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Neben Lego, das Glücksrezept Hygge, Wikingergeschichte, das Fahrradfahrer-Mekka (Kopenhagen ist eine der fahrradfreundlichsten Städte der Welt) und die Monarchin Margrethe II. ist Dänemark insbesondere auch für Design und Architektur bekannt. Und so ist es auch kein Zufall, dass aus Dänemark eine Reihe von Uhrenmarken stammen, die ihren Schwerpunkt vor allem auf funktionales skandinavisches bzw. dänisches Design legen, der vom sogenannten Bauhaus-Stil beeinflusst wird. Henry Archer ist eine davon – und die Taucheruhr Nordsø Neon II 316 möchte ich euch im Folgenden gerne näher vorstellen.

Daenische Uhr aus Daenemark Henry Archer Nordso 6

Eckdaten Henry Archer Nordsø Neon II 316:

  • Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
  • Super-LumiNova BGW9
  • Durchmesser 40 mm
  • Höhe 10,5 mm
  • Horn-zu-Horn 47 mm
  • Bandanstoß 20 mm
  • Gehäuse aus 316L-Edelstahl
  • Lünette mit Keramik-Einlage
  • Miyota 9039 Automatikwerk
  • Wasserdichtigkeit 200 Meter / 20 bar
  • Preis: 559€, direkt bei Watchbandit

Über dänisches Design und das Bauhaus

Obwohl sie zeitlich und geografisch getrennt sind, haben das Bauhaus und das skandinavische Design ähnliche Prinzipien: Beide Bewegungen betonten die Funktion und die Integration von Design in den Alltag. Und sie setzten auf Einfachheit und klare Linienführung. Kein Zufall: Viele Designer und Architekten aus Skandinavien wurden am Bauhaus ausgebildet oder waren dadurch von diesen Ideen und Prinzipien beeinflusst.

Arne Jacobsen (1902- 1971) beispielsweise, einer der führenden Köpfe der „Dänischen Moderne“, ließ sich erst zum Steinmetz und dann zum Architekten ausbilden. Der Kopenhagener prägte den sogenannten Bauhaus-Stil wesentlich mit und zeigte sich unter anderem für den Wiederaufbau des Berliner Hansaviertels mitverantwortlich.

Der Erfolg des nordischen Stils ist in der Geschichte der Region zu finden – denn so unterschiedlich die skandinavischen Länder auch sein mögen: Es sind alles agrarisch geprägte Gesellschaften. Bis ins 20. Jahrhundert war das Leben in den nordischen Ländern hart und das Geld knapp. Die Häuser waren einfach und funktional eingerichtet. Modernes skandinavisches Design hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts daher den Anspruch – ganz pragmatisch – das Leben der Bevölkerung zu erleichtern. Die Idee des Funktionalismus als Gestaltungsprinzip, setzte sich im Norden Europas daher nachhaltiger durch als in anderen Ländern.

Daenische Uhr aus Daenemark Henry Archer Nordso 9

Henry Archer – Nordsø Neon II 316: Dänisches Design aus Aarhus

Skandinavisches Design macht auch vor den Handgelenken dieser Welt keinen Halt: Genau in diese Kerbe schlagen nämlich diverse Uhrenhersteller – die bekanntesten Beispiele sind dabei sicherlich Daniel Wellington (gegründet vom Schweden Filip Tysander), Skagen (gegründet vom dänischen Ehepaar Jorst) sowie Nordgreen aus Kopenhagen. Alle drei lassen sich allerdings durch ihren Schwerpunkt auf Quarzmodelle eher in der Mode-Ecke verorten.

Auch die Microbrand Henry Archer hat sich das klare, nordisch-unaufgeregte Design auf die Fahne geschrieben. Und auch, wenn es mit Blick auf den englischsprachigen Markennamen erstmal nicht so klingen mag, steckt hinter der Microbrand ein Däne: Der Name „Henry Archer“ ist eine direkte Übersetzung des Namens des Gründers und Produktdesigners Henrik Schødt. Schødt stammt ursprünglich aus der 3D-Animations- und Produktvisualisierungsbranche und hat dort fast zwei Jahrzehnte lang für die „Big Brands“ gearbeitet. Das Designstudio von Henry Archer ist in Aarhus, der zweitgrößten Stadt Dänemarks.

Ehrlich gesagt hätte ich es begrüßt, wenn Schødt auf die Übersetzung seines Namens ins Englische verzichtet hätte. Da der Markenname aber gar nicht auf dem Zifferblatt auftaucht, sondern nur das Henry Archer-Bildlogo auf „12 Uhr“ sowie der Modellname „Nordsø“ (das dänische Wort für die Nordsee), ist das aber auch nicht weiter dramatisch.

Daenische Uhr aus Daenemark Henry Archer Nordso 1
Daenische Uhr aus Daenemark Henry Archer Nordso 3

Ansonsten zeichnet sich die Zifferblattgestaltung der Nordsø Neon II vor allem durch klare Ablesbarkeit und funktionale Schlichtheit aus: Klassische applizierte Indizes, eine außenliegende Minuterie, teilskelettierte Zeigern – that’s it. Auf Zeigern und Indizes kommt Super-LumiNova in der Farbe BGW9 zum Einsatz. BGW9 ist bei Tageslicht weiß und bei Dunkelheit hellblau. Die Leuchtkraft liegt bei ca. 95 Prozent im direkten Vergleich zur kräftigsten Farbe C3. Hinsichtlich der Leuchtdauer hat BGW9 allerdings die Nase vor C3.

Auch Farben spielen seit je her eine große Rolle im Bauhaus: Schon beim Bau der Meisterhäuser (die Bauten für die Lehrenden am Bauhaus und deren Familien) arbeitete der Bauhaus-Pionier Walter Gropius mit dem Farbgestalter Alfred Arndt, zusammen, um Farbe nicht als rein dekoratives Element einzusetzen, sondern die räumliche Wirkung zu unterstützen.

Auch Henry Archer geizt bei der hier vorgestellten Nordsø Neon II 316 nicht mit Farben: Neben der Grundfarbe, ein kräftiges Lila mit kreisrundem Schliff, fallen vor allem die ergänzenden Farben auf: Ein Pastellblau für den Sekundenzeiger und verschiedene Blautöne und Orange für die Minutenindizes. Lila und Blau passen grundsätzlich gut zusammen, da Lila eine Mischung aus Rot und Blau ist. Blau als kühle Farbe ergänzt das Lila daher wunderbar.

Die Farbe Lila ist sicherlich auch nicht zufällig gewählt: Der lilafarbene Strandflieder verwandelt die sogenannten Salzwiesen, also spezielle Ökosysteme, die in Regionen entlang der Küstenlinien von Dänemark vorkommen, in den Sommermonaten in ein violettes Blütenmeer.

Alles in allem ist die Farbgebung erfrischend anders, was die Nordsø Neon II 316 wohl zum Archetyp einer „Sommeruhr“ macht. Gleichzeitig werden sicherlich auch einige Uhrenfreunde abwinken, denen die Farben dann doch “a bissle too much” sind. Es gibt aber auch deutlich dezentere Modelle von Henry Archer.

Das standardmäßig mitgelieferte Stahlband kommt im sogenannten Grains-de-Riz-Stil, englisch Beads of Rice. Übersetzt bedeutet das einfach Reiskorn, was es auch auf den Punkt bringt: Mittig angeordnet befinden sich je Bandglied drei feine Komponenten, die an Reiskörner erinnern.

Das Stahlband an sich macht einen guten haptischen Eindruck. Die Schließe versprüht allerdings ziemlichen 08/15-Charme und hätte deutlich mehr Liebe vertragen können, sodass ich relativ schnell das Bedürfnis hatte, das Band gegen ein Leder- oder Kautschukband zu tauschen (was dank werkzeugfreiem Schnellwechselsystem auch fix von der Hand ging). Hier zwei Bänder-Vorschläge: Ein weißes Kautschukband (das mir persönlich die Optik etwas zu feminin gestaltet) und ein schlichtes schwarzes Lederband:

Das Gehäuse der Nordsø Neon II ist nur 10,5 mm hoch, was für eine Taucheruhr mit (für die allermeisten absolut alltagstauglichen) 20 bar Wasserdichtigkeit überdurchschnittlich flach ist (zum Vergleich: Die Sinn U50 kommt auf knapp über 11 mm, allerdings bei 50 bar Wasserdichtigkeit). Einerseits „dürfen“ Diver natürlich gerne auch etwas höher bauen, andererseits passt die flache Bauhöhe wunderbar zum klaren und eher dressigen Charakter der Nordsø. Die qualitative Anmutung des Gehäuses wird geprägt von einer superfeinen Satinierung und einem schönen Kontrast zwischen poliertem und gebürstetem Stahl – alles in allem würde ich sagen, dass die Gehäuseverarbeitung problemlos mit dem hohen Niveau der Microbrand Steinhart mithalten kann.

Bei der Lünette handelt es sich um eine klassische, einseitig drehbare Diver-Lünette mit kratzfester, polierter Keramikeinlage, mit der sich der Start des Tauchgangs oder sonstiger alltäglicherer Dinge markieren lässt.

Möglich macht die geringe Bauhöhe das 2018 von der Citizen-Gruppe eingeführte automatische Kaliber Miyota 9039, das mit 42 Stunden Gangreserve und einer Frequenz von 28.800 bph kommt. Anders als der Dauerbrenner Miyota 9015 hat das 9039 kein Datum an Bord, was mit Blick auf das aufgeräumte Zifferblatt der Nordsø passend ist.

Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Uhrwerken besteht darin, dass das 9039 in einem etwas dünneren Gehäuse verwendet werden kann als das 9015: Die Mindestgehäusedicke beim 9039 beträgt 8,25 mm, beim 9015 sind’s 8,6 mm.

Viele Uhrenfreunde denken daher, dass das 9039 ein schlankeres Kaliber ist, tatsächlich sind beide jedoch mit 3,9 mm identisch in der Höhe (zum Vergleich: das Sellita SW200 kommt auf 4,6 mm). Der Grund dafür, dass das 9039 in ein dünneres Gehäuse passt, liegt ganz einfach darin, dass die Zeiger flacher anliegen als beim 9015 (1,75 mm vs. 2,1 mm).

Daenische Uhr aus Daenemark Henry Archer Nordso 26
+2 Sekunden pro Tag auf der Zeitwaage (Blatt oben) sprechen für eine super Reglage

Abschließende Gedanken zur Henry Archer Nordsø Neon II 316

Henry Archer ist mit Blick auf die nüchternen Fakten durch und durch eine klassische Microbrand: Der Gründer und Kopf hinter Henry Archer, Henrik Schødt, kommt eigentlich aus einem anderen, aber dennoch „verwandten“ Bereich und der Schwerpunkt liegt auf klassische mechanische Diver – beides ist typisch für eine Microbrand.

Das klingt jetzt erst mal alles nicht so spektakulär. Und auch bei den Uhrenmodellen selbst erfindet Henry Archer das Rad nicht neu. Dennoch geht die Marke einen eigenen, frischen und vor allem hommagenfreien Design-Weg, gepaart mit einem mechanischen Unterbau, den ich mir bei viel mehr Microbrands im Preisbereich von Pi mal Daumen 500€ wünschen würde (hier dominieren die dem Miyota 9039 nüchtern betrachtet unterlegenen Kaliber Seiko NH35 und Miyota 8200).

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THOR
19 Tage zurück

Ich trage keine passenden „Klamotten“die zur Uhr passen! 🙁

Jörg Kraft
1 Jahr zurück

Dank Mario mal ein Blick in die Uhrstromtäler Dänemarks. Als Rendsburger habe ich es nicht weit bis zur dänischen Grenze, wir sind oft dort – auch mal nur für einen Tag oder übers Wochenende – und genießen alles, was Dänemark zu bieten hat. Wir haben etliche dänische Design-Möbel und viele Küchenaccessoires von dort und sind begeistert von der Kunst und vom jährlichen Dorschessen in Aarhus. Eine (Armband-)Uhr habe ich dort jedoch noch nicht gefunden, die mir gefällt. Leider habe ich den Exkurs zum Bauhausstil bei dieser Uhr nicht so ganz verstanden. Das Bauhaus zeichnet sich vornehmlich durch ein klares Funktionsdesign aus – Form folgt Funktion – diese Prämisse kann ich bei diesem Potpourri (Cuvee) nicht erkennen. Mir fällt dazu die Analogie zwischen Wein und Uhren in Dänemark ein: Uhren und Wein sind für die Dänen leider nichts alltägliches, beides nicht endemisch und immer irgendwie vor allem teuer (natürlich die aus der Schweiz oder aus Deutschland). Mein Fazit zu der ARCHER: Auch diese dänische Uhr hier gleicht einem Cuvee, der sich nur dadurch auszeichnet, aus verschiedenen Rebsorten zu bestehen. Einige gute Bestandteile miteinander zu mischen, ist noch kein Rezept für ein gelungenes Ganzes. Das Ergebnis dieses Designversuchs mutet für mich wenig gelungen an. Aber bitte gern weiterversuchen, liebe dänischen Uhrenbauer, denn bei den Möbeln kriegt Ihr das ja auch hin…

Dlanor Lepov
1 Jahr zurück

Hübsch und originell. Allerdings erschliesst sich mir die Minutenteilung nicht und der abgerundete Minutenzeiger zerstört den Rest an Ablesbarkeit. Aber oft reicht ja ein Leben im 5-Minuten-Takt.

Lord Cord
1 Jahr zurück
Antworten...  Dlanor Lepov

Naja, das Blatt macht halt auch Halbminuten. Es wäre zugegeben ablesbarer gewesen, hätten die vollen Minuten eine einheitliche Farbe bekommen. Also, eher kein Leben im 5 Minuten-Takt, als eines im Halbminutentakt….

Jörg Kraft
1 Jahr zurück
Antworten...  Dlanor Lepov

,,,die Dänen nehmen es nicht so genau mit den Minuten – ich kenne das gut aus eigener Erfahrung 😉 (Wir könnten die Deutsche Bahn locker nach Dänemark exportieren – es gäbe keine Beschwerden)

Lord Cord
1 Jahr zurück

Hat noch jemand den von Nicolas Cage verhunzten Film zum Lovecraft-Buch „Die Farbe aus dem All“ gesehen? Ich wusste es. Wer so viele Kreisverkehre baut und Bockwurst rot färbt, der KANN einfach nicht von dieser Welt sein. Und da schließt sich der Kreis. Die Uhr zum Land. Der Danebrog flattert lila mit weißem Kreuz und Archerschødt liefert die Uhr dazu! We are purple, we are white, we are danish puffynite.
Zwischen Genie und queerem Wahnsinn. Aber je länger ich die Uhr sehe…
Den Sichtboden hätte ich gegen einen festen Deckel mit einer irgendwie gearteten Gravur getauscht, denn sooo sexy, wie das Lila vorne verspricht, ist das Werk hinten dann doch nicht. Aber das ist ja oft so im Leben.
So, und nun Purple Rain aufgelegt und die Uhr angestarrt.

Und ein Dank an Mario, der Grenzen überschreitet und unerschrocken Uhren vorstellt, die ich bis vor Kurzem noch mit dem Pflasterhammer einreguliert hätte!