein neu geschaffenes Synchron-Logo und der Markenzusatz โby Synchronโ.
Doxa ging im Zuge der Auflรถsung der Synchron SA im Jahre 1978 an die Aubry Frรจres SA. Im Jahre 1997 erfolgte der Verkauf von Aubrey Frรจres an die Familie Jenny, die durch die Grรผndung der Jenny & Cie S.A. im Jahre 1961 und der Lancierung der Jenny Caribbean 1000 Taucheruhr kein unbeschriebenes Blatt im Bereich Uhren war.
Die Familie Jenny war von Rick Mareis Online-Konzept offenbar angetan: Nach langen und zรคhen Verhandlungen (das spricht dafรผr, dass Marei nicht einfach nur den schnellen Euro machen wollte) wurde sein Wunsch im Jahre 2001 Wirklichkeit: Mit einem kleinen Team setzt er ausschlieรlich auf den Online-Direktvertrieb und Online-Plattformen wie das Forum WatchUseek, um Doxa-Uhren zu vermarkten.
Mareis erstes Projekt war die Wiederbelebung der Doxa SUB 300T Conquistador aus dem Jahre 1969, die erste Taucheruhr mit Helium-Ablassventil, die mit niemand geringerem als Jacques Cousteau entwickelt wurde. Das charakteristischste optische Merkmal des Modells war das knallorange Zifferblatt, das die Ablesbarkeit unter Wasser verbessern sollte.
Marei hat bis Ende 2018 eine ganze Reihe von Doxa-Uhren wiederbelebt. Als der der exklusive Doxa-Vertriebspartner fรผr den Online-Handel der Doxa SUB-Kollektion im nordamerikanischen Raum und in รsterreich schaltete und waltete er dabei fast autonom und investierte sein eigenes Kapital. Diese Konstellation wirkt ziemlich verwirrend, da die Geschรคfte aber ordentlich liefen, lieร die Eigentรผmerfamilie Jenny Marei weitgehend machen und konzentrierte sich ihrerseits auf osteuropรคische und asiatische Mรคrkte.
Rick Marei und der Bruch mit Doxa
Doxa kรผndigte Ende Dezember 2018, mit Wirkung zum 31. Juli 2019, die Zusammenarbeit mit Marei – nach 16 ziemlich erfolgreichen Jahren. Fรผr Auรenstehende war der Bruch nur schwer nachvollziehbar, die Hintergrรผnde sind bis heute nicht im Detail klar (und das werden sie wohl auch nie sein).
Die Reaktionen auf den Bruch lieรen nicht lange auf sich warten: Stรถbert man in einschlรคgigen englischsprachigen Uhrforen, so wird nicht selten Rick Marei in den Himmel gelobt (ohne Marei wรคre Doxa nicht das, was es heute ist!) und gegen die Schweizer Eigentรผmerfamilie Jenny gehetzt. Oder kurz: Jenny = bรถse, Marei = gut.
Erfahrungsgemรคร entspricht solch Schwarz-Weiร-Denken meistens nicht der Realitรคt. Bleiben wir bei den Fakten: Tatsรคchlich hat die Familie Jenny Umstrukturierungsmaรnahmen vorgenommen, um die Marke Doxa in ihrer Gesamtheit steuern zu kรถnnen – so wurde insbesondere eine Zentralisierung der Geschรคftstรคtigkeiten und der Geschรคftsfรผhrung in der Schweiz veranlasst. Verantwortlich fรผr die Aktivitรคten von Doxa sind nunmehr Romeo F. Jenny, Eigentรผmer der Walca Gruppe, und Jan Edรถcs, Vorstandsmitglied der Walca Gruppe und CEO von Doxa. Einerseits ist es absolut nachvollziehbar, wenn eine Marke ihren Auftritt einheitlich gestalten will (Stichwort: einheitlich globaler Auftritts) – in dem Sinne war die “lange Leine” fรผr Rick Marei sicherlich alles andere als optimal. Allerdings steht natรผrlich schon die Frage im Raum, warum Rick Marei geschasst wurde, anstatt ihn weiter einzubinden.
Ein (kleiner) Scheidungskrieg und Mareis heutige Aktivitรคten
So oder so ging die Trennung nicht ohne kleinen Scheidungskrieg vonstatten – Mitte 2019 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Marei und Doxa: Die beiden Parteien konnten sich nicht auf einen geordneten รbergang der kรผnftigen Nutzung der streitigen Domains doxasub.com und doxawatches.com einigen, deren Inhaber zu dem Zeitpunkt Rick Marei und seine รถsterreichische Firma ifactory.at internet serv GmbH waren.
Trotz der Streitereien, die eine Trennung nach so vielen Jahren naturgemรคร mit sich bringt, hat Marei nicht den Kopf in den Sand gesteckt: Mit der im Zuge der Quarzkrise in Konkurs gegangenen Marke Aquadive hat Rick Marei bereits im Jahre 2011, also parallel zu seinen Doxa-Aktivitรคten, eine Uhrenmarke wiederbelebt. Genau wie Aquadive hat Rick Marei darรผber hinaus die Bรคnder-Marken ISOfrane (Jahr 2010) und Tropic, die in den 70ern der absolute Standard bei vielen Taucheruhren waren, aus dem Grab gehoben. Der Aufbau eines zweiten Standbeins sollte sich mit Blick auf den Bruch mit Doxa als weitsichtiger und kluger Schachzug herausstellen.
Ende 2020, nach dem Bruch mit Doxa, folgte die Wiederbelebung der Marke Aquastar, die in den 60ern und 70ern als waschechtes Taucher-Handwerkszeugs in Lรคden fรผr Tauchbedarf (und nicht beim Juwelier) erwerbbar war (z.B. SCUBAPRO in den USA, Spirotechnique in Frankreich and Nemrod in Spanien). Oder kurzum: Aquastar galt damals nicht als Marke fรผr jedermann…
Aquastar Deepstar Monocompax-Chronograph
Ich bin grundsรคtzlich ziemlich kritisch, wenn mal wieder eine Uhrenmarke, die vor x Jahren begraben wurde (zum Beispiel wegen Konkurs in der Quarzkrise), wiederbelebt wird – oftmals hat man das Gefรผhl, dass mit solchen “Zombie”-Uhrenmarken nur der schnelle Euro mit der Strahlkraft einer einst erfolgreichen Marke gemacht werden soll (siehe dazu auch mein Artikel Tradition, Geschichte, Heritage โ was heiรt das eigentlich im Kontext von Uhren?). Dennoch ist es durchaus beeindruckend mit wie viel Engagement und Leidenschaft Marei den Erfolg von Doxa nachhaltig geprรคgt hat (trotz “Auรenseiter”-Status) und Modelle wie die Aquastar Deepstar mit viel Liebe zum Detail wiederbelebt.
Besonders spannend ist aber natรผrlich, dass Rick Marei es rund 20 Jahre nach dem ersten Kontakt mit Aquastar geschafft hat, doch noch Aquastar-Uhren online zu vertreiben – und dieses mal sogar als Chef: Ende 2019 nahm Marei erneut Kontakt zu Seinet auf, schnell war aber klar, dass der weder Zeit noch Ressourcen fรผr ein neues Online-Projekt aufbringen konnte bzw. wollte. Marei bot sich daher die Mรถglichkeit die Markenrechte an der 1962 gegrรผndeten Marke zu erwerben – inklusive alter Lagerbestรคnde, Werkzeuge, historischer Patente und Konstruktionszeichnungen. Im Jahr 2020 brachte Marei als erstes Modell den Aquastar Deepstar Chronographen auf den Markt – eine originalgetreue Neuauflage des gleichnamigen Chronographen aus dem Jahre 1965 mit charakteristischen, designtechnischen und funktionalen Merkmalen wie
- XL-30-Minuten-Zรคhler bzw. Monocompax-Design,
- XL-Indizes auf 12-6-9 Uhr und
- einer zusรคtzlichen รคuรeren Lรผnette zur Berechnung von Dekompressionszeiten nach einem Tauchgang.
Rick Marei auf Konfro-Kurs: Synchron Military, eine Homage der Doxa Army
Der aktuellste Wurf von Rick Marei ist die Wiederbelebung der Marke Synchron. Wir erinnern uns: Die Marke Doxa befindet sich (neben dem Private Label Uhrenhersteller Walca und der Marke Jenny) seit 1997 im Besitz der Unternehmerfamilie Jenny (und das hat sich auch trotz des Engagements von Rick Marei bei Doxa nie geรคndert). Den Markennamen Synchron, die Dachgesellschaft von Doxa in der Prรค-Jenny-รra bis 1978 (siehe oben), hat sich aber Rick Marei geschnappt – unter der Synchron Uhren Manufaktur GmbH in Wien fasst Marei alle totgeglaubten Uhren- und Uhrenband-Marken zusammen, die ihm gehรถren: Aquadive, Aquastar, Tropic, ISOfrane – und nun eben auch die gleichnamige Uhrenmarke Synchron.
Rick Marei lancierte 2021 zuerst das Modell Synchron Military, eine waschechte 70er Jahre-Taucheruhr, die (natรผrlich nicht zufรคllig) eine Hommage der Doxa Army ist. Die Synchron Military war Anfang 2021 rasend schnell ausverkauft – ein klares Indiz fรผr die groรe Rick Marei-Fangemeinde, die sich vor allem (aber nicht ausschlieรlich) in den USA befindet.
Nun kommt man natรผrlich bei dem Zusatz “Army”, der sich oberhalb eines Fadenkreuz-Motivs befindet, schnell auf die Idee, dass es sich doch bestimmt um eine echte militรคrische Taucheruhr handeln muss, oder? Jein! Zum einen sei gesagt, dass Militรคruhren so gut wie nie auffรคllige Schriften oder dergleichen auf dem Zifferblatt beherbergen – schon gar nicht Aufschriften wie “Military”. Schlieรlich mรผssen offiziell vom Militรคr genutzte Militรคruhren perfekt ablesbar sein – Schriften und Logos lenken da nur ab.
Tatsรคchlich wurde zwar, wie Blogger-Kollege Roger Rรผgger herausgefunden hat, eine kleine Anzahl Doxa Sub 300T-Taucheruhren mit orangem Zifferblatt ab Ende der 1960er und bis Mitte der 1970er fรผr die Kampftaucher der Schweizer Armee angeschafft (mit entsprechender Markierung, d.h. Schweizerkreuz und Versorgungsnummer). Die 1973 auf den Markt gebrachte Doxa Army (Ref. 11891.4), die sich viele optische Merkmale mit der Doxa SUB 300T teilt, ist allerdings vielmehr als ein Nebenprodukt der Kooperation zwischen Doxa und dem Eidgenรถssischen Militรคrdepartement anzusehen, um werbewirksam auch an zivile Endkunden herantreten zu kรถnnen.
Nun darf man als Uhrenfreund natรผrlich grundsรคtzlich kritisch sein, was Hommagen-Uhren angeht. Rick Marei war jedenfalls nicht besonders zimperlich und hat die Doxa Army im Prinzip 1:1 in Form der Synchron Military wiederbelebt. Und einen echten historischen Bezug zur damaligen Dachgesellschaft Synchron SA hat Rick Marei mit seiner Firma natรผrlich auch nicht.
So oder so: Marei scheint mit der Synchron Military auf Konfro-Kurs mit Doxa gehen zu wollen – die Reaktion seines ehemaligen Partners auf die Synchron Military lieร jedenfalls nicht lange auf sich warten: Doxa publizierte auf Instagram Bilder der alten Doxa Army mit dem Hinweis: “The DOXA Army is getting back. Stay tuned”. Und sรผffisant: “Only the original deserves your trust“.
Die Kommunikation von Doxa wirkte (gelinde gesagt) etwas hektisch und nicht besonders geschickt. Letztendlich zeigt diese aber, dass Rick Mareis Aktivitรคten offenbar ein ordentliches Dorn im Auge von Doxa sind. Andererseits darf man auch fragen: Warum hat Doxa es nach wie vor nicht hinbekommen eine Neuauflage der Doxa Army zu lancieren? Hier hat Marei ganz offenbar das bessere Gespรผr fรผr den Markt.
Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was Rick Marei noch fรผr weitere Plรคne hat. Genug Potential ist auf jeden Fall da – ich wรผrde beispielsweise darauf wetten, dass Marei schon die Aquastar Benthos fรผr ein Reissue ins Auge gefasst hat…
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Rick, ich wรผnsch Dir viel Erfolg!
Schweizer Kampftaucher?
Man lernt nie aus.
Erinnert ein wenig an die Reitende Gebirgsmarine zu Fuร.
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Nun, die Schweiz hat viele groรe Seen. Das mag ein Grund sein.
Absolut – und die Schweizer sind ja nun auch auf Auslandseinsรคtzen…