Für die internationalen Uhrenmarken ist die Baselworld einer der wichtigsten Termine des Jahres. Erst recht in diesem Jahr, in dem die Baselworld in äußerst schwierigen Zeiten hundertjähriges Bestehen feiert: Noch immer ist keine Besserung für die Schweizer Uhrenexporte in Sicht, viele Hersteller verzeichneten wiederholt starke Umsatzrückgänge. Das zeigt sich auch bei den Ausstellerzahlen: Immerhin 200 weniger Firmen sind im Vergleich zum Vorjahr auf der Baselworld 2017 vertreten (2016: 1500).
Nachdem ich meinen Ferrari geparkt habe Nachdem wir (zwei Kollegen, die bei Chrononautix.com mithelfen, und meine Wenigkeit) auf dem ca. 15 Minuten von der Baselworld entfernten Presseparkplatz in Frankreich (!) untergekommen sind, mussten wir uns erst mal orientieren: Der Bus hielt nicht mal annähernd in der Nähe des “Press Badge Pickup Counters”. Also kämpften wir uns zunächst mal durch die Menschenmengen…
In Halle 1 waren standesgemäß die Schwergewichte der Uhrenindustrie vertreten. Hier legte man sich natürlich ordentlich ins Zeug, um der aktuellen Uhrenkrise den Stinkefinger zu zeigen: Perfekt durchgestylte, aber (verständlicherweise) mittlerweile etwas übermüdet wirkende Hostessen stehen in bzw. bei den imposanten Großbauten der einzelnen Marken. Um die drei Wochen wird an den millionenschweren, mehrere Stockwerke hohen Aushängeschildern der Marken in Halle 1 gewerkelt bis alles perfekt ist. Dabei wird natürlich nichts dem Zufall überlassen, um die Flagschiffmodelle wie die blaue Rolex Submariner in Szene zu setzen…
Auffällig: Während wir durch die Halle 1 schlenderten, sind wir alle paar Meter auf finster dreinblickendes Sicherheitspersonal und patroullierende Polizei gestoßen. Bei Großveranstaltungen gehört das offenbar mittlerweile zum normalen Bild. Ansonsten war die Halle für einen Montag erstaunlich voll – zumindest, wenn man bedenkt, dass der Ansturm vom Wochenende grade erst vorbei war (Zitat einer Marketing Managerin eines deutschen Uhrenherstellers: Sonntag war der blanke Horror!).
Unsere Stationen in Halle 1 auf der Baselworld 2017: Nomos, Porsche Design, Frederique Constant/Alpina, TAG Heuer und die Marken der Swatch-Gruppe
Wir hatten nicht den kompletten Tag mit Terminen zugepflastert, um uns etwas Flexibilität zu erhalten. Toll: Das war für viele Hersteller kein Problem, die sehr gerne einen kurzfristigen Demonstrationstermin für uns ermöglichten…
Unsere erste Station auf der Baselworld 2017: Nomos Glashütte – derzeitiger Erfolg keine Überraschung
Im (kaum weniger imposanten, aber deutlich leereren) ersten Stock der Halle 1 nahm sich eine sehr sympathische Dame von Nomos Glashütte Zeit für uns, um die neuste Kollektion zu präsentieren.
Besonders beeindruckt hat mich dabei die Nomos Ahoi in 40,3mm mit ihrem knalligen, aber nicht zu aufdringlichem signalblau (wahlweise: signalrot) und dem flachen DUW 3001 Manufakturkaliber. Gehäuseverarbeitung, Design, Tragekomfort – einfach fabelhaft. So richtig aus der Hand geben wollte ich die Ahoi nicht…
Aber auch Nomos’ “Uhr zum Abitur”, das neue Einsteigermodell Nomos Campus ist einen Blick wert und soll jungen Menschen einen Einstieg in die Welt der hochwertigen, mechanischen Zeitmesser ermöglichen. Insbesondere die charakteristische Mischung aus arabischen und römischen Ziffern und die Gehäuseverarbeitung sind gefällig. Der Preis: faire 1000€ (36mm Damenvariante) bzw. 1100€ (38,5mm Herrenvariante). Die persönliche Gravur auf dem Gehäuseboden gibt es gratis obendrauf. Mir persönlich war die Nomos Campus etwas zu klein am Arm…
Fasziniert war ich auch von der Nomos Glashütte Sonnenuhr in Form eines 19mm großen Ringes (Einheitsgröße), den man auch als Kette tragen kann. Auch, wenn das Lederband nicht die hohe Qualität der Sonnenuhr widerspiegelt, ist das eine tolle (Geschenk-)Idee für Uhrenfreaks (ich habe das schon bei meiner Frau “eingelastet” ;-)).
Und so funktioniert die Nomos Sonnenuhr:
1. Die Sonne scheinen lassen – auf die Sonnenuhr.
2. Den mittleren Datumsring an der Bohrung auf das aktuelle Datum stellen.
3. Sonnenuhr am Band hängend so in Richtung Sonne drehen, dass das Licht auf das Loch fällt.
4. Auf der Innenseite der Sonnenuhr zeigt ein Sonnenstrahl die Zeit an.
Kurzum: Dass Nomos entgegen dem Trend derzeit auf der Erfolgswelle reitet und regelmäßig Design-Awards abstaubt, passt ins hervorragende Gesamterscheinungsbild der Manufaktur aus dem beschaulichen Städtchen Glashütte.
Porsche Design: Mit vielen frischen Ideen
Auch bei Porsche Design hat man sich viel Zeit für uns genommen. Bis 2013 hat die Marke seine Uhren nur konzeptioniert, gebaut haben diese dann Hersteller wie IWC oder zuletzt Eterna. Damit ist seit ein paar Jahren Schluss: Die Uhren werden mittlerweile komplett an einem eigenen Standort in der Schweiz entwickelt und produziert.
Porsche Design präsentiert eine neue Ära für Chronographen
heißt es selbstbewusst im Pressebereich von Porsche Design. Bei solch markigen Sprüchen, schaue ich doch gerne mal genauer hin…
So viel vorweg: Enttäuscht wurde ich nicht – der Weg, den Porsche Design eingeschlagen hat, erscheint mir genau richtig: Mit Designanleihen aus der Motorenfertigung und dem Motorsport, einer klaren kommunikativen Ausrichtung und vielen frischen Ideen, war ich äußerst positiv überrascht von dem, was man dort auf die Beine gestellt hat.
Porsche Designs neue Modellreihe heißt Monobloc Actuator und integriert die Chronographen-Drücker in das Gehäuse: Anstelle klassischer Drücker wird der Chronographenmechanismus des Automatikkalibers ETA Valjoux 7754 über eine mehrfach gelagerte Schaltwippe in Gang gesetzt und gestoppt:
Bei der Demonstration der Uhr wurde uns die Parallele zu der Ventilsteuerung im Rennmotor des 911 RSR anhand eines Motorblocks live gezeigt. Die Schaltwippe findet sich bei allen Modellvarianten wieder – man beachte aber auch das wirklich außergewöhnliche und sehr gut verarbeitete Titanband:
Der integrierte Chronodrücker-Mechanismus sieht nicht nur sportlich-schnittig aus, sondern hat auch einen großen Vorteil: Die bis 10 bar wasserdichten Modelle können auch unter Wasser betätigt werden.
Das sportliche Sonnenschliff- bzw. Carbon-Ziffernblatt, das ziemlich wuchtige 45,5mm große, aber leichte Titangehäuse und das beidseitig entspiegelte Saphirglas unterstreichen das bis zum Ende durchdachte Gesamtkonzept. Auch kleinere Ideen wie eine Funktionsanzeige bei 9 Uhr im Zielflaggen-Design (bei der Carbon-Ziffernblatt-Variante) passen sehr gut:
Die Porsche Design Monobloc Actuator Modellreihe ist ab Mai 2017 erhältlich. Die ganzen Ideen haben allerdings ihren Preis: Ab 5.950€ geht’s los.
Alexander Shorokhoff: Gewohnt ausgefallenes Design – Kunst am Handgelenk
Kurz nach der Präsentation bei Porsche Design, bei der die klaren Linien und das sportliches Design mehrmals in den Vordergrund gestellt wurden, verschlug es uns zu Alexander Shorokhoff im Design Lab der Baselworld 2017. Der Kontrast zu Porsche Design konnte nicht größer sein: Ganz getreu dem Motto “Kunst am Handgelenk” setzt der überaus sympathische Geschäftsführer und Designer Alexander Shorokov bewusst auf Stilbrüche und ausgeflipptes Design fernab des Mainstreams. Rund 1500 Uhren pro Jahr werden im bayerischen Alzenau mit viel Hand- und Veredelungsarbeit produziert. Es dürfte also nicht allzu oft vorkommen, dass man jemanden trifft, der eine dieser ausgefallenen Kunstwerke ausführt…
Der von mir getestete Alexander Shorokhoff Regulator R01 ist im Vergleich zu dem, was wir live bewundern durften, fast schon langweilig 😉 Qualitativ bewegen sich die neuen Modelle auf gewohnt hohem Niveau, insbesondere das (nicht ganz so ausgefallene) Modell Crossing hat es mir angetan…
TAG Heuer: Viel Modellpflege rund um die junge Zielgruppe
Natürlich verschlug es uns noch zum Messestand von TAG Heuer, wo sich der verantwortliche PR Manager in einem Séparée Zeit für uns nahm, die neuesten Modelle höchst professionell vorzuführen. Spannend: In einem großen Vorraum herrschte geschäftiges Treiben mit Häppchen und Drinks, die von Servicekräften serviert wurden – man fühlte sich dort eher wie auf einer geselligen Geburtstagsfeier, als auf dem Messestand eines Uhrenherstellers.
Der Fokus von TAG Heuer lag zur Baselworld 2017 eher auf der Modellpflege. Zum einen wären da neue Varianten der TAG Heuer Aquaracer, …
… der TAG Heuer Carrera mit skelettiertem Ziffernblatt, die nach einem modularen Prinzip gefertigt wird und in der Bauform daher der Connected Modular ähnelt (aber nicht wie eben diese mit einem Handgriff “auseinandergebaut” werden kann),
… der TAG Heuer Link mit dem charakteristischen, aber gewöhnungsbedürftigen Stahlband
… und natürlich die Neuauflage der TAG Heuer Connected Modular mit gewohnt guter allgemeiner Verarbeitungsqualität und hervorragend funktionierendem System, um unkompliziert vom Smartwatch-Modul auf ein mechanisches Dreizeiger-Modul zu wechseln:
Eine Neuheit blieb aber nicht aus: Die von vielen sehnsüchtig erwartete TAG Heuer Autavia. Hier einige Bilder der unlimitierten Variante:
Die Jack Heuer Edition der Autavia wiederum kommt mit Panda-Ziffernblatt und ist auf 1932 Stück limitiert:
Frederique Constant und Alpina: Klar abgegrenztes Markenportfolio
Gut, günstig und sportlich lautete die Devise bei Alpina, bei der mir persönlich insbesondere die neue, sehr gut verarbeitete Alpina Startimer Pilot Automatic (UVP: faire 900€)…
… und die neue Alpina Seastrong HSW (Horological Smartwatch mit Zusatzfunktionen wie Überwachung des Schlafzyklus, “Krieg den Arsch hoch”-Alert, E-Mail-Benachrichtungen etc.; UVP 595€) positiv auffielen, …
… während bei Frederique Constant das gewohnt wertige und klassische Markenbild in Augenschein genommen werden konnte:
Die Marken der Swatch-Gruppe: Rundgang bei Omega, Hamilton, Longines und Certina
Abschließend hat sich auch die Kommunikationsleiterin der Swatch Group Deutschland persönlich für uns Zeit genommen. Ich denke, anhand der Bildauswahl erkennt man gut, was meine persönliche Markenpräferenz war… 😉
Die Anzahl neuer Varianten innerhalb der bestehenden Swatch-Kollektionen war durch die Bank ziemlich überwältigend. Punktuell stachen aber auch Neuheiten wie z.B. der Hamilton Intra-Matic 68 Chronograph ins Auge, der eine gewisse Ähnlichkeit mit der TAG Heuer Autavia hat.
Die Aussage beim Swatch-Rundgang war eindeutig: Die beliebte COSC-Zertifizierung (Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres) wird sukzessive über sämtliche Marken hinweg ausgebaut. Ganggenauigkeits-Fans werden also eine zunehmend größere Auswahl an Chronometern vorfinden. Auffällig war auch, dass die Geschichte rund um Speedmaster und andere historisch bedeutende Modelle in den Messebauten mit vielen Originalmodellen unterstrichen wurde.
To be continued: Teil 2 – Halle 2