Viele neue Uhrenmarkenย erzรคhlen Geschichten rund um ihre Kreationen, um Emotionen bei potentiellen Kรคufern zu wecken. Zum Beispiel bedeutsame Geschichten rund um einen Vor-vor-vor-vor-vorfahren des heutigen Marken-Eigentรผmers, der irgendwann mal mit Uhren gehandelt hat (oder – man glaubt es kaum – eine Uhr besaร! ๐ ).ย Aufmerksame Leser meines Blogs wissen, dass ich zwar spannende Geschichten rund um Marken und Modelle liebe, anders als bei echten Traditionsherstellern wie Longines, Breitling & Co.ย kรถnnen Geschichten vom Reiรbrettย aber auch schnell unglaubwรผrdig und aufgesetzt wirken. Statt Emotionenย wird dann eher lautes Gรคhnen verursacht.
Auch SEVENFRIDAY ist eine relativ junge Uhrenmarke: Erst 5 Jahre hat die vom Schweizer Daniel Niederer gegrรผndete Marke auf dem Buckel. Unterstรผtzung holte sich Niederer dabei von der Schweizer Design-Agentur studiodivine, mit denen er nach wie vor zusammenarbeitet.ย Die Kooperationย ist kein Zufall: studiodivine ist spezialisiert auf das Design von Uhren. Dieย Referenzen kรถnnen sich jedenfalls sehen lassen und umfassen gestandene Grรถรen der Uhrenindustrie wie z.B. TAG Heuer, Eterna, Luminox oder Bulova.
SEVENFRIDAY fantasiert allerdings keine Markengeschichte: “We donโt make up stories, we sell them as they are”, sagte Niederer mal in einem Interview mit GQ. Unter demย Credo “Carpe Diem”ย entstand daher auch der Markenname SEVENFRIDAY. Die federfรผhrende Agentur studiodivine sagt dazu:
Alles an dieser Marke ist unkonventionell. Da fรผr die meisten Leute Freitag der beste Tag der Woche ist, entschieden wir uns, ihn zu verlรคngern. Sieben Tage die Woche Freitag entspricht ganz dem rebellischen Wesen der Marke. Und so entstand der Name SEVENFRIDAY. Der charakteristische Slogan โFresh from the pressโย (Druckfrisch) und das Symbol auf dem Logo unterstreichen das industrielle Flair sowie das neue und frische Konzept.
Sieben mal Freitag pro Woche? Hmm, mir persรถnlich wรคre es zwar lieber, wenn jeden Tag Samstag ist, aber ich lasse das mal so durchgehen – passender als “Daniel Niederer Uhrenmanufaktur”ย oder dergleichen ist der Name allemal ๐
Die Schweizer Wurzeln sind der jungen Uhrenmarke auf jeden Fall nicht abzusprechen. “Swiss Made” sind die Uhren mit ihrem eigenstรคndigen Design allerdings nicht – und darum wird auch kein Hehl gemacht: Offen und selbstbewusst verewigt SEVENFRIDAY auf seinen Modellen wie der hier von mir getesteten SEVENFRIDAY SF-P1B/01 “Construction from HK & China” auf dem Gehรคuseboden. Nice-to-know: Auch beim Sourcing half studiodivine mit seiner asiatischen Niederlassung.
Diese Offenheit ist zwar ziemlich ungewรถhnlich, findet aber auch Nachahmer: Zuletzt geisterte das Kickstarter-Projekt Code41 (Goldgena) durch die Uhrenwelt – Swiss Made is a Joke lautete dabei der Schlachtruf der Marke, welche ebenfalls offen die Produktion inย chinesischen Fertigungsstรคtten kommuniziert.
SEVENFRIDAY SF-P1B/01 im Test: Auรen hui…
Massiv, imposant und auffรคlig. Das waren meine ersten Gedanken, als ich die SEVENFRIDAY P1B/01 in den Hรคnden hielt. Natรผrlich habe ich bei einer angegebenen Grรถรe von sattenย 47,6×47 mmย (!) bei 13 mm Bauhรถhe kein Leichtgewicht erwartet, das eckige Gehรคuse, das mit seiner Form an einen alten Rรถhrenfernseher erinnert, ist aber dennoch ein รผberraschend massiverย Klotz Stahl. Trotzdem ist das Gesamtgewicht des Modells mit 150 Gramm vergleichsweise human. Das liegt daran, dass auf ein schweres Stahlband verzichtet wurde, welches den Tragekomfort sicherlich deutlich eingeschrรคnkt hรคtte. Das sehr weiche, geschickt in das Gehรคuse der SEVENFRIDAY P1B/01 integrierteย Lederband umschmeichelt mein 18,5 cm Handgelenkย sehr angenehm, wodurch der Brummer relativ gut zu tragen ist. Gefรคllig ist auch die Schlieรe, die geschickt die Gehรคuseform aufgreift…
Fรผr Handgelenke mit einem Durchmesser von deutlich weniger als 18ย cm ist die SEVENFRIDAY P1B/01 dennoch kaum sinnvoll tragbar – die Proportionen wรผrden einfach seltsam aussehen. Unter dem (Freizeit-)Hemd verschwinden lassen kann man die P1B/01 zwar so oder so nicht, darauf dรผrfte ein Kรคufer dieses auffรคlligen Brummers aber auch kaum aus sein ๐
Wer sich unsicher wegen der Grรถรe ist, sollte als Hilfestellung unbedingt das Muster-DIN A4-Blatt mit der Uhr ausdrucken, ausschneidenย und anlegen oder in den nรคchsten Juwelier wackeln, der SEVENFRIDAY -Uhren fรผhrt.
Kommen wir noch mal zurรผck zum Gehรคuseย mit seiner charakteristischen Form: Durch abwechselnd satinierte und polierte Stellen zeigt es vieleย unterschiedlicheย Facetten, auch die Verarbeitung ist durchweg sehr hoch.ย Die sehr gute Gehรคuseverarbeitung hรถrt auch nicht beim Boden auf: Dort befinden sich sehr detaillierte eingravierte Schriften (z.B. zur Wasserdichtigkeit – leider nur 3 bar = Spritzwasserschutz) und ein optisch hervorgehobener Globus aus Kunststoff, der Hinweise auf die Herkunft der Uhr und des Werkes gibt:
Der Globus erfรผllt auch einen ganz konkreten Zweck: Dadrunter befindet sich einย NFC-Chip, den mittlerweile alle SEVENFRIDAY -Modelle spendiert bekommen. Der Chip erlaubt die Registrierung via App, um Herstellern vonย Replica-Uhren den Kampf anzusagen. Mehr dazu im Fazit.
Neben dem markanten Gehรคuse ist das Ziffernblatt maรgeblich fรผr die sehr eigenstรคndige Optik verantwortlich: Das offene “Herz” (sogenannte Unruh = Balance Wheel) samt rotierender Sekundenscheibe anstelle eines Zeigers sorgen fรผr eine plastische Optik und einen hohen Wiedererkennungswert. Die wuchtigen, an Zahnrรคder erinnernden Zeiger unterstreichen denย industriellen Look der P1B/01 hervorragend:
Man beachte vor allem das unterschiedliche Finish und die verschiedenen Ebenen des Ziffernblattes, welches aus insgesamt 11 verschiedenen Teilen besteht – top! Deutlich wird dieย plastische Optikย insbesondere in bewegten Bildern – mit dem folgenden Video habe ich fรผr meine Leser natรผrlich weder Kosten noch Mรผhen gescheut gehabt:
So faszinierend das Ziffernblatt auch ist: Der Ablesbarkeit kommt das komplexe Design logischerweise nicht grade zu Gute – ich musste oft genug zwei mal hinschauen, um die Uhrzeit zu entziffern. Die zusรคtzliche, rotierende 24-Stunden-Scheibe hilft zwar auch nicht beim Ablesen, aber man kann zumindest – ohne aus dem Fenster schauen zu mรผssen – sehen ob es schon Abend ist ๐
… innen …?
“Engine: From Japan” heiรt es auf dem Gehรคuseboden der SEVENFRIDAY P1B/01. Das ist an sich erst mal nichts Schlechtes: Mit dem japanischen Miyota 9015 Automatikwerk aus dem Hause Citizen habe ich zum Beispiel bei einer Marc & Sons Taucheruhrย sehr gute Erfahrungen gemacht. Nicht umsonst gilt das Miyota 9015 auch als echte Alternative zum Schweizer ETA 2824.
In der SEVENFRIDAY P1B/01 tickt allerdings ein Werk aus Miyotas 8er Baureihe: das Miyota 82S7. Die 8er Baureihe gilt zwar als ausgereift und zuverlรคssig und kommtย mit ordentlichen 40 Stunden Gangreserve,ย die Werkeย glรคnzen allerdings nicht grade mit hoher Ganggenauigkeit. Denn: Das 82S7 lรคuft mit einer Frequenz von vergleichsweiseย mageren 21600 bph. Zum Vergleich: Miyota-Werke der 9er Baureihe laufen wie die gรคngigen ETA-Werke mit 28800 bph.
Miyota gibt die Ganggenauigkeit des Werkes mit -20 bis +40 Sekunden pro Tag an, bei meiner Messungย der SF-P1B/01 bewegte sich der Wert bei ca. -10 Sekunden pro Tag. Fans von genau laufenden Uhrwerken innerhalb der Chronometernorm werden mit der SF-P1B/01 also sicherlich nicht glรผcklich.
Leider kommt noch ein weiterer Kritikpunkt dazu: Um ein (gehรคrtetes)ย Mineralglas in der Preisklasse zu finden, muss man schon recht lange suchen – ich habe bereits Uhren fรผr um die 350โฌ getestet, die ein kratzunempfindliches Saphirglas verbaut haben.
Neben Kostenaspekten hat SEVENFRIDAY dem Mineralglasย wahrscheinlich den Vorzug gegenรผber Saphirglas gegeben, da es weniger Lichtreflexionen verursacht als Saphirglas.
Und das muss man der SF-P1B/01 tatsรคchlich lassen: Das Ziffernblatt kommt mit dem verbauten Glas hervorragend aus allen Winkeln zur Geltung, dennoch wรผrde ich ein entspiegeltes Saphirglas in der Preisklasse definitiv bevorzugen.
Fazit zur SEVENFRIDAY SF P1B/01 und Warnung vor Replicas
Mit der SF-P1B/01 (und allen anderen Modellen von SEVENFRIDAY) kauft man vor allem Design. Ziemlich *sorry* geiles Design sogar. Und dass Design seinen Preis hat, weiร man spรคtestensย seit es Apple gibt. Hรถchste Uhrmacherkunst bzw.ย Haute Horlogerie ist SEVENFRIDAYs Schรถpfung zwar nicht,ย dafรผr braucht man aber auch nicht den Gegenwert eines Kleinwagens fรผr diese extrovertierte Uhr investieren.
Um noch mal die Eingangsfrage aufzugreifen: Ja, die SEVENFRIDAY P1B/01 wirkt optisch und haptisch teurer aus als sie ist – dennoch ist der Preis (UVP 1150โฌ) kein Schnรคppchenย vor dem Hintergrund des Mineralglases und des Miyota 82S7 Automatikwerkes.
Sehr lรถblich ist aber, dass SEVENFRIDAY um das Mineralglas und das Miyota-Werk keinen Hehl macht: Auf der Website werden alle Eckdatenย klar und offen kommuniziert. Das ist keine Selbstverstรคndlichkeit: Leider verschleiern viele Hersteller allzu oft die Automatikwerke mit internen Bezeichnungen oder Infos werden “zufรคllig” ausgelassen.
Ob man die Kompromisse beim Werk und beim Glas in Anbetracht des Preises eingehen will, muss jeder selbst entscheiden. Wer sich an den beiden beschriebenenย Kritikpunkten nicht stรถrt, darf summa summarum aber bedenkenlos zuschlagen: Mit 1150โฌย (UVP) รผber SEVENFRIDAYs Online-Shop oder diverse Hรคndlerย bekommt man eine sehr gut verarbeitete Uhr mit einerย Optik, mit der man garantiert auffรคllt – sofern man das denn will.
An dieser Stelle noch eine Warnung vor Replicas, die auch auf ebay relativ unbehelligt verkauft werden: Seit einem meiner ersten Artikel รผber Replica Uhren, habe ich die neuesten Replica-Trends nie ganz aus dem Auge gelassen und ich musste feststellen, dass SEVENFRIDAY zunehmend das Ziel von Herstellern aus Fernost wird. Ich verstehe zwar nicht ganz, wo der Sinn darin liegt, รผber 300โฌ fรผr ein Replica zu zahlen, wenn es das Original fรผr um die 1000โฌ gibt, die Replica-Schwemme lรคsst aber auf eine gewisse Beliebtheit der Marke schlieรen.
SEVENFRIDAY baut mittlerweile als Gegenmaรnahme NFC-Chips in alle Modelle ein, damit der Kunde verifizieren kann, dass die Uhr echt ist. Apple-Nutzer blicken allerdings in die Rรถhre und mรผssen einen mit Android ausgestatteten Kollegen/Freund/Bekannten um Hilfe bitten:
Wie immer in meinen Reviews darf an dieser Stelle natรผrlich nicht die Nennung einer Alternative fehlen. Und diese habe ich bereits kurz angeschnitten: Die mit viel Trommelwirbel in den Medien gepushte Marke Code41 (ehemals Goldgena) geht ebenfalls ganz offen mit der chinesischen Produktionsherkunft und einem japanischen Miyota 82S7 Automatikwerk um.
Aufgrund der Bauweise des Miyota 82S7 kein Zufall: Durch die offene Unruh ist das Modell Anomaly 01 optisch mit der SEVENFRIDAY P1B/01ย durchaus vergleichbar, auch wenn sie mit 42mmย deutlich weniger massiv wirkt…
Leider gibt es zur Qualitรคt der Code41-Uhren zum Stand Mai 2017 keine echten Erfahrungsberichte. Wer sich gerne selber einen Eindruck verschaffen will, kann die Uhr vorbestellen – ab ca. 800โฌ ist man dabei.
Ich habe nach Deinem Microbrand Artikel mal einen Blick auf die VDB Seite geworfen, und wรผrde einige derer Modelle bedenkenlos als Alternative betrachten. Den Industrielook bekommen die auch gut hin (meines Erachtens sogar stimmiger) und von der verbauten Technik her spielen sie in der gleichen Liga, oder? Du hattest ja auch schon eine VDB im Test. Kannst Du die empfehlen? (Ich habe noch nicht nach den Preisen gefragt, weil ich mir jetzt erst mal eine Hamilton angeln will..)
Hallo Andreas,
danke fรผr deinen Kommentar. Von VDB habe ich bisher nur Gutes gehรถrt, allerdings hatte ich leider noch kein Modell des Herstellers in der Hand. Die Durchmesser bei VDB sind auch nicht ganz ohne… ๐ Technisch macht man dank ETA-Werken auch nichts falsch…
Viele Grรผรe
Mario
Vielen Dank fรผr Deine Einschรคtzung. Ich hatte mich in der schier unรผberschaubaren Landschaft der Microbrands verlaufen und meinte vor allem die Ancon X-35 Concept II mit dem Industrial-Design, die selbst aber auch nur ein Myota 8 Werk beherbergt. Egal, die VDB ‘handmade’ sehen sowieso besser aus ๐