Im August dieses Jahres zog es mich und meine Frau nach einem Zwischenstopp bei Frank Miquel vom Online-Shop Uhren-Miquel.de zu einem Wochenendtrip in die wunderschöne Stadt Dresden.*
Auch wenn mir die geographische Nähe zur deutschen Uhrenstadt schlechthin, Glashütte, natürlich bewusst war, war ein Besuch dort zunächst nicht geplant – ich wollte meine Frau nicht unbedingt allzu sehr mit meinem Uhren-Fanatismus strapazieren. Aufgrund Verkehrschaos in Dresden am Sonntag des Wochenendes, haben wir unsere Pläne für Dresden aber über Bord werfen müssen und sind doch noch spontan auf Glashütte ausgewichen – so ein Pech aber auch… 😉
*das Roland Kaiser Konzert fand nur rein zufällig am selben Wochenende statt – Doppelschwör!
Über Stock und Stein nach Glashütte
Ähnlich wie bei meiner Tour in das oberfränkische Teuschnitz zu Frank Miquel, ist auch das beschauliche Glashütte von Dresden aus nur über viele Dörfchen und Landstraßen erreichbar. Im Vergleich zum strukturschwachen Glashütte im 18. Jahrhundert aber eher ein Luxusproblem: Wegbereiter und Impulsgeber für die bis heute erfolgreiche Glashütter Uhrenindustrie war im Jahre 1845 niemand geringeres als Ferdinand Adolph Lange, der mit Hilfe eines großzügigen königlich-sächsischen Kredits in Höhe von 7800 Talern eine Lehrwerkstatt und sein Unternehmen, die Uhrenfabrik Ferdinand Adolph Lange & Cie, gründete.
Das Ziel: Als ernstzunehmender Konkurrent für die Schweizer Hersteller “einfache, aber vollkommenen Taschenuhren” herzustellen. Die auch heute noch aktive Marke A. Lange & Söhne gehört mittlerweile zu einem der größten Luxusgüterkonzerne der Welt: Die Richemont-Gruppe (neben Lange & Söhne u.a. IWC, Jaeger-LeCoultre, Montblanc, Cartier…).
Charakteristisch für die frühe Glashütter Uhrenfertigung war das sogenannte Verlagssystem: Und das hat natürlich nichts mit Zeitungen oder Zeitschriften zu tun – hierbei handelt es sich um eine Form der handwerklichen Spezialisierung bzw. Arbeitsteilung. Mit anderen Worten stellen bei dieser Produktionsform verschiedene Handwerker bestimmte Uhrenteile in Kleinstbetrieben bzw. in Heimarbeit her. Die Uhrenhersteller (neben Lange recht früh auch Assmann, Großmann und Schneider) haben diese Teile dann wiederum “nur” noch zusammengesetzt. Alle in Glashütte ansässigen Unternehmen bedienten sich dabei bei denselben Lieferanten, z.B. bei Spezialwerkstätten für Uhrenteile, Werkzeuge und Messmittel.
Wenn man heutzutage an die vielen, erfolgreichen Glashütter Uhrenhersteller denkt (NOMOS, Union, Glashütte Original, Lange & Söhne etc.), kommt man mitunter schnell auf die Idee, dass dort doch sicherlich große Büro-/Produktionsgebäude in einer Art Industriegebiet stehen müssen. Mitnichten! Eng verwoben mit dem Ortskern reihen sich die einzelnen Hersteller in Glashütte an die Wohnhäuser – logischerweise eine Folge des Verlagssystems.
So stolperte ich zum Beispiel relativ schnell über das Gebäude der insolventen Firma C.H. Wolf…
… oder den NOMOS-Shop in einem Mehrfamilienhaus:
Mein Ziel war aber der Ortskern und das dortige Deutsche Uhrenmuseum Glashütte…
Deutsches Uhrenmuseum Glashütte: Kommt Zeit, kommt Rat…
Nach einem kurzen Abstecher in die noch bis November 2017 laufender Sonderausstellung Ausgerechnet! Die Geschichte der Glashütter Rechenmaschinen…
… ging es auch direkt rein die Glashütter Uhrenwelt. Im Folgenden präsentiere ich hier nur ein paar meiner persönlichen Highlights – so viel vorweg: Für einen Besuch sollte man viel Zeit einplanen…
Los ging der Rundgang mit einer Reihe von eher einfache konstruierten Taschenuhren aus den Anfängen der Glashütter Uhrenfertigung gemäß Ferdinand Adolph Langes Leitgedanken wie z.B. diese vermutlich älteste noch existierende Glashütter Taschenuhr aus dem Jahre 1950:
Einige Jahre später, ab circa 1870, wurden zunehmend auch extrem aufwendig dekorierte Taschenuhren (Werk-/Gehäusedekoration, Material Gold) in Glashütte gebaut:
Allen voran diese Taschenuhr, die Kaiser Wilhelm II. 1898 bei A. Lange & Söhne bestellte, um sie bei einem Besuch in Konstantinopel Sultan Abdul Hamid II. zum Einschleimen als Geschenk zu überreichen. Das Original ist allerdings heute Teil der Sammlung des berühmten Topkapi-Palastes in Istanbul und wird von dort aus nicht ausgeliehen. Das Exponat in Glashütte wiederum ist ein originalgetreuer Nachbau, der in zweijähriger Bauzeit durch das Hamburger Atelier Tilmann v.d. Knesebeck entstand.
Diejenigen, die es sich im 18. Jahrhundert leisten konnte, stellten sich natürlich auch Pendel-, Stand- und Tischuhren in ihre Häuser – kein Zufall also, dass auch im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte einige imposante Modelle ausgestellt sind:
Auch auf Reisen durfte eine zuverlässige Uhr natürlich nicht fehlen, wenn tüchtige Geschäftsleute durch die Gegend kutschierten – so entstanden die sogenannten Reiseuhren, die nach heutigen Maßstäben alles andere als kompakt sind:
Ein recht großer Teil des Museums ist aufgrund seiner historischen Bedeutung der Glashütter Uhrmacherschule gewidmet: Federführend bei der Gründung der Schule war insbesondere der Uhrenfabrikant Karl Moritz Großmann, der auf Basis seines Wissens aus einer Studienreise in die Schweiz (Genf, Le Locle, Biel etc.) die Planungen für die Schule maßgeblich beeinflusste. Am 1. Mai 1878 nahm Karl Moritz Großmann die Eröffnung der Schule mit einem feierlichen Festakt vor.
Im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte findet man allerhand alte Dokumente der Uhrmacherschule. Besonders spannend fand ich einen Unterrichtsplan aus dem Jahre 1888 – Mathematik und Geometrie spielten natürlich eine große Rolle:
Ausgestellt wurde natürlich auch das entsprechende Werkzeug der Uhrmacherschule – teilweise auch zum selber anfassen:
Deutsches Uhrenmuseum: Glashütte im zweiten Weltkrieg und der DDR
Während des ersten und zweiten Weltkrieges wurde den Uhrenherstellern in Glashütte die zweifelhafte “Ehre” zuteil, die Produktion von Uhren zu militärischen Zwecken und anderen Rüstungsgütern, wie z.B. Zeitzündern, aufzunehmen…
So entstanden zum einen die sogenannten Beobachtungsuhren und Flieger-Chronographen, die auch heute noch aufgrund ihres Vintage-Charmes sehr beliebt sind und daher zum Portfolio vieler historischer Hersteller gehören (außerhalb von Glashütte z.B. Laco oder Hanhart).
Ein offenbar sehr seltenes (und teures) Exponat im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte, welches im Jahre 1940 in Auftrag gegeben wurde, ist ebenfalls Teil der Ausstellung: Die Firma Lange in Glashütte “durfte” eine satte 65mm große Sonderanfertigung einer Beobachtungsuhr für die Artillerie-Truppen der Waffen-SS produzieren: Ab März 1941 sollten 10 Uhren pro Monat hergestellt werden und an die sogenannten Messbatterien der SS geliefert werden (siehe Schriftzeichen M-B auf dem Ziffernblatt). Das Besondere: Für fotografische Auswertungen sollten die Sekundenziffern in Spiegelschrift aufgebracht werden:
Mehr zur Geschichte und Funktionsweise der historischen Beobachtungsuhren und Fliegerchronographen findet ihr hier…
… und hier:
In den letzten Stunden des zweiten Weltkriegs wurde Glashütte von sowjetischen Fliegern bombardiert und teilweise zerstört. Im Anschluss haben die sowjetischen Besatzungsmächte die Glashütter Uhrenhersteller enteignet und ab 1951 in den DDR-Gesamtbetrieb VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) überführt.
Hochwertige Kleinserienfertigung war somit passé: Glashütter Uhren wurden nun in großen Mengen industriell hergestellt (wenngleich in Ruhla noch deutlich mehr auf Massenproduktion gesetzt wurde). Die DDR-Massenproduktion wird durch diese Vitrine im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte ganz hervorragend verdeutlicht:
Heute noch beliebte (und vor allem bezahlbare) Vintage-Modelle aus der DDR-Zeit sind die Glashütte Spezichron sowie die Glashütte Spezimatic, welche zu den letzten Entwicklungen der GUB Glashütte gehörten:
Am Ende des Rundgangs im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte kann man durch eine riesige Fensterfront den Uhrmachern in der Restaurierungswerkstatt bei der Arbeit zuschauen – theoretisch zumindest, denn bei unserem sonntäglichen Besuch waren die Uhrmacher natürlich noch in ihrem wohlverdienten Wochenende…
Der Shop war aber zum Glück besetzt – so wanderte dann noch das eine oder andere Mitbringsel zu mir wie z.B. dieses Glashütter “Uhrenöl” inklusive der entsprechenden “Gefäße” zum abfüllen (ihm wahrsten Sinne)… 😉
Bestellt werden kann das Uhrenöl beim Spirituosenvertrieb Moche, Glashütte.
Dieser dezent verrückte Hutmacher Uhrmacher musste allerdings leider in Glashütte bleiben – 95€ waren mir dann doch etwas zu knackig 😉
Bevor es dann wieder zurück ins Schwabenländle ging, haben meine Frau und ich uns noch mit einem original Glashütte-Döner gestärkt – sehr empfehlenswert und bestimmt auch ein gern besuchtes Mittagspausen-Ziel vieler Arbeitnehmer in Glashütte 😉
Alles in allem kann ich jedem einen Besuch im Deutschen Uhrenmuseum Glashütte ans Herz legen, der sich für die Geschichte hoher deutscher Uhrmacherkunst und Feinmechanik interessiert. Nur viel Zeit mitbringen sollte man… 😉
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…Übrigens…Die:”Beobachteruhr mit den Längengraden”,hab ich von ARISTO-Messerschmitt in eigedampfter Form(42mm),
bestellt und “Sie*Er*Es+Beides*sollte Heute angetrudelt kommen!!!
Ich wäre auch gerne pers.in dem Museum! :7
Wenn Du noch Bilder hast…dann Her Damit! 🙂
LG
THOR
…Schöner Klingonenbart! 😉