Hallo liebe Uhrenfreunde! Vor kurzem wurde ich von einem interessierten Leser gefragt, warum Uhren meist in maximal 5 Lagen reguliert werden. Er nannte das Beispiel Lange & Söhne, die ja die Uhrmacherkunst wirklich auf einem sehr hohen Level betreiben. Warum aber regulieren die Glashütter ihre Uhren „nur“ in 5 Lagen? Es kann doch gar nicht so aufwendig sein beispielsweise die 6. Lage noch dazu zu nehmen, oder?
[Beitrag von Leon Zihang, Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com] | ![]() |
Um dieser Frage etwas näher auf den Grund zu gehen, möchte ich etwas weiter ausholen und erklären, was Reglage überhaupt bedeutet und wie sich in dem Zusammenhang die einzelnen Lagen definieren.
Die Lage einer Uhr beschreibt ihre Positionierung im Raum. In der Reglage betrachtet man dabei 6 unterschiedliche Lagen. Dazu zählen: Zifferblatt oben, Zifferblatt unten, Krone oben, Krone links, Krone unten und Krone rechts. Zifferblatt oben und unten sind, denke ich, eindeutig beschrieben und da kann sich jeder etwas darunter vorstellen. Bei den Kronenlagen kommt es allerdings auf die Betrachtungsweise an: Man muss immer auf das Zifferblatt schauen und dann bestimmen, wo die Krone hinzeigt. In den Kronenlagen steht die Uhr immer senkrecht.
Meistens befinden sich auf den Werken oder den Gehäusen die Bezeichnung, dass das Werk in 3 oder 5 Lagen reguliert wurde. Doch welche Lagen sind das? Bei den 3 Lagen handelt es sich um die 3 Haupttragelagen. Die Haupttragelagen sind die Lagen der Uhr, in denen sie sich am längsten über den Tag befindet. Dazu zählen:
- Zifferblatt oben (wenn die Uhr flach abgelegt oder die Handflächen flach auf den Tisch gelegt werden),
- Krone unten (wenn man den Arm gerade nach unten hängen lässt) und
- Krone links (wenn man die Arme bequem auf dem Tisch auflegt oder im Stehen die Arme anwinkelt).

Dies sind die Lagen, in denen sich die Uhr am meisten befindet und die Lagen, die den größten Anteil am durchschnittlichen Gang der Uhr beitragen. Bei der 5-Lagen-Reglage kommen dann noch Zifferblatt unten (wenn die Uhr mit dem Glas nach unten abgelegt wird) und Krone nach oben (wenn man den Arm senkrecht nach oben auf dem Tisch ablegt) hinzu. Übrig bleibt dann nur noch die Lage Krone rechts. Ihr könnt es gerne mal selbst probieren, aber ich persönlich habe keine wirklich ergonomische und natürliche Position meines Körpers gefunden, in der ich die Lage Krone Rechts realisieren konnte. Dies ist also schon einmal ein Grund dafür, dass die sechste Lage (Krone Rechts) beim Tragen so unnatürlich ist, dass diese Lage beim Tragen enorm selten bis gar nicht auftaucht.
Ein weiterer Grund besteht denke ich in den Garantiebestimmungen. Sellita zum Beispiel gibt in den technischen Dokumentationen ihrer Werke klare Definitionen an. In Abbildung 1 findet ihr die Tabelle zu den Gangwerten.

So darf die Elabore-Ausführung im mittleren Gang bei Vollaufzug eine Abweichung von +/- 7 Sekunden am Tag aufweisen. Die maximale Abweichung jeder einzelnen Lage darf bis maximal 20 Sekunden am Tag betragen. Und nach 24 Stunden ohne Aufzug darf sich der Gang in der jeweiligen Lage um 10 Sekunden ändern. Dies nennt man den Isochronismus.
Zusätzlich wird geschrieben, dass Vollaufzug bedeutet, dass die Uhr voll aufgezogen werden muss und die Messung erst nach 1-3 Stunden stattfinden soll. Weiterhin muss der Chronomechanismus ausgeschaltet und die Kalenderschaltung darf nicht in Eingriff sein – die Messung darf also nicht zwischen 21 Uhr und 3 Uhr stattfinden. Zudem muss eine natürliche Umgebung in Bezug auf Temperatur und Luftdruck gegeben sein. Zu gute Letzt gibt Sellita an, dass diese Toleranzen bei 95% der bestellten Menge eingehalten werden müssen. Von 100 bestellten Werken dürfen also 5 Stück außerhalb der hier angegebenen Toleranzen liegen.
Man sieht also, dass die Gangwerte der Uhren sehr klar geregelt sind und die Hersteller damit bei unerwarteten Abweichungen Begründungen abliefern können. Zudem sind für alle Werte in den einzelnen Lagen immer sogenannte Stabilisationszeiten von ca. 20 Sekunden vorgesehen. Wenn also ein Lagenwechsel stattgefunden hat, dann muss man dem Schwingsystem erstmal 20 Sekunden Zeit geben, um sich in dieser Position einzuschwingen.
Laut der Theorie und den rechtssicheren Angaben der Hersteller, wie in dem Beispiel von Sellita, müsste die Uhr die Gangwerte sowieso nur einhalten, wenn ihr die Uhr den ganzen Tag beim Tragen nur in diesen Lagen haltet.
Die Gangwerte sind also meist sowieso theoretischer Natur, da die Messungen immer unter Laborbedingungen stattfinden. Ich als Uhrmacher kann solche genauen Vorgaben der Hersteller aber auch verstehen. Es gibt einfach zu viele Umwelteinflüsse wie Lagenänderung, Temperaturschwankungen, Luftdruckänderungen und vor allem auch Stöße und Erschütterungen, die man nicht beeinflussen kann. Nichtsdestotrotz versuchen die Werkehersteller und Uhrenbauer als auch ich als Serviceuhrmacher immer das Beste aus den Uhren herauszuholen.
Mich als Uhrmacher interessiert dabei nicht, ob die Uhr laut Hersteller in 3 oder 5 Lagen reguliert werden soll. Auf der Zeitwaage betrachtet man sowieso immer alle 6 Lagen. Auch die Hersteller konzentrieren sich nicht auf die angegebenen 3 Lagen. Aus jedem Werk wird immer das bestmögliche herausgeholt. Das ist wie bei der Anfertigung von Drehteilen oder Frästeilen. Zerspaner werden dies kennen. Auch wenn man eine größere Toleranz hat, versucht man natürlich immer so genau wie möglich an das perfekte Sollmaß heranzukommen. Toleranzen sind immer nur dafür da, um auch mal zu einem Ende zu kommen. Die absolute Perfektion ist auf unserer Erde fast nirgends zu erreichen.
Außerdem kann man die Zeitwaage auch als reines Werkzeug ansehen. Was die Zeitwaage anzeigt, muss noch lange nicht der Realität entsprechen. Zumal man mit der Zeitwaage immer nur eine statische Situation betrachtet, während das menschliche Trageverhalten einer Uhr doch eher dynamisch ist. Die Zeitwaage dient uns Uhrmachern nur zur Orientierung, damit wir so schnell wie möglich in die richtige Richtung kommen. Man kann hier zwar sehr genau arbeiten und auch Gangänderungen von wenigen Sekunden vornehmen, aber die eigentliche Reglage oder zumindest die realitätsnahe Kontrolle beginnt erst in der Endkontrolle. Nicht allzu selten habe ich den Fall, dass ich die Uhr auf der Zeitwaage absolut perfekt zwischen 0 und 5 Sekunden einreguliert habe und die Werte beim Tragen dann ja auch sehr gut sein müssten. In der Endkontrolle und auf dem Uhrenbeweger zeigte sich dann aber doch ein deutlich anderer Durchschnitt als erwartet und die Uhr lief dann vielleicht doch 10 Sekunden im Minus.
Das A und O einer ordentlichen Reglage ist und bleibt die Endkontrolle. Hier versuche ich mit dem Uhrenbeweger das Trageverhalten unterm Tag und in statischen Lagen das Ablegen bei Nacht zu simulieren, um die besten Ergebnisse herauszuholen und das Mittel der Gangwerte so gut wie möglich zu optimieren. Doch auch hier kann man wieder bemängeln, dass die Bewegungen des Uhrenbewegers zyklisch ablaufen, was beim effektiven Tragen der Uhr natürlich nicht so ist. Außerdem ist das Trageverhalten, also die typischen Armbewegungen eines Menschen über den Tag hinweg immer unterschiedlich.

Die Angaben auf den Uhren, in wie vielen Lagen diese reguliert sind, sollte man also nicht so ernst nehmen. Ich kenne keinen einzigen Uhrmacher, der dann auch wirklich nur diese 3 oder 5 Lagen betrachtet. Warum sich keiner traut die Angabe für 6 Lagen zu machen, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht genau, aber ich vermute, dass es eben mit den Garantiebedingungen zusammenhängt – einfach, um dem Kunden nicht zu viel zu versprechen.
Die Angaben zu den regulierten Lagen sollten also absolut kein Grund für eine Kaufentscheidung darstellen. Es kann sehr wohl sein, dass eine Uhr, die angeblich nur in 3 Lagen reguliert wurde, besser läuft, als eine Uhr, die mit 5 Lagen wirbt.
Ich hoffe der kleine Einblick in die Reglage hat euch gefallen! Ich freue mich jederzeit über solche Fragen, um euch mit Rat und Tat zur Seite zu stehen!
Bis zum nächsten Mal!
Euer Leon von ChronoRestore
[Beitrag von Leon Zihang, Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com] | ![]() |
hallo leon,
eine krone rechts position schaffe ich manchmal, wenn ich am sofa liegend beim lesen eurer interessanten beiträge die zeit nicht vom tablet ablese, sondern von meiner armbanduhr 🙂 aber das ist zugegebenermaßen eine unbedeutende zeitspanne.
ich meine mich zu erinnern, ein foto eines werkes gesehen zu haben, auf dem eingraviert war, daß es in 6 lagen reguliert war. allerdings weiß ich nicht mehr wo und oft ist mir das definitiv nicht untergekommen.
laut uhrenliteratur wurden früher bei den chronometerwettbewerben in die nicht gemessene lage krone rechts soweit möglich die schlimmsten bzw. unvermeidbaren fehler ‚hinreguliert‘ um bessere plazierungen zu erreichen.
eine frage:
sollte der gang der uhr wirklich 24 stunden in einer lage gemessen werden, lässt sich der nicht-eingriff der datumsschaltung nur verhindern, indem die datumsschaltung ausgebaut wird. wird das für die chronometer-prüfung gemacht?
am praktischen nutzen ginge das allerdings dann komplett vorbei.
lg günter