Konkurrenz belebt das Geschäft! – Zehn Euro ins Betriebswirt-Phrasenschwein 😉 An dem abgedroschenen Spruch ist aber durchaus was dran – man denke nur an das umfangreiche Portfolio der Swatch Group, deren Marken (teilweise) untereinander konkurrieren. Dieses Prinzip des internen Wettbewerbs hat sich Seiko bereits in den 1960er Jahren zunutze gemacht und die Niederlassungen Suwa (mit der Marke Grand Seiko) und Daini (mit der Marke King Seiko) gegeneinander ins Rennen geschickt…
Daini vs. Suwa Seikosha (oder: King Seiko vs. Grand Seiko)
Seiko gründete im Jahre 1937 die Niederlassung Daini Seikosha in Kameido, Tokio, um die Armbanduhrenproduktion zu übernehmen. Während des Zweiten Weltkrieges musste Daini jedoch aufgrund von Bombenangriffen alle Zelte in Kameido abbrechen und die Produktion an mehrere Standorte außerhalb von Tokio verlegen. Einer der Evakuierungsstandorte, das Daini Seikosha-Werk Suwa, wurde daraufhin zur treibenden Kraft bei der Herstellung von Armbanduhren. Nach Kriegsende wurde das Daini-Werk in Kameido wieder aufgebaut, sodass Seiko fortan zwei Standorte für die Armbanduhrenproduktion hatte: Das ursprüngliche Daini-Werk in Kameido und das Suwa-Werk.
Die historischen Entwicklungen nahm Seiko zum Anlass, um Suwa und Daini in einen internen Konkurrenzkampf zu schicken – so in etwa wie beim linken und rechten Twix 😉 . Der große Unterschied zu Konzernen wie der heutigen Swatch Group ist allerdings, dass Suwa und Daini damals tatsächlich keinerlei Know-How austauschten (z.B. im Bereich Kaliber-Entwicklungen oder Produktionsprozesse) und auch nicht auf dieselben Komponenten zurückgriffen. Daini und Suwa agierten quasi komplett unabhängig voneinander.
Die Seiko-Niederlassung Suwa Seikosha hatte das erklärte Ziel der übermächtig erscheinenden Schweizer Konkurrenz mit High End-Modellen zu begegnen – die Marke Grand Seiko wurde ins Leben gerufen. Suwa zeichnete sich später außerdem für Uhren-Ikonen wie die Seiko 6105 „Captain Willard“ oder den allerersten Automatik-Chronographen der Welt verantwortlich. Daini wiederum produzierte unter dem Namen King Seiko ebenfalls qualitativ hochwertige Uhren mit mechanischen High Beat-Kalibern…
Der interne Wettbewerb zwischen Daini und Suwa wurde bis in die 70er Jahre – und damit über 10 Jahre lang – aufrechterhalten. Beide Marken, die voll auf mechanische Uhren fokussiert waren, wurden von Seiko allerdings Mitte der 70er Jahre begraben. Denn: die Quarz-Technologie, die in der allerersten Quarzuhr der Welt, der Seiko Astron, ihren Anfang nahm und konventionelle Uhrenhersteller im Westen ins Tal der Tränen stürzte, war einfach damals als Investitionsschwerpunkt deutlich sexyer. Für „altbackene“ mechanische Uhren war da einfach kein Platz mehr.
Im Jahre 1988 wurde die Marke Grand Seiko, die mittlerweile als eigenständige Marke im Seiko-Portfolio geführt wird, wiederbelebt – King Seiko allerdings musste im Grab verweilen.
Und heute? Nun, das Jahr 2021 markiert den 140. Jahrestag der Gründung von Seiko. Die schlechte Nachricht: Die Marke King Seiko wird nicht als eigenständige Marke ins Seiko-Portfolio zurückkehren. Die gute Nachricht: Zur Feier des Jubiläums wird ab Januar 2021 das Modell King Seiko 44-9990, auch genannt „KSK“ (kurz für kisei-tsuki, das japanische Wort für Sekundenstopp bei gezogener Krone), aus dem Jahre 1965 in Form einer Re-Edition neu aufgelegt…
King Seiko KSK damals und heute – Neuauflage 2021 SJE083
Der führende Kopf hinter dem charakteristischen King Seiko-Design, welches auch beim Modell „KSK“ Anwendung fand, war Taro Tanaka, Seikos erster Vollblut-Designer überhaupt und Schöpfer der Seiko-„Design-Grammatik“. So zeigte das Gehäuse der King Seiko KSK damals vor allem eine auffallend scharfe und kantige Kontur (siehe insbesondere die Hörner). Augenscheinlich sind auch die breiten, spitz zulaufenden und scharf geschnittenen Dauphine-förmigen Zeiger.
Alle Merkmale der 1965er King Seiko KSK sind auf originalgetreue Art und Weise in die Neuauflage SJE083 aus dem Jubiläumsjahr 2021 eingeflossen: Die knackscharfen Konturen verdankt die Neuauflage dabei der Zaratsu-Politur, die nur von erfahrenen Seiko-Mitarbeitern händisch mit Hilfe einer rotierenden Scheibe durchgeführt wird, um eine gleichmäßig spiegelnde, verzerrungsfreie Oberfläche zu erzeugen. Genau wie bei der 1965er KSK ist insbesondere der „12 Uhr“-Index überaus aufwendig verarbeitet:
Fun Fact: „Zaratsu“ leitet sich von „Sallaz“ ab, dem früheren Schweizer Lieferanten Präzisionsmaschinenfabrik Gebr. Sallaz AG
Hier einige bewegte Bilder, bei denen die polierten Flächen sehr schön zur Geltung kommen:
Damals wie heute kommt die King Seiko KSK mit einem goldfarbenen Medallion samt Kronen-Relief, welches in den Gehäuseboden eingelassen ist. Auf dem Boden ist außerdem die Modellnummer (x von 3000) eingraviert.
Die Neuauflage King Seiko KSK kommt mit einem Band aus echtem Krokodilleder (leider! Siehe mein Artikel über Uhrenbänder aus Kroko-Leder & Co.). Die Schließe ist eine originalgetreue Reproduktion aus dem Jahre 1965.
Mit 38,1 mm Durchmesser (gegenüber knapp 37 mm) ist die Neuauflage der King Seiko KSK etwas größer als die Vorlage aus dem Jahre 1965. Die Gehäusehöhe ist allerdings (trotz des Einsatzes eines Automatikkalibers mit Datum anstelle eines Handaufzugkalibers) nur minimal gewachsen (um 0,5 mm). Die Proportionen der Neuauflage dürften also passen (was insbesondere mit Blick auf den Uhrentyp Dresswatch nicht ganz unwichtig ist). Man beachte aber, dass das stark gewölbte Saphirglas naturgemäß dafür sorgt, dass die Neuauflage Seiko SJE083 noch etwas höher wirkt.
Das automatische Manufakturkaliber 6L35 in der King Seiko-Neuauflage ist erst wenige Jahre jung und kam erstmals in der Seiko Presage im Jahre 2018 zum Einsatz. Die Bauweise ist besonders flach, die Ganggenauigkeit ordentlich (+15 bis -10 Sekunden pro Tag). Das Werk tickt mit acht Schlägen pro Sekunde (28800 bph) und bietet eine Gangreserve von über 45 Stunden.
Die Neuauflage der King Seiko KSK wird ab Januar 2021 zum Preis von 3400€ in einer limitierten Auflage von 3000 Stück weltweit in den Seiko Boutiquen und bei ausgewählten Fachhändlern erhältlich sein. Eine Vorbestellung ist jetzt schon in der offiziellen Seiko Online-Boutique möglich.
Wem der aufgerufene Preis zu viel des Guten ist, der kann versuchen ein Vintage-Original aus den 60er Jahren bei ebay oder dergleichen zu ergattern- die Preise bewegen sich in der Regel bei deutlich unter 1000€, wenngleich man natürlich auch darauf achten muss, ob ggf. eine Revision nötig ist, wie der allgemeine Zustand ist etc.
Eckdaten der King Seiko KSK 140th Anniversary Limited Edition SJE083J1:
- Japanisches Automatik-Kaliber 6L35, Handaufzugsmöglichkeit, 28.800 Halbschwingungen pro Stunde (8 pro Sekunde)
- Beidseitiger automatischer Aufzug (Magischer Hebel), Gangreserve mehr als 45 Stunden, 26 Steine,
Magnetischer Widerstand 4.800 A/m, Datum - Gehäuse aus hartbeschichtetem Edelstahl
- Band aus Krokodilleder mit Dornschließe
- 5 bar wasserdicht
- Gewölbtes, entspiegeltes Saphirglas
- Verschraubter Gehäuseboden
- Durchmesser: 38,1 mm; Höhe: 11,4 mm
- UVP inkl. MwSt.: 3.400 Euro
- Limitiert auf 3.000 Stück weltweit
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