Eine Rolex Air King mit dem (ziemlich prรคsenten) rot-blauen Logo der Pizzabude Dominoโs? Das erscheint auf den ersten Blick wie der schlechte Scherz eines Modders. Wie passen eine preisaggressive, US-amerikanische Franchise-Schnellrestaurantkette (buy 1 get 1 free!) mit einem Schweizer Luxusuhrenhersteller zusammen? Die Antwort: Gar nicht. Jedenfalls nicht mehr. Was heute unglaublich erscheint war insbesondere in den 60er und 70er Jahren aber vรถllig normal: Rolex hatte damals noch lรคngst nicht die starke Marktposition von heute und musste um Marktanteile kรคmpfen. Uhren, die ganz hochoffiziell aus der Rolex-Produktion purzelten und sowohl das Rolex-Logo als auch ein Unternehmens-Logo (wie das von Domino’s Pizza) beherbergten, waren frรผher absolut Usus und ein gรคngiges Mittel, um die Verkรคufe von Zeitmessern anzukurbeln.
Solche Uhren dienten den Auftraggebern wie beispielsweise Domino’s im Allgemeinen zum Beispiel als Gratifikation fรผr die besten Verkรคufer, als Geschenk zum Firmenjubilรคum oder als Dankeschรถn fรผr lange Betriebszugehรถrigkeit. Insbesondere in den USA sind solche Anreize (Neudeutsch: Incentives) weit verbreitet.
Die Domino’s Pizza-Rolex gehรถrt heute zweifellos zu den bekanntesten Uhren dieser Art. Doch wie kam es zu dem Modell? Nun, ganz einfach: Domino’s Pizza wollte guten Franchisenehmern einen Anreiz fรผr zusรคtzliche Pizza-Verkรคufe bieten – so schreibt das ehemalige Domino’s-Oberhaupt Tom Monaghan in seiner Autobiografie Pizza Tiger: “I started giving away watches in 1977, when I wore a Bulova with our Dominoโs logo on its face. A franchisee asked what he had to do to get that watch from me, and I told him, โTurn in a $20,000 sales week.โ”
Gesagt, getan: Der fleiรige Franchisenehmer, der scharf auf die Bulova war, kurbelte seine Verkรคufe an und erhielt die Uhr daraufhin wie versprochen von Tom Monaghan. Da Uhren als Incentive offenbar gut ankamen, bot der Pizzabรคcker-Mogul daraufhin Seiko-Modelle mit Domino’s Logo als Incentive an (hier zu sehen).
Erst spรคter folgte dann eine noch viel grรถรere Mรถhre, die Monaghan den Franchisenehmern vor die Nase hielt: eine Rolex Air-King (Ref. 5500; in Serie produziert von 1957 bis 1990) mit dem Domino’s Pizza-Logo. Auch die spรคtere Air-King-Referenz 14000 (produziert von 1990 bis 1999) wurde von Domino’s zu Incentive-Zwecken genutzt. รber die Jahrzehnte gab es verschiedene weitere Varianten der Domino’s Pizza-Rolex, darunter auch eine Damen-Variante im 24 mm-Gehรคuse (Ref. 67194) – natรผrlich auch mit Domino’s Pizza-Logo.
Auch heute noch gibt es die sogenannte “Domino’s Rolex Challenge”, bei der sich Franchise-Nehmer eine Rolex verdienen kรถnnen, indem sie die beliebten Dickmacher unter’s Volk bringen: Ab ca. 2005 spendierte Domino’s allerdings nicht mehr die Air-King mit Domino’s-Logo auf dem Zifferblatt, sondern die Rolex Oyster Perpetual 36 mit einem deutlich dezenteren, applizierten Logo auf dem Stahlband sowie Bodengravur. Die Messlatte fรผr die Franchisenehmer liegt allerdings wegen der stark gestiegenen Rolex-Preise heute deutlich hรถher als frรผher: So mรผssen bestimmte Verkaufsziele fรผr vier Wochen hintereinander erreicht werden. Ich gehe auรerdem nicht davon aus, dass Rolex die Oyster Perpetual mit Domino’s-Applikation selbst produziert – das “Upgrade” รผbernimmt vermutlich eine externe Firma.
Bilder: catawiki
Nicht nur Domino’s Pizza: Rolex mit Logos von Winn-Dixie, Coca-Cola, Chevrolet & Co.
Neben Domino’s Pizza hat Rolex damals auch viele weitere Kunden an Land ziehen kรถnnen – so beispielsweise die amerikanische Supermarktkette Winn-Dixie (“10 Year Safe Driver”)…
… oder Coca-Cola in den 60er Jahren: So wurden die Zifferblรคtter von Oyster Perpetual-Modellen mit dem bekannten, geschwungenen Coca-Cola-Logo versehen. Das 34 mm kleine Gehรคuse besteht aus 14-Karat-Gold, im Modell tickt das Kaliber 1570. Die Bodendeckelgravur weist darauf hin, dass das Modell an Mitarbeiter als Dankeschรถn fรผr ihre langjรคhrige Betriebszugehรถrigkeit ausgegeben wurde (“25 Years Service”). Sogar der Name des Mitarbeiters ist verewigt worden (“Richard D. Oakley”). Beim Auktionshaus Christie’s erzielte die Uhr im Jahre 2018 immerhin 2375 US-Dollar.
Bilder: Christie’s
Ein weiteres (nicht besonders geschmackvolles) Bling-Bling-Beispiel ist die Rolex Datejust in 18-Karat-Gelbgold mit vielen kleinen Chevrolet-Logos auf dem Zifferblatt und Diamanten-Besatz auf den Stundenindizes. Das Modell wurde 1986 zum 75-jรคhrigen Firmenjubilรคum an Hรคndler mit besonders hohem Umsatz ausgegeben. Beim Auktionshaus Phillips erzielte die Uhr beachtliche 21.250 US-Dollar.
Bilder: Phillips
รbrigens: Nicht nur Rolex hat frรผher Uhren mit anderen Unternehmens-Logos angeboten: Von Omega beispielsweise gibt es eine Dresswatch aus den 50er Jahren mit 9-Karat Gold-Gehรคuse und Dunlop-Branding. Das Modell wurde australischen Mitarbeitern des Reifenherstellers als Dankeschรถn fรผr 25-jรคhrige Betriebszugehรถrigkeit รผberreicht. Und auch von der Bulova Accutron Quartz gibt es ein Zifferblatt mit einer Bulldogge, dem Logo des US-amerikanischen Nutzfahrzeughersteller โMack Truckโ – รผberreicht wurde das Modell einem Mitarbeiter nach 27 Jahren Betriebszugehรถrigkeit.
Ein weiteres Beispiel aus Deutschland ist Junghans – meine Ehefrau ist (leider) kein Uhrennerd wie ich, sie trรคgt aber sehr gerne ihre schlichte Junghans-Uhr aus 1971, die auf dem Gehรคuseboden โRuhrkohle AG 25 Jahreโ eingraviert hat. Die Uhr wurde offenbar zum 25-jรคhrigen Betriebsjubilรคums verschenkt.
Heute produziert Rolex offiziell keine Uhren mehr, die auf dem Zifferblatt ein anderes Unternehmenslogo beherbergen. Zu groร ist sicherlich die Angst, dass sich die Genfer ihr mรผhsam aufgebautes Luxus-Markenimage zerschieรen. Umso spannender sind Modelle wie die Rolex Air King mit Domino’s Pizza-Zifferblatt heute fรผr Vintage-Sammler – entsprechend sind auch die Preise bei Auktionshรคusern oder auf Portalen wie Chrono24 heute durchaus gesalzen.
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Mario, ein recht interessanter Artikel. Was es so alles gab. In D gab es Anfang 2004 eine Sinn 303 RX-8 zu dem gleichnamigen Mazda dazu. Anstatt des Sekundenzeigers rotiert ein kleiner Wankel-Rotor. Sehr schick.