In meinen Artikeln รผber die X41 (eine der teuersten Micro Brand-Uhren, die ich kenne) und die Anomaly-02 habe ich bereits umfangreich รผber die Swiss Made-Aufmรผpfigen CODE41 und deren Ansatz der totalen Transparenz berichtet (reinlesen lohnt sich natรผrlich! ;-)) In diesem Artikel mรถchte ich ergรคnzend noch das “Schwestermodell” der Anomaly-02 genauer unter die Lupe nehmen – die teil-skelettierte Uhr mit offener Unruh CODE41 Anomaly-01 …
Eckdaten zur CODE41 Anomaly-01:
- Japanisches Miyota 82S7 Automatikwerk (offene Unruh, teil-skelettiert)
- Gehรคuse aus Edelstahl, 42 mm Durchmesser, Hรถhe 12,8 mm, Horn-zu-Horn 50 mm
- Wasserdichtigkeit 5 bar / 50 Meter (darf beim Duschen anbehalten werden)
- Saphirglas, entspiegelt
- Gewicht am Lederband: 110 Gramm
- Lederband mit Faltschieรe, Schnellwechselsystem, Bandanstoร 24 mm
- UVP: Ab 760โฌ inklusive (!) Einfuhrumsatzsteuer/Zoll und Versand aus der Schweiz, direkt bei code41watches.com
CODE41 – Fun Facts
Wem CODE41 noch kein Begriff ist, dem mรถchte ich an dieser Stelle noch ein paar kompakte (Fun) Facts vorstellen:
- CODE41 ging zunรคchst mit dem Markennamen Goldgena ins Rennen – die Umbenennung war eine gute Idee: Goldgena erinnert eher an eine neue Biersorte oder einen leckeren Camembert, aber eher nicht an eine hรถherpreisigere Uhrenmarke ๐
- Um Goldgena rankten sich damals, im Jahre 2016, eine Menge mysteriรถse Gerรผchte, da die Macher zunรคchst fรผr ein paar Monate anonym blieben.
- Was hat es mit der mysteriรถsen Zahl 41 in CODE41 auf sich? Die Antwort ist ganz einfach: Die Zahl bezieht sich auf die Lรคndervorwahl bzw. den Lรคndercode fรผr die Schweiz (0041 bzw. +41).
- Der erfahrene Uhren-Designer und CODE41-Grรผnder Claudio D’Amore hat immerhin rund 20.000 Schweizer Franken aus eigener Tasche investiert, um die Marke ins Rollen zu bringen (zum Beispiel fรผr die Erstellung der Website). Die Finanzierung der Modelle Anomaly-01 und Anomaly-02 lief dann (mehr als erfolgreich) รผber Kickstarter. Mittlerweile regelt CODE41 den Vorverkauf neuer Modelle aber selbst und geht nicht mehr รผber Crowdfunding-Plattformen.
- Goldgena bzw. CODE41 war eine der ersten Micro-Brands, die eine “Disruption der (Schweizer) Uhrenindustrie” durch das Ausplappern von “Geheimnissen” (z.B. Hersteller- und Hรคndlermargen, Schummeleien mit dem Swiss Made-Label und Uhrenbestandteilen aus Asien) angedroht haben – das Pferd haben in den Folgejahren viele weitere Micro-Brands geritten (mal mehr, meistens aber weniger erfolgreich). CODE41 hat Swiss Made sicherlich genauso wenig zerstรถrt wie Rezo die CDU, die Uhrenmarke beiรt sich aber nachhaltig erfolgreich fest… ๐
- Die Schweizer Tageszeitung Le Temps nannte CODE41 auch treffend ยซlโenfant terribleยป de lโhorlogerie suisse (das bedarf keiner รbersetzung, oder? ;-)).
- Erfrischend: CODE41 verzichtet auf eine fantasierte Markengeschichte und tritt sehr nahbar und teilweise auch mit einer ordentlichen Portion Selbstironie auf – das wird insbesondere mit Blick auf den YouTube-Kanal deutlich (hier ein Beispiel mit Bezug zum Unisex-Modell CODE41 DAY41):
Teil-skelettiert & offene Unruh: CODE41 Anomaly-01 Automatik-Uhr im Test
Die Modelle, die CODE41 Ende 2017 zum Einstand รผber Kickstarter auf den Weg gebracht hat, sprechen grundsรคtzlich dieselbe Design-Sprache – unterscheiden sich aber mit Blick auf das Zifferblatt doch deutlich: Die Anomaly-01 ist dank des teil-skelettierten Zifferblattes inklusive offener Unruh ziemlich extrovertiert, die Anomaly-02 ist im Vergleich fast schon als brav zu bezeichnen. Interessanterweise kam das Anomaly-01-Design auch deutlich besser bei den Unterstรผtzern der damaligen Kickstarter-Kampagne an: Das unkonventionelle Modell wurde merkbar hรคufiger gekauft als die Anomaly-02 – trotz des auf dem Papier deutlich schwachbrรผstigeren Automatikwerkes (Miyota 8200 vs. ETA 2824, hierzu gleich mehr). Das hat mich zunรคchst doch etwas gewundert, zeigt aber ein ums andere Mal, dass das Design einer Uhr grundsรคtzlich wichtiger ist als harte Eckdaten und Fakten – die Zahlen der damaligen Kickstarter-Kampagne 2017 sprechen eine eindeutige Sprache.
Gehen wir noch kurz ins Detail: In der Anomaly-01 tickt das seit 1977 produzierte 8200er Automatik-Werk des Herstellers Miyota (Citizen-Gruppe). Es gilt als robust und zuverlรคssig, ist aber gleichzeitig ein wenig in die Jahre gekommen: Die heute bei modernen Werken gรคngige Komfortfunktion eines Sekundenstopps bei gezogener Krone sucht man hier leider vergebens.
Dennoch ist das Werk eine sinnvolle Wahl: Die Anomaly-01 kommt mit der teil-skelettierten Variante des Miyota 8200, konkret mit dem Miyota 82S7, welches fรผr die industriell-futuristische Optik des Modells sorgt. Auรerdem ergรคnzt CODE41 eine Vielzahl von liebevollen Details, die man entdecken kann.
Erwรคhnenswert sind beispielsweise die eher ungewรถhnliche, transparente Scheibe fรผr eine 24-Stunden-Anzeige sowie eine permanent rotierende Scheibe fรผr die Sekunden (anstelle eines klassischen Sekundenzeigers) – die roten Pfeile markieren den aktuellen Stand im Sinne eines Indizes. Die Minuteneinteilung im oberen Bereich (“Eisenbahnminuterie”) erinnert passenderweise an einen Tascho. Eine Datumsanzeige fehlt.
Bemerkenswert sind insbesondere die vielen verschiedenen Ebenen des Zifferblattes – das sorgt fรผr eine รคuรerst plastische Optik, die man in der Form selten antrifft. Augenscheinlich ist beispielsweise der erhรถhte Rand mit eingelassenen Kerben sowie eine Art “Brรผcke”, die รผber der offenen Unruh zu schweben scheint und diese dadurch optisch hervorhebt. Die Unruh bildet zusammen mit der Spiralfeder das Herz einer jeden Automatikuhr, die gleichmรครigen Schwingungen sind durch die offene Konstruktion gut zu erkennen. Alles in allem verwundert es nicht, dass das aufwendige Zifferblatt zu den teuersten Komponenten der Anomaly-01 gehรถrt…
Direkt unter der Datumsscheibe befindet sich der Schriftzug AUTOMATIC – TTO. Dahinter steckt das Label “Total Transparency on Origin”, welches CODE41 ins Leben gerufen hat, um mit Kosten- und Herkunftstransparenz den Finger in die Swiss Made-Wunde zu legen (mehr รผber den Swiss Made Kalkulations-Quark hier). CODE41 beherzigt freilich den eigenen Leitgedanken – die Produktionskosten fรผr die Anomaly-01 lassen sich wie folgt aufschlรผsseln:
- Gehรคuse: 60$
- Saphirglas: 10$
- Zifferblatt: 50$ (zum Vergleich: das deutlich schlichtere Zifferblatt der Anomaly-02 schlรคgt mit 35$ zu Buche)
- Zeiger: 5$
- Lederband und Schlieรe: 15$
- Verpackung: 10$
- Miyota 82S7: 35$ (zum Vergleich: ETA 2824-2 = 80$)
- SUMME: 185$
Das Gehรคuse der Anomaly-01 ist identisch mit dem der Anomaly-02: Der Gehรคuseboden ist recht stark gewรถlbt und mit vier Sechskantschrauben befestigt. Die Flanke kommt mit einer seitlichen, schmalen Vertiefung, wodurch das Gehรคuse so wirkt, als sei es zweiteilig.
Fรผr diesen Test liegt mir die PVD-beschichtete, schwarze Variante der Anomaly-01 vor. Das wichtigste an einer PVD-Beschichtung ist, dass diese auch hรคlt und keine Macken bei kleineren Kontakten mit Alltagsgegenstรคnden als “Erinnerung” hinterlassen werden ;-). Denn: Kratzer in Beschichtungen sehen einfach immer deutlich unschรถner aus als in Edelstahl. Die Qualitรคt einer PVD-Beschichtung kann man schnell an der Schlieรe einer Uhr ablesen – diese hat nรคmlich naturgemรคร (zumindest bei mir als Bรผrotรคter) sehr viel Kontakt mit Tisch, Laptop & Co. Nach intensivem Probetragen der Anomaly-01 kann ich sagen, dass die Beschichtung eine ganze Menge aushรคlt und nach wie vor aussieht wie neu…
CODE41 bietet einen groรe Auswahl an Bรคndern, zur sportlich-futuristischen Optik der Anomaly-01 passen natรผrlich auch entsprechende Designs – wie in diesem Fall das gelochte Kalbslederband mit Faltschlieรe und (gut!) Schnellwechselsystem:
Fazit zur CODE41 Anomaly-01
Die Anomaly-01 ist seit je her das Zugpferd von CODE41. Das liegt vor allem an der Kombination aus wirklich guter Verarbeitungsqualitรคt und einem Design, welches lรถblicherweise sehr eigenstรคndig ist, gleichzeitig aber sicherlich nicht jeden hinter dem Ofen hervorlocken wird – denn: skelettierten Uhren haftet ein wenig das Image an “Haute Horologie”, also hohe Uhrmacherkunst (Stichwort: Tourbillon), vorzugaukeln. Das liegt insbesondere an fragwรผrdigem, รผbertrieben-skelettiertem China-Ramsch, der regelmรครig mit XL-Rabatten auf รผbertriebene Listenpreise auf Shoppingsendern feilgeboten wird. Auch die Anomaly-01 wird in China produziert, das gibt CODE41 im Sinne der “totalen Transparenz” offen zu – erfahrungsgemรคร liegen aber Welten zwischen der Qualitรคt seriรถser Marken wie CODE41 und besagtem Shopping-TV-Plunder. Und: Dass CODE41 auch Richtung “echter” Haute Horologie schielen darf, haben sie mit dem sehr hochpreisigen, รผberaus erfolgreichen Modell X41 bereits bewiesen.
Mehr auf code41watches.com.
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Hallo Mario,
kรถnntest du bitte verifizieren, dass das Miyota 82S7 nicht aufgezogen werden kann.
Laut Code41 sowie auch diverser anderer Uhrenhersteller welche dieses automatik Uhrwerk verbauen kann dieses Uhrwerk durchaus aufgezogen werden. Nur die Anzahl der Umdrehungen schwankt von 20 – 40 Umdrehungen.
VG
Jeff
Hi Jeff, Laut Miyota-Spezifikation ist ein Handaufzug vorhanden:
“Automatic winding watch can also be hand winded by turning the crown clockwise in Normal position.
Wind several times clockwise. It will start to move naturally.”
(siehe miyotamovement . com)
Viele Grรผรe
Mario
Hallo Mario,
vielen Dank fรผr die schnelle Antwort.
Dann mรผsste aber dein Text dahingehend korrigiert werden. Denn dort schreibst du “oder Handaufzugsmรถglichkeit sucht man hier leider vergebens.”
Grรผรe
Jeff
Stimmt, danke ๐
Ich finde, das Band ist zu schmal fรผr das Gehรคuse und die Zeit ablesen ist leider auch etwas problematisch. Viel Design-Geschwurbel und zu wenig Funktionalitรคt. Nรถ – muss ich nicht haben. Aber, wie immer: Gefallen macht schรถn.
VG Guido
Danke fรผr deinen Input, Guido!
Sorry, aber eine Uhr made in China mit einem 30 Dollar Uhrwerk fรผr 760 Euro ist nur als Witz zu verstehen. Wer so viel Geld fรผr eine Hipster-Werbemasche ausgeben will, ist selbst Schuld. Die genannten Komponentenpreise sind “retail”, und wer mehr abnimmt, bekommt das alles erheblich gรผnstiger.
Es gibt in China mittlerweile ernst zu nehmende Microbrands, die so etwas fรผr 150 – 200 Euro anbieten. Das sind dann genau dieselben Bauteile und die Qualitรคt ist genauso gut. Logisch, denn das kommt ja aus denselben Produktionslinien.
Danke fรผr deinen Kommentar!
Ich stimme dir aber nicht zu – ich hatte schon viele Uhren aus chinesischer Produktion der Hand, insbesondere im Bereich 200-400 Euro. Darunter die optisch รคhnliche FIYTA Photographer (https://chrononautix.com/fiyta-uhren-test/) und auch einiges von Spinnaker etc. … glaub mir: qualitativ sind die Unterschiede zu CODE41 definitiv spรผrbar.
Mario, warum gibt es quasi keinen 2. Markt fรผr die Code41 Uhren? Ich gucke ab und mal und sehe kaum Angebote fรผr gebrauchte Modelle.