Da ist der Name Programm: Die Orient M-Force lässt schon auf den allerersten Blick keine Zweifel daran, dass der brachiale Diver zeigen will, wo der Frosch die Locken hat. Die aktuelle, dritte Generation der extrovertierten M-Force wurde dabei Ende 2020 eingeführt und seitdem sukzessive um Varianten erweitert – darunter kürzlich um die limitierte Orient M-Force mit “Magma”-Zifferblatt, die wir in diesem Artikel näher beleuchten werden…
Eckdaten Orient M-Force (RA-AC0L09R):
- Automatik-Kaliber F6727, Made in Japan, 21.600 bph, Gangreserve 40 Stunden, Sekundenstopp
- Wasserdichtigkeit 200 Meter / 20 bar
- Magma-rotes Zifferblatt
- Gehäuse aus 316L-Edelstahl, schwarz beschichtet
- schwarz beschichtete, in eine Richtung drehbare Lünette
- Durchmesser 45mm (inkl. Gehäusepanzer) / Lünettendurchmesser 41mm
- Horn-zu-Horn 51mm
- Höhe 13mm
- Boden und Krone verschraubt
- Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
- Band aus Silikon
- limitierte Auflage von 2.000 Stück
- “Straßen”-Preis: ca. 460€ (mehr im Fazit)
Familienangelegenheiten: Wie Orient aus dem langen Schatten der Stiefschwester tritt
Obwohl die Orient Watch Company 1950 als unabhängiges Unternehmen gegründet wurde, hat sie in vielen westlichen Märkten lange Zeit sowas wie eine Identitätskrise durchlebt, was unter anderem wohl auf die Beziehung zur großen, ebenfalls auf Taucheruhren spezialisierten “Stiefschwester” Seiko und deren überaus hohen Bekanntheitsgrad in hiesigen Märkten zurückzuführen sein dürfte.
Die faktischen wirtschaftlichen und produktionstechnischen Verflechtungen zwischen Seiko und Orient sind allerdings überschaubar: Beide Marken befinden sich zwar seit einigen Jahren unter demselben Konzerndach (2009 wurde Orient Watch zu einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft von Seiko Epson; 2017 kam es zur Fusion von Orient Watch mit Seiko Epson), Orient agiert bis heute aber weitgehend selbstständig – vor allem auch dank einer eigenen Fertigung mechanischer Kaliber in der japanischen Präfektur Akita.
Auch, wenn Orient im Vergleich zu Seiko deutlich kleiner ist, ist Orient immer noch signifikant größer als viele deutsche und Schweizer Uhrenhersteller, die ich hier im Blog bereits vorgestellt habe (Seiko kommt insgesamt auf rund 6000 Mitarbeiter im Geschäftsbereich Uhren, Orient kommt auf 500 Mitarbeiter, in der Kaliber- und Druckkopf-Fertigung bei Akita sind’s rund 1000 – dazu aber später mehr).
In jedem Fall hat sich Orient auch in westlichen Märkten unter Uhrennerds im Allgemeinen und unter Fans mechanischer Diver im Speziellen mittlerweile eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut – die Region Europa ist hinter dem japanischen Heimatmarkt von Orient das mit Abstand größte Standbein. Orient generiert seinen Umsatz dabei zu rund 80% mit Automatikuhren.
Die Beliebtheit, vor allem auch bei Einsteigern, die sich so langsam an das Thema mechanische Uhren heranwagen wollen, rührt sicherlich auch von der Mischung aus quasi-hauseigenen Orient-Kalibern (dazu später mehr) und dem überaus eigenständigen Design her: Orient-Uhren tauchen zunehmend aus Seikos langem Schatten auf, wobei insbesondere Modelle mit charakteristischen Merkmalen wie die M-Force zeigen, warum dem so ist…
Orient M-Force im Test
Mit dem weltweiten Boom des Sporttauchens und dem Aufkommen von Taucheruhren mit drehbaren Lünetten und hoher Wasserdichtigkeit brachte Orient vor rund 60 Jahren seine erste Taucheruhr, die Original Diver’s Watch, auf den Markt. Die M-Force Taucheruhr von Orient hat dabei immerhin schon über 25 Jahre auf den Buckel: Anno 1997 kam das erste Modell unter dem Kredo „Mechanical Force“ (mechanische Gewalt) auf den Markt – als Hinweis auf das mechanische Uhrwerk und die hohe Robustheit. Da die Japaner im Allgemeinen offenbar gerne mit knackig-einprägsamen Schlagwörtern werben (siehe auch Seiko 5), umschreibt Orient die M-Force seit je her auch mit den drei Eigenschaften Mechanical, Massive und Maverick (engl. für Einzelgänger). Innerhalb der durchaus beachtlich langen, über 70-jährigen Geschichte von Orient (nicht so alt wie Orients älterer, ewiger Rivale, Seiko, aber immerhin), nimmt die M-Force also keinen unwesentlichen Platz ein.
Schaut man sich alle M-Force-Generationen der vergangenen 26 Jahre an (1. Generation 1997–2002; 2. Generation 2011-2015, 3. Generation seit 2020), so haben fast alle eines gemeinsam: Ein besonders brachiales, testosterongeschwängertes Design – die M-Force ist eine Uhr, die man sich ziemlich gut am Arm von Arnie höchstpersönlich vorstellen kann.
Nach fünf Jahren M-Force-Abstinenz führte Orient anno 2020 die dritte Generation des Divers ein, dessen Design weiterhin ziemlich extrovertiert ist. Augenscheinlich ist vor allem das bis 200 Meter wasserdichte, extrem massiv wirkende, schwarz beschichtete Edelstahl-Gehäuse mit einem imposanten Schutzschild, das insbesondere die verschraubte Krone an der rechten Flanke vor Stößen schützt. Auch die einseitig drehbare klassische Diver-Lünette aus Stahl mit seinen gravierten Indizes und den technisch wirkenden Stundenziffern wird durch das leicht hochgezogene Schutzschild an der linken Seite so geschützt. Oben und unten befinden sich Aussparungen, damit die Lünette ungehindert gedreht werden kann und damit ihre Funktion als Tauchzeitanzeige, also für die Markierung des aktuellen Stands des Minutenzeigers, erfüllen kann.
Die M-Force wirkt in der Summe robust wie ein gepanzertes Fahrzeug. Auch haptisch hat man mit der M-Force in der Hand sofort das Gefühl, als könne man die Uhr problemlos als Hammer missbrauchen, um einen Nagel in die Wand zu kloppen (Disclaimer: Tut das bitte nicht). Orient verstärkt das brachiale Design des Schutzschildes sogar noch mit zwei auffälligen Innensechskant-Schrauben. Das ist aus optischer Sicht sicherlich alles andere als “massenkompatibel” – viele Uhrenfreunde werden mit Blick auf diesen alles andere als gewöhnlichen “Knubbel” abwinken. Das Stichwort “Maverick” passt vor dem Hintergrund aber in jedem Fall.
Orient gibt den Gehäusedurchmesser offiziell mit 45mm an – ein Wert, der viele Uhrenfreunde, die nicht regelmäßig in die Muckibude gehen, sicherlich abschreckt. Allerdings muss man bei diesen Werten dringend den doch sehr speziellen Gehäuseaufbau der M-Force beachten: Die 45mm beziehen sich auf den Durchmesser inklusive des ausladenden Kronenschutz. Die Lünette ist jedoch nur etwa 41 mm breit. Das Horn-zu-Horn-Maß beträgt außerdem humane 51mm, die Höhe (für eine Taucheruhr) beträgt eher flache 13mm. Nimmt man alle Werte zusammen, so ist die M-Force erstaunlich gut tragbar. Gleichzeitig ist das Modell alles andere als ein zierliches Ührchen, das man zum Dinner unter dem Hemd verschwinden lassen kann – allzu dünne Spargelärmchen sollte man für die M-Force nicht mitbringen (es müssen aber auch keine Schwarzenegger-Arme sein).
Für die hier gezeigte limitierte M-Force mit der Referenz RA-AC0L09R hat Orient ein spezielles Zifferblatt gestaltet, das an Magma erinnert, also das geschmolzene Gestein, das sich noch eingeschlossen unter der Erdoberfläche befindet und – wenn es (z.B. durch Vulkanausbrüche) an die Oberfläche dringt und dort weiterfließt zu Lava wird. Die Umsetzung von Orient darf dabei als mehr als gelungen bezeichnet werden: Die Kombination des tiefroten Farbtons mit der dezenten, gleichzeitig vor allem in direktem Licht aber gut wahrnehmbaren magmaartigen Struktur und dem schwarzen Farbverlauf (ungewöhnlicherweise nicht rundum laufend, sondern nur von “12 Uhr” und “6 Uhr” ausgehend) sehen richtig richtig gut aus. Das schwarz beschichtete Gehäuse unterstützt den kontrastreichen Magma-Effekt noch.
Der Rest des Zifferblattes ist eher klassisch-unaufgeregter Natur: applizierte Stundenindizes ergänzen die Minuterie auf dem Rehaut; die Zeiger sind skelettiert und geben dadurch den Blick auf das Muster frei.
Nicht ohne Gummi: Das Silikon-Akkordeonband
Das Silikonband ist überdurchschnittlich flexibel und dadurch sehr sehr komfortabel zu tragen. Im Bereich der Bandanstöße ist das Band “gefaltet” und erinnert dadurch an Wellen oder auch ein Akkordeon (daher spricht man auch von “Akkordeonband“). Zunächst könnte man denken, dass das Muster nur eine optische Finesse ist – ein Wellenmuster passt halt einfach gut zu einer Taucheruhr. Der Zweck ist aber ursprünglich rein funktionaler Natur und hat natürlich auch mit dem Tauchsport an sich zu tun: Neoprenanzüge haben d die Eigenschaft, dass sie sich in der Tiefe komprimieren. Durch den komprimierten Neoprenanzug wird auch der Umfang des Handgelenkes kleiner und die Uhr kann am Handgelenk schlackern. Mit einem gewellten Taucherarmband kann man diesem Effekt entgegenwirken: Man schnalle vor einem Tauchgang das Band einfach knackig-eng ums Handgelenk, damit die Uhr später unter Wasser nicht zu locker am Arm sitzt. Oder kurz zusammengefasst: Das Akkordeonband sorgt beim Tauchen mit der M-Force dank der speziellen Form für die notwendige Flexibilität.
Einen Nachteil hat das Band aber: Silikon ist leider ein Staubmagnet par excellence – den Swiffer zum Staubwischen des Schreibtischs beim Desk Diving kann man sich so fast schon sparen. Insofern wäre ähnlich flexibles, aber staubabweisendes FKM als Material sicherlich die bessere Wahl gewesen.
Made in Akita: Orient-Kaliber F6727
Orient fertigt schon seit Jahrzehnten mechanische Kaliber quasi im eigenen Hause – über die Tochtergesellschaft Akita in der gleichnamigen Präfektur Japans. Akita wurde 1986 gegründet und befindet sich wie Orient selbst unter dem Dach von Seiko Epson: die als Akita Orient Seimitsu Co., Ltd. gegründete Firma ist mit heute rund 1000 Mitarbeitern eines der größten Unternehmen in der Präfektur Akita und die Mutterfabrik für alle mechanischen Modelle von Orient und des Premium-Ablegers Orient Star. Fun Fact am Rande: Bei Akita werden auch Druckerköpfe produziert – für die bekannten Drucker von Epson.
Für den tickenden Antrieb in der hier vorgestellten Orient M-Force sorgt ganz konkret das Kaliber F6727, das Orient (bisher jedenfalls) einzig und allein der M-Force vorbehält. Das F6727 scheint in weiten Teilen auf dem Kaliber F6722 zu basieren, das innerhalb der Orient-Kollektion deutlich stärker verbreitet ist.
Die obere und untere Linie der zweigeschossigen Anlage pressen die Vorder- und Rückseite effizient in einem einzigen Prozess.
Gegenüber dem F6722 wurde beim M-Force-Kaliber F6727 die für Orient eigentlich charakteristische Gangreserveanzeige entfernt und (natürlich absolut passend zum offensichtlichen Schwerpunkt der M-Force) hinsichtlich Stoßfestigkeit gepimpt: Zum Einsatz kommt laut Orient ein spezieller Uhrwerkhalter, um horizontales Verschieben zu reduzieren und die Stabilität zu gewährleisten, wenn die Uhr äußeren Stößen ausgesetzt ist. Ferner setzt Orient auf eine spezielle Feder zum Schutz vor vertikalem Verschieben sowie eine Spannzange, um eine Verschiebung der Unruhspiralfeder zu verhindern.
Auf der Zeitwaage macht das Kaliber in der mir vorliegenden Testuhr mit +13 Sekunden pro Tag einen ganz ordentlichen, aber nicht perfekten Eindruck:
Fazit zur Orient M-Force
Die Orient M-Force kommt mit einer (für die Preisklasse von unter 500€ Straßenpreis) mehr als wettbewerbsfähigen Qualitätsanmutung sowie einem toolig-brachialen Aussehen, das sich signifikant von anderen Taucheruhren wie der Orient Kamasu/Mako III oder der Orient Triton unterscheidet – und gleichzeitig vor allem wegen des Gehäusepanzers zweifellos die Gemüter spaltet. Aber das ist auch völlig okay, denn “klassisches”, risikoarmes Taucheruhrendesign findet man doch schon genug von anderen japanischen Herstellern, Microbrands etc.. Nicht zu vergessen ist auch das hauseigene Orient-Kaliber aus Akita – in der Preisklasse von unter 500€ ist das grundsätzlich eine absolute Seltenheit.
Orient-Uhren sind in Deutschland über diverse Händler zu bekommen. Eine Übersicht über stationäre Einzelhändler und Online-Händler gibt es hier.
Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über ein Like bei Facebook, Instagram, YouTube oder
Auch über WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:
Darüber hinaus freue ich mich über Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprüft und freigeschaltet). Vielen Dank!