Hanhart als eher kleinerer Uhrenhersteller hat einen großen Vorteil: In Gütenbach hat man im Vergleich zu den großen Konzernen sicherlich das Ohr näher an den (potentiellen) Kunden und kann auch flexibler auf deren Wünsche reagieren. Über die vergangenen Jahre wurden laut Hanhart insbesondere zwei Bitten Richtung Gütenbach geschickt: die 417 ES mit klassisch-schwarzem Zifferblatt entweder mit dem Schaltrad-Flyback-Kaliber, das wir schon von der (Reverse) Panda-Variante kennen, oder mit einem Hanhart-typischen roten Drücker auszustatten. Warum sich für nur eines entscheiden, wenn man auch beides haben kann? Die 417 ES Heritage kommt mit Flyback-Komplikation und rotem Drücker – und in beiden Gehäusegrößen, also 39 und 42 mm. Schauen wir mal genauer hin.



Eckdaten Hanhart 417 ES Heritage Flyback 39 / 42:
- Schaltradchronograph mit Flyback, Handaufzug, Basis: Sellita AMT5100 M, 28.800 bph (4 Hz), 23 Steine, Gangreserve 58 Stunden, kleine Sekunde, 30-Minuten Zähler, Bicompax Chronograph mit zentraler Stoppsekunde, Sekundenstoppvorrichtung, Hanhart-Regulierung: 0 bis +8 Sekunden pro Tag, als Durchschnitt über alle Lagen
- Roter Drücker aus HyCeram
- Gehäuse aus Edelstahl, satiniert/poliert
- Durchmesser 42 mm bzw. 39 mm
- Horn-zu-Horn 49,75 mm bzw. 46 mm
- Höhe mit Glas 13,3 mm (11,55 mm ohne Glas)
- Geschraubter Gehäuseboden, gravierte, fortlaufende Seriennummer
- Bei 39 mm Variante: Antimagnetisches Geähäuse mit massivem Gehäuseboden
- Bei 42 mm Variante: Glassichtboden aus Saphirglas
- Krone mit historischem Hanhart-„h“
- Kannelierte Lünette mit roter Markierung, beidseitig, stufenlos drehbar
- Konvexes, innen entspiegeltes Saphirglas
- Hoch gewölbtes Saphirglas
- Geschraubter Gehäuseboden mit fortlaufender Seriennummer
- Wasserdicht bis 10 bar/10 ATM nach DIN 8310
- Sichtboden aus Saphirglas (42 mm-Variante) bzw. geschlossener Boden mit Weicheisenkäfig (39 mm-Variante)
- Ziffern und Zeiger mit Super-LumiNova C3 X2 (X2 ist das Pigment mit der höchsten Nachleuchtkraft)
- Minutenzeiger und Sekundenzeiger am Ende abgebogen zur Vermeidung von Parallaxefehlern
- Lederband oder Stahlband
- Anstoßbreite 20 bzw. 21 mm
- Preis: ab 2590€, direkt bei Hanhart oder diversen Fachhändlern


Hanhart 417 ES Heritage Flyback 39 / 42 im Test
Der rote Rückstelldrücker ist sicherlich das charakteristische Hanhart-Markenzeichen. Für dieses optische Schmankerl kursiert die Geschichte, dass die Frauen der Piloten damals den Drücker mit Nagellack gefärbt haben – damit die Männer sie nicht auf ihren Einsätzen vergessen und unversehrt zurückkehren. Eine romantische Vorstellung, oder? Nun, um Jonathan Frakes zu zitieren (na, wer kennt ihn und X-Factor noch?): Sie glauben diese Geschichte ist wahr? Falsch, sie ist frei erfunden. Denn: Der rote Drücker der Hanhart-Chronographen geht ganz einfach auf eine praktische Anforderung aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs zurück. Hanhart war damals einer der Hauptlieferanten für Fliegerchronographen.

Nüchtern betrachtet wurden damals serienmäßig Modelle wie der Monopusher-Chronograph mit Hanhart-Kaliber 40/50 mit der roten Signalfarbe lackiert, um vor allem Piloten vor einem unbeabsichtigten Rückstellen der Stoppzeit zu bewahren. Viele der historischen Hanhart Kaliber (wie auch das Kaliber 41) waren nämlich mit einer Flyback-Komplikation ausgestattet, also einer Funktion, die ermöglicht, dass der Chrono im laufenden Betrieb zurückgesetzt werden kann und dann wieder sofort weiterläuft, ohne dass man ihn vorher stoppen muss. Auch die historische 417 ES, die für die Piloten der Luftstreitkräfte der deutschen Bundeswehr entwickelt wurde, verfügte über diese Komplikation, die auch als Temposchaltung bekannt ist.


Oder mit anderen Worten: Ein Betätigen des unteren Drückers hätte eine sofortige Rückstellung der Stoppzeit zur Folge gehabt. Und da die Chronographen unter anderem zu Navigationszwecken verwendet wurden, hätte das unbeabsichtigte Auslösen des Drückers unter Umständen folgenschwer sein können: Zwar hat der Pilot natürlich in der Regel schon vor dem Start eine ziemlich genaue Vorstellung über die geplante Flugstrecke – am Ende des Tages muss er aber natürlich irgendwie berechnen, wo denn nun in welchem Winkel „abgebogen“ werden muss. Insbesondere bei Kursänderungen über dem Meer kann sich der Pilot schließlich an keinen visuellen Anhaltspunkten am Boden orientieren (Fliegen „auf Sicht“, z.B. anhand des Küstenverlaufs).
Der rote Drücker war und ist also nicht nur ein Designelement, sondern
eine Sicherheitsmaßnahme, die die Nutzer vor möglichen Fehlern schützte.
Hier wird das Prinzip auch noch mal in einem Vergleichsvideo deutlich, das ich im Rahmen der (Reverse) Panda Flyback-Modelle von Hanhart erstellt habe:

Gleichzeitig ist der rote Drücker heute ein Markenzeichen von Hanhart und eines der charakteristischen Designelemente vieler aktueller Chronographen. Bei der 417 ES, die Hanhart anno 2020 auf irre erfolgreiche Weise wiederbelebt hat, war dieser rote Drücker allerdings nicht an Bord – und das ist historisch gesehen auch korrekt, denn auch die 417 ES der 50er/60er Jahre hatte keinen roten Drücker. Dennoch wünschten sich viele Hanhart-Freunde eine Variante mit rotem Drücker – und bekommen ihn nun auch bei einem Serienmodell (die einzige Variante bisher war die 417 ES Red Lion, die auf 150 Stück limitiert war und zusammen mit dem YouTuber The Urban Gentry entstanden ist).
Der rote Drücker der neuen Heritage-Varianten ist dabei aus HyCeram, einer Hybridkeramik vom österreichischen Lieferanten Invicon Chemical Solutions mit 60% Keramikanteil, hitze- und druckgehärtet bei 120°C bzw. bei 4 bar. Die von Invicon genannten Vorteile lesen sich auf jeden Fall mal sehr gut was die Robustheit angeht: UV-stabil, chemisch resistent und temperaturresistent bis 200 °C. In jedem Fall gehe ich davon aus, dass die HyCeram-Lösung deutlich robuster ist als eine einfache Lackierung.

Das Sahnehäubchen ist, dass die neue 417 ES Heritage 39 / 42 außerdem ein waschechtes Flyback-Kaliber spendiert bekommen hat, was durch die historische Brille betrachtet – wie oben ausgeführt – perfekt in Verbindung mit dem roten Drücker passt. Wir kennen das zum Einsatz kommende Kaliber AMT5100 M bereits von der 417 ES Panda bzw. Reverse Panda – eine große Besonderheit mit Blick auf die Preisklasse ist dabei, dass das das Kaliber nicht „von der Stange“ ist, sondern von einer Spezialabteilung von Sellita kommt: Das Handaufzugskaliber stammt aus der Manufakturabteilung „Manufacture AMT“. Das Werk arbeitet mit klassischem Schaltrad, das durch den Glasboden in gebläuter Form (neben den gebläuten Schrauben) eine schicke Figur macht, bietet eine Gangreserve von 58 Stunden und schlägt mit 4 Hertz bzw. 28.800 bph.

Hanhart gibt beim Kaliber weiterhin im Rahmen der hauseigenen Reglage eine Ganggenauigkeit von 0 bis +8 Sekunden pro Tag im Durchschnitt über sechs Lagen an. Dies entspricht +/-4 Sekunden pro Tag, wobei in den Hauptlagen keine Minussekunde erlaubt ist und zwischen den Lagen ist darüber hinaus eine maximale Differenz von 10 Sekunden erlaubt.



Ansonsten hat die 417 ES Heritage alle optischen Eigenschaften an Bord, die man von der „Ur“-417 ES kennt, die schon Schauspieler Steve McQueen in seiner Rolle als B-17-Bomberpilot Captain Buzz Rickson im Film “The War Lover” (1962) sowie echte Piloten der deutschen Bundeswehr getragen haben: Augenscheinlich sind Elemente wie die kannelierte, griffige Lünette mit einem roten Markierungsstrich, die sich stufenlos und angenehm-flüssig in beide Richtungen drehen lässt. Das Saphirglas ist stark gewölbt, um dem Charakter der damaligen 417 ES mit stark gewölbtem Plexiglas gerecht zu werden.
Das Zifferblatt ist außerdem durchgängig schwarz – anders als bei der (Reverse) Panda Flyback-Variante aus dem Jahre 2023. Auf dem Blatt finden wir wie gehabt das historische Hanhart-Logo in einer geschwungeneren Schriftart, die Nennung der Anzahl der Juwelen (“23 JEWELS”) unter dem Hanhart-Logo, der “SHOCKPROOF”-Schriftzug sowie die Typographie der Stunden-Ziffern wurden bei der 417 ES Heritage-Variante originalgetreu von der „Ur“-417 ES aus den 50er Jahren übernommen.



Hanhart 417 ES Heritage: 39 vs. 42 mm
Die neue 417 ES Heritage Flyback ist in zwei Gehäusegrößen erhältlich: 42 mm und 39 mm. Letztere entspricht der historischen Originalgröße der 417 ES, wie sie in den 1950er Jahren für die Bundeswehr entworfen wurde. Die Gehäusehöhe der Neuauflage von durchaus schlanken 13,3 mm ist auf jeden Fall flach genug, um die 39 mm-Variante nicht pummelig aussehen zu lassen (das ist bei kleiner dimensionierten Chronographen leider recht häufig der Fall). An meinem Handgelenk mit 19 cm Umfang passt die 42 mm-Variante aber dennoch definitiv besser.
Man beachte: Die hier im Beitrag gezeigte Variante mit 42 mm Durchmesser hat einen Glasboden, durch den man das ansehnliche Kaliber begutachten kann, während die Variante mit 39 mm Durchmesser einen geschlossenen Boden hat. Diese geschlossene Konstruktion ist notwendig, um in Verbindung mit einem Weicheisenkäfig antimagnetische Eigenschaften zu ermöglichen, nämlich bis 16.000 A/m nach DIN 8309 (= 20.000 Mikrotesla; siehe auch Entmagnetisieren von Uhren / Uhren und Magnetismus). Die Wasserdichtigkeit ist mit 10 bar für einen Chronographen sehr ordentlich (die Krone ist aber nicht verschraubt).





Beide Gehäusegrößen sind mit schwarzem oder dunkelbraunem Lederband, wahlweise auch mit Lederunterlage (empfehlenswert!) und jeweils in den Größen M und L erhältlich. Der Bandanstoß bei der 39er beträgt 20 mm (gegenüber 21 mm bei der 42er), was die Suche nach Aftermarket-Bändern massiv vereinfacht (siehe z.B. Artem Straps).
Alternativ steht auch ein massives Edelstahlband zur Auswahl, das die Uhr etwas sportlicher wirken lässt. Innerhalb der Stahlband-Schließe befindet sich auch eine ausklappbare Taucherverlängerung – die ist allerdings mit ca. 1 cm relativ lang und somit nicht wirklich zur schnellen Anpassung des Bandes im neoprenfreien Alltag geeignet. So bleibt nur der „Old School“-Weg über die seitlichen Bohrungen an der Schließe mit Hilfe eines Bandwechselwerkzeuges (oder einfach einer Büroklammer). Gut ist aber, dass sich die Bänder schön unkompliziert über Schnellwechselfederstege ratzfatz austauschen lassen (sowohl Stahl als auch Leder).






So ergeben sich letztendlich diese Kombinationen:

Abschließende Gedanken
Auf der Grundlage der ohnehin ziemlich erfolgreichen 417 ES, spendiert Hanhart nun mit den beiden unterschiedlich großen Heritage Flyback-Varianten technische und optische Boni, die nun auch die letzten zögernden Interessenten zufrieden stellen dürften. Hand aufs Herz: Wo findet man heute noch ein solch technisch spannendes Gesamtpaket von einem historisch interessanten Hersteller? Zumal auch die Wertschöpfung auf deutschem Boden, in Gütenbach, nicht zu verachten ist (mehr: Hanhart 1882: Ein Besuch in Gütenbach (Museum, Produktion, Geschichte).
Die Hanhart 417 ES Heritage Flyback startet bei 2590€ am Lederband, unabhängig von der Größe (direkt bei Hanhart oder bei diversen Fachhändlern). Der Aufpreis gegenüber den Non-Flyback-Varianten ist mit 300€ (39 mm-Variante) bzw. 500€ (42 mm-Variante) in einem fairen Rahmen (wobei es etwas schwer nachvollziehbar ist, warum der Aufpreis bei der 42er immerhin 200€ höher ist). Zum Vergleich: Flyback-Chronographen mit Schweizer Basis sind eher seltener für unter 10.000€ zu bekommen. Insofern kann ich mein Fazit, das ich bei der Hanhart 417 ES (Reverse) Panda Flyback gezogen habe, nur noch mal erneuern: Günstiger kommt man derzeit kaum an einen hochwertigen mechanischen Flyback-Chronographen.
Zur Hanhart 417 ES Heritage Flyback:



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Ach kuck an! Na endlich!! Das macht den prächtigen Chrono noch hanhartiger!