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Als Uhren-Freak denke ich, ich hätte schon alles gesehen. Ich wurde aber mal wieder eines Besseren belehrt: Die Füllfederhalter, Kugelschreiber, Rasierpinsel, Nassrasierer und Humidore, die Reto Bochsler in seiner Werkstatt in der Nähe von Zürich zaubert, sind mir in der Form jedenfalls noch nicht unter die Augen gekommen – die Spezialität des Schweizers: Das Einarbeiten von Uhren-Komponenten wie beispielsweise Zahnräder, Zifferblätter etc. in seine Kreationen. Wie der beruflich eigentlich in der IT tätige Reto Bochsler zu gedrechselten Schreibgeräten kam, wie die typischen Arbeitsschritte aussehen und was Retos Zukunftspläne sind, hat er mir im Interview verraten…

Über Reto Bochsler und die personalisierten, gedrechselten Kugelschreiber, Füller & Co.

Reto Bochsler ist sicherlich nicht der typische Handwerker. Eigentlich ist er hauptberuflich und in Vollzeit als Senior System Engineer bei einem großen Schweizer IT-Dienstleister angestellt. Reto zog es aber schon immer hin zum Handwerk – vom Zeichnen (Portrait) bis hin zum Modellbau (zum Beispiel Drohnen) fand er immer wieder zurück zur Natur und dem Holz. „Von kopflastiger Arbeit hin zu handwerklicher Arbeit ist ein sehr guter Ausgleich“ ergänzt Reto.

Sympathisch: Reto Bochsler

Sogar sein allererstes Werkstück konnte sich sehen lassen, wie er stolz erzählt: „Das war einen Holz-Kugelschreiber, der wie ein Tischbein geformt war. Absolut schönes Teil und einzigartig im Aussehen. Der Drechselmeister selbst war begeistert, für meine erste Arbeit sah es also offenbar gar nicht so schlimm aus“.

Viele Hobby-Handwerker begnügen sich damit während ihrer Freizeit Dinge zu basteln und diese an Familie und Freunde zu verschenken. Das hobbymäßige Handwerk war Reto aber nicht genug – ihn packte der Ehrgeiz, weshalb er quasi so nebenbei eine Ausbildung in einer Schweizer Drechslerei gemacht, um sich das nötige Wissen anzueignen und sein Handwerk zu professionalisieren. „Das positive Feedback, welches ich für meine ersten Arbeiten bekommen habe, hat mich darin bestätigt weiterzumachen“.

Im persönlichen Telefonat mit Reto habe ich ihm die Freude am Drechseln mit jeder Silbe angemerkt. Seine Arbeiten sind dabei weit weg von 08/15-Kugelschreibern oder dergleichen: Seine Spezialität sind hochwertige Einzelanfertigungen bzw. Unikate mit eingearbeiteten Uhrenteilen, zum Beispiel Füllfederhalter, Kugelschreiber, Nassrasierer und Rasierpinsel. Für Reto war das ein naheliegender Gedanke: „Die Schweiz ist bekannt als das Uhrenland. Dinge zu paaren, die schön sind – Holz, Uhrenteile etc. – war für mich dann naheliegend. Ich habe mich damit beschäftigt wie viele schöne Uhrenteile eine Uhr eigentlich besitzt. Viele alte Uhrenkomponenten werden ja auch einfach weggeworfen. Die Rettung alter Uhrenteile und deren Geschichte wieder zu beleben, indem Schönes hergestellt wird, war meine Inspiration.“

Als Schweizer hat Reto naturgemäß ein besonderes Faible für Uhren aus seiner Heimat: „Die Welt der Uhren hat mich schon immer fasziniert. Die Perfektion im Inneren und deren Uhrenteile bewegen mich“. Retos allererste Uhr kam allerdings aus Japan – eine Seiko, die er geschenkt bekommen hat.

An dieser Stelle hake ich bei Reto nach, woher er das Material für seine Kreationen herbekommt – Vintage-Zifferblätter von Uhrenherstellern wachsen schließlich nicht auf den Bäumen, auch nicht in der Schweiz 😉. Da lässt sich Reto aber nicht in die Karten gucken: „Betriebsgeheimnis, sorry“.

Die Entstehung: Reto Bochslers Werkstatt in Küttigen, Kanton Aargau

Und so sehen die typischen Arbeitsschritte bei der Erstellung der gedrechselten Füllfederhalter, Kugelschreiber & Co. aus: „Zunächst visualisiere ich das geplante Produkt und die damit einhergehenden Arbeitsschritte. Anschließend bereite ich das Material vor, das heißt ich reinige beispielsweise die Uhren-Komponenten, die ich verbauen will…“

Reto Bochsler in seiner Werkstatt im Schweizer Küttigen

„Dann wird das Holz auf Maß zugeschnitten, vorgebohrt und schon mal grob in Form gebracht. Dann geht’s ans Design, das heißt jede einzelne Uhren-Komponente wird vorsichtig geformt und unter der Lupe mit Pinzette an seinen Platz gebracht.“

Auf Perfektion gebogenes ZENO-Zifferblatt

„Nach der Kontrolle und der erneuten Reinigung wird das Produkt eingegossen und nach dem Aushärten des Gusses wird das ‚blank‘ auf Maß vorgeschliffen. Anschließend wird das Werkstück von Hand in Form gedrechselt, feingeschliffen und auf Hochglanz poliert – fertig!“

„Nach einer weiteren Qualitätskontrolle wird der Versand vorbereitet. Das Werkstück lege ich in eine exklusive, edle Box mit Zertifikat. Dann geht das fertige Produkt auf die Reise zum Kunden oder wird direkt vor Ort bei mir abgeholt.“

Je nach eingesetztem Material, der Komplexität der Anfrage und sonstigen Feinheiten benötigt ein Produkt laut Reto dabei rund 5 bis 40 Stunden reine Arbeitszeit, d.h. bis zu einer Woche Vollzeit-Arbeit. Was ist der schwierigste Arbeitsschritt? Reto Bochsler sagt dazu: „Jeder Arbeitsschritt ist wichtig – es darf bei keinem ein Fehler geschehen. Von A bis Z muss alles korrekt sein. Insbesondere aber die millimetergenaue Perfektionsdrechslerei ist aber durchaus eine Herausforderung, für die man viel Geduld und eine ruhige Hand benötigt.“

In diesen beiden Videos wird denke ich klar, was er meint – ein handwerklich ziemlich ungeschickter Mensch wie ich kann sich jedenfalls kaum vorstellen wie die ganzen kleinen Uhrenteile so präzise und symmetrisch in den Kugelschreibern etc. landen können… (zum Abspielen bitte klicken)

Trotz handwerklicher Affinität und vieler vieler Stunden Erfahrung geht natürlich auch bei Reto mal was schief: „Mein ärgerlichster Ausrutscher war am Schluss eines der schönsten Werkstücke. Während dem letzten Polierdurchgang mit meiner neuen Poliermaschine, flog mir das Werkstück aus der Hand und zerschellte an der Wand. Sehr aufwändig habe ich dann die eingearbeiteten Uhrenteile herausgetrennt, verarbeitet sowie in Hochglanz gebracht und neu eingearbeitet. Heute ist dies eines meiner schönsten Füller.“

Reto Bochsler: Vertriebswege

Als ich das erste Mal Reto Bochslers Webseite angesteuert habe, habe ich erst mal ein paar Minuten damit verbracht den „Shop“ oder „Kaufen“-Button zu finden. Gefunden habe ich: Nichts.

Reto sagt dazu: „Interessenten können direkt zu mir in die Werkstatt kommen, die liegt in etwa auf halber Strecke zwischen Bern und Zürich. Einige meiner Arbeiten sind auch im Ritschard Rasor Shop in Zürich ausgestellt.“

Und wenn man nicht grade in der Nord-Schweiz wohnt? „Natürlich können Interessenten mich aber auch per Email kontaktieren und ihre Wünsche äußern. Ich fertige ja individuell und nicht auf Masse.“, ergänzt Reto.

Reto Bochslers Kunden sind mehrheitlich Privatleute, aber auch Firmen haben schon bei Reto bestellt, zum Beispiel Jublilar-Geschenke. Den einen oder anderen ungewöhnlichen Kundenwunsch erreichte Reto dabei auch schon: „Für einen Kunden habe ich einen Füller mit eingearbeiteten Perlhuhn-Federn umgesetzt. Ein weiterer hatte den Wunsch, dass ich eine Elektroplatine zu einem Schreibgerät verarbeite“.

Ein ziemlich ungewöhnlicher Kundenwunsch: Kugelschreiber mit eingearbeiteter Elektroplatine

Preislich starten Reto Bochslers Arbeiten bei mehreren Hundert Franken. Je nach Aufwand bzw. verwendeter Materialien kann das aber auch schon mal in die Tausende gehen. „Nassrasierer und Rasierpinsel starten ab 300 CHF (ohne Uhrenteile) und gehen bis hin zu 2800 CHF mit Uhrenteilen und Diamant-Besetzung. Ein Humidor ist ab 260 CHF zu bekommen. Schreibgeräte, also Füller oder Kugelschreiber, starten bei 360 CHF – ohne Uhrenteile.“

Die Zukunft

Wenn der Tag 48 Stunden statt 24 Stunden hätte würde Reto die Zeit am liebsten damit verbringen sein Geschäft weiter auszubauen: „24h Stunden würden reichen, wenn ich vollumfänglich meinem ‚Hobby‘ dienen könnte. Da ich aber noch zu 100% arbeite, benötige ich die zusätzlichen 24h für die Umsetzungen an Ideen und deren Erfolge.“ Aber auch die Freizeit darf dabei nicht zu kurz kommen – hier betätigt sich Reto gerne sportlich, trifft die Familie oder kümmert sich um’s Haus: „Der Umbau meiner Küche ist derzeit eines meiner weiteren Nebenprojekte“.

Reto ergänzt: „Eines meiner ersten Ziele ist, den Erfolg zu steigern, sodass ich meinen Beruf ummünzen kann.“ Langfristig, d.h. in rund 10 Jahren, will er seine Produkte dabei erfolgreich über verschiedene Plattformen anbieten oder beispielsweise auch exklusiv auf Vernissagen präsentieren und verkaufen. „Ich arbeite übrigens auch grade an einer eigenen Armbanduhr“, ergänzt Reto. Man darf gespannt sein! 🙂

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Günter
5 Jahre zurück

Ein Mensch der seine Phantasie auslebt und in seinen kleinen Kunstwerken präsentiert. Nichts für mich persönlich. Aber toll wie der gute Mann das umsetzt. Hut ab

Ruedi
5 Jahre zurück

Ein ganz „mal was anderes“ toller Bericht und superschnell Arbeit.
Da weckt in mir „ein haben will“