• Beitrags-Kategorie:Tests
  • Beitrags-Kommentare:Ein Kommentar
  • Beitrags-Autor:
  • Lesedauer:17 min Lesezeit

To Bi, or not to Bi, that is the question! Diese dezente Zitatabwandlung frei nach Shakespeare bringt es ziemlich gut auf den Punkt: Auf der langen Liste der Spalter für pingelige Uhrenfreunde stehen Bicolor-Uhren, also Uhren mit Elementen in neutralem Stahl und auffälligem Gold, ziemlich weit oben – zusammen mit schräg “hängenden” Datumsfenstern und “abgesäbelten” Ziffern bei Chronographen. Gleichzeitig gibt es auch nicht wenige Fans von Bicolor-Uhren. Schauen wir uns daher mal die Titoni Seascoper 300 an, die nun auch in einer Bicolor-Variante verfügbar ist…

Eckdaten Titoni Seascoper 300:

  • Sellita SW200-1 in Chronometer-Qualität (COSC), 40 Stunden Gangreserve
  • Durchmesser 42 mm
  • Bauhöhe 12,5 mm
  • Horn-zu-Horn 51,5 mm
  • Gewicht: 185 Gramm (am Stahlband)
  • Saphirglas, beidseitig entspiegelt
  • Wasserdichtigkeit 300 m / 30 bar / 30 atm
  • Unidirektionale Taucher-Lünette mit kratzfestem Keramik-Inlay
  • Gehäuse aus 316L-Edelstahl und Gelbgold-PVD
  • Super-LumiNova (BWG9)
  • 1765€ am Stahlband; inklusive Einfuhrumsatzsteuer/Zoll und Versand, direkt auf titoni.ch oder bei verschieden Fachhändlern.
Anzeige
Sternglas Naos Pro 580x400

Eine kleine Geschichtsstunde zu Bicolor-Uhren

In den letzten Jahren haben viele Hersteller ihren Modellen auch eine Bicolor-Variante spendiert – so beispielsweise geschehen bei der Tudor Black Bay GMT (“S&G”), der Breitling Chronomat B01 oder der Rolex Explorer I mit 36 mm Durchmesser. Aber gehen wir zunächst noch mal einige Jahrzehnte zurück.

Die quadratischen Rolex Prince-Modelle “Brancard”, “Tiger Stripe” und “Railway” aus den 1920er Jahren gehörten zu den ersten Bicolor-Uhren überhaupt. So richtig Schwung in das Thema kam aber erst in den 1940er Jahren als auch viele weitere Schweizer Uhrenmarken damit begonnen haben Bicolor-Uhren zu lancieren, um eine Zielgruppe anzusprechen, die den luxuriösen Eindruck von Gold mit der Robustheit von Edelstahl kombinieren wollte.

Besonders populär: Die 1945 eingeführte Rolex Datejust, die Filmfreunde unter anderem von Richard Gere in Pretty Woman kennen. Auch Christian Bale ín seiner Rolle als Patrick Bateman als fiktiver geisteskranker Wall Street-Investmentbanker American Psycho sollte eigentlich die Rolex Datejust Bicolor tragen, was auch hervorragend zu seiner Rolle gepasst hätte (kultig: “Don’t touch the watch!“). Warum “hätte”? Nun, da Rolex nicht mit einem blutrünstigen Killer (wenn auch fiktiv) in Verbindung gebracht werden wollte, wurde die Rolex Datejust kurzerhand gegen eine Seiko 5 Bicolor ausgetauscht, was man bei genauem Hinsehen an der “hängenden” Krone erkennen kann (siehe Bild unten). Interessant: In der Buchvorlage von Bret Easton Ellis trägt Bateman definitiv eine Rolex (“Don’t touch the Rolex!“).

American Psycho spielt im New York der 80er Jahre und, dass es in jedem Fall eine Bicolor-Uhr am Handgelenk von Christian Bale sein sollte, ist natürlich kein Zufall: Ab den 70er und 80er Jahren trauten sich zunehmend viele Hersteller, darunter auch Patek Philippe und Audemars Piguet, mit Gérald Genta‘schen Bicolor-Uhren aus der Deckung.

Spannend war auch damals die Preisgestaltung: Eine deutsche Preisliste von Patek Philippe aus dem Jahre 1982 zeigt für die Stahl-Referenz der Nautilus 3800/1A einen Preis von 7.500 DM, während das Bicolor-Pendant 3800/1AJ mit 15.150 DM doppelt so teuer war. Die Vollgoldvariante 3800/1J lag nochmals beim Doppelten, und zwar bei 29.950 DM.

In den 80er Jahren, die bekanntermaßen nicht grade von Understatement geprägt waren, setzte sich der Mix aus Gold und Stahl bei Uhren endgültig durch. Denn nicht jeder war bereit für Vollgold-Uhren, die damals oftmals mit dem Ruhestand assoziiert wurden.

In den 90ern kamen Bicolor-Uhren aber wieder zunehmend aus der Mode: Minimalistische Designs und der „Understatement“-Luxus wurden populärer. Heute feiern Bicolor-Uhren mit Blick auf die Kollektionen der Hersteller in allen Preisklassen ein Comeback

Anzeige
Flieger PRO Blau Banner 800x600 DE

Titoni Seascoper 300 Bicolor im Hands-On

Auch der seit über 100 Jahren familiengeführte Traditionshersteller Titoni aus dem Schweizer Grenchen spendiert der in hiesigen Gefilden mit Abstand beliebtesten Modellreihe eine Bicolor-Variante: Die erstmalig im Jahre 1963 (unter der Marke Felca) lancierte und anno 2019 im Rahmen des hundertjährigen Firmenjubiläums komplett neu aufgelegte bzw. überarbeitete Taucheruhr Seascoper.

Die Basis für die neue Bicolor-Variante stellt dabei die anno 2022 als günstigere und flachere Variante zur Seascoper 600 lancierte Seascoper 300 dar (die Seascoper 600 mit Manufakturkaliber hat bereits 2021 eine Bicolor-Variante spendiert bekommen). Und das ergibt absolut Sinn: Bicolor hat nun mal von Natur aus einen etwas dressigeren Charakter und die Größenunterschiede sind grundsätzlich zwar nicht riesig (der Durchmesser ist mit 42mm bei der 300er und der 600er identisch), die 2 mm Höhenunterschied (12,5mm vs. 14,5mm) machen sich am Handgelenk aber absolut bemerkbar – die Seascoper 6oo wirkt durchaus wuchtiger als die 300er.

Das Gehäuse der Seascoper 300 ist grundsätzlich sehr ähnlich verarbeitet wie das der Seascoper 600: Die Flanken sind auf Hochglanz poliert, die Oberseite der Hörner ist fein satiniert. Ein schönes Detail ist auch die Horn-Innenseite, die eine fein polierte Fase mitbringt. Ein dezenter Kronenschutz rahmt die Krone ein.

Besonders ins Auge springt der Gehäuseboden, der im Zentrum eine Art “Bullauge” hat, das eine ziemlich krasse Hochglanzpolitur mitbringt, sodass dieser wie ein Spiegel wirkt – unten im Bild habe ich eine Vintage-Kamera im Boden der Seascoper 300 gespiegelt und dann das Foto geknipst, um dies zu verdeutlichen. Ein ziemlich beeindruckender Effekt wie ich finde.

In der Regel wird Gold bei Bicolor-Uhren relativ sparsam verwendet, beispielsweise bei der Krone oder den mittleren Gliedern des Armbands, um die Form zu akzentuieren, während der Löwenanteil der Uhr aus einem hellen Metall wie Edelstahl besteht. 

Das ist auch bei der neuen Bicolor-Seascoper 300 nicht anders: Alle Farbvarianten (neben der hier gezeigten schwarzen gibt es auch noch eine blaue und eine grüne) kommen mit gelbgold akzenturierter Keramik-Lünette (gelbgoldene Indizes sowie bei der Lünettenumrandung) und gelbgoldener Krone. Wie bei Bicolor-Uhren im erschwinglicheren Segment üblich, sind die jeweiligen Elemente gelbgold PVD-beschichtet (Physical Vapour Deposition deutsch: physikalische Gasphasenabscheidung).

Ferner passt Bicolor meiner Meinung nach auch aufgrund des Zifferblattaufbaus gut zur Seascoper 300: Anders als die Seascoper 600 mit ihren großen, charakteristischen Stundenziffern 12-6-9 in moderner Typographie, kommen bei der Seascoper 300 trapezförmige Indizes zum Einsatz. Dadurch wirkt das Zifferblatt der 300er per se eher klassischer.

Die Verarbeitung des Zifferblattes ist auf einem Top-Niveau, bis ins kleinste Detail (wie man auf den Makroaufnahmen unten auch problemlos erkennen kann) – und ich betone das an dieser Stelle gerne, da selbst in der Preisklasse jenseits der 1000€ eine solche Detailperfektion alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist (siehe auch 30 cm-Regel). Dank genial beidseitig entspiegeltem Saphirglas kommen all die schönen Details auch wunderbar zur Geltung.

Auch das Zifferblatt ist mit einem gelbgoldenen Zeigersatz akzentuiert. Selbiges gilt für die applizierten, kreisrunden bzw. trapezförmigen Stundenindizes, die den warmen Farbton auf das kühle Schwarz des Blattes bringen (übrigens sind alle drei Farbvarianten mit einem schwarzen Blatt ausgestattet – das einzige Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe der Keramik-Einlage).

Einen wesentlichen Beitrag zum intensiven Bicolor-Look leistet das Stahlband im klassischen Oyster-Stil, das im Mittelteil ebenfalls mit Gelbgold-Beschichtung kommt. Wer es (deutlich!) dezenter mag, der kann aber natürlich auch zum Band greifen, das ausschließlich aus Edelstahl besteht – Titoni bietet die Varianten entsprechend an.

Praktisch: Das Stahlband kommt Titoni-typisch mit einer werkzeugfreien Feinjustierung, die sich perfekt integriert über das kreisrunde Titoni-Logo im Zentrum der Schließe auslösen lässt – einfach die stilisierte Pflaumenblüte drücken und schon können die Glieder vor- oder zurückgeschoben werden.

Für den Antrieb der Seascoper 300 Bicolor sorgt wie gehabt das bewährte und zuverlässige Schweizer Standardkaliber Sellita SW200-1. Titoni spendiert dem SW200-1 außerdem eine Chronometer-Zertifizierung, die eine Ganggenauigkeit von -4 bis +6 Sekunden dank mehr als zweiwöchiger Tests garantiert – alles andere als eine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse. Das Zertifikat von der COSC liegt dem Lieferumfang der Uhr bei. Im Falle meiner Testuhr beträgt die Ganggenauigkeit, gemessen mit Zifferblatt oben, perfekte 0 Sekunden pro Tag.

Anzeige
MiWatch 580x400

Abschließende Gedanken

Natürlich hat es keinen funktionalen Vorteil, wenn gewisse Teile einer Uhr aus Goldelementen bestehen – es geht hier rein um die Optik, die sicherlich nicht so “massenkompatibel” ist wie bei reinen Stahluhren. Einer der manchmal von Uhrenfreunden genannte Kritikpunkte an Bicolor-Uhren ist dabei, dass diese schwierig mit dem Outfit zu kombinieren sind. Allerdings kann man auch anführen, dass genau das Gegenteil der Fall ist, denn Bicolor passt beispielsweise sowohl zu goldfarbenen als auch zu Edelstahl-Schließen von Gürteln oder Gold/Stahl-Ringen, da beide Farben in einer Uhr vereint sind.

Kurzum: Bicolor-Uhren sind sicherlich ein guter Mittelweg zwischen klassischen Stahluhren und Vollgolduhren. Speziell die Titoni Seascoper 300 bietet – trotz diverser Preiserhöhungen in den letzten Jahren – wie gewohnt ein sehr ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis: Wer einen hochwertigen und gleichzeitig noch relativ erschwinglichen Schweizer Diver mit “verbriefter” hoher Ganggenauigkeit sucht, kommt an der Seascoper 300 kaum vorbei.

Wenn dir dieser Artikel gefallen hat, freue ich mich über ein Like bei FacebookInstagram, YouTube oder

Auch über WhatsApp kannst du immer auf dem neuesten Stand bleiben – jetzt abonnieren:

DSxOAUB0raA (1)

Darüber hinaus freue ich mich über Kommentare immer sehr (Kommentare werden in der Regel innerhalb kurzer Zeit geprüft und freigeschaltet). Vielen Dank!

Anzeige
Banner Chrononautix 800x600px
Abonnieren
Benachrichtige mich bei...
1 Kommentar
Neueste Kommentare
Älteste Kommentare Kommentare mit den meisten Votings
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anzeigen
Michael M. aus W. an der W. in NRW/BRD/EU
23 Stunden zurück

Die Titoni ist grundsätzlich eine wirklich sehr schöne Uhr, es ist nur sehr schade, daß die Preise für die verschiedenen Ausführungen (u.a. mit dem Manufakturwerk T10) in relativ kurzer Zeit deutlich angezogen haben. So ist sie inzwischen keine günstige Alternative zu anderen Uhren mehr. Was ausgesprochen schade ist.

Uhren in Bicolor, wie sie vermehrt Ende der Siebziger, aber vor allem haufenweise in den achtziger Jahren auftauchten, sind eine der furchtbarsten geschmacklichen Entgleisungen dieser Zeit. Vergleichbar mit ähnlichem geschmacklichen Unrat wie Schulterpolstern, Modern Talking oder Minipli. Daß aber diese längst überwunden geglaubte Zeit bedeutender geschmacklicher Fehlleistungen wieder fröhliche Urstände feiert, kann man an dieser scheußlichen Brillenmode(die Rückkehr der Schaufenster), der zunehmenden Rückkehr der Rotzbremse (Schnäuzer) und Hosen mit Schlag(vor allem in der Mode für Frauen) beobachten. Und da gehört natürlich auch die Uhr in Bicolor dazu, jenes Zwitterwesen, das hauptsächlich von sehr geschmacksunsicheren Menschen beiderlei Geschlechts getragen wird, die nicht in der Lage sind, sich für eine klare Ausführung zu entscheiden und/oder glauben, wenn andere das auch tragen, sei es chic. Ist es nicht. Es ist eine ästhetische Katastrophe, aber da ja bekanntlich jeder Jeck anders ist, leider eine, die man nicht akzeptieren, aber tolerieren muss. Sollte. Man kann ja auch wegschauen. Aber bitte nicht unter Schmerzen stöhnen oder gar aufschreien. Das wäre dann doch etwas zuviel des Guten.

Last edited 23 Stunden zurück by Michael M. aus W. an der W. in NRW/BRD/EU