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Hallo liebe Uhrenfreunde! Heute möchte ich mit euch ein Thema besprechen, welches jeden Uhrenliebhaber früher oder später beschäftigen wird, zumindest wenn er einen stetigen Begleiter in seiner Sammlung besitzt. Mechanische Uhren sind wahre Meisterwerke der Feinmechanik. Jede Komponente ist präzise gefertigt, um über Jahre hinweg zuverlässig zu arbeiten. Dennoch bleibt auch die beste Uhr nicht vor dem „Zahn der Zeit“ verschont. Verschleiß ist ein natürlicher Prozess, der mechanische Uhrwerke ebenso betrifft wie die äußeren Komponenten einer Uhr. In diesem Artikel schauen wir uns an, welche Teile einer Uhr besonders anfällig für Verschleiß sind, warum sie altern und wie du durch eine gute Serviceroutine die Lebensdauer deiner Uhr verlängern kannst.

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Wie entsteht Verschleiß in einer mechanischen Uhr?

Verschleiß in einer Uhr entsteht vor allem durch Reibung und den Abbau von Schmierstoffen (siehe Uhren-Öle). Eine mechanische Uhr arbeitet mit winzigen Zahnrädern, Hebeln und Federn, die bei jedem Tick und Tack miteinander in Kontakt treten. Trotz der extremen Präzision und Verwendung von hochwertigen Materialien ist keine Uhr frei von mechanischem Widerstand. Durch Verwendung unterschiedlicher Materialien an den Reibstellen versucht man den Verschleiß zu minimieren. Dabei sollte immer ein weicheres Material mit einem härteren Material interagieren. So greift beispielsweise immer eine Messing-Radscheibe in einen Stahltrieb eines anderen Zahnrades ein, oder die Stahlzapfen der Zahnräder werden in Rubinlagern gelagert. Rubin (Mohshärte 9) ist nach dem Diamanten (Mohshärte 10) eines der härtesten Materialen auf der Erde.

Mehr: „26 Jewels“ & Co: Über Juwelen und Lagersteine bei mechanischen Uhren

Die Zahnräder und Lager einer Uhr sind ständig in Bewegung. Selbst mit den besten Schmierstoffen kommt es über die Zeit zu Mikrorissen und Materialabtragungen. Besonders problematisch wird es, wenn das Öl im Uhrwerk austrocknet oder verharzt. Ohne eine regelmäßige Wartung nimmt die Reibung zu, was wiederum die Abnutzung der Bauteile beschleunigt. Beim Service der Uhren kann man oft sehen wie kleine schwarze Partikel durch das Uhrwerk fliegen oder die Öle zu einer dunklen „Pampe“ wurden. Dies passiert, wenn sich die Stahlzapfen in den Rubinen abreiben und sich viele kleine Stahlpartikel lösen. Diese kleinen Partikel starten dann einen Teufelkreis: Die Verbindung aus Öl und kleiner Partikel nimmt dem Öl seine schmierenden Eigenschaften und macht es zu einer Art Schmirgelpaste, welche den Abrieb an den Zapfen nur noch mehr vorantreiben.

Mechanische Belastung durch Federspannung

Neben der Reibung ist auch die mechanische Belastung durch Federspannung ein wichtiger Faktor. Die Zugfeder, die das Uhrwerk antreibt, übt kontinuierlich Druck auf das Gangsystem aus. Diese Spannung kann langfristig zu Materialermüdung führen. Bei älteren Uhren kann man das oft am ausgelaufenen Federhauslager sehen. Die Spannung der Zugfeder sorgt dafür, dass das Federhaus immer in eine Richtung des Lagers gedrückt wird. Durch den Druck wird der Verschleiß natürlich erhöht. Bei älteren Uhren oder auch dem ETA 2824 ist diese Lagerstelle des Federhauses aber einfach nur ein Loch in der Brücke oder Platine des Uhrwerks und noch nicht als Rubinlager ausgeführt. Die punktuelle Reibung führte dann dazu, dass das Lager recht schnell in eine Richtung ausgerieben wurde. Dies führte wiederum zu einer Schrägstellung des Federhauses, was zu einer Eingriffsveränderung mit dem Minutenrad führt.

Somit wird auch der Verschleiß am Übergang zum nächsten Zahnrad erhöht. Man sieht, dass die einzelnen Komponenten alle miteinander zusammenhängen und ein einzelner Fehler zu vielen weiteren nachfolgenden Problemen führen kann.

Aber welche Komponenten verschleißen am schnellsten?

Nicht alle Bauteile einer Uhr sind gleichermaßen anfällig für Verschleiß. Einige Komponenten sind durch ihre Funktion oder Materialeigenschaften besonders stark beansprucht. Hier nochmal ein kleiner Überblick über ein paar Hauptverschleißteile:

1. Klinkenräder im Automatikgetriebe

Die Klinkenräder sind Teil des Aufzugmechanismus in Automatikuhren. Sie sorgen dafür, dass die Bewegung des Rotors in die richtige Drehrichtung für das Sperrrad übersetzt wird, die die Feder aufzieht. Diese Räder sind besonders anfällig, da sie bei jedem Schwenk des Rotors belastet werden. Die kontinuierliche Bewegung und die kleinen Kontaktflächen führen zu einer hohen Reibung, die selbst bei guter Schmierung mit der Zeit zu Verschleiß führt. In den Bildern 1 und 2 unten könnt ihr den Abrieb aus dem Automatikgetriebe von den Klinkenrädern erkennen, wie er sich im ganzen Werk verteilt.

Typische Verschleißerscheinungen: Abgeflachte Zähne oder eingearbeitete Rillen auf den Zapfen der Klinkenräder. Sobald diese Räder nicht mehr einwandfrei greifen, verliert die Uhr an Effizienz beim Aufziehen.

2. Lager und Zapfen

Die Lager und Zapfen, auf denen die Zahnräder und der Unruhreif laufen, sind ebenfalls ständig in Bewegung. Moderne Uhren nutzen eben die synthetischen Rubine als Lagersteine, um die Reibung zu minimieren. Dennoch können sich über Jahre hinweg auch an diesen Stellen Spuren von Verschleiß zeigen, insbesondere wenn das Schmiermittel austrocknet.

Typische Verschleißerscheinungen: Eingelaufene Lagersteine, abgeriebene Zapfen und vermehrtes Spiel der Zahnräder.

3. Zugfeder

Die Zugfeder ist das Kraftzentrum einer mechanischen Uhr. Sie wird bei jedem Aufzug gedehnt und entspannt. Diese ständige Beanspruchung kann zu Materialermüdung führen, wodurch die Feder an Spannkraft verliert oder am Ende auch unter einem Ermüdungsbruch leiden kann.

Typische Verschleißerscheinungen: Risse in der Feder oder ein allgemeiner Verlust der Spannkraft, was zu einer verkürzten Gangreserve führt.

4. Hemmung

Die Hemmung – bestehend aus Anker, Ankerrad und Unruhspirale – ist das Herzstück des Uhrwerks. Diese Teile arbeiten mit höchster Präzision, aber auch mit höchster Belastung. Jede Bewegung der Hemmung führt zu minimalem Materialabrieb, der sich über Jahre summiert. Dieser Verschleiß ist sehr minimal und auch kaum bis gar nicht sichtbar. Da die Hemmung aber eine sehr genau eingestellte Baugruppe ist, kann hier der minimale Verschleiß schon zu größeren Einflüssen auf das Schwingsystem führen.

Typische Verschleißerscheinungen: Abnutzung an den Kontaktpunkten des Ankers und des Ankerrads, was zu Gangungenauigkeiten führen kann.

Aber nicht nur Werkbestandteile, sondern auch Gehäuseelemente eurer Uhren haben mit Verschleiß zu kämpfen:

5. Krone und Aufzugswelle

Die Krone ist außerhalb des Uhrwerks ebenfalls ein stärker beanspruchtes Teil. Durch häufiges Aufziehen und Einstellen der Zeit kommt es hier zu mechanischem Verschleiß. Besonders die Dichtungen, welche immer wieder über den Tubus reiben, werden stark beansprucht. Aber auch die Kraftübertragung über die Aufzugwelle an die Räder des Aufzugsmechanismus enthält stärkere Reibstellen, welche über die Zeit abgenutzt werden. Im Bild 3 ist der Abrieb, der durch das Aufziehen im Gesperr unter der Federhausbrücke entsteht, zu sehen.

Typische Verschleißerscheinungen: Abgenutzte Zahnräder im Aufzugsmechanismus oder erhöhtes Spiel der Krone.

6. Uhren-Dichtungen

Dichtungen sind essenziell, um eine Uhr vor Feuchtigkeit und Staub zu schützen. Sie bestehen oft aus Gummi oder synthetischen Materialien, die über die Zeit spröde werden.

Typische Verschleißerscheinungen: Risse in den Dichtungen, die zu einer verminderten Wasserdichtigkeit führen.

7. Beschichtete Gläser

Viele moderne Uhren verwenden entspiegelte Gläser oder Oberflächenbeschichtungen, die vor Kratzern schützen sollen. Diese Beschichtungen können sich durch mechanische Einwirkung, wie Reibung oder Stöße, abnutzen.

Typische Verschleißerscheinungen: Abgescheuerte Beschichtungen, die zu einer verminderten optischen Klarheit führen.

Wie kannst Du dem Verschleiß entgegenwirken?

Eine gut gepflegte Uhr kann über Jahrzehnte hinweg präzise arbeiten. Hier sind einige Tipps, wie Du den Verschleiß minimieren und die Lebensdauer deiner Uhr verlängern kannst:

1. Regelmäßige Wartung

Die wichtigste Maßnahme gegen Verschleiß ist eine regelmäßige Inspektion und Reinigung des Uhrwerks. Hersteller empfehlen, eine mechanische Uhr alle 3 bis 5 Jahre warten zu lassen. Dabei werden alte Schmierstoffe entfernt, neue aufgetragen und verschlissene Teile ausgetauscht. Ich bin der Meinung, dass ein Servicezeitraum von 5-7 Jahren auch noch ausreichend ist. Dies ist aber von vielen Faktoren, wie dem Trageverhalten und der Beanspruchung der Uhr abhängig.

Mehr: Wie oft müssen mechanische Uhren zur Revision? Über Verschleiß und Serviceintervalle [Leserbrief]

2. Schonender Umgang

Vermeide es, Deine Uhr groben Stößen oder extremen Bedingungen auszusetzen. Mechanische Uhren sind zwar robust, aber nicht unempfindlich gegenüber Stürzen, Magnetfeldern oder starker Feuchtigkeit. Insbesondere das Fahrradfahren wird von vielen unterschätzt, ist aber eine enorm große Belastung für mechanische Armbanduhren.

Mehr: Stöße, Temperaturschwankungen & Co.: Störfaktoren für die Gangwerte einer mechanischen Uhr [Teil 1]

3. Regelmäßiges Tragen

Interessanterweise kann das regelmäßige Tragen einer Uhr ihren Zustand verbessern. Automatikuhren profitieren von einer regelmäßigen, aber nicht übermäßigen Bewegung, da dadurch die Schmierung gleichmäßig verteilt wird. Eine Uhr, die lange liegt, kann hingegen Schaden nehmen, weil das Öl verharzt (ja, auch die neuen synthetischen Öle beginnen mit der Zeit zu verharzen).

4. Pflege der äußeren Komponenten

Reinige Deine Uhr gelegentlich mit einem weichen Tuch, um Schmutz und Staub zu entfernen. Bei wasserdichten Uhren ab 10 Bar kann man auch gerne eine Weiche Zahnbürste und Wasser dazu nehmen. Die regelmäßige Reinigung der Uhren sorgt dafür, dass die Dichtungen nicht zu stark zugesetzt werden und der Großteil der Verschmutzungen schon vor dem Vordringen zu den Dichtungen entfernt wird.

Mehr: Wasserdicht bis 10 atm & Co. – was bedeuten diese Angaben auf einer Uhr?

5. Vorsicht bei der Krone

Ziehe die Uhr an der Krone mit Bedacht auf, um unnötigen Verschleiß an der Krone, dem Tubus und den Dichtungen zu vermeiden. Ziehe die Uhr immer mit zwei Fingern auf. Das klassische Aufziehen, indem man mit dem Finger gegen die Krone drückt und sie über den Finger abrollen lässt, sorgt für Hebelkräfte, die die Komponenten stark beanspruchen. Bei Uhren mit Schraubkrone ist es wichtig, diese immer korrekt zu verschließen.

Mehr: Automatikuhr aufziehen: Technische Hintergründe zum Handaufzug über die Krone

Fazit

Mechanische Uhren sind langlebige Begleiter, doch sie sind nicht immun gegen Verschleiß. Insbesondere die Klinkenräder im Automatikgetriebe, Lager, Zugfedern und die Hemmung sind anfällig für Abnutzung. Auch äußere Teile, wie die Krone, Dichtungen und beschichtete Gläser altern mit der Zeit. Doch mit einer sorgfältigen Pflege und regelmäßigen Wartung kannst Du den Alterungsprozess erheblich verlangsamen und die Präzision Deiner Uhr über Jahre hinweg bewahren. Denk daran: Eine mechanische Uhr ist nicht nur ein Zeitmesser, sondern auch ein Stück Ingenieurskunst, das Aufmerksamkeit und Pflege verdient.

Ich hoffe euch hat der kleine Ausflug gefallen! Ich freue mich jederzeit über Rückmeldungen in den Kommentaren!

Bis zum nächsten Mal!

Euer Leon von ChronoRestore

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