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Dass es einen Uhrenhersteller in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gibt, war mir bis vor kurzem noch gänzlich unbekannt. Die Betonung liegt auf gibt, denn auch der Krieg gegen die Ukraine hat die Produktion in der Kyiv Watch Factory nicht stoppen können. Dort werden unter anderem Großuhren sowie Armbanduhren der hauseigenen Marke Kleynod hergestellt – darunter Modelle im Rahmen eines Co-Brandings mit dem bekannten Kiewer Flugzeughersteller Antonov

Eckdaten Kleynod Antonov:

  • Schweizer Ronda Quarz-Werk 4210.B, Zusatzfunktionen: großes Kalenderfenster, zweite Zeitzone.
  • Gehäuse: 316L-Edelstahl mit Radialschliff,
  • Gehäuseboden aus Edelstahl mit geprägtem Logo
  • Durchmesser 44mm, Horn-zu-Horn 56mm
  • Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
  • Krone mit Logo – Edelstahl / mit blauer Metallic-Beschichtung.
  • Steuerknopf für die zweite Zeitzone.
  • Wasserdichtigkeit 3 bar / 30 Meter
  • Echtlederband, Bandanstoß 24 mm, Dornschließe aus Edelstahl
  • Zifferblatt mit Guillochierung und aufgesetzten Markierungen mit Leuchtbeschichtung
  • Gewicht: 96 Gramm
  • Preis: 425€ beim offiziellen Händler Poljot24 (Julian Kampmann)

Kyiv Watch Factory und die hauseigene Marke Kleynod

Zunächst ein paar Worte zu Kleynod: Es handelt sich dabei um die 2002 aus der Taufe gehobene, hauseigene Uhrenmarke der Kyiv Watch Factory, die – wie der Name schon sagt – ihren Hauptsitz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew (engl. Kyiv) hat. Die Kyiv Watch Factory wurde vor 25 Jahren, anno 1997, von Alexei Zolotarev gegründet. Sie ist das erste und einzige ukrainische Unternehmen, das sich mit der Produktion von Uhren im größeren Maßstab beschäftigt. Zu Beginn fertigte die Kyiv Watch Factory unter anderem Poljot-Uhren in Lizenz bzw. in Abstimmung mit der Ersten Moskauer Uhrenfabrik (mehr: Russische Uhren damals und heute). Neben Armbanduhren haben die Ukrainer auch Großuhren (z.B. für Stadien oder öffentliche Gebäude) im Angebot.

Übrigens: Das Wort “Kleynod” findet sich in fast identischer Form auch im Deutschen wieder: Kleinod ist ein altes deutsches Wort für ein Schmuckstück, das heute (wenn überhaupt) überwiegend im übertragenen Sinne für eine (nicht nur gegenständliche) Kostbarkeit benutzt wird.

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Kyiv Watch Factory
Uhrmacher der Kyiv Watch Factory bei der Arbeit

Ich muss zugeben: Ohne den Ukraine-Krieg wäre ich vermutlich nicht auf Kleynod aufmerksam geworden – auch aus dem Grund, dass die Ukrainer auf (Schweizer) Quarzwerke setzen und meine persönliche Vorliebe eigentlich eher der tickenden Mechanik gilt. Darüber hinaus merkt man schnell, dass Kleynod eher auf den ukrainischen Markt mit diversen örtlichen Einzelhandelspartnern fokussiert ist; die Markenbekanntheit außerhalb der Ukraine ist daher sehr gering.

Hardcore-Raumfahrtfans sind Uhren von der Kyiv Watch Factory aber vielleicht schon begegnet: Leonid Kostyantynovych Kadenyuk war der erste Astronaut der unabhängigen Ukraine, der 1997 im Rahmen der internationalen Mission STS-87  in den Weltraum flog – Überlieferungen zufolge mit einer Uhr aus Kiew am Handgelenk (zumindest mal in Ergänzung zur Omega Speedmaster Professional Moonwatch).

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Kleynod-Co-Branding: Über O. K. Antonov

Beim Namen der hier gezeigten, von der Kyiv Watch Factory gebauten Uhr, klingelt es bei dem einen oder anderen vielleicht: Die Antonov-Uhren tragen den Namen des 1946 in der damaligen Sowjetunion gegründeten wissenschaftlich-technischen Komplexes für Luftfahrt O. K. Antonov in Kiew.

Traurige Berühmtheit erlang der Flugzeugbauer Anfang 2022: Die Antonov An-225 „Mrija“ (deutsch „Traum“) wurde am 27. Februar 2022, kurz nach Beginn des Krieges, beim Angriff russischer Fallschirmjäger rund um den Flughafen Hostomel, nordwestlich von Kiew, vollständig zerstört.

Antonow An 225 „Mrija
An-225 „Mrija“, Bild: Antonov

Bei der An-225 handelte sich dabei nicht um irgendein Flugzeug, sondern um einen vielbestaunten Gast auf vielen Flughäfen der Welt – zahlreiche sogenannte „Plane-Spotter“ hielten Ausschau nach dem Riesenflieger; Videos von Starts und Landungen finden sich beispielsweise auf YouTube. Das sechsstrahlige Frachtflugzeug mit dem Kennzeichen „UR-82060“ war das einzige flugfähige Exemplar dieser Serie und mit einer Tragflächenspannweite von 88,4 Meter und einem Startgewicht von 640 Tonnen (ca. die Hälfte höher als bei einem voll beladenen Boeing B747) die größte Transportmaschine der Welt.

Die An-225 absolvierte ihren Jungfernflug im Jahr 1988. Die Hauptaufgabe des Flugzeugs in der damaligen Sowjetunion war der Transport verschiedener Teile der Trägerrakete Energia und des Raumschiffs Buran. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde das Programm eingestellt und die An-225 erst mal eine Weile “eingemottet”. Das Transportflugzeug wurde ab Anfang der 2000er Jahre dann reaktiviert und hauptsächlich für den schnellen Transport von sperrigen Hilfsgütern für die Opfer von Naturkatastrophen eingesetzt. Während der Corona-Pandemie beförderte das Flugzeug beispielsweise große Mengen an Schutzmasken, Schutzanzügen, Schutzbrillen, Desinfektionsmitteln und Atemgeräten in die ganze Welt. 

Kleynod Ukraine Antonov Kyiv Watch Factory Uhr 3

Uhren aus Kiew: Kleynod x Antonov

Die hier vorgestellten Kleynod-Uhren sind in Zusammenarbeit mit den Antonov-Flugzeugwerken entstanden – und zwar schon über zwei Jahre vor dem Ukraine-Krieg. Die erstmalige Vorstellung fand auf der Inhorgenta München im Jahre 2020 statt. Kein Zufall: der Chef von Antonov ist mit dem Chef von Kleynod befreundet und nach drei Jahren Überzeugungsarbeit haben die beiden die Kooperation in die Wege geleitet.

Federführend beim Design der Uhren war tatsächlich nicht die Kyiv Watch Factory, sondern das Design-Team von Antonov. Und wenn Designer von Flugzeugen sich an die Gestaltung einer Uhr machen, darf man natürlich auch einige Inspirationen aus der Luftfahrt erwarten: Besonders ins Auge sticht beispielsweise die ungewöhnliche Form des komplett satinierten Uhrengehäuses bzw. im Allgemeinen die Silhouette mit ihren charakteristischen aerodynamische Konturen

Die Bandenden “verschwinden” dabei im Gehäuse – so gern ich solche vollintegrierten Bandlösungen auch mag, sie hat im Fall der Antonov leider auch einen Nachteil für Freunde des gepflegten Bandwechsels: Da die Federstege extrem nah am Gehäuse sind, lassen sich Nato Straps leider nur sehr umständlich mit gebogenen Federstegen durchfädeln. “Normale”, zweiteilige Bänder (z.B. Canvas) mit 24mm Bandanstoß lassen sich zwar ganz normal montieren, allerdings tut sich dann ein kleiner Spalt zwischen Band und Gehäuse auf, da sich die Federstege sehr weit vorne befinden (das Originalband hat die Löcher für die Federstege relativ weit “hinten”, was man bei Bändern “von der Stange” normalerweise so nicht vorfindet).

Die Streifen auf dem Echtlederband deuten übrigens die Markierungen einer Landebahn an. Im Zweifel, falls man sich ein dezenteres Band wünscht, kann man natürlich einfach nachfragen, ob man die weiße oder die schwarze Antonov mit dem dezenten Canvas-/Lederband der blauen Antonov bekommen kann (siehe hier).

Das Gehäuse kommt auf einen Durchmesser von 44mm, was alleine für sich schon eher sportlicher Natur ist. Hinzu kommt ein Horn-zu-Horn-Maß von immerhin 56mm. Faktisch wirkt die Antonov sehr präsent am Handgelenk und allzu schmale Spargelärmchen darf man für das Modell keineswegs haben. Durch das (Quarz-bedingte), relativ geringe Gewicht von unter 100 Gramm ist der Tragekomfort aber ziemlich gut.

Kleynod Ukraine Antonov Kyiv Watch Factory Uhr 20

Die Farbe Blau spielt bei den Antonov-Uhren eine große Rolle – bei der hier gezeigten weißen Variante beispielsweise sind der Totalisator für die zweite Zeitzone (dazu gleich mehr), die applizierten Stundenindizes, der Sekundenzeiger (mit der Silhouette eines Flugzeugs), der “ANTONOV”-Schriftzug sowie die Krone in einem auffälligen Blau gehalten.

Zeiger, Indizes und Krone sind dabei beschichtet, wodurch das Farbspektrum (abhängig vom Lichteinfall) von hellblau/türkis bis hin zu fast schwarz reicht (gut zu erkennen auf den Bildern unten). Schade: Wenn der Sekundenzeiger und die Indizes thermisch gebläut wären, hätte das die Optik sicherlich noch aufgewertet (die schwarze und die blaue Variante der Antonov kommen übrigens mit unbeschichteten, polierten Zeigern und Indizes).

Die Farbwahl ist kein Zufall, denn Blau spielt in der Luftfahrt eine wichtige Rolle: So sind die Sitze in Flugzeugen fast immer blau – die Farbe Blau steht beispielsweise für Sicherheit und Seriosität, was ein nicht ganz unwesentliches Gefühl einige hundert Meter über dem Meeresspiegel ist. Blau ist auch die Logofarbe des Flugzeugbauers Antonov.

Des Weiteren sticht bei allen drei Antonov-Varianten das konzentrische, plastische Muster ins Auge, das aus dem kleinen Hilfszifferblatt entspringt und an einen Radarbildschirm erinnert.

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Die Stundenindizes kommen mit blauer, Zeiger und Totalisator mit grüner Leuchtfarbe

Hinter dem massiven Stahlboden mit reliefartiger Gravur des Logos des Flugzeugbauers Antonov tickt (wie bei allen Kleynod-Uhren) ein Schweizer Quarzwerk aus dem Hause Ronda. Konkret handelt es sich um das Ronda startech 4210.B (Batterie 395; 50 Monate Laufzeit), das beispielsweise auch in der (rund doppelt so teuren) Bruno Söhnle Glashütte “Stuttgart GMT” zum Einsatz kommt.

Schade: Ein mechanisches Kaliber wie das Miyota 9015 hätte den von der Luftfahrt inspirierten Antonov-Uhren meiner Meinung nach ziemlich gut gestanden. Bevor wir aber in die ewige Diskussion Mechanik vs. Quarz abdriften sei noch darauf hingewiesen, dass die von Kleynod eingesetzten Ronda-Werke mit speziellen Zusatzfunktionen kommen, nämlich ein 20% größeres Datum auf “12 Uhr” (mit Schnellverstellung) und eine zweite Zeitzone über einen kleinen Totalisator auf “6 Uhr” – quasi eine “Uhr in der Uhr”, die sich über den Drücker rechts unten bedienen lässt und naturgemäß hervorragend zu einer Uhr passt, welche die Luftfahrt zum Thema hat.

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Abschließende Gedanken zur Kleynod Antonov-Uhr aus der Ukraine

Wie soll man seinem Alltag nachgehen, wenn das eigene Heimatland vom Krieg beherrscht wird? Dort, wo Raketenalarm zum Alltagsrauschen geworden ist? So bizarr es auch klingt, aber in weiten Teilen der Ukraine haben sich Unternehmen und Menschen an die Dauerangriffe “gewöhnt“. Viele Ukrainer versuchen etwas Normalität im Alltag und in der Arbeit zu finden. Und so stützt vor allem die West-Ukraine die Wirtschaft des Landes – so wie die Kyiv Watch Factory.

Dass für die Menschen in der Ukraine faktisch aber alles andere als Normalität herrscht, ist klar: Die Ukrainer haben vielerorts keine Arbeit, da Logistikketten nicht funktionieren und zahlreiche Betriebe physisch zerstört worden sind. Seit dem Winter 2022/2023 kommen wegen der russischen Angriffe auf das Energienetz außerdem massive Einschränkungen durch Stromausfälle hinzu.

Dass es den Mitarbeitern der Kyiv Watch Factory unter diesen Umständen überhaupt möglich ist ein (richtig gutes) Produkt wie die Kleynod Antonov-Uhren zu produzieren – das ist eigentlich unfassbar und man kann die Ukrainer für ihren tägliche Einsatz eigentlich nur bewundern.

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THOR
9 Monate zurück

..Im Prinzip nicht Schlecht!
Wären die Indizies gleichfarbig,würde man beim Ablesen der Uhrzeit keinen Blackout bekommen!
Die “Bunten”Indizies machen das Blatt unruhig!
LG
THOR

Frank T. aus MZ
1 Jahr zurück

Hi Mario, interessante Uhr einer sehr willensstarken Nation! Das Großdatum wäre mechanisch nur zigfach teurer zu realisieren. Mit 50 Monaten Gangreserve liegt sie schon recht weit vorne, wenngleich die schweizer RONDA-Werke leider häufig nicht (alle) Minutenindizes exakt treffen und auch nicht gerade zu den präzisen Quarzwerken gehören. RONDA könnte diesbezüglich wirklich mal optimieren. Die Werke werden z. B. auch von traser eingesetzt.

Thomas Graf-Backhausen
1 Jahr zurück

Optisch eine nicht alltägliche Uhr, aber leider nicht mechanisch und damit passt sie nicht in meine Sammlung.