Als Marketing-Fuzzi verfolge ich aufmerksam die deutsche Startup-Szene. Nicht entgangen ist mir dabei 2014 die Gründung der Marke Kapten & Son: Man muss kein Schwedisch können, um auf die Idee zu kommen, dass Kapten Kapitän und Son Sohn heißt. Allerdings waren keine waschechten, langbärtigen Nordmänner für die Gründung von Kapten & Son verantwortlich, sondern drei ehemalige Studenten aus Münster, die auf den Zug des minimalistischen Uhrendesigns á la Daniel Wellington aufgesprungen sind. Das Erfolgsrezept: Die Empfehlungen von Social Media-Größen – das sogenannte Influencer Marketing…
Kapten & Son und das Influencer Marketing: Definition und Unterschiede
Kapten & Son setzt auf sehr schlichtes Uhren-Design. Das ist an sich nichts neues: Bekannt ist z.B. das Modell Max Bill von Junghans – der gleichnamige Schweizer Produktdesigner hat am Bauhaus Dessau studiert und brachte das puristische Design der Junghans-Küchenuhren schon in den 1960ern an das Handgelenk von Uhrenfreunden.
Im Prinzip machte 2011 der (diesmal wirklich schwedische) Daniel Wellington-Gründer Filip Tysander dieses minimalistische Uhren-Design in Kombination mit den eigentlich aus dem Militärbereich kommenden Nato-Bändern “nur” hipp und trendy, indem er voll auf die Macht der sogenannten Influencer in sozialen Medien setzt. Die Strategie wurde durch klassisches Product Placement flankiert, so z.B. bei den kreischenden Hungerhaken Model-Anwärterinnen bei Germany’s Next Topmodel.
Das Rad neu erfunden hat Kapten & Son also eher nicht und eine preisliche und optische Ähnlichkeit mit der Uhrenmarke Daniel Wellington ist sicher kein Zufall. Dennoch wird auch Kapten & Son oft als positives Beispiel für das sogenannte Influencer Marketing genannt: In Zeiten von Adblockern für den Browser und sinkender Akzeptanz für klassische Werbung (TV, Plakate etc.) wird die Reichweite einflussreicher, authentischer und glaubwürdiger Social Media-Größen aus allen möglichen Lebensbereichen (Mode, Reisen etc.) immer wichtiger. Denn: Laut einer Studie von Nielsen (2012) vertrauen über 90% aller Konsumenten in Kaufempfehlungen, während nur 30% in traditionelle Werbung vertrauen. Von besonderer Wichtigkeit sind dabei laut einer anderen Nielsen-Studie (2015) v.a. “Empfehlungen von mir bekannten Personen” (Nielsen: Von der Reichtweite zur Reaktion, Seite 11). Dass Unternehmen verstärkt auf Influencer setzen, macht also Sinn.
Doch wer sind diese sagenumwobenen Influencer eigentlich? Im klassischen Sinne, oftmals keine Super-Promis, sondern einfache Menschen wie du und ich…
Der Begriff Influencer steht für Personen, welche über Inhalte, ihre Kommunikation, ihr Wissen und ihre Reichweite als Experten und Meinungsbildner gesehen werden können. Influencer stehen für kein bestimmtes Content-Format und für kein spezielles Medium. Es gibt Influencer auf YouTube […], Instagram, Twitter, Snapchat und auf Facebook. […]
Dabei gilt es aber auch noch die “Etablierten” und die “Neuen” zu unterscheiden:
Influencer, Typ 1 (die Etablierten): Prominente traditionelle Testimonials, die durch Sport, Musik, Mode oder Film und Fernsehen weithin bekannt sind und über entsprechend hohe Fan-Abonnenten- und/oder Followerzahlen in den sozialen Medien verfügen.
Influencer, Typ 2 (die neuen): Prominente Internet-Testimonials, die aufgrund ihrer Aktivitäten in den sozialen Medien bekannt und beliebt sind und bewundert werden und Fans, Abonnenten und/oder Follower in Millionenhöhe haben.
Influencer machen Produkte zum Teil des Contents – egal ob es sich nun um Softdrinks, Kleidung oder eben Uhren handelt. Das ist einerseits ein gutes Geschäft für die Influencer, die sich ihre Postings mit zunehmender Reichweite versilbern lassen: So kann beispielsweise ein Influencer mit über 50.000 Followern inklusive Marken-Nennung einen Ertrag von 1.000 Euro aufwärts erzielen – pro Post (!) wohlgemerkt. Fleißige Influencer-Bienchen werden so schnell innerhalb eines Jahres zu Millionären – wenn sie es nicht schon sind wie z.B. viele Fußball-Stars, die am Zenit ihrer Karriere auch in sozialen Medien als Influencer unterwegs sind und den Kontostand weiter aufbessern bzw. im Gespräch bleiben wollen…
Ob nun Influencer Typ 1 oder Typ 2 – die meinungsprägenden Social Media Stars von heute sind äußerst wertvoll für Unternehmen, die ausnutzen, dass die Fans ihren Vorbildern viel Vertrauen entgegenbringen und ein Stückchen vom dargestellten Lifestyle haben wollen. Das ist sicherlich kein schlechter Absatz-Motor…
Marketing-Kommunikation in der Uhrenindustrie: Eine Prise mehr Kapten & Son kann nicht Schaden
Durch die Hilfe von Influencern wie Pamela Reif oder Daniel Fuchs nähert sich Kapten & Son (Stand Januar 2017) mittlerweile der 500.000 Follower-Marke auf Instagram. Zum Vergleich: Swatch kommt als (in einem ähnlichen Preissegment agierende) Kernmarke des Swatch-Konzerns auf nicht uneinholbar scheinende knapp 700.000 Follower.
In einem Interview unterstreicht die Marketing-Verantwortliche bei Kapten & Son, Maria Bonarz, die Relevanz von Influencer Marketing für die junge Marke:
Instagram ist einer unserer wichtigsten Kanäle. Dort ist es einfach, potenziellen Kunden das Markenimage näher zu bringen – auch weil wir dort engen Kontakt mit ihnen haben und sofort Feedback bekommen. Bei uns kommt der Content bei Instagram überwiegend von den Influencern, deren Bilder erzählen die Geschichte der Brand. […] Die Blogger verbreiten die Geschichte der Marke und das ist glaubwürdiger als herkömmliche Mediaplatzierung wie z.B. Fernsehwerbung.
Die Wichtigkeit von Influencer Marketing haben natürlich auch andere Marken erkannt: Swatch setzt mittlerweile z.B. auch auf die Macht der Influencer – wenn auch eher nicht ganz so intensiv wie z.B. Kapten & Son:
Aus Marketing-Sicht macht Kapten & Son offenbar vieles richtig. Dabei darf aber natürlich auch die Produktseite nicht vergessen werden: Die Kapten & Son Uhren in schmaler Dresser-Optik, die man sich in einem Konfigurator zusammenbasteln kann und im Rahmen eines Abenteurer, Gipfelstürmer und Weltenbummler-Images beworben werden, sind qualitativ ohne Fehl und Tadel (Gehäuse, Ziffernblatt, Zeiger, Milanaise-Band etc.) und bieten ein gutes Schweizer Quarzwerk aus dem Hause Ronda.
Lobenswert ist auch die Präsentation der Ware, die nahtlos an die Image-Ausrichtung anknüpft und von der sich der eine oder andere Uhrenhersteller eine Scheibe abschneiden kann:
Nur eine Schwäche erlaubt sich die Kapten & Son Campus Mesh: Das kratzanfällige Mineralglas, was für eine Uhr in der Preisklasse (ab 129€) aber durchaus gängig ist. Als Alternative bietet sich zum Beispiel die knapp 200€ teure Schweizer Tissot Everytime an, die mit einer ähnlichen Optik kommt, dafür aber Saphirglas bietet.
Interessantes Detail: Kapten & Son legt jeder Lieferung eine Schablone in Form eines iPhones bei, das auch bei Otto Normal Instagram-Nutzern die Lust am Verbreiten von Content wecken soll:
Brauchen die top Luxusuhrenhersteller auch Influencer?
Jean-Claude Biver, aktueller Kopf des LVMH-Konzerns (u.a. TAG Heuer, Hublot) sagte mal, dass im Smartphone-Zeitalter kein Mensch eine Armbanduhr braucht. Luxusuhrenhersteller verkaufen vielmehr mit einem (optimalerweise) klar abgegrenzten Image einen ideellen Nutzen. Mit Blick auf die aktuelle Krise in der Schweizer Uhrenindustrie und die FHS Exportstatistik ist aber auch das offensichtlich kein Selbstläufer.
Brauchen Luxusuhrenhersteller also überhaupt Influencer? Klar brauchen sie das. Dennoch wird hier im Vergleich zu Kapten & Son, Swatch, Fossil etc. der Unterschied schnell deutlich: Die großen Luxusuhrenhersteller setzen nach wie vor zu einem großen Teil auf Promis und Sportler als Markengesichter (Influencer Typ 1 – die Etablierten) wie z.B. Alpha-Pfau Cristiano Ronaldo für TAG Heuer:
… oder Skirennläuferin Lindsay Vonn für Rolex:
Wie bereits erwähnt sind auch prominente Sportler wie Ronaldo oder Vonn natürlich Influencer, nur eben keine “selbstgebackenen” wie der bereits genannte studierte Maschinenbauer Daniel “magic_fox” Fuchs. Influencer wie Fuchs kommen eher als “Menschen wie du und ich” rüber und sprechen eher andere Kundenkreise an (Stichwort Glaubwürdigkeit). Letztere Gruppe Influencer ist somit für niedrigpreisige Uhrenmarken wie Kapten & Son aus meiner Sicht deutlich passender. Daher hat es mich auch etwas verwundert, dass Daniel Fuchs im Abstand von nur einer Woche mit Kapten & Son und dem Schweizer Luxusuhrenhersteller Longines kooperierte, der in einem völlig anderen Segment agiert.
Stichwort Glaubwürdigkeit: Lesenswert in diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, welche in einem recht aktuellen Artikel aus September 2016 auf das Geschäft mit der Glaubwürdigkeit eingeht.
Kritisch ist außerdem, dass die größten Influencer mit ihren Millionen Followern auch vielleicht einfach zu breit aufgestellt sind, um die für die Unternehmen relevante Zielgruppe effizient anzusprechen. Auch eine gewisse Austauschbarkeit vieler Influencer, insbesondere im Bereich Mode, lässt sich nicht von der Hand weisen: Im Prinzip nähern sich die Influencer immer mehr dem bisher funktionierenden Erfolgsrezept an – eine echte Differenzierung fehlt. Ob die bedeutungsschwangeren Seitenblick-Bilder mit fescher Sonnenbrille, Dreitagebart, Gel-Frisur und edlem Mantel auch langfristig funktionieren, wage ich jedenfalls stark zu bezweifeln (wo ist der Unterschied zu einem Model im Otto-Katalog oder dergleichen?). Hier eine klitzekleine Auswahl unterschiedlicher (!) Instagram-Influencer ;-)…
Qualität geht nun mal vor Quantität, weshalb für 2017 eine steigende Relevanz für spezialisierte Micro-Influencer prognostiziert wird. Sprich: Die pure Reichweite zählt nicht mehr, stattdessen werden kleinere Influencer wichtiger, die dafür aber ganz gezielt ein Kundensegment ansprechen…
Danke für diesen tollen Beitrag zum Thema “Influencer-Marketing” und Deinen Ausblick in die Zukunft: ich teile Deine Meinung und glaube auch, dass künftig die “Micro-Influencer” immer mehr Relevanz bekommen, weil Sie einfach glaubwürdiger sind.
Und in eigener Sache muss ich sagen: wenn ich mir die Entwicklung des klassischen Uhren & Schmuck Einzelhandels anschaue, dann habe ich alles richtig gemacht, als ich im Jahr 2000 mein Geschäft verkauft, und stattdessen “was mit Internet” angefangen habe… 😉