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Die in Singapur ansässige Microbrand macht keinen Hehl daraus vor allem im Design-Dunstkreis von Panerai unterwegs zu sein. An die „heilige Kuh“, den Panerai-Kronenschutzbügel, hat sich Gruppo Gamma-Gründer Naoki allerdings auch nach über 10 Jahren nach der Gründung noch nicht rangetraut – bis jetzt: die neuen Modelle AG-10 und AG-11 aus der Vanguard-Reihe haben eben jenen charakteristischen Kronenschutzbügel an Bord. In diesem Artikel schauen wir uns das Modell AG-11 genauer an, das laut offiziellem europäischen Online-Fachhändler Mi-Watch.it auch die beliebteste Variante ist. Zunächst starten wir aber mit ein paar grundlegenden Informationen zum Kronenschutzbügel, dessen Erfindung auf Panerai in den 50er Jahren zurückgeht.

Eckdaten Gruppo Gamma Vanguard AG-11/AG-10:

  • Miyota 9015, 28800 bph, 42 Stunden Gangreserve, Ganggenauigkeit -10~+30 s/Tag
  • Push-Pull-Krone mit Feststellvorrichtung / Kronenschutzbügel
  • Durchmesser 42 mm
  • Wasserdichtigkeit 100 Meter / 10 bar
  • Bandanstoß 22 mm
  • Horn-zu-Horn 49,5 mm
  • Höhe 12,6 mm
  • Gewicht (am Lederband): 105 Gramm
  • Zifferblatt: „Lume-infused“ Forged Carbon, Sandwichkonstruktion
  • Hochgewölbtes Saphirglas, entspiegelt
  • Super-LumiNova Old Radium
  • Lederband 115*75mm und Stahlband mit Schnellverschluss-Federstegen
  • Preis: ca. 770€ inkl. Rabattcode, direkt über den offiziellen europäischen Fachhändler Mi-Watch.it

Panerai-Patent? Der berühmte Kronenschutzbügel trifft auf Gruppo Gamma

Im Jahr 1955 bog der italienische Uhrenhersteller Panerai mit einer neuen Idee um die Ecke, die bis heute das Panerai-typische Erkennungsmerkmal ist: Der damals „Tight Seal Device“ getaufte, halbmondförmige Kronenschutzbügel, der die Aufzugskrone schützt. Man kann den Mechanismus erstmals bei einer Panerai Radiomir von 1955 vorfinden, die Ref. 6152-1 mit satten 47 mm Durchmesser. Das dazugehörige Patent wurde 1960 bewilligt – die exakte technische Beschreibung und Konstruktionszeichnung ist hier frei einsehbar.

Der Patentschutz dieser Konstruktion ist zwar schon lange abgelaufen, entscheidend ist aber, dass Patent und Markenschutz auseinanderzuhalten sind.

Alles, was dazu dient, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von den Waren und Dienstleistungen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden, kann als Marke dienen – also natürlich auch ein unverwechselbares Designmerkmal wie die Form des berühmten, halbmondförmigen Kronenschutzes von Panerai. Ein solches Merkmal hat dabei im Sinne einer Marke in erster Linie dekorativen (und nicht funktionalen) Charakter.

Soll hingegen eine Funktion geschützt werden, muss diese Erfindung zum Patent angemeldet werden (das hat Panerai ja auch 1960 getan, der Patentschutz ist daher aber schon lange abgelaufen).

Oder anders gesagt: der dekorative Aspekt eines Unterscheidungsmerkmals ist als Marke geschützt, der funktionale Aspekt jedoch nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass ein Design-Merkmal nicht gleichzeitig auch einen funktionalen Zweck haben kann.

Kurzum: Es steht einem anderen Uhrenhersteller wie Gruppo Gamma natürlich frei, einen Kronenschutzbügel herzustellen, dieser darf aber wegen des Markenschutzes (optisch) nicht in der gleichen Form wie der Kronenschutz von Panerai kommen.

Der Kronenschutz der Gruppo Gamma Vanguard AG-10/AG-11 funktioniert im Prinzip identisch zur Panerai-Konstruktion: Bügel hochklappen, Krone anziehen, Uhrzeit/Datum stellen und Bügel wieder randrücken. Bei der Gruppo Gamma ist im Vergleich nur etwas mehr Druck nötig. Der Mechanismus fühlt sich aber sehr angenehm und „rund“ an. Optisch hat die Gruppo Gamma-Lösung eine etwas kantigere Form und der Bügel befindet sich unten statt oben – sicherlich aus o.g. markenschutzrechtliche Gründen. Ob das reicht, um „nette“ Briefe aus der Schweiz zu vermeiden? Nun, das müssen andere entscheiden. Faktisch ist Gruppo Gamma zwar nicht die erste Uhrenmarke, der sich designtechnisch an Panerai anlehnt, optisch ist Gruppo Gamma mit dem Kronenschutzbügel aber definitiv am nächsten dran – Marken wie BALL (z.B. BALL Watch Engineer Hydrocarbon Automatik Schwarz 40mm), fast alle Modelle von Graham und viele Modelle von U-Boat haben im Ansatz ähnliche Konstruktionen, die sich dann aber optisch (und funktional) doch recht stark von Panerai unterscheiden.

Neben dem Kronenschutz findet man bei der neuen Gruppo Gamma Vanguard auch weitere Panerai-typische Kampfschwimmeruhren-Merkmale, darunter fette Stunden-Ziffern und -Indizes, die im Sandwich-Stil kommen, d.h. das Zifferblatt ist ausgeschnitten, um die darunterliegende Leuchtmasse freizugeben – G. Panerai e Figlio entwickelte damals eine Reihe verschiedener Zifferblätter, die solche mehrschichtigen Konstruktionen verwendeten, mit dem Ziel, so viel Radium-basierte Leuchtmasse (Radiomir) wie möglich unterzubringen. Die Idee des Sandwich-Zifferblatts war zwar nicht neu: Longines hatte bereits 1936 ein sehr ähnliches Sandwich-Zifferblatt in seinem Chronographen 13ZN eingeführt. Die Sandwich-Zifferblätter von Panerai stellten jedoch ein völlig neues Niveau an Raffinesse dar. Angesichts ihrer pfiffigen, komplexen Konstruktion kann man davon ausgehen, dass ihre Herstellung sehr zeitaufwändig war. Mit heutigen Produktionsmethoden ist ein Sandwich-Zifferblatt sicherlich deutlich leichter umsetzbar als damals, mir persönlich gefällt die Optik aber sehr, da sich dadurch eine gewisse Tiefe ergibt.

Die Leuchtmasse der Gruppo Gamma Vanguard AG-10/AG-11 ist leicht bräunlich, in der Farbe „Old Radium“. Diesen Farbton verbinden Uhrenfreunde naturgemäß eigentlich eher mit Retro-Modellen und man kann sich sicherlich darüber streiten, ob die Farbwahl in Verbindung mit einem modernen Carbon-Blatt und moderner Typographie so geschickt ist. Ich hätte jedenfalls gerne im Vergleich eine andere Leuchtmasse-Farbe gesehen.

Mehr: Studie: So gefährlich ist Radium in Vintage-Uhren wirklich

Gruppo Gamma ist – wie bereits erwähnt – klar im Kampfschwimmer-Designdunstkreis von Panerai angesiedelt. Dennoch hat sich Gruppo Gamma nicht dazu hinreißen lassen plump eine 1:1-Kopie eines bekannten Panerai-Designs umzusetzen: Die Typographie der Ziffern ist kantig-modern und dazu passt auch das weit ausgeschnittene „Dreier“-Datumsfenster, in dem auch der vorhergehende und nachfolgende Tag (teilweise) erscheinen. Gleichzeitig sorgen solche Datumsfenster aber auch unter Uhrenfreunden für hitzige Diskussionen: Je nach Breite des Fensters kann es für den Träger schwer sein, auf einen Blick die richtige Zahl zu finden. Zudem wird beispielsweise am 30. April auch der 31. April angezeigt – und den gibt es bekanntermaßen ja gar nicht.

Mehr: Die kleine Komplikation „Datum“ aus Design-Sicht

Gruppo Gamma setzt außerdem auf ein Blatt aus Forged Carbon, also geschmiedetem Kohlenstoff. Der Begriff leitet sich dabei vom Herstellungsprozess ab: Kleine Kohlefaserfragmente werden zusammen mit Epoxidharz in Formen gelegt, dann unter Druck komprimiert und bei hohen Temperaturen „geschmiedet“. Anschließend werden die Carbon-Blöcke mit Hilfe von Werkzeugmaschinen in Form gebracht (Fräsen etc.). Da die Kohlenstoffflocken während des Produktionsvorgangs zufällig positioniert sind, entsteht eine charakteristische, Struktur, die an Marmor erinnert und von der ich persönlich ein großer Fan bin. Die Carbon-Oberfläche zeigt dabei auch immer wieder andere Facetten, vor allem bei direktem Licht. Der knallrote Sekundenzeiger und der rote „VANGUARD“-Schriftzug sind willkommene, sportliche Farbtupfer.

Und da kommt noch mehr: In das verwendete Carbon wurde (ähnlich wie bei der HEINRICH Taucher 1.1 Carbon Limited) tatsächlich Leuchtmasse eingegossen, die in der Farbe Grün erstrahlt (sogenanntes „lume-infused carbon“). Coolnessfaktor: Extrem hoch und faktisch wird die Ablesbarkeit im Dunkeln auch nicht nennenswert getrübt, da die Ziffern, Indizes und Zeiger den Effekt deutlich „überstrahlen“.

Im Set der neuen Gruppo Gamma-Modelle befinden sich zwei Bänder, was heutzutage alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist: Ein Lederband und ein Stahlband mit Schnellverschluss-Federstegen. Nicht konsequent ist leider, dass das Lederband nicht mit Schnellwechselfederstegen kommt und stattdessen ein Wechselwerkzeug Bestandteil des Gesamtpaketes ist – dabei sind Schnellwechselfeder bei Lederbändern eigentlich vergleichsweise einfach umsetzbar. Das Stahlband hat außerdem noch eine nicht-werkzeugfreie „Old School“-Feinverstellung über vier seitliche Bohrungen in der Schließe. Haptisch ist das Stahlband tadellos.

Miyota 9015 an Bord

Gruppo Gamma hat ziemlich lange von Lagerbeständen an ETA-Kalibern zehren können. Diese neigen sich nun offenbar dem Ende zu, sodass Naoki Richtung Japan geblickt hat: Für den Antrieb der Gruppo Gamma Vanguard AG-11 sorgt das automatische Kaliber Miyota 9015 aus dem Hause Citizen. Das Kaliber ist eine naheliegende Wahl, denn es wurde nicht ohne Grund von der Citizen-Gruppe als Alternative zu Schweizer Kalibern wie dem Sellita SW200-1 ins Rennen geschickt. Ich frage mich immer wieder warum viele Microbrands entweder auf das Seiko NH35 oder die deutlich ältere Miyota-Kaliberreihe 8200 setzen, die mit Blick auf die nüchternen Spezifikationen in vielerlei Hinsicht im Nachteil sind.

Das Miyota 9015 bringt jedenfalls alles mit, was man von einem modernen Automatikwerk erwarten darf (28.800 bph, Sekundenstopp etc.) – nur die Ganggenauigkeit reißt mit -10 ~ +30 Sekunden pro Tag, die Miyota ab Werk garantiert, (theoretisch) keine Bäume aus. Meine Testuhr war mit +8 Sekunden pro Tag aber ordentlich feinreguliert (Reglage).

Das Kaliber tickt hinter einem verschraubten Gehäuseboden, der nur mit ein paar nüchternen Gravuren am Rand kommt und leider keine schicke Gravur trägt (so wie wir das schon von anderen Gruppo Gamma-Modellen gesehen haben) – sicherlich aus Kostengründen, um den Preis bei deutlich unter 1000€ halten zu können (und damit einen gewissen Abstand zu den Gruppo Gamma-Modellen zu generieren, die noch mit ETA-Kalibern kommen, so wie die Gruppo Gamma Peacemaker PN-19 Mk II Bronze).

Abschließende Gedanken

Gruppo Gamma zeigt sich mit der Vanguard AG-10 bzw. AG-11 vergleichsweise experimentierfreudig: Der klassische Kampfschwimmer-Stil bekommt eine moderne Note, konkret durch ein weit ausgeschnittenes Datumsfenster und insbesondere das „Lume-infused“ Carbon-Zifferblatt. Wem das Datumsfenster in dieser Form zu viel des Guten ist, der findet in der AG-10 eine Variante ohne Datum. Das Verarbeitungsniveau ist wenig überraschend Gruppo Gamma-typisch ziemlich hoch. Kurzum: Wer so manchen Irrweg von Panerai nicht mitmachen will und/oder Uhren mit Designinspirationen von den großen Vorbildern gegenüber aufgeschlossen ist, der wird an Gruppo Gamma viel Freude finden – vielleicht nun auch umso mehr, da Gruppo Gamma erstmalig den ikonischen Kronenschutzbügel an Bord hat.

Das neue Vanguard-Modell ist mit 859€ bepreist, mit dem Code „CHRONONAUTIX“ bei Bestellung über den offiziellen europäischen Fachhändler Mi-Watch.it lassen sich aber immerhin noch 10% sparen, sodass man bei etwa 770€ landet.

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THOR
4 Tage zurück

na ja….so toll sind die“Monokultur-Tachos“nun auch
nicht um rund“1000 Euronen dafür locker zu machen!
Da bietet „Steeldive“deutlich mehr! 🙁
Irgendwie auch „Kritiklos“das Ganze!!!