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Irgendwas mit ökologischer Nachhaltigkeit zu machen gehört heutzutage zum guten Ton: kaum ein Unternehmen beschäftigt sich nicht mit Green Marketing, sprich Maßnahmen, die das grüne Image aufpolieren sollen. Kein Wunder, denn das ökologische Bewusstsein durchdringt immer größere Teile unserer Gesellschaft – umweltfreundliche sowie nachhaltige Produkte sind nicht ohne Grund gefragt bei Verbrauchern. Das zeigt sich auch in der Zahlungsbereitschaft: laut einer Studie der Managementberatung Accenture sind knapp die Hälfte der deutschen Verbraucher bereit, für nachhaltige bzw. recyclebare Produkte tiefer in die Tasche zu greifen.

Auch im Bereich mechanischer Uhren versuchen viele Hersteller zu zeigen wie grün sie sind: Alpina beispielsweise stattet den Seastrong Diver mit Gehäusen aus, die zu 70% aus recycelten Fischernetzen aus dem Indischen Ozean bestehen. Ähnliches macht Breitling mit der Outerknown-NATO-Armbandkollektion aus ECONYL-Garn (und um das grüne Image zu untermauern werden zusätzlich noch Promis über den Strand von Bali gescheucht, um Plastikmüll einzusammeln). Nun folgt auch noch Panerai mit eSteel

Mehr dazu:

Hinweis: Am Ende des Artikels habt ihr die Möglichkeit über Panerai eSteel abzustimmen.

Moser Cie Nature Watch
Moser & Cie Nature Watch – eine Persiflage auf nachhaltige Uhren

Grün, grüner, Panerai eSteel?

Der Luxusuhrenhersteller Officine Panerai, seit 1997 Teil des Richemont-Konzerns, hat im Rahmen der digitalen Messe Watches & Wonders 2021 die PAM01225 Submersible eLAB-ID lanciert – mit Materialien wie beispielsweise Titan (Gehäuse) oder Silizium (Hemmung des Uhrwerkes), die zu 98,6% recycelt sind.

Panerai schreibt vollmundig: Die Submersible eLAB-ID™ ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte für die Uhrenindustrie. Insgesamt 98,6% ihres Gewichts machen Materialien aus, die einen hohen Anteil an recycelten Elementen enthalten. Das Gehäuse, das Sandwich-Zifferblatt und die Brücken bestehen aus EcoTitanium™, einer recycelten Titanlegierung aus leichtem luft- und raumfahrttauglichem Metall, das zu mehr als 80% aus reinem Recyclingmaterial besteht. Die Submersible eLAB-ID™ ist die erste Uhr, bei der zu 100% recycelte SuperLuminova™ auf dem Zifferblatt und den Zeigern sowie zu 100% recyceltes Silizium für die Hemmung des Uhrwerks verwendet werden. Beide werden durch spezielle kleinskalige Recyclingprozesse gewonnen, die Rohstoffabfälle wiederverwenden. Vom Saphirglas bis hin zu den Goldzeigern enthalten die meisten Hauptkomponenten Material auf Recyclingbasis.

Das klingt nicht weniger als nach einer Revolution in der Uhrenbranche. Gleichzeitig sieht die Panerai eLAB-ID meiner Meinung nach auch noch *pardon* rattenscharf aus. Da kann ja fast nix mehr schief gehen, oder? Nun, beim Preis musste ich mir dann aber doch die Augen reiben: 60.000 Flocken ruft Panerai für die Submersible eLAB-ID auf. Uff!

Dass der Preis wahrscheinlich die wenigsten Uhrenfreunde zu Spontankäufen animiert, weiß auch Panerai – daher wurden auf der Watches & Wonders 2021 auch die „günstigeren“ Modelle mit dem Beinamen eSteel angekündigt (von „eco“ und „steel“).

Parallel dazu flankiert Panerai die neuen eSteel-Modelle kommunikativ mit einer Partnerschaft mit der Intergovernmental Oceanographic Commission (IOC), eine zwischenstaatliche Organisation als Teil der UNESCO, die sich mit globalen ozeanographischen Fragen sowie der Erforschung der Ozeane beschäftigt.

Panerai schreibt: Die Zukunft liegt in unserer Hand. Dank unseres hochmodernen eSteel treibt Panerai zirkuläres Design voran. Sowohl das Gehäuse als auch das Zifferblatt der Luminor Marina eSteel bestehen aus einer neuen recycelten Stahllegierung, die in Zusammenarbeit mit einer Auswahl von Markenpartnern entwickelt wurde. Diese reduziert die Notwendigkeit der Gewinnung von Neumaterialien und die Belastung unserer Umwelt. Sie ist robust, wasserdicht und in drei Zifferblattfarben verfügbar […]. Besser für Sie, besser für den Planeten. Möchten Sie zur Lösung beitragen?

Rund 89 von 152 Gramm (ca. 58%) der eSteel-Modelle sind aus recycletem Edelstahl – das betrifft sowohl das Zifferblatt als auch das Gehäuse. Mit dabei ist natürlich auch eine Variante mit einem grünen, recycelten Zifferblatt („Verde Smeraldo“, PAM01356), weil… naja… grün sieht ja irgendwie nach öko aus, oder? Der Preis: 8.500€.

Panerai PAM01356 eSteel

58% recycelter Edelstahl – das klingt nach einer ganzen Menge. Holen wir aber mal den Rechenschieber aus dem Keller: Im Jahre 2019 wurden weltweit über 52 Millionen Tonnen Edelstahl produziert. Nehmen wir aus Vereinfachungsgründen mal großzügig an, dass Panerai 20% des Sortiments auf eSteel umstellt: So käme man mit Blick auf die von Morgan Stanley geschätzten 60.000 Uhren, die Panerai jährlich verkauft, auf rund 1000 Kilogramm Edelstahl p.a. (60.000 * 0,2 * 89 Gramm / 1000) (siehe auch Artikel über Uhrenmarken).

Das entspricht 0,00000192307% der jährlichen, weltweiten Edelstahlproduktion (1000 kg / 52.000.000.000 kg * 100). Hierzu ein bildliches Beispiel, um die Relationen zu verstehen: Die Landfläche der Erde beträgt in etwa 149 Millionen km². Würde man nun die 0,00000192307% ansetzen, so käme man auf rund 2,8 km² – das entspricht in etwas der Fläche des Wannsees in Berlin. Natürlich muss man ja mal „irgendwo anfangen“, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, aber der Wannsee im Vergleich zur Welt?

Panerai sieht im recycelten Stahl sicherlich vor allem einen Hebel, um Preiserhöhungen durchzusetzen und neue Zielgruppen anzusprechen. Dazu noch ein Griff in die Statistikkiste: Knapp die Hälfte der deutschen Verbraucher ist bereit für nachhaltige Produkte, die wiederverwendbar oder recyclebar sind, das Portemonnaie weiter aufzumachen. 70 Prozent kaufen heute mehr umweltfreundliche Produkte als noch vor fünf Jahren. Eine große Mehrheit von 85 Prozent ist außerdem der Meinung, dass es wichtig ist, Produkte gezielt so zu konzipieren, dass sie wiederverwertet oder recycelt werden können (Design for Recycling).

Und nein, es ist natürlich überhaupt nichts Verwerfliches daran, dass Panerai Geld verdienen will und muss. Außerdem sei gesagt, dass, wenn mit Green Marketing gleichzeitig ökonomische Interessen verfolgt werden, das nicht zwangsläufig an der Glaubwürdigkeit der nachhaltigen Maßnahmen rütteln muss. Allerdings: Ein Unternehmen, das Green Marketing betreibt, muss am Ende des Tages den Spagat zwischen gelebtem ökologischen Engagement und Profitorientierung meistern. Daher kommt es vor allem auf Transparenz und Authentizität an. Und genau bei der Authentizität sehe ich den Knackpunkt: Mechanische Uhren gehören per se zu den nachhaltigsten Produkten überhaupt – von Wegwerfmentalität keine Spur. Oder habt ihr schon mal jemanden gesehen, der seine Panerai-Uhr weggeworfen hat, als das neue Modell lanciert wurde? Im Vergleich dazu sieht die Lage bei Smartwatches, die nach wenigen Jahren ein Fall für den Elektroschrott sind, natürlich schon anders aus…

Soviel zu meiner persönlichen Meinung. Jetzt seid ihr aber an der Reihe: Stimmt unten ab und teilt eure (anonyme) Ansicht über diese kleine Abstimmung mit (gerne auch in den Kommentaren unten)!

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5 Kommentare
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Carsten
3 Jahre zurück

Der „Wannsee Vergleich“ gefällt mir 🙂
Uhrenboxen: Entweder nur minimalistisch als Produktschutz pur ODER eine opulente Box zu Repräsentationszwecken, alles dazwischen müllt einen nur zu.

Fruhmano
3 Jahre zurück

Die Uhrenindustrie sollte bei den Verpackungen ansetzen! Boxen in denen man locker einen Handstaubsauger unterbringen könnte, mit kleinen Plastikautos oder -flugzeugen drin! Wer braucht den so etwas? Abgesehen davon, führt dieser Verpackungswahnsinn dazu, dass man beim nächsten Umzug einen eigenen Anhänger für die Uhrenschachteln benötigt.

Karsten
3 Jahre zurück

Keine Ahnung, was recycelten Stahl von normalem Stahl unterscheiden könnte. Unser Schrott wird im Stahlwerk in den Hochofen geschmissen, das hat man bisher nicht so vermarktet, war aber schon immer der Fall.