Disco-Fieber, Plateau-Schuhe, WM-Titel, ABBA, Queen und der VW-Bulli mit Flowerpower-Dekor – die 70er hatten so einiges zu bieten. Auch horologischer Natur: Mit mutigeren Farben und quadratischen Gehäuseformen stachen verschiedene Uhrenhersteller aus der Masse heraus. Vor diesem Hintergrund hat die Manufaktur Glashütte Original erstmalig 2014 die Seventies Chronograph Panoramadatum innerhalb der Vintage-Modellreihe auf den Markt gebracht. Seitdem ist die Seventies fester Bestandteil des Glashütte Original-Sortiments.
Eckdaten Glashütte Original Seventies Chronograph Panoramadatum:
- Gehäuse 40x40mm, Höhe 14,10mm
- Verschraubte Krone
- 10 bar Wasserdichtigkeit
- Verschiedene Zifferblatt-Varianten, u.a. blau mit Sonnenschliff oder grün mit Farbverlaufseffekt
- Indizes und Zeiger mit Super-LumiNova
- Automatikkaliber 37-02, 70 Stunden Gangreserve, 28.800 bph, u.a. Chronograph mit Flyback-Funktionalität, Gangreserveanzeige, Panoramadatum
- Verschiedene Bandoptionen: Nubukleder, Louisiana-Alligatorleder, Kautschuk oder Edelstahl (Edelstahlband mit Schließe mit werkzeugfreier Feinjustierung)
- Preis: ab 14.900€ bei vielen offiziellen Fachhändlern weltweit
Glashütte Original Seventies Chronograph Panoramadatum im Test
An die Quadratur des Kreises haben sich im Laufe der Geschichte schon einige Uhrenhersteller rangewagt: Einen nennenswerten Anfang machte die Cartier Tank im Jahre 1918. Dieser Stil kam allerdings erst so richtig in den 50er Jahren auf (z.B. Patek Philippe 2493) und später noch mal Anfang der 70er. Quadratische Uhren wurden vor allem mit klassischem und elegantem Design bzw. Dresswatches in Verbindung gebracht. Beispiele in den 70ern sind die Omega Constellation 168.047 oder natürlich auch viele Modelle von GUB Glashütte wie die Spezimatic Kaliber 75, die eine Inspirationsquelle für die Glashütte Original Seventies Chronograph Panoramadatum darstellte. Eher sportlichere Modelle wie die Universal Polerouter 872101 waren die Ausnahme.
Häufig findet man auch den Begriff TV-förmiges Gehäuse, was es mit Blick auf Röhrenbildschirme der 70er auch durchaus trifft. Kurzum: Das Quadrat ist eine Gehäuseform, die es schon eine ganze Weile gibt, gleichzeitig aber bis heute eine echte Ausnahme ist, die in unserer von kreisrunden Zeitmessern dominierten Welt stark heraussticht.
Der Seventies Chronograph ist auch ein wunderbares Beispiel für eine funktionale, logische und absolut symmetrische Anordnung verschiedener Anzeigen und Komplikationen: Zunächst einmal finden wir den 30-Minuten-Chronographenzähler bei “3 Uhr” und eine kleine Sekunde bei “9 Uhr”, jeweils mit feinem Schallplattenmuster. So weit, so “normal”.
Eine echte Besonderheit ist der Stundenzähler in Form einer intuitiv ablesbaren Scheibenanzeige bis maximal 12 Stunden unterhalb des Glashütte Original-Logos. Das charakteristische Großdatum (Panoramadatum), das mittlerweile ein allgemeines Markenzeichen für Uhren von Glashütte Original geworden ist, befindet sich in zentraler Position bei “6 Uhr” und ist meiner Meinung nach die deutlich geschicktere Lösung als eine aufgesetzte Datumslupe. Die kleine Sekunde hat außerdem auf geschickte und dezente Art und Weise eine kompakte Gangreserveanzeige integriert.
Das Blau des von einem Saphirglas geschützten Blattes wirkt sehr kühl und gleichzeitig durch den superfeinen Sonnenschliff sehr lebendig. Das Zifferblatt ist dabei galvanisiert: Aus funktionaler Sicht sorgt dieses Verfahren zur elektrochemischen Abscheidung von Metallen für zusätzlichen Schutz, zum Beispiel vor Korrosion bzw. Anlaufen. Optisch sorgt die Technik für einen intensiven metallischen Glanz. Die Zeiger und Indizes wiederum sind rhodiniert, d.h. mit dem hochglänzenden silberweißen Edelmetall Rhodium überzogen, um den Glanz des Blattes zu unterstreichen.
Die grüne Zifferblattvariante unterscheidet sich in ihrer Farbwirkung deutlich von der blauen und verfolgt ein völlig anderes Konzept (ähnlich wie sich das bei den Varianten der Glashütte Original SeaQ Panoramadatum verhält):
Diese Variante kommt nicht etwa mit einem Sonnenschliff, sondern mit einer matt-lackierten, dezent “feinkörnigen” Oberfläche samt Degradé-Effekt, also einem Farbverlauf von hell (im Zentrum) zu dunkel (am Rand).
Dieser auch “Smoked” genannte Effekt findet sich (und das ist natürlich kein Zufall) nicht selten bei Zeitmessern der 70er Jahre – mutige Farbentscheidungen waren damals durchaus üblich und entsprachen dem Zeitgeist dieser bunten Dekade.
Die mit Super-LumiNova gefüllten applizierten Stundenindizes und Zeiger sind außerdem etwas dunkler gehalten, in einer Art “Gunmetal”-Stil – das unterstreicht die kontrastreich-schwarzen Anzeigen für das Datum, die Stundenzähl-Scheibe und die Gangreserve wunderbar.
Das aus 316L-Edelstahl gefertigte TV-förmige Gehäuse misst 40 x 40mm. Mit 14,1mm ist die Bauhöhe nicht ganz ohne, aber für einen mechanischen Chronographen in einem gängigen Rahmen. Man bedenke auch, dass quadratische Uhren naturgemäß etwas größer bzw. präsenter am Handgelenk wirken als runde Uhren mit dem selben Durchmesser.
So oder so: Viel wichtiger sind aber die Proportionen, die im Falle der Seventies einen stimmigen Eindruck machen. Gleichzeitig nehmen auch die stark abgerundeten Ecken etwas von der Wuchtigkeit, die einer quadratischen Gehäuseform naturgemäß zugrunde liegt.
Die dynamischen Linien und fließenden Kurven werden durch den Wechsel von polierten und satinierten Oberflächen gut hervorgehoben. Man beachte vor allem die extrem feine, hochwertig wirkende Satinierung an den Flanken – auf der linken Gehäuseflanke, auf der Höhe von “10 Uhr”, finden wir darüber hinaus den Korrektor für das Panoramadatum, der dezent in das Gehäuse versenkt wurde.
Aufgrund der vollintegrierten Bauweise von Gehäuse und Band lassen sich Bänder “von der Stange” nicht sinnvoll an der Glashütte Original Seventies Chronograph Panoramadatum montieren.
Gut ist daher, dass Glashütte Original hier viele passende Optionen mitbringt – allen voran ein haptisch toll abgestimmtes Stahlband mit einer werkzeugfreien Feinjustierungsmöglichkeit in acht Schritten über das Drücken des gespiegelten G-Logos auf der Schließe – und glaubt mir, wenn ich sage, dass diese Funktionalität erfahrungsgemäß vor allem im Sommer viel wert ist, denn mit steigenden Temperaturen wächst der Handgelenkumfang deutlich an und das Band kann dadurch unangenehm drücken.
Mit dem Feinjustierungssystem kann man entsprechend (werkzeuglos) etwas Luft ans Handgelenk bringen. Der Tragekomfort wird in der Summe deutlich erhöht.
Solch ein Feinjustierungssystem verlangt naturgemäß nach mehr Platz in der Schließe, da der Mechanismus ja irgendwo untergebracht werden will. Im Vergleich zu anderen Schließen mit integrierter Feinjustierung, die ich bisher in der Hand hatte, ist die Schließe der Seventies aber erstaunlich flach gebaut. Das macht sich beispielsweise im Büroalltag beim Arbeiten mit Maus und Tastatur positiv bemerkbar.
Ferner bietet Glashütte Original Bandvarianten aus Nubukleder, Louisiana-Alligatorleder (mit IRV-Artenschutzfahne) oder Kautschuk – insbesondere letzteres ist eine gute Idee, wenn es mal sportlicher zugeht. Passend dazu ist das Gehäuse bis 10 bar wasserdicht (zum Schwimmen geeignet), was für diesen Uhrentypus löblich und keine Selbstverständlichkeit ist. Alles in allem lege ich aber die Seventies jedem Interessierten vor allem in Verbindung mit dem Stahlband ans Herz – der Aufpreis ist’s definitiv wert.
Manufakturkaliber 37-02 mit Flyback-Funktionalität
Auch wenn der Seventies Chronograph unmissverständlich wie ein Kind der Siebziger aussieht, tickt im Inneren ein liebevoll dekoriertes Automatikkaliber mit modernen Spezifikationen, darunter 70 Stunden Gangreserve, ein Schaltrad und eine Flyback-Funktionalität.
Zunächst aber einige Worte zur Optik, denn hinter dem verschraubten Glasboden eröffnet sich der Blick auf das imposante Erscheinungsbild des Manufakturkalibers 37-02. Neben der traditionellen Glashütter Dreiviertelplatine mit Streifenschliff stechen der skelettierte Automatikaufzug mit goldenem Doppel-G-Logo und Außenbereich aus 21-karätigem Gold ins Auge. Anglierte Kanten, polierte Stahlkomponenten, thermisch gebläute Schrauben & Co. setzen schicke i-Tüpfelchen. Kleiner Wermutstropfen: Das Schaltrad (auch: Säulenrad), das die Funktionen „Start“, „Stopp“ und „Nullstellung“ hochpräzise auslöst und sich typischerweise außerdem positiv durch geschmeidiges, sanftes Betätigen der Chronographen-Drücker bemerkbar macht, ist leider nicht optisch hervorgehoben (gebläut oder dergleichen).
Die Start- und Stoppfunktion des Chronographen wird durch den oberen Drücker aktiviert – so weit so normal. Der Flyback-Mechanismus wiederum kommt durch den unteren Drücker zum Tragen: Die laufende Stoppzeitmessung wird sofort zurückgesetzt, d.h. Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger des Chronographen springen auf Null zurück. Der Clou: Es beginnt sofort bzw. verzögerungsfrei eine neue Messung, sobald der Flyback-Drücker losgelassen wird.
Zum Vergleich: bei einem “normalen” Chronographen ohne Flyback-Funktion passiert beim Betätigen des Reset-Drückers einfach gar nichts, solange die Zeitmessung “akut” läuft. Mit anderen Worten: Das Stoppen der laufenden Messung, die Rückstellung des zentralen Chronographen-Zeigers und das erneute Auslösen einer neuen Messung lassen sich bei einem Flyback-Chrono “in einem Abwasch” und damit deutlich schneller erledigen. Man kann von einer „Rückstellung im Fluge“ sprechen, was auch die Namensherkunft des Begriffs “Flyback” erklärt.
Mehr: Kraftverlauf beim Schaltrad-Chronographen / Rattrapante- und Flyback-Funktion erklärt
Abschließende Gedanken
Mit ihrem präsenten, quadratischen Gehäuse, dem klar strukturierten und optisch auch im Detail perfekt umgesetzten Zifferblatt (mit charakteristischen Merkmalen wie Großdatum, Scheibenanzeige, Gangreserve) und dem modernen, optisch überaus gefälligen Manufakturwerk, das keine technischen Wünsche offen lässt, sticht die Glashütte Original Seventies Chronograph Panoramadatum unter den hochwertigen mechanischen Sportchronographen deutlich heraus.
Wer hochwertige deutsche Uhrmacherkunst sucht, liegt bei der Seventies goldrichtig – die hat aber auch ihren Preis: Mindestens 14.900€ sind auf den Tisch zu legen (am Stahlband sind es Liste 16.100€).
Abschließender Tipp: Neben den hier gezeigten Serienmodellen gibt es auch zwei auf jeweils 100 Stück limitierte Varianten in den matten Farben “Ocean Breeze” und “Golden Bay“, die an die kräftigen Farben der 70er angelehnt sind:
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Die Preise sind wohl ein Witz, oder?
Hi Peter, magst du das noch etwas ausführen? 😉
Moin Mario!
Sehr schöne Uhren, kein Zweifel!
Vom Design eine Alternative zu der Tag Heuer Monaco. Organischer.
Meine Frage: Was ist das für eine Verschraubung am Boden? Ist das Torx? :-O
(Da habe ich wohl gefehlt…)
Danke.
Servus
Dirk
Hamburg
Ich glaube das heißt Torx, ja 😀
Ich finde die Uhr grandios – auch die symmetrische Aufteilung des Zifferblatts incl. Gangreserveanzeige. Tolle Uhren hat GO im Programm. Und qualitativ über jeden Zweifel erhaben. Preise? Für Uhren aus der Manufaktur mit 95% Fertigungstiefe völlig ok, insbesondere im Vergleich mit gehypter „Massenware“ aus der Schweiz.
Ich bin Besitzer der seventies, gekauft 2018.
Das Zifferblatt in Blau/lila einfach eine Augenweide. Schade das zu einem späteren Zeitpunkt die Farbe ins „Mainstream“ blau geändert wurde.
Offenbar ist die seventies als Dreizeiger abgeschafft worden. Auf der HP von GO nicht mehr zu finden – schade.
Die Chrongraphen haben das bessere, neuere Kaliber im Vergleich zum Dreizeiger.
Diese mit einem alten Werk und nicht mehr zeitgemäßer Gangreserve von ca. 40 Stunden ausgestattet war.
Mich hat es damals nicht gestört, da die Optik so herrlich anders war und das Grossdatum, die Bandwechselmöglichkeit schon ziemlich geil war.
Der Preis war auch attraktiv, sind die Uhren von GO häufig günstiger zu bekommen.
Die hier gezeigten Chrongraphen passen dennoch aus meiner Sicht nicht mehr, preislich jenseits von dem was ich dafür ausgeben würde.
Das Zifferblatt gefällt mir von der Aufteilung gar nicht. Was soll das mit der extra 12 Stundenanzeige? Symmetrie über alles? Einsatzzweck?
Gangreserveanzeige, bitte auf die Rückseite der Uhr.
Ich würde mir wünschen, dass die Uhr in der Dreizeigervariante wieder kommt, flacher, leichter, besseres Kaliber (gerne 36er).
Damit sollte GO Marktanteile gewinnen, nicht mit diesen Klopfern.
Ausserdem sollte GO, als Mitglied der Swatch Group endlich auch 5 Jahre Garantie auf die Uhren aus der Manufaktur bieten (aktuell 24 Monate). Warum man das immer noch nicht kann(will), weiß nur der Hersteller…
Obwohl mir meine Seventies immer noch gefällt, mit dem Metallarmband schon nicht mehr so angenehm zu tragen, wie z.B. mit dem Lederarmband, oder mit dem von mir favorisierten Kautschukband, würde ich mich über eine Aufwertung dieses Modells freuen.
GO!