Wenn man heute von Scalpern oder Resellern spricht, meint man vor allem Menschen, die sich darauf spezialisiert haben limitierte und/oder knappe Konsumgüter zu kaufen, die besonders stark nachgefragt werden – allerdings nicht mit dem Ziel, diese auch selbst zu nutzen, sondern diese möglichst schnell mit Profit weiterzuverkaufen. Ein 16-jähriger Teenie aus den USA soll durch solche Scalper-Geschäfte über 1,7 Millionen US-Dollar Umsatz, z.B. mit dem Weiterverkauf von Playstation 5, gemacht haben. Auch im Bereich Uhren ist diese Praxis (leider) weit verbreitet…
Scalper: Namensherkunft und Definition
Überall da, wo es Engpässe gibt, die Nachfrage hoch ist und Profite locken, treten Scalper auf den Plan. Der wenig schmeichelhafte Begriff „Scalper“ geht nicht zufällig auf das Skalpieren zurück, also die beispielsweise im Tarantino-Kriegsfilm Inglourious Basterds angewandte Praxis, die das gewaltsame Entfernen der Kopfschwarte (Skalp) vom Schädel, üblicherweise zusammen mit dem Kopfhaar, meint: Scalper bzw. Reseller, die sich häufig technische Unterstützung durch Bots holen, sind eine echte Plage, denn sie machen es „normalen“ Endkunden in allen Bereichen des Lebens schwer.
So grasen Scalper beispielsweise Tickets für Sportereignisse oder Konzerte von beliebten Künstlern ab, plündern Sneaker im Nike-Shop oder fallen wie Heuschrecken über PS5-Händler hinweg und kaufen den frischen Nachschub ratzekahl leer. „Echte“ Endkunden gehen dadurch häufig leer aus oder sie müssen mit fetten Aufschlägen auf den ursprünglichen Listenpreis bzw. UVP auf Plattformen wie eBay rechnen.
Scalper bei Uhren – befeuert durch Grauhändler-Narrative
Leider gibt es auch Scalper im Bereich Uhren. Vor allem in Verbindung mit den teilweise wahnwitzig-inflationär auf den Markt geworfenen Limited Edition-Uhren und bei beliebten Marken wie Rolex wittern viele Leute den schnellen Euro beim Weiterverkauf.
Die Gründe dafür, dass Menschen zu Scalpern im Bereich Uhren mutieren, sind sicherlich vielfältig. Es ist aber ein naheliegender Gedanke, dass der Scalper-Trend durch Grauhändler befeuert wurde, die in den von Niedrigzinsen geprägten letzten Jahren die ach-so-tolle Investition in eine Luxusuhr beschworen haben. Hier ein Beispiel:
So gibt ein bekannter Grau- und Gebrauchtuhrenhändler für Luxusuhren in seinem eigenen „Corporate Blog“ (natürlich nicht uneigennützig) einige Tipps zur Investition in Uhren – Zitat: „Sie möchten in eine Uhr als Wertanlage investieren? Dann sollten Sie bei der Wahl der richtigen Uhr systematisch vorgehen und die wichtigsten Investitionskriterien beachten. Hierzu zählen vor allem eine begrenzte Auflage der Uhr (Seltenheit), eine attraktive Uhrenmarke sowie die aktuelle Marktsituation.“
Dieselben Händler, die mit solchen pseudo-neutralen „Leitfäden“ aufwarten (meistens mit Rolex als Aufhänger), bieten nämlich natürlich „zufälligerweise“ genau die genannten Spekulationsobjekte weit über Listenpreis an, oftmals auch in Verbindung mit unverschämt teuren Finanzierungsangeboten (mehr: Uhren von Rolex & Co. finanzieren?).
Völlig unabhängig davon, was der Grauhändler eigentlich bezweckt, bringen solche als redaktionelle Inhalte getarnte Werbeartikel meiner Meinung nach sicherlich den einen oder anderen auf die Idee, selbst ein paar vermeintlich „einfache“ Extra-Euros zu verdienen, indem man mal beim Rolex-Konzi vorfühlt.
Die Uhren des Schweizer Herstellers sind mittlerweile nur mit bis zu 10-jähriger Wartezeit (wenn überhaupt) zu bekommen, wodurch sich die faktischen Preise auf Plattformen wie Chrono24 oder bei Grauhändlern seit Jahren auf hohem Niveau, weit über Listenpreis, bewegen (mehr: Rolex-Preise und Preisliste).
Dieses ganze, von Grauhändlern mit aufgebaute Konstrukt, lockt – wie sollte es auch anders sein – Scalper an: Nicht selten sehe ich im Facebook Marketplace oder auf anderen Plattformen erst wenige Tage alte, nigelnagelneue Rolex-Uhren, die weit über Listenpreis angeboten werden. Hier ein Beispiel aus Anfang Februar 2023 (Name gschwärzt):
Nun wäre es aber natürlich auch unfair allen Rolex-Weiterverkäufern gleich den „Scalper“-Stempel aufzudrücken: Verständlicherweise ist es in Anbetracht des Preisniveaus verlockend seine Rolex irgendwann mal mit Gewinn weiterzuverkaufen – so berichtete mir mal ein Bekannter, dass er seine Rolex Submariner „Hulk“ verkaufen möchte, die er schon seit einigen Jahren trägt. Als ich ihn fragte, warum er das tut, begründete er das damit, dass er einfach lieber sein Haus verstärkt abbezahlen möchte.
Was ich damit sagen will: natürlich ist nicht jeder, der seine Rolex über Listenpreis irgendwo anbietet gleich ein professioneller Scalper. Zumal auch Konzessionäre sensibel sind und ein feines Gespür für Leute haben, die nur auf den schnellen Spekulationsgewinn aus sind – Konzis jagen solche Leute meistens schnell vom Hof, denn sie haben wenig Interesse daran, dass eine nagelneue, wenige Tage alte Rolex direkt auf ankaufenden Plattformen wie Chronext landet: Rolex macht nämlich bekanntermaßen gerne Testkäufe und könnte möglicherweise denken, dass der Konzessionär die Uhr selbst mit Extra-Gewinn weiterverkauft hat (das ist sogar tatsächlich in den USA passiert – mehr: Wie kommen eigentlich Uhren von Rolex, Patek Philippe & Co. in den Grauhandel?
Weitere Uhren-Scalper-Beispiele
Ein ganz aktuelles Scalper-Beispiel ist die auf 1000 Stück limitierte Synchron Poseidon, die kurioserweise noch bevor die Uhr tatsächlich ausverkauft war mit geklauten Bildern aus einem Review (!) auf eBay zum mehr als doppelten des offiziellen (Vor-)Verkaufspreises angeboten wurde. Noch dreister geht es eigentlich kaum:
Auch die günstige MoonSwatch, die aus der Kooperation der beiden Swatch Group-Marken Omega und Swatch hervorgegangen ist, hat Scalper magisch angezogen: Da die 260€ teuren Quarzer nur vor Ort bei ein paar wenigen offiziellen Swatch Stores verfügbar sind und Swatch die extreme Nachfrage zu Beginn des Ansturms nicht mal annähernd bedienen konnte (oder wollte), haben viele Scalper den schnellen Euro gewittert und die MoonSwatch zu teilweise absurden Preisen online angeboten:
Irre: Sogar aus der Warteschlange vor dem Swatch Store heraus wurden die Uhren mit fettem Aufschlag auf den Listenpreis angeboten:
Mehr: Swatch x Omega MoonSwatch im Test / Verfügbarkeit und Karte
Scalper: Hilft das Steuertransparenzgesetz?
Scalping ist in unserer freien Marktwirtschaft grundsätzlich erst mal nicht verboten. Und natürlich ist nicht jeder, der mal eine Uhr mit Gewinn weiterverkauft, ein Profi-Scalper. Dennoch sind professionell und systematisch arbeitende Scalper meiner Meinung nach dahingehend *pardon* asozial, da Kunden, die tatsächlich Interesse an beispielsweise bestimmten Uhren haben, in die Röhre schauen und deutlich höhere Preise blechen oder sich sehr geduldig zeigen müssen.
Davon mal abgesehen darf man auch durchaus kritisch hinterfragen inwiefern Scalper es auch immer so ernst mit der Angabe ihrer Gewinne beim Finanzamt nehmen – natürlich sind nicht pauschal alle Scalper auch Steuerbetrüger, bisher war es für die Finanzbehörden aber extrem mühsam, Profi-Scalper, die sich als Privatpersonen ausgeben, per Definition aber gewerbliche handeln, im Netz aufzuspüren – denn sie konnten nur bei konkreten Verdachtsfällen deren Daten anfordern.
Ein neues Gesetz soll es nun dem Finanzamt erleichtern, Steuerbetrug auf den Grund zu gehen: Der Bundestag stimmte am 10. November 2022 dem vorgelegten Gesetzesentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2021/514 zu. „Zwischen den Jahren“ hat dann der Bundesrat das neue, sogenannte Plattformen-Steuertransparenzgesetz offiziell verabschiedet – es gilt bereits seit dem 1. Januar 2023. Das Gesetz besagt, dass alle Online-Marktplätze wie Amazon, Ebay, Facebook Marketplace, Airbnb & Co. verpflichtet sind, dem Bundeszentralamt für Steuern Informationen über Transaktionen zu melden, die auf ihren Plattformen stattfinden.
Hierbei gelten allerdings bestimmte Grenzen: Wer innerhalb eines Jahres weniger als 30 Artikel auf einer Plattform verkauft und damit weniger als 2.000 Euro umsetzt, der wird nicht gemeldet. Im Umkehrschluss heißt das: Erlöst ein Nutzer mehr als 2.000 Euro, dann muss der Plattform-Betreiber die Daten ans Finanzamt übermitteln. Die Uhren-Plattform Chrono24 hat bereits reagiert und verlangt bei Verkäufen offenbar nun die Angabe der Steuernummer.
Ein Anhaltspunkt dafür, dass ein Scalper nachhaltig Einnahmen durch Kauf und Weiterverkauf von Waren und/oder Dienstleistungen erzielt und damit gewerblich handelt (und somit steuerpflichtig ist), ist, wenn dieser häufig sogenannte Spekulationsobjekte und/oder Neuware desselben Typs anbietet, also zum Beispiel x mal die PlayStation 5, y mal die beliebten Nike-Sneaker in verschiedenen Größen und/oder z mal eine wenige Tage alte Rolex: Wenn das innerhalb eines Jahres geschieht, unterliegt der Scalper womöglich der Spekulationssteuer – dann nämlich, wenn man damit den Freibetrag eines Gewinns von 600 Euro überschreitet. In dem Fall muss man den „Spekulationsgewinn“ in der Anlage SO der Steuererklärung vermerken. Tut er das nicht und liegen eine oder mehrere Meldungen von Plattformen wie eBay vor, so ist der Ärger mit dem Finanzamt ab sofort wohl nur noch Formsache.
Inwiefern das neue Gesetz das Scalping einschränkt, bleibt abzuwarten. Ich gehe jedenfalls mal fest davon aus, dass viele sich mit Multi-Accounting unter anderen Namen (von Hund, Katze & Co.) und unterschiedlichen Adressen schon irgendwie zu helfen wissen. Denn auch die Finanzämter sind bekanntermaßen nicht grade üppig mit Personal bestückt und werden sicherlich nicht jedem Steuerbetrüger auf die Schliche kommen (in Schleswig-Holstein beispielsweise sind rund 4.300 Stellen in den Finanzämtern nötig, um die Aufgaben wie vorgesehen erledigen zu können. Davon sind aber derzeit rund 1.100, also circa ein Viertel, nicht besetzt). Dennoch ist das Gesetz natürlich ein Schritt in die richtige Richtung.
Und in jedem Fall gilt: Ob man die Scalper mit ihren Angebots-Preisen weit über Liste weiter „anfüttert“ oder nicht, hat natürlich jeder selbst in der Hand – mein Tipp an alle, die Uhren lieben: Einfach mal nein sagen…
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Ein gewohnt guter Artikel! Selbst bekannte Graumarkt-Händler z.B. der aus der Domstadt neben Düsseldorf mischen hier ordentlich mit, wie ich vergangene Woche im Ladengeschäft des Anbieters erleben konnte. Es sind die gleichen schmierig arroganten Typen, die mich früher schon auf den Uhrenbörsen genervt haben. Ich habe den Laden fluchtartig verlassen und habe die Yachtmaster (5 Jahre alt und einige tausend überLP) dann bei meinem Konzessionär bestell.., denn ich kann warten. Diese Eigenschaft ist übrigens marktentscheidend, um den Scalpern die Basis zu entziehen und es beginnt zu wirken, denn bei den beliebten Rolexmodellen hat die Preiserosion bereits begonnen. Die ca. 90 derzeit bei Chrono24 angebotenen Sprite GMT2 werden irgendwann zum LP abgegeben. Ach ja, auf dem Rückweg habe ich im Swatch Store dann eine Omega x Swatch mitgenommen, ohne Schlange zu stehen – und behalte sie.
Ein super Beitrag von dir (wie immer)!
Das Thema ist, wie du richtig sagst, sehr vielschichtig und nicht jeder Verkäufer ist gleich ein Scalper.
Als Sammler oder „Enthusiast“ gerät man natürlich sehr schnell – fast schon automatisch – in die Wersteigerungsspirale. Gerade ältere Modelle im Vintagebereich werden aufgrund Ihrer immer größer werdenden Seltenheit und der gleichzeitig größer werdenden Nachfrage schnell zum Goldesel. Das war schon immer so, wurde aber durch den Hype in den letzten Jahren natürlich nochmals verstärkt. (Hierbei sind die Marken, die Händler und die Medien ein treibendes Pferd gewesen. Auch das hast du vollkommen richtig erwähnt.)
Schlussendlich ist es nicht verwunderlich, wenn man durch solche Erfahrungen plötzlich mit dem Gedanken spielt, das ein odere andere Modell noch zusätzlich (günstig) zu kaufen und etwas später (teuer) weiter zu verkaufen. Also das Hobby zum Spekulationsgeschäft zu machen.
Natürlich könnte der ein oder andere unter uns mit der enormen Wertsteigerung seiner Sammlung prahlen, aber am Ende des Tages bringt das rein gar nichts, außer vielleicht einen Einbruch im trauten Heim. Für mich persönlich ist das scalpen nichts. Die Zeit und Nerven, die man in den Verkauf stecken muss, investiere ich lieber in sinnvolleres. Und mein Geld investiere ich lieber in Dinge die mir gefallen und die mir Spass bereiten.
Eines möchte ich noch anmerken:
Achtet mal darauf, welcher Juwelier seine Produkte nicht mit dem Slogan „Bleibende Werte“ bewirbt. Keiner! Da wird euch ganz schnell klar, dass das Thema „Wertsteigerung/Werstabilität“ ein tief verwurzeltes Kaufargument der Schmuckbranche ist und schon immer war.