Wenn man nicht grade ein echter japanischer Uhren-Otaku ist, könnte dies das erste Mal sein, dass ihr von der Calendar Auto Orient Diver aus den 60er Jahren hört – dabei markierte das Modell einen durchaus nennenswerten Meilenstein des japanischen Traditionsherstellers, nämlich den Eintritt in den Markt der Taucheruhren. Der Orient-Ableger für anspruchsvollere Uhrenfreunde, Orient Star, hat die erste Taucheruhr der Firmengeschichte als Vorlage für die Neuauflage mit der Referenz RE-AU0602E genommen, den Diver 1964 2nd Edition.
Eckdaten Orient Star RE-AU0602E:
- Made in Japan
- Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
- Wasserdichtigkeit 20 bar / 200 Meter
- Gehäuse aus 316L-Edelstahl, Boden verschraubt
- Gangreserveanzeige, Datum
- Durchmesser 41mm
- Horn-zu-Horn 49mm
- Höhe 14mm
- Gewicht: 170 Gramm (am Stahlband mit allen Gliedern)
- Verschraubter Gehäuseboden
- Hauseigenes Kaliber F6N47, 21.600 bph, 50 Stunden Gangreserve, Sekundenstopp
- Listenpreis 1290€, über diverse Fachhändler
Die erste Taucheruhr aus dem Hause Orient
Orient wurde im Juli 1950 gegründet und mietete die ehemalige Toyo Tokei Co., Ltd. Hino-Fabrik an, um die Produktion von Armbanduhren noch im selben Jahr zum Laufen zu bringen. Bis 1963 hatte sich Orient damit begnügt, einige Modelle als “swimmer” und “showerproof” zu kennzeichnen. Allmählich aber wurde das Tauchen auch in Japan zum Volkssport – so wurde beispielsweise anno 1964 die Japan Underwater Sports Federation (JUSF) gegründet. Entsprechend stieg auch die Nachfrage nach Uhren, die mehr aushalten mussten als nur Schwimmen und Duschen.
Orients allererste Automatiktaucheruhr wurde in verschiedenen Varianten zwischen 1964-1968 auf den Markt gebracht. Angetrieben wurde sie vom Kaliber 670 mit 19 oder 21 Juwelen. Die Wasserdichtigkeit war mit 40 Meter nach heutigen Maßstäben aber dennoch, sagen wir mal, überschaubar – und dennoch schaffte es die Zahl stolz auf das Zifferblatt vieler Varianten.
Die Calendar Auto Orient Diver gab es in verschiedenen Zifferblattfarben (z.B. silber oder klassisch-schwarz), Stundenzeigerformen (Pfeil oder Pomme) und Lünetten (schwarz oder Stahl rotierend). Die Modelle hatten im Allgemeinen einen für damalige Verhältnisse üblichen, eher kleineren Durchmesser von etwa 38 mm.
Die Vorlage für die Neuauflage Orient Star Diver 1964 2nd Edition ist konkret eine Calendar Auto Orient aus 1964. Die kam damals mit klassischen Punktindizes auf einem hochglanzschwarzen Zifferblatt, für maximale Ablesbarkeit gestalteten Zeigern, drehbarer Lünette mit einem Ring aus eloxiertem Aluminium und kantigen Bandanstößen. Fun Fact am Rande: Das Originalmodell von 1964 entspricht nicht den aktuellen ISO- bzw. DIN-Normen 6425/8306 – denn die wurden erst 1982/1983 eingeführt.
Was wir mit der Neuauflage bekommen ist eine waschechte ISO 6425-konforme Taucheruhr mit einer Wasserdichtigkeit von 20 atm bzw. 200 Meter. Als solche hat sie eine verbesserte Ablesbarkeit gegenüber der Vorlage dank eines zentralen Leuchtpunkts sowie einer 60-Minuten-Skala auf der Lünette.
Ansonsten behält das Zifferblatt wenig überraschend den klassischen Diver-Look der Vorlage auf originalgetreue Art und Weise bei – gleichzeitig sticht die Orient Star durch einige Besonderheiten bzw. Neuheiten heraus: Nennenswert ist vor allem die Gangreserveanzeige mit einer Skalierung bis 50 Stunden, die sich auf “12 Uhr” befindet und Auskunft darüber gibt, ob bzw. wann die Uhr wieder aufgezogen werden muss. Die Gangreserveanzeige ist ein charakteristisches Merkmal fast aller Orient Star-Uhren und fügt sich im Falle des hier gezeigten Modells perfekt-symmetrisch in das “Gesicht” der Uhr ein.
Ins Auge sticht außerdem (wie bei der Vorlage) der Lollipop-Stundenzeiger, der nicht mit der typischen Dreier-Kammerung in Form des Mercedes-Sterns kommt. Besonders gefällig ist der dezent-silbrige Glanz der Ziffern/Indizes auf der Lünette, der Schrift (“Orient Star”-Schriftlogo etc.) und der Index-Umrandungen auf dem Zifferblatt – dadurch sieht das Modell deutlich hochwertiger aus und wirkt, vor allem im direkten Licht, sehr lebendig, insbesondere in Verbindung mit dem Degradé- bzw. “Smoked”-Effekt, von einem intensiven Grün im Zentrum zu fast Schwarz im Außenbereich, der den Retro-Charakter des Modells toll unterstreicht. Das Blatt ist in der Summe ziemlich beeindruckend und zeigt mit wie viel Liebe zum Detail die Japaner gearbeitet haben.
Die Degradé-Effekt auf dem Zifferblatt der hier gezeigten grünen Variante ist laut Orient Star übrigens inspiriert von der Ryūsendō-Höhle nahe der japanischen Kleinstadt Iwaizumi, Präfektur Iwate. Die Höhle ist eines der beeindruckendsten Naturwunder des Landes, denn in ihr liegen vier märchenhaft klare Seen, die den Ort zu einer großen Touristenattraktion machen. Oftmals wird die Höhle auch als die schönste Kalksteinhöhle der Welt bezeichnet. Wenn man sich Bilder der Höhle anschaut, so stellt man fest, dass die Analogie von der Zifferblattfarbe zur Höhle auf jeden Fall durchaus treffend ist:
Das 316L-Edelstahl-Gehäuse der Orient Star Diver 1964 2nd Edition ist an den Hörnern genau so charakteristisch-kantig gehalten wie die Vorlage aus den 60ern. Eine im Übergang knackscharf umgesetzte polierte Fase grenzt die polierten Flanken zu den hochwertig satinierten Oberseite der Hörner ab. Ein Kronenschutz fehlt, ganz im Sinne einer Retro-Neuauflage, genau wie bei der historischen Vorlage.
Ein wesentlicher Baustein für die tolle Gehäuse-Optik ist insbesondere die sogenannte Zaratsu-Politur, die von sehr erfahrenen Orient Star-Mitarbeitern händisch durchgeführt wird, um eine gleichmäßig spiegelnde, verzerrungsfreie Oberfläche zu erzeugen. Fun Fact am Rande: Der Name “Zaratsu-Politur” ist nicht etwa auf ein japanisches Wort zurückzuführen, sondern auf ein deutsches. Das liegt daran, dass die damals zum Einsatz kommenden Poliermaschinen vom Maschinenbauer Präzisionsmaschinenfabrik Gebr. Sallaz AG aus dem Schweizer Grenchen geliefert wurden. “Zaratsu” leitet sich demnach schlicht und ergreifend von “Sallaz”, ausgesprochen zarats im Japanischen, ab.
Mit 41mm ist das Gehäuse recht kompakt gehalten. Die Höhe ist mit 14mm nicht ganz ohne, für einen Diver aber nicht unüblich. Das Horn-zu-Horn-Maß beträgt immerhin 49mm, die Hörner sind aber recht stark nach unten gezogen, wodurch sich das Gehäuse sehr “ergonomisch” am Arm anfühlt. Insgesamt fühlt sich die Orient Star Diver 1964 2nd Edition aber etwas größer an als es die harten Fakten vermuten lassen.
Das fünfteilige, abwechselnd polierte und satinierte Edelstahlband ist haptisch mehr als ordentlich und schwingt sich überaus komfortabel um den Arm. Das Kürzen des Bandes ist allerdings eine kleine Geduldsprobe: Die Glieder sind verstiftet und wenn man nicht aufpasst, verabschieden sich nach dem Aufklopfen zwei winzige Innenhülsen auf Nimmerwiedersehen in irgendwelchen Ritzen – das Band hat mir wieder in Erinnerung gerufen, warum ich kein Uhrmacher geworden bin (Tipp: Falls ihr dennoch selbst Hand anlegen wollt, unbedingt eine Pinzette bereit legen, um die Hülsen beim Schließen des Bandes wieder an Ort und Stelle zu verfrachten).
Die Schließe ist eher aus der Kategorie “Old School”: Es handelt sich um eine schlichte Drückerfaltschließe mit vierfacher Feinjustierungsmöglichkeit (leider nicht werkzeuglos). Eine Taucherverlängerung sorgt für die nötigen Millimeter, um die Uhr auch über dem Neoprenanzug tragen zu können (sofern ihr mehr mit einer Taucheruhr macht als nur “Desk Diving”). Orient Star legt dem Set auch noch ein schwarzes Kautschukband bei, das mir für diesen Test allerdings nicht zur Verfügung stand.
Angetrieben wird die Orient Star Diver 1964 2nd Edition durch das hauseigene Automatikkaliber F6N47 aus der Serie 46-F6, die seit Jahrzehnten in etlichen Orient- und Orient Star-Modellen verbaut wird. Die 46er-Kaliber wurden bereits 1971 von Orient entworfen und damals mit einem “magischen Hebel” ausgestattet (effizienter, beidseitiger Rotoraufzug) und über die Jahrzehnte stetig weiterentwickelt. So kam beispielsweise anno 1996 die charakteristische Gangreserveanzeige hinzu, die mittlerweile ein Markenzeichen für Orient Star geworden ist. Und es ging seitdem noch einige Evolutionsstufen weiter: Es gibt mittlerweile das 46-F8, das wir einige Preisetagen oberhalb von der hier gezeigten Orient Star-Taucheruhr finden – das Kaliber wird in Teilen mithilfe der MEMS-Technologie hergestellt, das Ankerrad ist aus Silizium.
Das 46-F6, das im Orient Star Diver 1964 2nd Edition tickt, verfügt über eine Gangreserve von 50 Stunden und (auf dem Papier) eine Ganggenauigkeit von +25/-15 Sekunden pro Tag. Praktisch lief die mir vorliegende Testuhr mit 0 Sekunden pro Tag absolut perfekt. Von der leicht überdurchschnittlichen Gangreserve (typische Schweizer Standardkaliber liegen bei rund 40 Stunden) mal abgesehen, ist die eigentliche Besonderheit aber, dass Orient bzw. Orient Star alle Kaliber in Eigenregie fertigt – in der Mutterfabrik Akita.
Die Werkeproduktion bei Akita ist einerseits hochmodern und vollautomatisiert: der Ende 2016 zum Akita-Präsidenten ernannte Masatoshi Endo, der in den 80ern als Stanzformenbauer zu Orient kam, ist dabei besonders stolz auf die hochpräzise Stanz- bzw. Pressentechnologie. Andererseits werden insbesondere die Kaliber für Orient Star mit viel manuellem Aufwand veredelt: So werden beispielsweise die auf der Presse gestanzten Platinen, also das Fundament, auf dem das Uhrwerk ruht, einzeln händisch und mit einem Auge für Gleichmäßigkeit poliert.
Abschließende Gedanken
Orient-Uhren werden (völlig zurecht) von Uhrenfreunden regelmäßig für ihr Preis-Leistungs-Verhältnis gelobt (siehe z.B. Orient Triton und Bambino, Orient Mako 40 oder Orient M-Force etc.). Im günstigeren Segment findet man nicht viele Alternativen, die Orient in dieser Hinsicht das Wasser reichen können. Für anspruchsvollere Uhrenfreunde bietet Orient mit dem Ableger Orient Star aber auch einige Preisetagen höher eine gute, hochwertige Alternative, wenngleich der Wettbewerb in der Preisklasse von Pi mal Daumen 1000€ mit Marken wie beispielsweise Mido oder Squale ziemlich namhaft ist.
Hinter den Schweizern muss sich Orient Star aber keineswegs verstecken: Mit der Orient Star Diver 1964 2nd Edition zeigen die Japaner, dass sie hinsichtlich Haptik und Verarbeitungsqualität locker mithalten können. Zumal auch ein in-house-Kaliber in dieser Preisklasse alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.
Die Orient Star Diver 1964 2nd Edition ist zum Preis von 1290€ bei diversen Fachhändlern erhältlich.
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Toller Testbericht, tolle Uhr.
Warum steht “Epson” auf dem Boden?
Danke und Gruss
Reto
Hi Reto, danke für die Frage – ich zitiere mich mal selbst aus diesem Artikel:
https://chrononautix.com/orient-star-uhren-test-avant-garde-skeleton/
Seit 2009 ist Orient eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Seiko Epson. Orient und Orient Star haben zum eigentlichen Uhrenhersteller Seiko (Seiko Watch Co.), den man beispielsweise von beliebten Modellen wie der Seiko Turtle oder der Seiko 5 Sports Automatik kennt, allerdings keine direkte wirtschaftliche Verbindung – das mag auf den ersten Blick ziemlich verwirrend klingen, stellt sich aber faktisch wie folgt dar: Auf der einen Seite gibt es die Seiko Holdings Corp. aus Chuo-Ku/Tokio mit 1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz, die das Mutterhaus der Seiko Watch Corp. und der Seiko Instruments Inc. (kurz SII, u.a. verantwortlich für das Dauerbrenner-Kaliber NH35A etc.) ist.
Die Seiko Epson Corp. aus Suwa/Nagano wiederum teilt sich zwar den Namen mit der Seiko Holdings Corp., ist aber eine eigenständige Firma mit rund 8,6 Milliarden Euro Jahresumsatz und seit 2009 der Mutterkonzern der Orient Watch Co., Ltd. aus Shinjuku-Ku/Tokio. Seiko Epson ist auch der Konzern hinter der oben bereits erwähnten Akita Epson Corp. aus Yuzawa/Akita.