Für die von vielen Uhrenfreunden erwartete Neuauflage der Fortis Stratoliner (S-41) hat sich das in Grenchen ansässige Traditionsunternehmen etwas Besonderes ausgedacht: Der Chronograph wird von einem neuen Schaltradkaliber mit dem Namen WERK17 angetrieben, das Fortis in Zusammenarbeit mit der Swedish Space Corporation an den Rande des Weltraums geschickt hat, um es unter harschen Bedingungen zu testen…
Fortis WERK17: Ab in die Stratosphäre
Die Swedish Space Corporation (SSC) wurde 1972 als Regierungsorganisation in Solna gegründet und ist heute mit rund 500 Mitarbeitern unter anderem verantwortlich für den Betrieb des ESRANGE Space Centers bei Kiruna, Lappland, der nördlichsten Stadt Schwedens. Von ESRANGE aus hat die SSC bereits hunderte suborbitaler Forschungsraketen sowie Höhenballons gestartet, um die Hochatmosphäre zu erforschen.
Spannend: Die SSC gab Ende 2021 bekannt, dass sie mit einer Finanzierungsspritze der Nordic Investment Bank einen neuen Weltraumbahnhof in Kiruna bauen will (Startplatz, Brennstoffanlagen, Startrampen, technische Unterstützungssysteme etc.). Schon Ende 2022 sollen von dort erste Satelliten starten, wodurch ESRANGE zum ersten großen Orbitalstartplatz in der Europäischen Union wird.
Fortis hat Ende 2021 mit der SSC zusammengearbeitet, um das WERK17 unter rauen Bedingungen zu testen – und zwar nicht unter sterilen Laborbedingungen, sondern “in echt”. Gleichzeitig kann Fortis dadurch das Engagement im Bereich der Raumfahrt weiter ausbauen (siehe zum Beispiel Fortis AMADEE-20).
Für den Praxistest wurden 13 Stück des Kalibers zunächst an einer Gondel festgeschraubt, die mit allerlei Sensoren und Kameras ausgestattet war, um den Flug zu überwachen. Anschließend wurde die Gondel an einem mit Helium gefüllten XXL-Ballon befestigt und in die Höhe gezogen – bis in die Stratosphäre, die sich in bis zu 50 Kilometern Höhe befindet.
Auch, wenn das per Definition nicht ganz dem Weltraum entspricht (der startet bei der sogenannten “Kármán-Linie” ab ca. 70 Kilometer Höhe), so kann man auf jeden Fall festhalten, dass das WERK17 in der Zeit, in der es unterwegs war, extrem rauen Bedingungen ausgesetzt war – vor allem hinsichtlich großer Temperaturschwankungen: Der Heliumballon startete in der Troposphäre, also in der untersten Schicht der Erdatmosphäre. In der wird es mit zunehmender Höhe immer kälter – um durchschnittlich 6,5 Grad Celsius pro 1000 Höhenmeter. An der Obergrenze der Troposphäre bzw. an der Grenze zur Stratosphäre können Temperaturen von bis zu minus 80 Grad Celsius herrschen.
Ab der Stratosphäre wird es dann wieder wärmer. Der Grund dafür: In der oberen Stratosphärenregion wird die intensive UV-Strahlung des Sonnenlichtes durch die Ozonschicht absorbiert und in Wärme umgewandelt. Durch die Wärme, die bei der Absorption in der Ozonschicht entsteht, steigt die Temperatur in der Stratosphäre von minus 80 Grad Celsius auf null Grad Celsius an.
Bumm! Nach einer Flugzeit von insgesamt 1,5 Stunden unter den äußerst harschen Umweltbedingungen wurde der Helium-Ballon zum Platzen gebracht. Die Gondel kam dann an einem Fallschirm in der weiten Waldlandschaft Finnlands herunter, wo diese erstmal per Helikopter gesucht und aus einer Tanne gepult werden musste – einen taffen Erschütterungs-Test haben die dreizehn WERK17 dadurch gleich auch noch mitgemacht.
Bei der ersten Inspektion stellte Fortis fest, dass nur eines der dreizehn Werke nicht mehr lief. Die anderen haben immer noch perfekt funktioniert. Alle Uhrwerke wurden anschließend zurück nach Grenchen in die Schweiz gebracht, um dort zerlegt, überprüft und erneut auf Ganggenauigkeit getestet zu werden.
Fortis WERK17 trifft neue Stratoliner-Kollektion / Spezifikationen
Das WERK17 tickt in der nigelnagelneuen Stratoliner-Kollektion. Wir erinnern uns: Schon 1965 brachte Fortis die allererste Stratoliner als Dreizeigeruhr auf den Markt. Im Jahre 1992 war der Fortis Stratoliner Chronograph die offizielle Uhr der “West in Space”-Kampagne: Die deutsche Zigarettenmarke West lies damals eine Weltraumrakete vom berühmten Pop Art-Künstler Andora bemalen und ins Weltall schießen. Der erste Fortis Stratoliner der neuen Generation befand sich während des Jungfernflugs der Rakete zusammen mit Kunstwerken von Andora an Bord der Rakete.
Die erstmalige Einführung des WERK17 in der Stratoliner als das erste speziell für den Weltraum gebaute und in der Stratosphäre getestete Kaliber, passt mit Blick auf diese geschichtliche Einordnung ganz hervorragend.
Fortis hat das WERK17 zusammen mit Manufacture La Joux-Perret entwickelt, einem 1984 gegründeten Uhrwerkehersteller aus La Chaux-de-Fonds, der sich auf die Umsetzung spezieller Kundenanforderungen spezialisiert hat.
Ein sowohl optischer als auch technischer Leckerbissen ist vor allem aber die Steuerung des WERK17 durch ein Schaltrad (auch Säulenrad genannt), das die Funktionen „Start“, „Stopp“ und „Nullstellung“ hochpräzise auslöst. Das Schaltrad macht sich typischerweise außerdem positiv durch geschmeidiges, sanftes Betätigen der Chronographen-Drücker bemerkbar.
Aufgrund der komplizierten Bauart und der wesentlich geringeren erlaubten Fertigungstoleranzen, ist ein Schaltradmechanismus deutlich schwerer zu produzieren als eine einfache Kulissensteuerung, die man heute gängigerweise in Standard-Chronographenkalibern wie dem ETA 7750 findet. Ein Schaltrad gilt in der Summe als echtes Qualitätsmerkmal, entsprechend prestigeträchtig sind solche Kaliber heute.
Das WERK17 wird darüber hinaus gemäß den sogenannten “Fortis Performance Anforderungen” feinreguliert. Was das genau heißt? Dahingehend hält sich Fortis noch bedeckt. So viel aber vorweg: es handelt sich um einen hausinternen Standard, der – zum Beispiel durch das Testen in zusätzlichen Temperaturbereichen und Lagen – die Anforderungen der Chronometer-Zertifzierung (COSC) übertreffen soll.
Die ganze Story gibt’s im Video unten – dabei gibt Fortis-Geschäftsführer Jupp Philipp unter anderem den Ausblick, dass das WERK17 im nächsten Schritt an Bord einer Rakete ins Weltall geschossen werden soll, um die Tests auszuweiten…
Ein ergänzendes Fortis-Video zeigt eine Talkrunde zwischen Stefan Krämer, Ingenieur and Raketenwissenschaftler bei der SSC, Rob Nudds von Fratello Watches und Andreas von Fortis:
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Den Kommentar von Uwe H. verstehe ich nicht. War der auf Fortis bezogen, oder Luxusuhren allgemein? Fortis ist keineswegs völlig überteuert, die Uhren kosten nicht mehr und nicht weniger als vergleichbare andere Fabrikate. Eine robuste Funktion ist auch mehr Wert als extreme Wasserdichtigkeit, denn das Uhren z.B. Sport malträtiert werden, kommt deutlich häufiger vor als Tauchen in mehr als 5 Meter Tiefe. Letztlich bietet Fortis auch einiges an Historie.
Was mich noch interessieren würde: Fortis arbeitet ja mit Tudor/Breitling zusammen. Kommt das Werk 17 auch von Kenissi? Der Rotor sieht ja danach auch, der Rest eher nicht. Und vermutlich hätte Fortis das auch erwähnt.
Tolle Aktion!
Mega genial!
Vor allem wenn man bedenkt dass es ja darum geht die Uhr immer robuster zu machen. Klar dass man extreme Situation im echten Leben seltener hat – vorkommen tun sie alle mal und wir wollen ja als Uhrenfans möglichst für immer anhaltende Robustheit!
Interessanter Bericht wieder mit glasklaren Detailaufnahmen vom Uhrwerk – unschlagbar, super toll gemacht! …. Was soll man aber von dieser Fortis-Aktion halten? Wer braucht -80C Umgebungstemperatur? Einen Sturz (am Fallschirm) in ein verschneites Waldgebiet mit 30% Waldsterberate. Zwei tote Uhren als Opfer ( 11 Überlebende ). Will man uns Kunden schon mal vorbereiten, dass diese Uhren wieder einmal völlig überteuert auf den Markt kommen? Ich habe hier eine klare Meinung….mit diesem Geld wäre ich mit meinen Mitarbeitern lieber Essen gegangen und hätte ein schöneres Ziffernblatt entworfen. Fortis – viel Glück beim nächsten Raketenstart…mal sehen, wo diese Uhren dann landen…