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Rolex ist einer der bedeutendsten Uhrenhersteller heutzutage – wegen verschiedener Innovationen und Errungenschaften, die (manchmal zurecht, manchmal aber auch zu unrecht) Rolex zugerechnet werden, aber auch wegen geschickter Marketingkommunikation. Wie ich bereits in meinen Artikeln zu Rolex und der (angeblichen) Erstbesteigung des Mount Everest und zu Rolex und der (angeblich) ersten wasserdichten Uhr ausgeführt habe, muss man aber festhalten, dass manche Rolex-Geschichte so nicht haltbar ist und leider bis heute häufig falsch wiedergegeben wird.

Der „Myth Busting“-Experte und Blogger Jose Pereztroika von perezcope.com hat nun anno 2025 aufgedeckt, dass Rolex auch hinsichtlich der Erfindung des Heliumventils nicht so innovativ unterwegs war, wie viele Uhrenfreunde lange glaubten.

Schauen wir aber zunächst einmal was Rolex selbst zum Thema Heliumventil schreibt (Zitat von der Rolex-Website Stand Mai 2025):

1967 ließ Rolex das Heliumventil patentieren, ein Sicherheitsventil, das bei zu hohem Innendruck im Gehäuse automatisch aktiviert wird, sodass das überschüssige Gas entweichen kann.

In demselben Jahr präsentierte Rolex die Sea‑Dweller, eine zunächst bis zu einer Tiefe von 610 Metern wasserdichte Taucheruhr mit Heliumventil.

Der Hintergrund: Als Sättigungstaucher nach Wochen in der Tiefe eine Dekompression durchmachten, „explodierten“ ihre Uhren förmlich. Der Grund dafür war, dass winzige Heliummoleküle in die Uhrengehäuse eindringen konnten. Sobald die Sättigungstaucher dann mit der Dekompression begannen, konnte das Helium in den Uhren nicht schnell genug entweichen, wodurch der Innendruck in Relation zum stetig sinkende Druck in der Dekompressionskammer „das schwächste Glied in der Kette“, die Gläser, weggesprengt hatte. Die Taucher lernten zwar schnell mit diesem Problem umzugehen (vor der Dekompression schraubten sie einfach ihre Kronen auf), aber dies wurde gerne auch mal vergessen und die Uhr war dann ein Fall für den Service.

Die Lösung: Ein Einwegventil, durch das das angesammelte Heliumgas kontrolliert aus der Uhr austreten kann.

Dass Rolex anno 1967 ein solches Heliumventil tatsächlich patentierte, ist nicht von der Hand zu weisen – das Patent mit der Nummer CH492246 vom 6. November 1967 ist relativ einfach recherchierbar.

Stein des Anstoßes für das Patent war offenbar, dass der US-amerikanische Taucher T. Walker Lloyd etwa im Herbst 1967 mit der Idee eines Heliumventils an Rolex herantrat (Lloyd wurde sogar anno 1974 in einer Anzeige namentlich erwähnt). Rolex war sofort überzeugt und die Genfer reichten daher auch prompt das Patent ein – der Knackpunkt: Einen Prototypen gab es nicht (ein Prototyp ist aber auch nicht zwingend Voraussetzung für die Bewilligung eines Patents)

Sehr wohl aber hatte der von Georges Ducommun in Le Locle gegründete Hersteller Doxa bereits im November 1967 einen funktionierenden Prototypen im Einsatz: Dieser wurde durch COMEX (Compagnie Maritime d’Expertises – ein französisches Unternehmen, das sich auf Tauchtechnik und Tiefsee-Tauchoperationen spezialisiert hat) im Rahmen von Tests mit dem Namen „Hydra Ludion 2“ zwischen dem 15. und 28. November 1967 auf Herz und Nieren getestet – und damit einige Monate, bevor Rolex mit dem Testen seiner ersten „Single Red“ Sea-Dweller-Prototypen begann.

Das Bild unten zeigt den Taucher Claude Wesly, wie er am 28. November 1967 die COMEX-Dekompressionskammer verlässt. Dort verharrte er neun Tage bei einem Druck, der einer Tiefe von 279 ft entspricht, mit täglichen zweistündigen Exkursionen auf 393 ft und vier Tagen Dekompression. An seinem Handgelenk ist der Prototyp Doxa Sub 300 mit dem charakteristischen orangefarbenen Zifferblatt gut sichtbar.

Die Doxa’sche Innovation hat auch ihren Weg in die Presse gefunden, allerdings etwas später – im Artikel unten über die Uhr heißt es unter anderem:

Keine andere Uhr hat jemals einer so brutalen Dekompression standgehalten. Das Heliumventil, das an der getesteten Taucheruhr angebracht war, funktionierte einwandfrei und ermöglichte das Entweichen der im Gehäuse eingeschlossenen Gase. Die Gründung der Manufaktur aus Le Locle hat gerade einen Test bestanden, der als unmöglich galt.

In ein Serienmodell überführt wurde das Heliumventil im Rahmen der Einführung der Doxa Sub 300 „Conquistador“, die auf Basler Uhrenmesse im Jahr 1968 (20. bis 30. April) vorgestellt wurde.

Und jetzt wird auch klar, dass Rolex ziemlich spät dran war: Erst Anfang 1968 konnten die Genfer einen Prototypen mit Heliumventil präsentieren: Unten im Bild sehen wir Dr. Ralph Brauer mit einem solchen Prototypen, der Rolex „Single Red“ Sea-Dweller mit der Gehäusenummer 1820177.

Brauer stand als Angestellter des Wrightsville Marine Biomedical Laboratory in engem Kontakt mit COMEX. Brauer wurde zusammen mit einem COMEX-Ingenieur sowie dem Leiter der medizinischen Forschung bei COMEX im Juni 1968 in einer Taucherglocke auf eine Tiefe von 600 ft herabgelassen. Am 11. Juni stellte Brauer einen weiteren Rekord auf, als er und ein weiterer COMEX-Taucher in Physalie 2 auf eine Tiefe von 1181 ft heruntergelassen wurden.

Ironie des Schicksals: Offiziell war eigentlich Omega als COMEX-Partner während der Physalie-Weltrekorde an Bord, Dr. Brauer war aber wie beschrieben kein direkter Angesteller von COMEX. Sein Rolex Sea-Dweller-Prototyp mit Heliumventil war also sowas wie ein „blinder Passagier“.

Noch einige Zeit später, Anfang der 70er Jahre, baute Rolex übrigens eine Sonderanfertigung der Submariner – diesmal ganz offiziell für COMEX. Diese basierte auf der Standard-Referenz 5513 unterschied und sich von der Serienvariante nur durch das Heliumventil. Neben der COMEX-Submariner lieferte Rolex auch COMEX-Varianten der Rolex Sea-Dweller aus – natürlich ebenfalls mit Heliumventil. Die Sea-Dweller wurde erstmalig offiziell im Jahre 1972 von COMEX für über vier Tage bei einer simulierten Tiefe von 500 Meter getestet (Sagittaire 2-Experiment). 

Heliumventil der Rolex 5514, Bild: Phillips

Ehre, wem Ehre gebührt

Lange Rede, kurzer Sinn: Während sich Rolex noch in der frühen Testphase des Heliumventils befand, brachte Doxa bereits ein Serienmodell auf den Markt. Dennoch hat Rolex sämtliche Bemühungen von Doxa ausgebremst: Da Rolex ja das Patent vor Doxa anmeldete, zwang Rolex den Konkurrenten die Sub 300 Conquistador wieder vom Markt zu nehmen. Zwar hatte sich Doxa offenbar ebenfalls um ein Patent bemüht, dieses wurde aber scheinbar von den Behörden abgeschmettert, da Rolex einfach früher dran war. Manch ein Hinweis darauf in den Medien, dass sich Rolex und Doxa das Patent angeblich teilten, ist damit haltlos.

Hätte Doxa die frühzeitige Patentanmeldung nicht verpennt, so wäre die Geschichte sicherlich anders geschrieben worden. Dennoch finde ich sollte gelten: Ehre, wem Ehre gebührt.

Mehr über Doxa: Doxa Army bei der Musterung

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Frank T. aus MZ
13 Stunden zurück

Moinsen,
offen gesagt, hätte ich der SQUALE 2002 101 Atmos in den frühen 1960ern das erste Heliumventil einer Taucheruhr zugesprochen. Ich erinnere mich an ein Telefonat um das Jahr 2005 mit Herrn Schmidt der Fa. SINN, wo dieser Heliumventile als längst überholt bezeichnete. Irgendwie hing das mit den heutigen Uhrengehäusen & Dichtungen zusammen. Es handele sich um einen lupenreinen Marketinggag. Damals stand der Kauf meiner U1000 S an. SINN hat in der Tat bis heute Taucheruhren bis 500 bar wd im Programm und keine Einzige besitzt ein Heliumventil.
Beste Grüße, Frank