Die meisten Uhrenhersteller aus Glashütte, Pforzheim, der Schweiz & Co. leiden stark unter der Corona-Pandemie: Weltweit mussten (und müssen) über Monate hinweg Juweliere schließen – der wichtigste Vertriebskanal der meisten Uhrenhersteller ist somit weggebrochen. Insbesondere im ersten Einzelhandels-Lockdown im Frühjahr 2020 hat die gesamte Branche einen immensen Einbruch erlebt. Im Sommer 2020 entspannte sich die Lage zwar, gegen Ende 2020 veranlassten die Regierungen in Europa und der Welt aufgrund weiterer Corona-Wellen aber erneute Lockdown-Maßnahmen. Für das klassische Geschäftsmodell, welches bei den meisten Uhrenherstellern nach wie vor ganz „Old School“ auf den Verkauf über den stationären Fachhandel ausgerichtet ist, sieht es daher nach wie vor nicht besonders rosig aus – in Deutschland beispielsweise gibt es im Allgemeinen derzeit noch gar keine echte Öffnungsperspektive für den Einzelhandel.
Die Corona-Krise schlägt sich bei vielen Uhrenherstellern in tiefroten Zahlen nieder: Ende Januar 2021 meldete die Schweizer Swatch Group (Markenportfolio: Omega, Blancpain, Tissot, Union Glashütte, Glashütte Original etc.) einen Konzernverlust von 53 Millionen Schweizer Franken – der erste Konzernverlust überhaupt in der Geschichte des Konzerns (zum Vergleich: 2019 betrug der Gewinn 748 Millionen CHF).
Die Krise zeigt sich auch deutlich mit Blick auf die Schweizer Exportstatistik 2020: Die zaghaft positive Entwicklung von 2017 bis 2019 wurde jäh beendet (2020 vs. 2019: minus 4,4 Milliarden Schweizer Franken):

Die Krise geht natürlich auch nicht am mit Abstand größten deutschen Uhren-Cluster im sächsischen Glashütte vorbei: Bei Nomos beispielsweise sind die Umsätze „teils deutlich zurückgegangen“, so PR-Sprecherin Alexa Montag im Februar 2021. Der eigene Nomos-Online-Shop hat aber zumindest einen Teil des Einbruchs abgefedert (dazu gleich mehr).
Die Swatch-Konzernleitung erwartet für 2021 einen starken Nachholbedarf des Konsums von Uhren und Schmuck weltweit – dass die Swatch Group Optimismus verbreitet ist gut, hat aber irgendwie etwas von „selbsterfüllender Prohpezeiung“.
In Glashütte ist man schon deutlich zurückhaltender: Tutima beschreibt den Zustand der Branche als „sehr kritisch“. Bei Nomos Glashütte geht man gar davon aus, dass es nach der Pandemie einige Uhrenmarken nicht mehr geben wird. Allein in Glashütte arbeiten rund 1700 Mitarbeiter, für die Kurzarbeit mittlerweile an der Tagesordnung steht.

Uhren-Hersteller bauen Online-Angebot aus – zumindest zaghaft
Die Pandemie zwingt die Uhrenhersteller zum Umdenken. Denn: Das unmittelbare Kauferlebnis beim Juwelier wird auch in den nächsten Wochen und Monaten vielerorts nicht wie gewohnt möglich sein – auch wegen der eher schleppend anlaufenden Impfstoffversorgung.
Meine persönliche Meinung dazu: Es verwundert doch sehr, dass viele deutsche und Schweizer Uhrenhersteller sehr lange stoisch auf den Verkauf über den stationären Einzelhandel gesetzt und den Online-Kanal weitgehend ignoriert haben. Das rächt sich nun in der Pandemie, der auch als Brandbeschleuniger für eine (verpennte) Digitalisierung gesehen werden kann. Dabei zeigen doch etliche Microbrands wie Circula aus Pforzheim, der gestandene japanische Hersteller Seiko (seiko-boutique.de), Online-(Grau-)händler wie Chronext, Uhrinstinkt, Watchdeal, Uhren2000 und Uhren Miquel und auch klassische Juwelierketten wie Wempe, Rüschenbeck & Co. seit vielen Jahren, dass auch hochwertige Uhren viele Käufer über den Online-Vertriebskanal finden.
Wohl den Herstellern, die den Trend nicht verpennt haben und bereits eigene Erfahrungen im Online-Geschäft gesammelt haben: Nomos Glashütte beispielsweise betreibt seit über 10 Jahren einen eigenen Online-Shop. Auch bei der Frankfurter Spezialuhrenschmiede Sinn ist der Direktvertrieb seit vielen vielen Jahren fester Bestandteil der Vertriebsstrategie.

Immerhin: Eine gewisse Flexibilität zeigt Mühle-Glashütte, die auf die Corona-Pandemie reagiert haben und kürzlich ebenfalls ein eigenes Online-Angebot gestartet haben. Neben der Direktlieferung hat man dort auch die Möglichkeit die Uhr zum Fachhändler schicken zu lassen und dort vor Ort abzuholen.

Andere sind da noch nicht so weit: Ende Januar 2021 erklärte Lange & Söhne-Chef Wilhelm Schmid auf saechsische.de, dass man derzeit an einem Online-Shop arbeite – der soll aber erst irgendwann im Laufe des Jahres 2021 an den Start gehen…
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Eine Uhr, deren Zweck weit über die Zeit-/Datumsanzeige hinausgeht, bedarf immer eines emotionalen Involvements. Dazu gehört, dass man eine Uhr anfassen möchte, mal anlegen möchte, um zu sehen, wie sie am Handgelenk aussieht etc.. Auch ist der Besuch eines Juweliers immer ein Event. All das kann ein Online-Kauf nicht bieten. Vielelicht wird es zukünftig nur „Demoshops“ geben und der Kauf muss dann online abgewickelt werden. Schade wäre es schon.
Hallo Mario, ich bin
von deinen Artikeln wirklich beeindruckt, möchte dir dafür ein großes Lob aussprechen!
Bei uns in Belgien sind die Läden nun schon wieder fast 3 Monate offen. Ich war dann auch Anfang Januar bei einem Konzi und dort musste man sogar Schlange stehen um ins Geschäft zu kommen. Ich denke nach der Pandemie gibt es auch für die Uhrenindustrie eine Zukunft, zumindest für diejenigen die die jetzige Situation jetzt wirtschaftlich überleben.