Ich bin immer auf der Suche nach neuen Micro-Brands und Modellen mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. So wurde ich auf die Micro-Brand Aquatico Watch aus Hong Kong aufmerksam, bei der der Name Programm ist: klassische Taucheruhren-Designs dominieren das Portfolio der jungen Marke. Das Hauptargument von Aquatico ist sicherlich der Preis: für umgerechnet rund 230€ inkl. Versand und Zoll bietet die hier getestete eckige „Flieger-Taucheruhr“ Aquatico Pilot One 300M Super Charger eine ganze Menge Uhr für’s Geld…
Eckdaten der Aquatico Pilot One 300M:
- Eckiges, mehrteiliges, massives Gehäuse aus Edelstahl, 44 mm x 44 mm
- 54 mm Horn-zu-Horn
- Bauhöhe 16 mm
- Gewicht 185 Gramm
- Seiko NH36 Automatikwerk
- Saphirglas, Entspiegelungsschicht an der Unterseite
- Kautschuk-Band 24-22 mm
- Preis: umgerechnet ca. 230€ inkl. Versand und Zollgebühren
Test: Erfahrungen mit der Aquatico Pilot One 300M
Size does matter! Das auffälligste Merkmal der Aquatico Pilot One 300M ist zweifellos das dominante, eckige Gehäuse mit dessen vier Schrauben, was der Uhr eine Art Instrumententafel-Optik verleiht. Einen Durchmesser von satten 44 mm bringt das Modell mit, in Anbetracht der Gehäuseform wirkt die Uhr aber deutlich wuchtiger als klassisch-runde Modelle. Auch die Bauhöhe von 16 mm und das Gewicht von 185 Gramm (am Kautschukband) lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Aquatico Pilot One 300M für kräftige Männerhandgelenke geschaffen wurde: Man muss zwar nicht Popeye sein, einen Handgelenkdurchmesser von mindestens 19 cm sollte man aber mitbringen…
Das Gehäuse in Kombination mit dem schlichten Ziffernblatt erinnert sicherlich nicht ganz zufällig an das Design der klassischen Bell & Ross Fliegeruhren – von einer Bell & Ross Hommage zu sprechen ist also zumindest nicht ganz abwegig…
Nichtsdestotrotz bringt Aquatico ein paar eigene Design-Elemente mit, darunter die Ziffern und Stunden-Indizes im Sandwich-Stil (zwei Schichten), wodurch das Ziffernblatt etwas plastischer wirkt. Der orange Sekundenzeiger bringt einen netten Farbtupfer in die eher zurückhaltenden Ziffernblatt-Farbvarianten schwarz, blau und grün.

Die Leuchtkraft der Aquatico Pilot One 300M ist in Ordnung, aber nicht überdurchschnittlich gut:
Auffällig ist darüber hinaus das mehrteilige Gehäuse, welches etwas an die Schweizer Marke FORMEX erinnert. Ein funktionaler Aspekt (Gehäusefederung) fehlt aber – verständlich in Anbetracht des Preises. Geschmackssache ist sicherlich die Verarbeitung: Das Gehäuse ist recht grob gebürstet und kantig – Finessen wie zum Beispiel ein Wechsel zwischen polierten und gebürsteten/satinierten Flächen sucht man vergeblich. Letztendlich merkt man der Aquatico Pilot One 300M in dieser Hinsicht die Preisdifferenz zu teureren Modellen, wie z.B. der LÜM-TEC Bullhead (460€), deutlich an. Das dürfte nicht jeden ansprechen, unterstreicht aber den groben, maskulinen Charakter der Uhr.
Schön ist aber, dass die Hörner durchbohrt bzw. die Stege geschraubt sind – das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse und hilft dabei lästige Kratzer beim Bandwechsel zu vermeiden…
Apropos Band: Bei dem an der Aquatico Pilot One 300M verbauten Kautschuk-Bändern handelt es sich um das Design der ISOFrane-Bänder, die in den 60ern für die Omega Ploprof gemacht wurden. Und die Qualität des Aquatico-Bandes hat mich überaus positiv überrascht: Das Kautschuk ist geruchsneutral und – ganz wichtig – sehr flexibel. Viel zu oft schon habe ich Kautschukbänder an Uhren gehabt, bei denen das Bandende nur sehr mühselig in die Keeper gefummelt werden konnte. Bei der Aquatico Pilot One 300M funktioniert das butterweich. Die weiche Qualität kommt auch dem Tragekomfort zu Gute, was in Anbetracht des Gewichtes und der Größe nicht ganz unwichtig ist – Daumen hoch!
Gut: Aquatico verbaut in der Pilot One 300M ein Automatikwerk aus der NH3-Baureihe des japanischen Herstellers Seiko TMI (Time Module Inc.). Auch das ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit für eine Uhr in der Preisklasse – sehr häufig verbauen Micro-Brands aus Kostengründen nur ein Automatikwerk aus Miyotas 8er Baureihe, welches allerdings – anders als das Seiko NH3 – zum Beispiel keinen Sekundenstopp bei gezogener Krone oder Handaufzugsmöglichkeit mitbringt.
Einen Nachteil hat das Seiko NH3 allerdings: Dadurch, dass das Werk mit 21600 Halbschwingungen pro Stunde (bph) arbeitet (wie auch Miyotas 8er Baureihe), läuft der Sekundenzeiger mit nur 6 Schritten pro Sekunde. Das bewirkt, dass der Zeiger nicht ganz so flüssig läuft wie bei einem Werk mit 28800 bph (z.B. Miyota 9015 oder gängige ETA-Werke). Auch die Ganggenauigkeit des NH3 ist dadurch theoretisch geringer. Beim Einregulieren der Uhr besteht allerdings noch etwas Nachholbedarf: Gemessen mit dem Frederique Constant Analytics Clip ergibt sich bei meinem Testmodell ein Wert von +12 Sekunden pro Tag.
Fraglich ist allerdings warum Aquatico das Seiko NH36 verbaut hat und nicht das Seiko NH35: Das Seiko NH36 hat zusätzlich eine Anzeige für Wochentage, was aber bei der Pilot One 300M offensichtlich (wie auch die Datumsanzeige) nicht genutzt wird.
Hier ein kurzer Überblick über die Seiko TMI NH3-Automatik-Baureihe:
NH35 | NH36 | NH37 | NH38 | NH39 | |
Zeiger | drei (Stunde, Minute, Sekunde) | ||||
Datums-Anzeige (Schnelleinstellung) | ja | ja | ja | nein | nein |
Wochentags-Anzeige
(Schnelleinstellung) |
nein | ja | nein | nein | nein |
24-Stunden-Anzeige | nein | nein | ja | nein | ja |
Handaufzug | ja | ||||
Automatikaufzug (Kugellager) | ja | ||||
Sekundenstopp bei gezogener Krone | ja | ||||
Halbschwingungen pro Stunde | 21.600 (Sekundenzeiger macht 6 Schritte pro Sekunde | ||||
Statische Genauigkeit ab Werk | -20~+40 Sekunden pro Tag | ||||
Gangreserve (voll aufgezogen) | 41 Stunden |
Die Wasserdichtigkeit beträgt 30 bar, was unter anderem durch die sehr griffige, verschraubte Krone erreicht wird. Ein Kritikpunkt ist allerdings das Schraubgewinde der Krone, welches sich etwas bockig zeigt – die Krone lässt sich nur mit unregelmäßigem Widerstand eindrehen.

Aquatico: Fazit und Informationen zu Zoll und Versand
Aquatico verdient sich mit seiner aktuellen Kollektion sicherlich keinen Innovationspreis: Das Design entspricht im Wesentlichen klassischen Taucheruhren-Designs und auch das hier getestete Modell Aquatico Pilot One 300M hat – sicherlich nicht ganz zufällig – einige Design-Anleihen von Bell & Ross.
Mit Blick auf das Gesamtpaket bestehend aus …
- dickem/gut entspiegeltem Saphirglas,
- robustem Seiko NH3-Automatikwerk,
- butterweichem/geruchsneutralem Kautschukband und
- schickem Sonnenschliff-/Sandwich-Ziffernblatt
… spricht für die Aquatico Pilot One 300M aber ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Wer mit Abstrichen bei der Ganggenauigkeit leben kann und dicke Handgelenke mitbringt, um das wuchtige und einfach verarbeitete Gehäuse zu stemmen (empfehlenswert mindestens 19 mm), darf bei der Aquatico Pilot One 300M zuschlagen.
Tipp: Eine 40 US-Dollar teurere Variante mit schwarz beschichtetem (DLC) Gehäuse ist ebenfalls erhältlich:
Der Versand nach Deutschland kostet 30 US-Dollar, erfolgt allerdings direkt aus Asien und dauert somit ein paar Tage. Ihr solltet außerdem damit rechnen, dass noch Einfuhrumsatzsteuer (19%) und Zollgebühren (80 Cent) oben drauf kommen – der Endpreis liegt also bei rund 230€ inkl. sämtlicher Gebühren und Versand bei einem Umrechnungskurs von 1 US-Dollar zu 0,8 Euro (Stand Anfang 2018). Eine Bezahlung per PayPal ist möglich und auch ratsam. Ein Jahr internationale Garantie gibt es oben drauf.
Mehr über die Bestellung von Micro-Brand-Modellen im Ausland:
Alternativen zur Aquatico Pilot One 300M
Wie bereits weiter oben im Artikel angedeutet kommt eine spannende Alternative aus dem US-amerikanischen Hause LÜM-TEC: Für 460€ bekommt man mit der LÜM-TEC Bullhead insbesondere eine tolle Gehäuseverarbeitung, eine hervorragende Ablesbarkeit und ein kantig-maskulines Instrumententafel-Design. Automatik-Fans müssten sich bei dem Modell allerdings mit einem Hybrid-Werk, dem SII VK67 Meca-Quarz-Werk anfreunden. Hier geht’s zum Review:
In meiner Übersicht über ausgefallene Uhren findet ihr weitere Modelle mit eckiger Gehäuseform. Unter den günstigen Micro-Brands ist zum Beispiel noch die Steinhart Aviation Modellreihe (Swiss Made) zu nennen. Mit einer sehr ähnlichen wie die Aquatico Pilot One 300M (Krone, Ziffernblatt, Gehäuse) kommt z.B. die Steinhart Aviation Automatik mit Saphirglas und Schweizer ETA 2824 Automatikwerk. Der Preis: Sehr faire 450€.

Zu meinem Artikel über ausgefallene Uhren-Modelle geht’s hier entlang:
Nachtrag: Kurz vor Fertigstellung des Artikels wurde ich auf eine Geschichte aufmerksam gemacht, die die Micro-Brand Borealis bzw. deren vor 5 Jahren erschienenes Modell „Pilot Diver“ mit Aquatico in einen Zusammenhang bringt: Das Gehäuse der Borealis Pilot Diver Modells ist scheinbar identisch mit dem der Aquatico Pilot One. In einige englischsprachigen Foren kann man hierzu auch ein paar Informationen und Meinungen finden. Letztendlich ist es in China nach wie vor Gang und Gäbe, dass mit geistigem Eigentum sehr freizügig umgegangen wird. Ich möchte hier nichts relativieren, möchte aber meine Leser bitten, sich selbst ein Bild über die verlinkte Diskussion im Watchuseek-Forum zu machen.
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Auch über Kommentare freue ich mich immer sehr. Vielen Dank! ?
Das ist eine ziemlich schräge aber auch irgendwie interessante Uhr.
Ob ich allerdings mit den vorstehenden Sechskantköpfen der Uhr, die wohl gerne die Jackenbündchen fressen, klarkäme… Weiß nicht…
Hi Michael, danke für den Kommentar!
Ich stimme zu, die Uhr ist schon sehr speziell. Im Sommer ganz leger zum Shirt ist sie denke ich optisch am stimmigsten 🙂
Viele Grüße und schöne Woche
Mario