Vor ein paar Monaten habe ich mich in einem kleinen Artikel der FORMEX TryOn-App gewidmet, mit der die virtuelle Anprobe von Uhren der Schweizer Marke möglich ist. Der Ansatz passt wie die Faust auf’s Auge zur mittlerweile ausschließlich auf den Online-Handel fokussierten Strategie des in Biel ansässigen Unternehmen. Ob auch die Qualität der Uhren passt und was mir der neue FORMEX-Geschäftsführer Raphaël Granito im Interview aus dem Nähkästchen erzählt hat, lest ihr hier…
FORMEX Swiss Watches: Vergangenheitsbewältigung und Neuausrichtung
Seit 2015 leitet der junge Extremsportler Raphaël Granito die Geschicke der Schweizer Uhrenmarke FORMEX. Einer seiner ersten Amtshandlungen: Der Rückzug aus dem stationären Einzelhandel und der alleinige Fokus auf das Online-Geschäft. Raphaël Granito sagt über den FORMEX-Online-Shop:
Wir sind zurzeit fünf Personen bei FORMEX, arbeiten aber eng mit unserer Webdesign-Agentur zusammen, da wir unseren Online-Shop ständig weiterentwickeln und auch mit ihnen an unseren Marketingkampagnen arbeiten. Schließlich ist unser Shop und unsere Website unser Verkaufspunkt, welcher jederzeit einwandfrei und benutzerfreundlich funktionieren muss.
FORMEX geht in diesem Zusammenhang ungewöhnlich transparent mit der Preispolitik um: Die Bieler kalkulieren im Rahmen ihrer neuen Online-Strategie mit einem Faktor von 2.5 bis 3 (laut FORMEX gegenüber Faktor 6 bis 10, wenn Händler dazwischengeschaltet sind), um die Kosten zu decken und einen Gewinn zu erwirtschaften. Kosten, die zum Beispiel für den kostenlosen Rückversand von Ware in die Schweiz anfallen:
Die Arbeit, welche wir im vergangenen Jahr in unseren Online Shop gesteckt haben, erlaubt es uns heute, die Administrativen Abläufe einer Bestellung sehr effizient und automatisiert abzuwickeln. Uns war es auch sehr wichtig den Kunden einen Online-Kauf so einfach und sorgenfrei wie möglich zu gestalten, weshalb wir auch ein 30-tägiges Rückgaberecht gewähren, bei dem wir sogar die Rücksendung via UPS bezahlen. Die Lieferung erfolgt zudem in ganz Deutschland in 1-2 Tagen und alle Steuern und Zollabgaben werden von uns im Hintergrund abgewickelt, sodass der Kunde beim Erhalt der Uhr auch keine Überraschungen hat.
FORMEX ist jetzt so ausgerichtet, dass ausnahmslos alles über uns läuft. Davon profitiert der Kunde am meisten, da die Händlermarge wegfällt und er so eine Uhr kaufen kann, die halb so viel kostet wie dies bei einem Händler der Fall wäre.
Ich bohre an dieser Stelle noch mal nach und Frage explizit nach der Abwicklung von Service-Fällen und der Produktion der Uhren – unter dem ehemaligen Inhaber Holger Höhne nämlich, wurden FORMEX-Uhren teilweise in Lizenz produziert:
Zu unserer #betweenyouandus Strategie gehört, dass wir 100% der Service- und Reparaturfällen bei uns im Hause abhandeln und das der Kunde seine Reparierte oder Gewartete Uhr spätestens nach zwei Wochen zurückerhält.
Auch zu diesem Kredo gehört, dass wir 100% unserer Uhren, ob Quarz oder Mechanisch, bei uns herstellen. Lizenzproduktion gibt es keine mehr und es wird auch keine mehr geben. Natürlich arbeiten wir für die Herstellung von Gehäuseteilen mit den bestmöglichen Partnern, da es für eine kleine Marke wie uns fast unmöglich ist alles selbst herzustellen, ohne dass die Preise der Uhren ins Astronomische steigen. Wir haben eine Hand voll sehr spezialisierter Partner, mit denen wir seit über zehn Jahren zusammenarbeiten. Die Zifferblätter zum Beispiel werden im Schweizer Jura bei der Firma meines Vaters hergestellt*. Alle Komponenten werden zu 100% bei der Anlieferung von uns kontrolliert und die Uhren werden dann von uns montiert, bevor sie dann einzeln geprüft werden.
* Anmerkung: Es handelt sich um die Firma Dexel SA. Dexel ist hauptsächlich in die Konzeption, das Design und die Herstellung von Gehäusen, Armbändern und technisch komplexen Faltschließen für High-End Uhrenmarken zuständig. Die Firma wurde vor 30 Jahren von Raphaël Granitos Vater aufgebaut und er ist der Kopf und der Erfinder dahinter. Auch die Firma Cadranor gehört zur Gruppe und stellt ausschließlich Zifferblätter für dieselben Luxusmarken her.
Die neue Online-Strategie ist sicherlich auch Teil der FORMEXschen Vergangenheitsbewältigung: Einer der ehemaligen Vertriebswege ist beispielsweise das Teleshopping – China-Schrott, der verramscht wird, ist dabei eine Assoziationen, die im Zusammenhang mit diesem Vertriebsweg in diversen Foren aufkommt. Auch aktuell findet man noch online bei 123tv Auslaufmodelle der Marke FORMEX – bei selbigem Suchbegriff gleich neben formender Damen-Unterwäsche (wie auch immer das zustande kommt ). Auch bei Amazon gibt es derzeit noch massig stark rabattierte Auslaufmodelle der Marke.
Image-Probleme, die aus bestimmten Vertriebswegen und Rabatt-Schlachten resultieren – das bringt die Vergangenheit von FORMEX wohl auf den Punkt. Raphaël Granito ist sich dieser Problematik aber bewusst und sagt bei meiner Frage nach der Kooperation mit 123tv, die von Granitos Vorgänger initiiert wurde:
Hinterher ist es klar, dass diese Kollaboration der Marke FORMEX geschadet hat, aber wenn einem Angesichts einer Krise nicht viele Optionen bleiben, um die Firma am Leben zu erhalten, muss man manchmal auch Kompromisse eingehen. Ich sehe dies als wichtige Lektion an. Auch die größten Marken haben in der Vergangenheit Fehler begangen, von welchen sie einiges gelernt haben und aus welchen sie schlussendlich auch stärker geworden sind.
Die Zusammenarbeit mit 123tv war in den Jahren entstanden, in denen es der Uhrenindustrie nicht sehr gut ging und der ehemalige Besitzer von FORMEX hat das getan, was nötig war, um die Marke am Leben zu erhalten. Natürlich ist es Marketing-technisch nicht sehr toll für uns, dass es nach wie vor Uhren von uns bei diesen Quellen gibt.
Da wir aber, seit ich FORMEX übernommen habe, jegliche Zusammenarbeit mit 123tv und anderen Drittanbietern unterbrochen haben, wird es dort nicht mehr lange FORMEX-Modelle im Angebot geben.
Abschließend stelle ich Raphaël Granito noch eine Frage nach seinen Visionen, nämlich danach, wo er FORMEX in 10 Jahren sieht…
Ich sehe FORMEX in 10 Jahren als führende Uhrenmarke in der Gattung direct-to-consumer. Wir werden bis dann nicht nur online präsent sein, sondern ein Team haben, das weltweit Pop-Up Stores und vielleicht auch an gewissen strategischen Orten permanente Brand Stores betreibt. Der Markenerkennungswert wird in zehn Jahren so weit sein, dass FORMEX den meisten Uhrenfans ein Begriff sein wird und für hohe Qualität und industrieführende Preis/Leistungsverhältnisse stehen wird.
Zudem arbeiten wir längerfristig darauf hin, Menschen für mechanische Uhren zu interessieren, die sich zuvor aus Preisgründen nicht allzu sehr mit dem Thema beschäftigt haben. Durch unsere Preis- und Verkaufsstrategie, eröffnen wir Leuten die Möglichkeit eine Hochwertige Schweizer Automatikuhr mit technisch komplexen Gehäusen und einzigartigem Design zu erwerben, die sich zuvor durch die Hohen Preise eine vergleichbare Uhr nicht leisten konnten. Wir machen die Passion für Hochwertige Uhren ein Stück weit erschwinglicher.
Aus einer technischen Perspektive sehe ich FORMEX in 10 Jahren als sehr innovative und dynamische Marke, die mindestens 30 % ihrer Werke selbst herstellt. Ich möchte bis dahin eine Abteilung ausschließlich technischen Neuerungen im Bereich Werke widmen.
Raphaël Granito ist ganz offensichtlich voll dabei die Fehler der Vergangenheit auszubügeln und setzt auf einen klaren Schnitt. Auch die langfristigen Visionen zur Marke hat er ganz offensichtlich klar vor Augen. Ich traue FORMEX den Neustart auf jeden Fall zu – die ersten Schritte hat der junge Geschäftsführer bereits konsequent in die Wege geleitet.
Blicken wir also nun noch auf das Hier und Jetzt – den FORMEX Chronographen TS3100 aus der aktuellen Kollektion…
FORMEX Chronograph TS3100 im Test
Auch wenn ich als Bürosesselathlet im Alltag eher keinen Vibrationen und Schlägen ausgesetzt bin (letzteres höchstens von meinem Chef ), hat das System durchaus einen gewissen Nutzen: Insbesondere beim Beugen des Handgelenks bohrt sich durch die Federung das Gehäuse der TS3100 nicht ganz so unangenehm in den Handrücken, wie das bei einer anderen Uhr in dieser Jumbo-Größe vielleicht passieren würde. Gegen Ende meines kleinen Blockbuster Videos kann man die Gehäusefederung in Aktion sehen:
Mal abgesehen von der eigenständigen Design-Idee rund um die Gehäusefederung, hat mich die haptische Qualität des Gehäuses an sich positiv überrascht. Es gibt dank der aufwendigen Verarbeitung immer etwas neues zu entdecken – von dem matten Sicht-Carbon an der rechten Flanke, über die glänzenden Schrauben und den Kronenschutz bis hin zur sportlichen Carbon-Lünette…
Auch das kontrastreiche Ziffernblatt ist recht aufwendig und detailliert verarbeitet (applizierte Indizes, Totalisatoren,…). Leider ist die Leuchtkraft der Indizes und Zeiger kaum der Rede wert, das liegt aber schlicht daran, dass aus designtechnischen Gründen schwarzes Superluminova verwendet wurde, welches nur circa 10% der Leuchtkraft von normalem Superluminova hat. Zugegeben: Weißes Superluminova würde bei dem Modell TS3100 auch irgendwie seltsam aussehen, von daher ein durchaus nachvollziehbarer Schritt 😉
Alles in allem ist der Tragekomfort trotz der XL-Größe von 46,5 mm gut. Das liegt auch an der Anordnung der Drücker und der Krone an der linken Seite, damit diese sich nicht in den Handrücken bohren können. Außerdem ist das Gewicht der Uhr mit knapp 150 Gramm (inkl. Band) dank Titan-Gehäuse vergleichsweise human. Trotzdem empfinde ich die Größe des Chronos an meinem 19 mm Handgelenk als grenzwertig – eine kleinere Variante des Modells steht definitiv auf meiner Wunschliste…
Komfort-Punktabzug gibt es allerdings in Anbetracht des bei Auslieferung eher steifen Lederbandes: Ich musste das Band schon eine ganze Weile auf ein Uhrenkissen spannen, damit es tragbar wurde (das hatte was von einer mittelalterlichen Streckbank). Gut gefallen hat mir allerdings die nahtlose Gehäuseintegration des Bandes.
Im Zweifelsfall kann man für einen sehr fairen Aufpreis aber auch die Variante mit einem feingliedrigem Titanband wählen. Über die Qualität des Titan-Bandes kann ich allerdings leider keine Aussage treffen.
Der Motor des Formex TS 3100 Chronos ist ein bewährtes Schweizer ETA 7750 Automatikwerk mit dekoriertem Rotor, welches durch den Glasboden begutachtet werden kann. Die Ganggenauigkeit des hier getesteten Modells beträgt ordentliche +6 Sekunden pro Tag.
Fazit und Alternativen zum FORMEX TS3100 Carbon-Chrono
Auch wenn es leichte Abzüge beim Tragekomfort durch das ziemlich steife Lederband gibt – die Qualität der FORMEX TS3100 ist tip top und gibt keinerlei Anlass zu meckern. Insbesondere das sehr eigenständige Design samt Gehäusefederung, die auch für Bürotäter einen Alltagsnutzen bringt, möchte ich hervorheben. Oder um es kurz und bündig zusammenzufassen: Für 1425€ bekommt man mit der FORMEX TS 3100 jede Menge Uhr für’s Geld.
Übrigens: Die Lieferung erfolgt direkt aus der Schweiz, über Einfuhrumsatzsteuer bzw. Zollgebühren muss man sich aber keine Gedanken machen – die Abwicklung über UPS übernimmt FORMEX, was in meinem Fall tadellos funktioniert hat. Auch der Rückversand in die Schweiz wäre bei Nichtgefallen kostenlos.
Wie immer gibt’s an dieser Stelle natürlich auch noch Modell-Alternativen von mir. Zu nennen wäre da zum Beispiel der TAG Heuer Aquaracer Black Phantom Chronograph (CAY2018B) mit ETA 7750 Werk und sehr schicker Keramik-Lünette, den ich mal eine Weile mein eigen nennen durfte. Der Modellname kommt dabei nicht von ungefähr: Das Modell ist schwarz in schwarz ohne farbliche Akzente. Die Größe ist mit 43 mm etwas weniger kloppermäßig, der Tragekomfort ist dank Titan-Gehäuse und sehr weichem Textil-Band hoch.
Auch wenn ich die FORMEX TS3100 und den TAG Heuer Aquaracer Black Phantom Chrono nicht (mehr) direkt vergleichen kann, sind die Modelle auf einem ähnlich hohen Qualitätsniveau. Entscheidend dürfte der persönliche Geschmack sein und ob man sich für die extrem bekannte Marke TAG Heuer oder eben die Nischenmarke FORMEX entscheiden möchte – und natürlich der Geldbeutel: Der Black Phantom Chrono ist mit rund 3000€ (Online-Preis; UVP = 3650€) mehr als doppelt so teuer wie der FORMEX TS3100 Chrono…
Auch die Micro-Brand Steinhart hat eine Alternative im Portfolio, die einen Blick wert ist: Der Steinhart Le Mans GT Chronograph hat unmissverständliche optische Anleihen aus dem Motorsport und kommt mit einem sportlichen Carbon-Ziffernblatt mit roten Highlights. Mit 45 mm Durchmesser ist das Modell ähnlich groß wie der FORMEX TS3100 Chrono, die Wasserdichtigkeit ist mit 3 bar allerdings deutlich niedriger (spritzwassergschützt). Der Motor ist ebenfalls ein Schweizer ETA 7750. Der Preis ist mit 940€ alles in allem sehr fair.
Eckdaten des FORMEX TS3100 Chronographen in der Übersicht:
- Uhrwerk: Schweizer ETA Valjoux 7750 Automatik Chronograph mit Tages- und Datumsanzeige
- Referenz 3100.9.8299.216C
- Gehäuse-Durchmesser: 46,5 mm Höhe: 15mm
- Material: Edelstahl / Titan, schwarz PVD beschichtet
- Wasserdichtigkeit: 10 bar (zum Schwimmen geeignet)
- Saphirglas mit Anti-Reflektionsbeschichtung
- Armband aus Echtleder in Carbonoptik
- Referenznummer 3100.9.8299.216C
- Limitiert auf 999 Stück
- Patentierte Gehäuseaufhängung
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