Die Sinn U1 Taucheruhr hat zweifellos eine große Fangemeinde. Manch einer attestiert der Sinn U1 sogar schon ein Klassiker zu sein, obwohl das Modell noch längst nicht so lange auf dem Markt ist wie beispielsweise die Omega Seamaster (die zweifellos ein echter Klassiker ist). Woher kommt also die große Beliebtheit der Sinn U1? Um es vorweg zu nehmen: Das eigenständige Design spielt sicherlich eine Rolle. Der Frankfurter Spezialuhrenhersteller unterstreicht das Einsatzuhren-Portfolio aber auch mit Technologien und “Spezial”-Materialien, die zumindest in der Theorie nach etwas Besonderem klingen. Zu nennen sei da zum Beispiel der verwendete U-Boot-Stahl oder die Tegimentierung zur Härtung des Stahls. Nicht zuletzt pflegt Sinn auch das Einsatzuhren-Image, indem die Frankfurter Uhren an das GSG9 oder die Kommando Spezialkräfte der Marine liefern.
Doch was ist dran an den technischen Eigenschaften der U1? Bringen diese wirklich einen Alltagsnutzen oder ist das alles nur technischer Schnickschnack? Und nutzen die Sondereinsatzkräfte wie KSM oder GSG9 die Uhren wirklich oder dürfen vielleicht grade mal die Offiziere die teuren Uhren ab und zu mal zum Offiziersball oder dergleichen ausführen? Ist das vielleicht alles nur ein “Marketinggag“? All diese Punkte werden häufig in Foren heiß diskutiert – ein guter Grund in diesem Artikel meine Praxis-Erfahrungen mit der Sinn U1 mit euch zu teilen. Und das Beste: Mit dabei sind auch viele Informationen, die ich aufgrund meiner kritischen Nachfragen direkt von Sinn aus erster Hand bekommen habe…
Eckdaten der hier getesteten Sinn U1:
- Schweizer Sellita SW200-1 Automatikwerk in der Qualitätsstufe Premium (Top)
- 44 mm Durchmesser
- Gewicht am Stahlband: 215 Gramm
- Beidseitig entspiegeltes Saphirglas
- Wasserdichtigkeit 100 bar / 1000 Meter (zum Tauchen geeignet)
- Gehäuse aus U-Boot-Stahl, tegimentiert
- Edelstahlband, tegimentiert
- Bandanstoß: 22 mm
- Preis: 2160€ (tegimentiertes Gehäuse und tegimentiertes Stahlband)
INHALT
Sinn Spezialuhren: Geschichte und Herkunft
Namensgeber des in Frankfurt ansässigen Uhrenherstellers Sinn Spezialuhren ist Helmut Sinn, auch genannt “der eigensinnige Überflieger“ oder “der schnelle Helmut” – das Fliegen war Helmut Sinns größte Leidenschaft. Seinen Pilotenschein machte er 1939 bei der deutschen Luftwaffe, während des Krieges musste Helmut Sinn Aufklärungsflüge durchführen – bis er nach einem schweren Absturz als Fluglehrer weiterarbeitete. Nach dem Krieg aber kam der Bruch: Helmut Sinn durfte aufgrund eines von den Alliierten verhängten Verbotes zunächst nicht fliegen.
Doch Helmut Sinn blieb zumindest indirekt der Fliegerei treu: Er konzentrierte sich fortan auf den Bau von funktionalen Uhren für Piloten und Fluglehrer. Helmut Sinn sagte dazu in einem Interview mit der FAZ: „Ich hatte keinen Beruf. Ich habe etwas gesucht, was nicht viel Platz und wenig Material brauchte.“
Nach der Gründung eines Uhrenhandels Ende der 1940er Jahre und einer bedeutenden Entwicklung im Bereich der Borduhren Ende der 1950er-Jahre (das Kaliber HS 58 wurde seit 1957 flächendeckend in Borduhren von Lufthansa-Maschinen und Flugzeugen der Bundeswehr eingesetzt), folgte 1961 die Gründung der Firma „Helmut Sinn Spezialuhren“ in Frankfurt am Main – Helmut Sinn schaffte damit die Grundlage für eine Marke, die bis heute eine beachtliche Fangemeinde hat.
Nach über 30 Jahren, im Jahre 1994, verkaufte Helmut Sinn seine Firma an Lothar Schmidt, welcher nach wie vor die Geschicke des Spezialuhren-Herstellers lenkt. Helmut Sinn bedauerte sehr, dass sich niemand aus seiner Familie für die Fliegerei und für seine Uhrenfirma interessiert habe und sagte nachdenklich im Gespräch mit der FAZ: „Vielleicht war ich zu grob, ich bin nun mal sehr direkt.“
Lange hielt es Helmut Sinn aber nicht im Ruhestand aus: mit seinen Projekten Jubilar, Chronosport und zuletzt insbesondere Guinand konnte er sich weiter verwirklichen. Summa summarum beschäftigte sich Helmut Sinn bis zu seinem wohlverdienten Ruhestand im Jahre 2014 durchgängig mit Uhren – fast 60 (!) Jahre lang. In seinem 102. Lebensjahr, im Jahre 2018, verstarb der Uhrenpionier Helmut Sinn.
Sinn Spezialuhren Frankfurt heute
Auch, wenn Helmut Sinn nun seit über 20 Jahren nicht mehr die Fäden beim Frankfurter Hersteller zieht, sind klassische Fliegeruhren und Chronographen nach wie vor fester Bestandteil des Sinn’schen Produktportfolios. Verschiedene Kooperationen lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass Sinn auch das Image für robuste Einsatzuhren pflegt: Die Sinn UX S beispielsweise ist laut Sinn die offizielle Dienstuhr der Kommando Spezialkräften der deutschen Marine (KSM) und der maritimen Spezialeinheit der Bundespolizei GSG9. In manch einer Foren-Diskussion wird allerdings kritisch hinterfragt, ob Sinn hier übertreibt bzw. inwiefern diese Uhren tatsächlich an alle Soldaten ausgegeben und im Einsatz getragen werden – denn: eine so teure Uhr als regulärer Ausrüstungsgegenstand bei einem Bundeswehr-Trupp? Wie soll das gehen, wenn die Bundesauaweh *Pardon* Bundeswehr nicht mal Panzer zum fahren oder Hubschrauber zum fliegen bringen kann?
Hier hakte ich bei Sinn kritisch nach, woraufhin die Frankfurter mir im Gespräch bestätigten, dass die schwarz beschichtete (da reflexionsfreie) Sinn UX S de facto zwei Ausschreibungen des Bundes gewonnen hat und somit für die maritime Einheit des GSG9 und das KSM ein Standard-Ausrüstungsgegenstand ist, der an jeden Soldaten bzw. Bundespolizisten dieser Sondereinheiten ausgegeben wird. Mit nach Hause nehmen dürfen die Sondereinsatzkräfte die Uhren allerdings nicht: Nach jedem Einsatz und jeder Übung müssen die Uhren wieder weggeschlossen werden – wie alle anderen Ausrüstungsgegenstände auch (z.B. Waffe, Taucherflasche etc.).
Gut zu wissen: Die von Sinn entwickelte HYDRO-Technologie ist erst aufgrund der Anforderungen des Bundes im Rahmen der GSG9-Ausschreibung von Sinn entwickelt worden: Der Bund forderte für die maritime Einheit des GSG9 eine Uhr, die unter Wasser perfekt aus allen Winkeln ablesbar ist. Sinn hat daraufhin nicht nur die GSG9-Ausschreibung, sondern anschließend auch die Ausschreibung des KSM gewonnen.
Technisch betrachtet sind bei der HYDRO-Technologie das Werk, Zifferblatt und Zeiger direkt in einem glasklaren Flüssigkeitsbad gelagert. Sinn ist meines Wissens nach der einzige Hersteller, der auf diese Technologie setzt. Der Unterschied wird in diesem Bild sehr deutlich:
Auf der Baselworld 2017 legte Sinn außerdem noch eine KSK-Uhr nach: Anlässlich des 20-jährigen Jubiläums im September 2016 hat die Gemeinschaft Deutscher Kommandosoldaten e.V. (ein Verein ehemaliger KSK-Soldaten) gemeinsam mit Sinn das (nicht frei verkäufliche) Modell K212 Kommando Spezialkräfte entwickelt, welches ausschließlich für die Mitglieder des KSK vorgesehen war. Otto Normal-Kunden dürfen aber auf die vom Design her ähnliche Sinn 212 KSK schielen – das überdimensionale KSK-Abzeichen (ein von Eichenlaub umrahmtes Schwert) auf dem Zifferblatt ist allerdings Geschmackssache.
Zwar ist die Sinn U1 keine Dienstuhr irgendeiner Spezialeinheit, das tut der Beliebtheit des Modells allerdings keinerlei Abbruch: Die Sinn U1 gehört zu den meistverkauften Modellen des Frankfurter Herstellers, weshalb die U1-Modellreihe auch stetig um weitere Varianten ergänzt wird, zuletzt bei der Munichtime 2018 um die Sinn U1 B mit blauem Zifferblatt. Nicht zu Unrecht taucht im Zusammenhang mit der U1 oft der Begriff “eine klassische Sinn” auf…
Sinn U1 im Test: Vorsprung durch Technik oder technisch überzüchtet?
Die Sinn U1 befindet sich optisch und technisch klar im Dunstkreis robuster Einsatzuhren, wofür auch die vielen Eigenschaften sprechen – an technischen Begriffen und DIN-Normen mangelt es jedenfalls nicht auf der Beschreibungsseite der Sinn U1 😉
- Stoßsicher nach DIN ISO 1413 (die Prüfvorrichtung sieht einen Hammerschlag mit einer Geschwindigkeit von über 4 m/s vor. Die dadurch bewirkte Gangveränderung darf nicht mehr als +/- 60 Sekunden pro Tag betragen)
- Antimagnetisch nach DIN 8309 (gemäß der DIN 8309 gelten mechanische Kleinuhren dann als antimagnetisch, wenn die Gangveränderung der Uhr nach einem Magnetfeldeinfluss der Stärke von 4.800 A/m nicht mehr als +/- 30 Sekunden pro Tag beträgt)
- Erfüllt die technischen Anforderungen der DIN 8310 für Wasserdichtheit
- Druckfest bis 1.000 m Tauchtiefe (= 100 bar), zertifiziert durch DNV GL gemäß den technischen Anforderungen der Taucheruhrnorm DIN 8306
- Geprüft in Anlehnung an die europäischen Tauchgerätenormen EN250 und EN14143, zertifiziert durch DNV GL
Gegen Erschütterungen, Magnetfelder und großen Wassertiefen ist die Sinn U1 also bestens gewappnet. Die dazu durchgeführten Prüfungen, z.B. der Wasserdichtigkeit aller Taucheruhren, nimmt Sinn mit einem hauseigenen Druckprüfgerät vor. Bei einer neuen Gehäuse-Lieferung kommt der DNV GL zu Sinn ins Haus und nimmt eine Prüfung und Zertifizierung der Serie vor, indem er mehrere Gehäuse entnimmt, die Uhren montiert werden und dann ein Drucktest bei einer 25% Überlast mit diesem Gerät stattfindet.
An dieser Stelle möchte ich insbesondere den von Sinn verwendeten und beworbenen U-Boot-Stahl sowie die Tegimentierung zur Härtung des Stahls hervorheben. Warum? Ganz einfach: Ich hasse Kratzer auf meinen Uhren, weshalb ich Materialien und Technologien, die Kratzer vermeiden sollen gegenüber natürlich besonders aufgeschlossen bin! 😉 Dennoch stellt sich natürlich die Frage: Bringen Tegimentierung und U-Boot-Stahl einen Alltagsnutzen oder bewegen wir uns hier eher in der Kategorie “klingt geil, bringt aber nix”?
Zunächst zum U-Boot-Stahl: Es handelt sich dabei um Spezialstahl für die Außenhüllen der U-Boot-Klasse 212, entwickelt von ThyssenKrupp. Sinns Lieferant für die Gehäuse ist die Sächsische Uhrentechnologie GmbH Glashütte (SUG), gut erkennbar am dezenten “SUG”-Logo zwischen den Hörnern am Gehäuse. Der Gründer von SUG: Sinn-Chef Lothar Schmidt. Hier einige Eindrücke aus der Produktion:
Sinn kommuniziert diverse Vorteile von U-Boot-Stahl, denen ich auf den Grund gehen möchte: Seewasserbeständigkeit, eine höhere Festigkeit und amagnetische Eigenschaften. Kommen wir zuerst zur Seewasserbeständigkeit: Auch wenn es ein weit verbreiteter Irrglaube ist, ist “normaler” Edelstahl tatsächlich nie gänzlich rostfrei. Tauchen wir kurz in die Materie ab: Edelstahl enthält gewisse Mengen des Metalls Chrom. Chrom wiederum sorgt dafür, dass sich an der Oberfläche des Edelstahl eine Schutzschicht, die sogenannte Passivierungsschicht bildet. Diese Passivierungsschicht schützt grundsätzlich vor Rost, kann aber zum Beispiel durch Seewasser beschädigt werden. Denn: Salz ist ein besonders bösartiger Feind, es dehnt sich beim Kristallisieren aus und wirkt als Katalysator bei der Korrosion von Stahl. Eine Uhr aus normalem Edelstahl sollte daher genauso wie professionelle Taucherausrüstung stets nach einem Tauchgang mit Süßwasser abgespült werden.
Der von Sinn eingesetzte U-Boot-Stahl ist wiederum sogenannter austenitischer Stahl, der eine besondere Gefügestruktur aufweist und dadurch eine deutlich höhere Beständigkeit gegen aggressive Umgebungsbedingungen, insbesondere eine Resistenz gegenüber Korrosion (Rost), aufweist. Für Leute, die gerne und oft Tauchen gehen und sich nicht ausschließlich auf den Tauchcomputer verlassen wollen, bringt der U-Boot-Stahl der Sinn U1 also tatsächlich langfristig einen Nutzen.
Man beachte: Das Stahlband der Sinn U1 ist nicht aus U-Boot-Stahl, sondern aus “normalem” 316L-Edelstahl. Auf Rückfrage von mir bei Sinn wurde das damit begründet, dass die Produktion eines Bandes aus U-Boot-Stahl wirtschaftlich nicht sinnvoll abbildbar wäre. Mit anderen Worten würde sich der Verkaufspreis eines Armbandes aus U-Boot-Stahl so erhöhen, dass es in keiner Relation zur Uhr steht. Meiner Meinung nach ein durchaus nachvollziehbarer Grund…
Ein Kritikpunkt von mir ist allerdings die Schließe der Sinn U1, die unter Berücksichtigung des Preises ein gutes Stück massiver hätte ausfallen dürfen. Des Weiteren steht auf meiner Wunschliste an Sinn ein Schnell- bzw. Feineinstellungssystem. Meine bisherige Referenz ist die tolle “Push”-Schließe der Omega Seamaster, die ich an das Edelstahlband meiner Omega Speedmaster habe nachrüsten lassen (ja, das geht ;-)). Kurzum: Die Frankfurter dürfen meiner Meinung nach gerne auch mit einer ausgeklügelten Schließe zeigen, dass sie innovativ unterwegs sind – dem Tragekomfort der recht schweren U1 (immerhin 215 Gramm am Stahlband bei 44 mm Durchmesser) würde es jedenfalls sehr zu Gute kommen. Einen Pluspunkt beim Tragekomfort kann die U1 aber durch die rechts unten versetzt angeordnete Krone sammeln, die sich somit nicht unangenehm in den Handrücken bohren kann…
Kommen wir aber noch mal zurück auf die von Sinn kommunizierten Vorteile von U-Boot-Stahl, insbesondere die höhere Festigkeit. Ist U-Boot-Stahl also tatsächlich unempfindlicher gegen Kratzer? Auch hier habe ich bei Sinn kritisch nachgefragt und mir wurde eine Härte von 340 HV (HV = Härte nach Vickers) bestätigt. Zum Vergleich: Normaler 316L-Edelstahl, der typischerweise in Uhren verbaut wird, kommt auf ca. 220 HV. Dadurch ist auf dem Papier U-Boot-Stahl durchaus etwas unempflicher gegenüber Kratzern. Gut zu wissen: Ein Sinn-Fan hat die Aussage von Sinn Spezialuhren in einem Labortest (Mikroskop, Laser-Test) aus dem Jahre 2008 bestätigt und festgestellt, dass der U-Boot-Stahl auf intermolekularer Ebene deutlich dichter als normaler Edelstahl ist.
So richtig in Fahrt kommt der U-Boot-Stahl der Sinn U1 aber erst in Kombination mit der von Sinn angebotenen Tegimentierung (von lat.: tegimentum = Schutz). Auf meine Rückfrage hin bestätigte mir Sinn eine durch das Verfahren erreichte Härte von satten 1200 bis 1300 HV. Bei der Tegimentierung handelt es sich vom Grundprinzip her um das Oberflächenhärteverfahren Kolsterisieren, Sinn hat das Verfahren allerdings den Gegebenheiten der Uhrenproduktion angepasst (und “Tegimentierung” geht auch irgendwie besser von der Zunge ;-)).
Beim Verfahren des Kolsterisierens diffundieren große Mengen Kohlenstoff in das Material ein, welche Druckspannungen in der Oberfläche zur Folge haben. Diese Druckspannungen wiederum bewirken eine sehr hohe Oberflächenhärte. Mit anderen Worten handelt es sich bei diesem Härtungsverfahren also nicht um eine Beschichtung oder dergleichen – das Material selbst wird ausgehärtet. Kein Zufall: Kolsterisierter Edelstahl kommt beispielsweise in hygienisch relevanten Industrien wie der Nahrungs- und Getränkeindustrie oder in der Medizintechnik zum Einsatz.
Durch die Tegimentierung wirkt die Farbe des Stahls übrigens deutlich dunkler und erinnert an Titan, was den Tool-Watch-Charakter des Modells hervorragend unterstreicht…
Standardmäßig ist bei der Sinn U1 allerdings nur die Lünette tegimentiert – das macht einen der kratzempfindlichsten Teile einer Uhr damit genauso kratzfest wie die gängigerweise bei Taucheruhren eingesetzten Keramik-Lünetten (Keramik in Lünetten = ca. 1250 HV).
Sinn bittet den Kunden mit 250€ für eine Volltegimentierung des Gehäuses zur Kasse und ich war vor dem Kauf etwas zögerlich – bringt die Tegimentierung auch Vorteile im Alltag? Auf einem Trip nach Tunesien habe ich die Sinn U1 fast durchgängig getragen und ging nicht grade zimperlich mit ihr um – den Kontakt mit Sand, Stein und sonstigen üblichen Alltagsgegenständen wie Tischen oder dergleichen hat das tegimentierte Gehäuse meiner Sinn U1 bemerkenswerterweise 100% kratzerfrei überstanden. Nur an Stellen, wo tegimentierter Stahl auf tegimentierten Stahl trifft, kommt es zu Gebrauchsspuren – das ist aber (logischerweise) nur beim Edelstahlband bzw. der Schließe der Fall. Summa summarum: Wenn ihr euch für eine Sinn-Uhr entscheidet, nehmt die Tegimentierung auf jeden Fall mit dazu! Punkt.
Wenn ich neue Uhren mit drehbarer Lünette auspacke ist eine meiner ersten Handlungen die Lünette zu testen – so auch bei der Sinn U1, bei der ich allerdings zunächst etwas enttäuscht war: Die Lünette hat recht viel Spiel und erreicht beispielsweise nicht das satt-knackige Rasten anderer Uhren in dieser Preisklasse, z.B. der Breitling Colt. Immerhin: Sie ist perfekt zentriert.
Auf Nachfrage bei Sinn bestätigte man mir aber, dass die Lünette genau so funktioniert wie sie soll: Zum einen hatten die Frankfurter bei der Lünettenkonstruktion die Anforderungen echter Tauchgänge im Hinterkopf und wollten ein klares haptisches Feedback beim Drehen. Zum anderen ist die Lünette unverlierbar konstruiert, d.h. sie kann auch bei schweren Stößen nicht abspringen…
Für den Antrieb setzt Sinn bei der U1 seit 2013 auf ein bewährtes Standardwerk, das Schweizer Sellita SW200-1 Automatikwerk – ein als zuverlässig geltender Nachbau des aus dem Patentschutz gelaufenen ETA 2824. Gut: Sinn verbaut – wie bei allen anderen Modellen mit Sellita-Werk – die Qualitätsstufe Premium (Top) mit einer mittleren Gangabweichung von ±4 Sekunden pro Tag. Meine praktische Messung mit dem Frederique Constant Analytics Clip ergab einen Wert von ca. -2 Sekunden pro Tag – ein guter Wert, wenngleich mir ein leichter Vorlauf noch etwas lieber gewesen wäre 😉
Auch da habe ich bei Sinn nachgehakt: Die Frankfurter regulieren alle Uhren immer ins Plus, allerdings wird eine Eintragezeit von ca. 6-8 Wochen empfohlen. Sollte die Ganggenauigkeit nach diesem Zeitraum immer noch im Minusbereich liegen, bietet Sinn eine kostenlose Nachregulierung an. Schauen wir mal, wie sich meine U1 über die nächsten Wochen so schlägt…
Sinn U1: Das Design
Aber genug der Technik – die Sinn U1 hat nämlich auch designtechnisch ordentlich was zu bieten: Während das klassische, von Rolex geprägte Design (runde Indizes, schwarze Lünette etc.) immer wieder aufs Neue von Uhrenherstellern wiederverwertet wird, hat sich Sinn für die U1 ein genial-schlichtes, perfekt ablesbares Zifferblatt-Design ausgedacht:
Dabei war das Design für mich nicht grade Liebe auf den ersten Blick: die blockartigen, perfekt gedruckten Indizes sind recht dick und vergleichsweise kurz. Die Zeiger haben eine dünne Spitze, die beim Minutenzeiger perfekt mit den 5-Minuten-Indizes abschließen und etwas an Lego-Bausteine erinnern. Das Design ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, hebt sich aber wohltuend vom Taucheruhren-Einheitsbrei ab – man glaubt es kaum, aber es ist doch tatsächlich möglich ein eigenständiges Design hinzukriegen, welches nicht laut “Rolex-Hommage!” ruft 😉
Das Zifferblatt-Design der Sinn U1 kommt durch ein beidseitig entspiegeltes Saphirglas ziemlich genial zur Geltung. Moment, beidseitige Entspiegelung? Das widerspricht zunächst einmal dem Schwerpunkt von Sinn auf Robustheit, da Entspiegelungsschichten grundsätzlich nicht ganz so hart bzw. kratzunempflich sind wie das Saphirglas selbst. Sinn hat sich hier aber für die bessere Ablesbarkeit entschieden. Geschmackssache! Die Entspiegelung ist in der Summe aber optisch genauso genial wie bei der Breitling Colt – je nach Lichteinfall weist nur ein fein-bläulicher Schimmer auf die Entspiegelungsschicht hin. In der Regel hat man sogar das Gefühl, dass gar kein Uhrglas verbaut ist. Toll!
Praktisch hat sich die Entspiegelungsschicht wacker gehalten und ist kratzerfrei geblieben, auch im Kontakt mit Sand. Sollten doch mal Kratzer in die Entspiegelungsschicht kommen, kann diese aber auch problemlos runterpoliert werden.
Die unvermeidbare Verspiegelung des Glases unter Wasser kann aber auch die Entspiegelung des Saphirglases nicht beheben – wer auch unter Wasser in flachen Winkeln perfekte Ablesbarkeit braucht, der muss zur UX-Modellreihe greifen, die mit der oben beschriebenen HYDRO-Technologie kommt.
Bei meinen Recherchen zur Sinn U1 bin auf einige kritische Stimmen zur Leuchtkraft gestoßen. Tatsächlich ist die Lume nicht besonders kräftig, dafür aber sehr ausdauernd: Mein Tunesien-Trip endete mit einem Shuttle zum Flughafen im tiefster Dunkelheit, 4 Uhr morgens. Die Uhrzeit im stockdunklen Van war immer noch gut ablesbar, obwohl die Sinn U1 für mindestens 10 Stunden mit keiner nennenswerten Lichtquelle in Berührung kam. Dass die Lume auf Ausdauer ausgelegt ist, ist bei einer Taucheruhr absolut sinnvoll und auch genau so vom Frankfurter Spezialuhrenhersteller beabsichtigt, was mir im persönlichen Gespräch auch bestätigt wurde.
Fazit zur Sinn U1 Taucheruhr
Die Sinn U1 ist eine Taucheruhr, die von Anfang bis Ende einen sehr durchdachten Eindruck macht: Man hat tatsächlich das Gefühl, dass der Frankfurter Spezialuhrenhersteller Tool-Watches und keine Luxusuhren baut, wenngleich der Preis der U1 mit 1650€ (ohne Tegimentierung, am Lederband) bis 2160€ (mit Stahlband, volltegimentiert) zweifellos Luxuscharakter hat – Sinn hat die Preisschraube in den letzten Jahren durchaus merkbar angezogen, was natürlich auch kritische Stimmen in der großen Sinn-Fangemeinde findet. Sinn bewegt sich mit der U1 mittlerweile in Regionen, in denen sich auch bekannte Traditions-Hersteller wie Breitling (mit der Colt, Grauhändler-Preis ca. 2300€) oder TAG Heuer (mit der Aquaracer, Grauhändler-Preis ca. 1900€) tummeln. Der feine Unterschied: Anders als genannte Schweizer schaffen es die Frankfurter durch den Schwerpunkt auf eigenen Direktvertrieb die UVP nicht über Grauhändler zu verwässern.
Qualitativ muss sich Sinn mit der U1 auf keinen Fall vor Breitling Colt, TAG Heuer Aquaracer & Co. verstecken. Ob die ganzen (sicherlich preistreibenden) technischen Eigenschaften der U1 wie beispielweise die irre hohe Wasserdichtigkeit (100 bar / 1000 m) oder der U-Boot-Stahl nun wirklich einen so großen Alltagsnutzen bringen sei mal dahingestellt – wenn man ehrlich ist, sind einige Eigenschaften der U1 für Otto Normal-Schreibtischtäter und Drehstuhlakrobaten wie mich, die nur an wenigen Tagen im Jahr einer Taucheruhr Salzwasserkontakt bescheren, als “overengineered” anzusehen.
Allerdings: Mit der Tegimentierung des Gehäuses hat Sinn seit 2003 auch eine geniale und nützliche Technologie im Einsatz, welche die Frankfurter klar von anderen Herstellern mit Fokus auf robuste Uhren unterscheidet. Ich frage mich wirklich, warum nicht auch viele andere Hersteller diese Technologie (optional) anbieten – wenn ich mir da so nach drei Jahren meine teilweise ziemlich übel verkratzte Breitling Colt anschaue… 😉 Ein bekanntes Beispiel ist noch der deutsche Uhrenhersteller Damasko, der eisgehärteten Edelstahl verbaut (Eishärtung kam bei Sinn bis 2002 zum Einsatz und wurde durch die Tegimentierung abgelöst).
In der Summe ist die Sinn U1 eine eigenständige Taucheruhr mit glaubhaftem Tool-Watch-Charakter, die sicherlich kein Schnäppchen ist, aber auch eine Menge bietet. Meinen Kauf habe ich jedenfalls keineswegs bereut…
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Ich bin durch Zufall af dieser Homepage gelandet und habe mit grossem Interesse den tollen Bericht gelesen, da ich mir vor sechs Jahren selber eine Sinn U1 gekauft habe. Ich wohne in Dänemark und die Marke war damals hier nicht zu kaufen, also fur ich zu einem Händler in Rendsburg um mir die Uhr genauer anzusehen, denn einfach eine Uhr online kaufen wollte ic auch nicht, sie kostete ja damals um die 1600 Euro wenn ich mich recht erinnere.
Also zu den Fakten: Bin ich mit der Uhr zufrieden..? Ja, sehr sogar, sie ist sehr robust und läuft unglaublich präzise für eine automatik Uhr, Bei meiner Arbeit wird die Uhr sehr oft belastet bezüglich Stössen und direktes gegenschlagen, und hat das immer super ausgehalten, es ist noch immer kein einziger Kratzer an der Uhr oder im Glas zu sehen, wirklich Klasse.
Gibt es etwas zu bemängeln? Ein wenig, es sind aber Kleiningkeiten. Meine U1 hat das Metalarmband, was eigenlich ganz ok isk, aber wirklich nichts besonderes. Ich wurde sagen es ist die Schliesse sebst die irgendwie durchfällt, man hat da nicht dieses Gefühl es sei etwas besonderes oder robustes, sie könnte genauso gut von einer 100 Euro Uhr stammen. In der Schliesse ist auch so ‘ne Erweiterung für einen Taucheranzug – na ja, will man mit der Uhr dauernd tauchen, sollte man wohl das Siliconband nehmen, denn diese Erweiterung wirkt eher als haben die Entwikler damals gedacht:”Tjaa, die Erweiterung muss da sein, aber keiner wird sie je benutzen, also ist sie auch egal…” Ein weiteres kleines Manko ist die Krone, wenn man sie rausdreht um die Uhr einzustellen, wirkt sie schon etwas wackelig. Die hier genannten Dinge sind aber Klenigkeiten und stören überhaupt nicht beim täglichen benutzen der Uhr.
Fazit: Würde ich mir wieder eine Uhr von Sinn kaufen? Absolut, und würde sie auch weiter empfehlen. Man kauft sich eine Sinn weil man eine Sinn möchte, und nicht um damit auf dicke Hose zu machen, denn die Marke ist bei den meisten Leuten kein Begriff. Ich habe aber auch beim tragen der Uhr ab und zu Fragen und Kommentare bekommen, wie z.b. als ich mit einem Kollegen in der Pause eine Kippe rauchte, und der plötzlich aus dem Nichts fragte: “Ist das eine teure Uhr..?” Ein anderer mal bei einer Party sagte ein Typ den ich nicht kannte: “Manno, du hast ‘ne Sinn U1, die Uhr ist der Hammer” Kurz gesagt, wenn man Sinn kennt, dann interessiert man sich warscheilich für Uhren.
Und ganz zum Schluss: Falls jemand menien Kommentar lesen sollte – den der Bericht über die Uhr ist ja schon ein par Jahre alt – und sich jetzt denkt: Sollte ich mir wirklich eine Uhr in dieser Preisklasse kaufen..? (denn so habe ich auch gedacht) Tuh es, du wirst es nicht bereuen. Und trage sie die ganze Zeit wie ich, dann hast du was davon und freust dich jeden Tag
Schönen Tag da draussen
(Ich glaube wir kriegen heute Regen hier in Dänemark:-)
Danke für deinen super ausführlichen Bericht! 🙂
Nachtrag:ich meinte die:”U1″natürlich!…THOR
Hallo Mario,Mein Kumpel hat die Uhr und ich konnte Sie “LIVE”bewundern!
Absoluter Hinguckerund eigenständiges Design…wäre da nur nich der mE.viel zu hohe Preis! ;-/
…Wenn man “DIE”hat,braucht man eigentlich keine andere Uhr mehr!!! 😉
LG….THOR
Hallo,
den U1 Bericht finde ich gut. Ich habe den Eindruck, da hat sich jemand mit dem Thema (Details, Hintergrund, eigene Erfahrungen) beschäftigt und objektiv dargestellt. Persönlich fehlen mir Anmerkungen zur Gangreserve (38 Std ?), Bandstege (nicht verschraubt !) sowie Kautschukarmband. Beste Grüsse Dr. Pit
Die U1-Vorstellung passt
Tolle Uhr
Geschmack ist Feeling
Danke dir ?
Noch ein Wort zur 212 KSK: Neulich saß mir im Meeting jemand gegenüber, mit dieser Uhr. Das Logo fällt eher nicht auf, die Uhr aber schon. Die ist sehr präsent und hat ein tolles schlichtes Design. Leider liegt sie preislich weit außerhalb meiner Möglichkeiten. Sinn baut meines Erachtens einige echte Hingucker mit dem Vorteil absoluter Alltagstauglichkeit. Ob man allerdings je in die Verlegenheit kommt, die Kompasslünette zu benutzen, glaube ich eher nicht. Wenn ich Norden einmal richtig bestimmt habe, weiß ich auch, wo ich mich hindrehen muss, um den Kurs zu halten 😉
… wo wir wieder beim Thema “technisch überzüchtet” wären hehe. Aber hey: Ist doch gut zu wissen, dass man für Notfälle die Uhr auch als Kompass nehmen kann 😉
Dafür brauche ich als Ex-Airforce keine Kompasslünette. Da reicht ein piffnormales Zifferblatt. 🙂
Mir geht es mit der U1 genau so: An einigen Tagen finde ich das Blockdesign richtig toll, an anderen denke ich, es wäre alles auch viel eleganter gegangen. Wüsste aber auch nicht, wie. Ich hatte sie bei dem Hongkonger Uhrenhändler in der Hand, bei dem ich letztlich meine Ventura Ego Pi (Bloß nicht mit ans Wasser nehmen!) gekauft habe. Und war da auch schon so gespalten. Sie lässt mich aber trotzdem nicht los. 🙂
Wie eigentlich immer ein toller Blogbeitrag mit vielen Detailinfos. Eine Einschätzung der Ar-Trockenhaltetechnik, die zwar in der U1 nicht verwendet wird, von vielen Sinn-Fans aber als Mumpitz abgetan wird, hätte mich noch interessiert.
Danke für dein Feedback, Andreas 🙂
Sehr, sehr ausführlicher Bericht, angenehm zu lesen. Nur, dass die U1 sich z.B. nicht hinter Breitling in Sachen Qualität verstecken muss, sehe ich doch anders. Die Detailverarbeitung in Sachen Verarbeitung beim Ziffernblatt und den Zeigern, da ist Sinn aber ne ganze Stufe unter Breitling. Betrachtet man sich die U1 mal unter der Uhrenmacherlupe, dann sieht man ausgefranste Indices Zeiger und ungleichmäßige Auftragungen der Lume. Bei Breitling, z..B. bei meiner SO II ist das alles top.
Hi, danke für die Ergänzung! Ich muss aber sagen, dass mir Ausfransungen oder dergleichen bei den Makroaufnahmen bei der Sinn U1 nicht aufgefallen sind.