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Unter dem Motto “Art on the Wrist” ist das gesamte Sortiment des in Alzenau ansässigen Uhrenherstellers Alexander Shorokhoff wie eine große Kunstgalerie – einen “Standard”-Diver muss man hier lange suchen. Dabei sind mal weniger, mal mehr extrovertierte Designs dabei – die neue Avantgarde 08 gehört definitiv zu letzterer Kategorie: Hier ist der Name, der sich auf die moderne Kunst der Avantgarde bezieht, absolut Programm…

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Eckdaten Alexander Shorokhoff Avantgarde 08:

  • Referenz AS.AVG08
  • Kaliber Handaufzug Kal.2614AS, handgraviert und veredelt, gebläute Schrauben, 17 Steine, Gangreserve 42 Stunden
  • Edelstahlgehäuse mit Glasboden
  • Durchmesser 43,5 mm, Höhe 11,5 mm
  • Horn-zu-Horn 50 mm
  • Gewicht (am Lederband): 83 Gramm
  • Saphirglas beidseitig, auf der Vorderseite entspiegelt
  • Wasserdichtigkeit 5 bar / 50 Meter
  • Bandanstoß 22mm, Kalbslederband mit Kontrastnähten
  • Listenpreis: 1350€
  • Limitiert auf 50 Stück
  • Direkt über www.alexander-shorokhoff-shop.de oder diversen Fachhändlern

Alexander Shorokhoff Avantgarde 08 im Test

Was Plancks Quantentheorie und Einsteins Relativitätstheorie für die Wissenschaft war, war der Avantgardismus für die Kunst: Anfang des 20. Jahrhunderts ging ein Beben durch die europäische Kunstszene und breitete sich bis nach Moskau und St. Petersburg aus: Unter anderem getrieben von Hochgeschwindigkeitsgemälden der sogenannten Futuristen und Bildexplosionen der Kubisten, begann man auch in Russland gegen die klassische, naturalistische Malerei (also Malerei, die beispielsweise eine Landschaften möglichst originalgetreu abbildet) zu rebellieren.

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Doch es blieb nicht bei einer Kunst-Bewegung: der Avantgardismus hatte auch einen großen Einfluss auf die Politik – in Russland beispielsweise, dem Geburtsland des Gründers Alexander Shorokhov, als die Oktoberrevolution 1917 den Anfang vom Ende des kommunistischen Regimes markierte. Vom Umschwung, den Lenin sein Land ein paar Jahre später in die Wege leitete, ließen sich die Avantgarde-Künstler dann teilweise auch in die Pflicht nehmen, selbst wenn das erst mal hieß: Banner malen, Poster entwerfen, Propaganda betreiben – die Revolution musste eben auch unter die Leute gebracht werden.

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Das Zifferblatt der Alexander Shorokhoff Avantgarde 08 enthält – kein Wunder mit Blick auf den eindeutigen Modellnamen – etliche Elemente, die man getrost als avantgardistisch bezeichnen kann. Heißt: Insbesondere das Zifferblatt sprengt die üblichen Konventionen im Bereich Zeitmesser durch durch den Einsatz ungewohnter Merkmale und Formen. Dabei ist es bei weitem nicht das erste Mal, dass Alexander Shorokhoff künstlerisch unterwegs ist: Unter dem Motto “Art on the Wrist” ist das gesamte Sortiment des in Alzenau ansässigen Uhrenherstellers wie eine große Kunstgalerie.

Auf dem Zifferblatt der Avantgarde 08 gibt es irre viel zu entdecken – der Reihe nach: Das Blatt ist in zwölf Segmente eingeteilt. Das zentrale “12 Uhr”-Segment kommt dabei mit der großen, charakteristischen “60”, die man auch von vielen anderen Shorokhoff-Modellen kennt, sowie einem dezenten, applizierten bzw. metallischen Logo. Weiter geht’s mit einer übergroße “1” und “2”, die ihre jeweiligen Segmente gänzlich ausfüllen, gefolgt von einem blauen AVANTGARDE-Schriftzug im “3 Uhr”-Segment, der teilweise mit kyrillischen Buchstaben geschrieben ist (z.B. Д) – ein Hinweis auf die russische Herkunft von Alexander Shorokhov und die auch in Russland prägende Avantgarde-Bewegung. Nach der “4”, der “5” und der “6” folgen ein pyramidaler, gelber “Alexander Shorokhoff”-Schriftzug, gefolgt von der römischen “8” (VIII) und einer kleinen Rechenaufgabe (5+4 = nach Adam Riese 9).

Farben setzt Alexander Shorokhoff bei der Avantgarde 08 wohl dosiert ein: Insbesondere die warmen Farben Orange und Gelb stehen im Kontrast zum Schwarzen Blatt und zum Blau des Sekundenzeigers und des AVANTGARDE-Schriftzuges – das sind übrigens auch die drei Farben, die man im Shorokhoff-Claim “Art on the Wrist”, also “Kunst am Handgelenk”, vorfindet. Vor allem aber die langgestreckten, gelben Minuten-/Stunden-Zeiger mit ihren roten Enden und den runden Aussparungen heben sich vom Blatt ab, wodurch die Ablesbarkeit – trotz der vielen Detail – relativ gut ist.

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Alexander Shorokhoff Avantgarde 08 Test Erfahrungen 00531

In einschlägigen Foren habe ich von dem einen oder anderen Uhrenfreund gelesen, dass das Gehäuse der Avantgarde 08 nicht mit dem Spektakel auf dem Zifferblatt mithalten kann. Ehrlich gesagt kann ich dieser Argumentation nicht folgen, denn grade das eher schlichte und gleichzeitig tiptop verarbeitete Gehäuse ist der perfekte Gegenpol zum extrovertieren Zifferblatt. Ein zusätzlich auch noch avantgardistisches Gehäuse (in welcher Form auch immer) wäre einfach “a bissl too much” gewesen. Okay, vielleicht mit einer kleinen Ausnahme: Auf der Krone hätte Shorokhoff vielleicht das Erscheinungsbild des Zifferblattes dezent aufgreifen können. Das ist aber zumindest beim überaus weichen und flexiblen Band aus Kalbsleder der Fall, das mit gelben und roten, kontrastreichen Seitennähten kommt.

So oder so hat die Shorokhoff Avantgarde 08 – auch wegen des Durchmessers von immerhin 43,5mm (Horn-zu-Horn 50mm) – eine enorme Präsenz am Handgelenk – und das ist auch gut so, denn niemand wird sich diese Uhr kaufen, um sie dann unter dem Hemdsärmel zu verstecken. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt in etwa 19 cm, wodurch die Uhr ziemlich optimal sitzt:

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NOS-Handaufzugkaliber 2614.AS: Händisch dekorierte Basis von Poljot

Für das Ticktack in der Alexander Shorokhoff Avantgarde 08 sorgt (genau wie unter anderem auch bei der Lucky 8-Modellreihe) das Kaliber 2614 aus der Produktion des ehemaligen russischen Herstellers Poljot. An dieser Stelle bedarf es einer kurzen historischen Einordnung: Poljot entstammt aus der Ersten Moskauer Uhrenfabrik, die unter dem Eindruck Juri Gagarins Weltraum-Rekord anno 1961 in Poljot (russisch für Flug) umbenannt wurde. Nach der Wende wurde es etwas unübersichtlich in der russischen Uhrenindustrie: Anfang der 2000er hat Poljot alle Produktionsanlagen an die russischen Firmen MakTime (Мактайм) und Vostok (Восток) verkauft (nicht zu verwechseln mit Vostok Europe). Mittlerweile werden gar keine Poljot-Kaliber mehr produziert: Weder von Vostok, noch von der mittlerweile insolventen Firma MakTime.

Meinen Informationen nach hat MakTime die 26er Kaliberreihe, die auch in der Avantgarde 08 tickt, allerdings nie produziert, sondern nur die 31er wie beispielsweise das 3133 oder das 3105.

Bei den von Alexander Shorokhoff verwendeten Kalibern handelt es sich um original Poljot-Werke aus den späten 70er und frühen 80er- Jahren – also New Old Stock-Ware (kurz NOS), das heißt neue Ware aus altem Lagerbestand. Shorokhoff hat die Werke in sämtlichen Teilen der Welt aufgespürt und die jeweiligen Lagerbestände aufgekauft. Die letzte Lieferung kam dabei aus Deutschland, von einem Uhrenhersteller der früher auch russische Werke verwendet hat.

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Die Kaliber wurden dabei noch mal einzeln von Shorokhoff überholt: Die einzelnen Komponenten wurden von einem Uhrmacher…

  • im Ultraschallbad gereinigt,
  • teilweise händisch graviert (dazu gleich mehr)
  • wieder zusammengebaut,
  • geölt und
  • feinreguliert (sog. Reglage).

Es handelt sich also quasi um neue Werke, die nie benutzt wurden und auch nie mit Öl verunreinigt gewesen sind.

Da Alexander Shorokhoff ausschließlich Modelle in kleinen Auflagen verkauft (von der Avantgarde 08 gibt es nur 50 Stück, von denen knapp 20 bereits verkauft sind), ist auch die Versorgung von Ersatzteilen im Falle von Reparatur oder Revision kein Problem: Die Alzenauer halten ein bestimmtes Kontingent der Kaliber 2614 als “Ersatzteilspender” zurück.

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Nun braucht man kein Recherche-Genie zu sein, um herauszufinden, dass das Kaliber Poljot 2614 auch in günstigeren Uhren von anderen Herstellern (deutlich unter 1000€) tickt. Alexander Shorokhoff setzt dafür auf üppige Werksdekorationen wie gebläuten Schrauben und Wolkenschliff sowie insbesondere ziemlich beeindruckende händischen Gravuren auf den Brücken, die von hauseigenen, erfahrenen Graveuren vorgenommen werden. In der Preisklasse, in der sich Alexander Shorokhoff bewegt, sind solche detaillierten Gravuren ein absolutes Alleinstellungsmerkmal und ich ertappte mich beim Review immer wieder dabei die Uhr umzudrehen und die Gravuren zu entdecken (und das trotz des Zifferblattes, das ja nun auch alles andere als schlicht ist). Einfach toll!

Darüber hinaus gilt das Poljot 2614 auch als absolut solides Handaufzugswerk: Die Konstruktion des Kalibers ist zwar vergleichsweise simpel, bietet dafür aber auch eine hohe Robustheit und langfristige Zuverlässigkeit. Auch eine Stoßsicherung ist an Bord. Ein echter russischer “Traktor” eben. Die Gangreserve beträgt etwa 42 Stunden.

Alexander Shorokhoff macht außerdem bei der Feinregulierung einen ordentlichen Job: Die Zeitwaage spuckte für die mir vorliegenden Avantgarde 08 eine gute Ganggenauigkeit von +7 Sekunden pro Tag aus.

Abschließende Gedanken zur Alexander Shorokhoff Avantgarde 08

Das Avantgarde-Thema hat Alexander Shorokhoff – wie man es von den Alzenauern ja gewohnt ist – konsequent und mutig umgesetzt. Das Design spaltet, das ist gar keine Frage, ich finde es aber gut, dass Shorokhoff hier keine halben Sachen macht. So oder so muss dass Design aber ja auch nicht jedem gefallen, denn die Auswahl von anderen Uhrenherstellern, die sich beispielsweise vor allem klassischen Divern und/oder GMT-Uhren widmen, die einen Massengeschmack ansprechen, ist ja nun schon üppig genug, oder?

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6 Kommentare
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THOR
1 Jahr zurück

Sry Mario,aber sieht einfach Billig aus!
Die”Carrera-gelben”Zeiger mit der “Roten-Spitze”,kommen einer Uhr für Schulanfänger gleich!!!
Der “Name”reicht mE.nicht aus um so einen Plunder an den Mann zu bringen!
Schade um Deine Zeit,die Du für den Bericht vergeudet hast!!:-/
LG….THOR

Rumburak Klötenschneider
1 Jahr zurück

Typisch Shorokhoff! Hässliche Uhren für teuer Geld. Der Sinn einer Uhr ist doch eigentlich, schnell und unkompliziert die Zeit ablesen zu können. Dazu bedarf es einer klar und deutlich gestalteten Uhr, das hat sich allerdings noch nicht überall herumgesprochen. Wenn ich da an die extrem teuren und monsterhässlichen Uhren mit den Totenköpfen denke…. Dagegen ist dieses Modell geradezu harmlos. Ich mag auch Kunst sehr, aber Uhr und Kunst gehen selten übereinander. Ausnahme: Bauhaus- oder Bahnhofsuhrendesign, aber da geht es klar nach dem klassischen Satz: Form follows function. Und nicht umgekehrt.

Aber ich bin auch nicht objektiv, weil ich die Uhren von AS für teures Blendwerk halte. Jeder, wie er möchte, aber so gar nicht mein Ding. Trotzdem ein guter und lesenswerter Artikel (zur Abschreckung, sozusagen).

Last edited 1 Jahr zurück by Rumburak Klötenschneider
Hans
1 Jahr zurück

So sehr ich einen Uhren-Tick/Tack habe was mechanische Uhren betrifft, gilt für mich die Regel; zuerst muß bei einer Uhr die Zeit gut ablesbar sein. Dies ist schlicht die Aufgabe einer Uhr. Diese Uhr erfüllt diese Aufgabe nur ungenügend.
“Form follows function“ scheint bei AS nicht angekommen zu sein.
Zusätzlich habe ich Probleme, mit limitierten Auflagen. Dienen diese doch nur dazu, eine künstliche Nachfrage zu erzeugen und dem geneigten Uhrenfreund das Geld aus der Tasche zu ziehen. OK, es wird keiner gezwungen zu kaufen! Kleine Hersteller haben vermutlich gar keine andere Chance, als ihr Produkt in relativ kleinen Auflagen anzubieten. Allerdings nutzen auch „Großhersteller“ dieses Instrument.
Trotzdem, wie immer, ein lesenswerter Artikel von Mario.

Evelyne
1 Jahr zurück

Die Rückseite gefällt besser als die Vorderseite. Der Artikel ist wie immer sehr interessant

Hans
1 Jahr zurück
Antworten...  Evelyne

Dem kann ich mich ebenfalls anschließen.

Sveb
1 Jahr zurück

Schöner Artikel, wie so oft. Mir gefallen die Uhren von AS ebenfalls, leider sind mir die meisten zu groß.