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In den letzten 200 Jahren sind unzählige Schweizer Uhrenfirmen gekommen und gegangen. Ziemlich häufig stoße ich auf mindestens einen heute nicht mehr existierenden Namen, den ich noch nie zuvor gehört habe. Eine ist die etwas in Vergessenheit geratene Marke Buser Frères, die anno 2024 überraschend wiederbelebt wurde – und zwar von einem unter Uhrenfreunden bekannten Gesicht aus Stuttgart. Das Besondere: Ein weit überdurchschnittlicher Anteil Eigenfertigung…

Eckdaten Buser Frères Dirty Dozen:

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Kleine Geschichtsstunde: Über die Buser Frères & Cie S.A.

Buser Frères & Cie S.A. wurde 1892 von Franz und Albert Buser in Niederdorf, im Schweizer Kanton Basel-Landschaft, gegründet. Zunächst spezialisierte sich Buser auf die Produktion von sogenannten Ebauches (Rohwerke bestehend aus Werkplatte, Brücken, Kloben und Federhaus, Räderwerk, Hebelwerk, Zeigerwerk und Wellen). Buser entwickelte insgesamt über zwanzig verschiedene Kaliber, die man oftmals anhand der Gravur eines schlichten “B” in einem Dreieck identifizieren kann (siehe auch Werbeanzeige unten).

Buser begann als Rohwerkspezialist und produzierte ab 1916 auch komplette Uhren, unter anderem unter den hauseigenen Marken Frenca oder Nidor. Buser fertigte aber auch im Auftrag anderer Hersteller wie Gruen​. Neben Taschenuhren und Armbanduhren produzierte Buser auch Exoten wie Halskettenuhren und Autouhren für den Einbau ins Armaturenbrett.

Trotz ihres wachsenden Renommees sah sich Buser einer harten Konkurrenz durch die immer dominanter werdenden Zusammenschlüsse der Schweizer Uhrenmanufakturen gegenüber, vor allem der Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie AG (Société Générale de l’Horlogerie Suisse, ASUAG) und der Société Suisse pour l’Industrie Horlogére SA (SSIH). Als Reaktion darauf schlossen sich die Buser Frères & Cie SA und drei weitere Schweizer Uhrenmanufakturen 1961 zusammen und gründeten die Manufactures d’Horlogerie Suisses Réunies SA (MSR) in Biel.

Weitere Gründungsmitglieder von MSR waren Revue, Phénix Watch Co. SA in Porrentruy und Vulcain & Studio SA in La Chaux-de-Fonds. Roland Straumann von der Revue übernahm das Ruder der neuen Gruppe und hatte die Aufgabe, die Produktion zu rationalisieren. Man hoffte, dass die Spezialisierung die Kosten senken würde, da alle vier Unternehmen in der Vergangenheit eine eigene Fertigung von Ébauche (unvollständige Uhrwerke, die in der Regel aus Platinen, Brücken, Rädern und Federhäusern bestehen – um später veredelt und mit Steinen, Hemmung, Aufzugsfeder, Krone, Zeigern und Zifferblatt versehen zu werden) sowie eine unabhängige hauseigene Veredelung und Montage durchgeführt hatten.

Zu Spitzenzeiten produzierte der Konzern über 600.000 Uhren pro Jahr und war damit einer der grössten Schweizer Uhrmacherverbände dieser Zeit. 

Die Marke Buser geriet nach der Gründung von MSR zunehmend in Vergessenheit, aber das hauseigene Kaliber 180 wurde noch viele Jahre lang als GT82 (MSR X1) verwendet.

Buser Frères: Neustart unter Dekla

Nachdem Buser Frères für viele viele Jahre in der Versenkung verschwunden war, wurde die Marke kürzlich reaktiviert – durch Yuriy Shapiro, seines Zeichens Gründer der unter Kennern wohlbekannten Marke Dekla. Wobei Marke deutlich untertrieben ist: Dekla ist nämlich weit mehr als nur eine Marke bzw. Microbrand, die typischerweise nur Markenpflege betreibt – Dekla fertigt alle Uhrengehäuse, Zifferblätter und Zeiger komplett im eigenen Hause, an zwei Standorten in Stuttgart. Insbesondere die Gehäusefertigung ist arbeitsintensiv: Vier Mitarbeiter kümmern sich um die Bedienung der CNC-Maschinen für das Fräsen und dergleichen. Alles in allem produziert Dekla alle Komponenten bis auf das Kaliber und das Saphirglas, komplett selbst – und führt damit den Gedanken von Buser als Manufaktur fort.

Einen ausführlichen Besuchsbericht mit vielen Eindrücken von der Produktion findet ihr hier: Zu Besuch bei DEKLA in Stuttgart

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Buser Frères Dirty Dozen im Test

Zu dem Zeitpunkt als Großbritannien anno 1939 den Deutschen wegen der Invasion Polens den Krieg erklärte, konnte die britische Uhrenindustrie nicht mal annähernd mit den Produktionskapazitäten der Schweizer mithalten. Und die wenigen britischen Unternehmen, die im Bereich Uhren tätig waren, wurden von der Regierung in die Pflicht genommen, sich auf die Produktion von Komponenten für Luftwaffe, Marine & Co. zu konzentrieren (unter anderem Zeitzünder).

Aus diesem Grund orderte das britische Verteidigungsministerium die für ihre Infantriesoldaten benötigten 150.000 Field Watches bei einem Dutzend Schweizer Hersteller, darunter Buren, IWC, Longines und Vertex – besser bekannt als “die Dirty Dozen”.

Buser Frères war streng genommen nie direkter Lieferant der British Army. Es gibt aber Stimmen, die sagen, dass Buser im Auftrag von mindestens einem der zwölf offiziellen Hersteller beauftragt wurde, Uhren unter dessen Marke zu produzieren (quasi als Subkontraktor). Das war damals nicht unüblich: Auch Revue beispielsweise produzierte die Dirty Dozen-Uhr unter der Marke Vertex. Und das passt auch dazu, dass ich bei meinen Recherchen zu Buser Frères über eine Originalanzeige aus dem Jahre 1940 gestolpert bin, die ein Modell zeigt, das sich klar im militärischen Dirty Dozen-Dunstkreis bewegt und auch entsprechend beworben wird (“La Montre du Soldat”).

Genau an der in der obigen Anzeige beworbenen Uhr orientiert sich Yuriy mit der Neuauflage: Das Modell mit dem Namen “Dirty Dozen” ist primär voll auf perfekte Ablesbarkeit gebürstet – ganz im Sinne einer Field Watch, die schnell und einfach ablesbar sein musste. Charakteristischste optische Merkmale sind die Eisenbahnminuterie, also eine äußere Minuteneinteilung, die an Eisenbahnschienen erinnert, rundum laufende arabische Stundenziffern und natürlich die kleine, dezentrale Sekunde (Buser bietet für minimalistische Uhrenfreunde aber auch Varianten mit zentraler Sekunde an).

Gleichzeitig ist die Neuauflage von Buser aber keine einfache Designkopie, denn Yuriy bringt auch ein paar eigene Ideen ein, insbesondere einen gelungen Degradé- bzw. “Smoked”-Effekt, der im Falle der hier gezeigten Testuhr von einem helleren Grau im Zentrum zu einem dunklen Anthrazit im Außenbereich reicht und somit den Retro-Charakter des Modells auf gelungene Art und Weise unterstreicht. Ein hochwertig wirkendes, angenehm weiches und flexibles Textil-Band mit Lederunterseite im “Used Look” (in Braun oder Blau) untermauert den “Smoked”-Effekt.

Des Weiteren hat sich Yuriy für Buser für ein rau strukturiertes Zifferblatt entschieden, welches die Uhr lebendiger, plastischer und hochwertiger wirken lässt. Man beachte auf den Nahaufnahmen unten vor allem auch die exzellente, absolut perfekte Detailqualität der Tampondrucke aus dem Hause Dekla (arabische Ziffern, Indizes, das originalgetreue Buser-Schriftlogo): Ich habe schon wesentlich teurere Uhren vor der Linse gehabt, die auf Makroaufnahmen merkbar weniger perfekt aussahen. Von der 30 cm-Regel, die im Uhrengeschäft Usus ist, scheint Yuriy offenbar so rein gar nichts zu halten (und das wundert mich auch nicht, da ich Yuriy als absoluten Perfektionisten kennengelernt habe). Hut ab!

Abgerundet wird der grandiose Eindruck des Zifferblattes von ebenfalls im Hause Dekla produzierten, thermisch gebläuten Zeigern (Minute, Stunde und kleine Sekunde), die insbesondere bei direktem Lichteinfall eine wunderschöne optische Wirkung erzielen.

Hier auch zwei kurze Videos, die die Entstehung des Zifferblattes der Testuhr zeigen:

Die Durchmesser der historischen Dirty Dozen-Uhren unterscheiden sich bemerkenswerterweise recht stark: Das Modell von IWC beispielsweise kam damals mit 35mm Durchmesser, das von Longines hatte für damalige Verhältnisse deutlich sportlichere 38mm. Solch große Unterschiede sind bei Militäruhren im Allgemeinen aufgrund normalerweise strikt festgelegter, normierter Spezifikationen sehr ungewöhnlich. Offenbar hat das britische Verteidigungsministerium aber dankend alles genommen, was es kriegen konnte.

Heute sind 38mm für das durchschnittliche Herrenhandgelenk eher aus der Kategorie klein – das hochwertig-fein durch Sandstrahlen satinierte, schnörkellose Edelstahl-Gehäuse aus dem Hause Dekla folgt mit einem Durchmesser von 38mm (Horn-zu-Horn 46,6mm) somit dem aktuellen Trend hin zu eher kompakteren und komfortabel tragbaren Uhren.

Dennoch – zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt etwa 19 cm (was eher überdurchschnittlich ist) und da wirkt die Uhr einfach einen Tick zu klein. Aber ich schätze das ist mein persönliches Problem. In jedem Fall ist das Gehäuse auch angenehm flach, sodass das Verhältnis von Durchmesser zu Höhe sehr stimmig wirkt. Die Wasserdichtigkeit des Gehäuses ist mit 10 bar bzw. 10 atm absolut alltagstauglich (zum Schwimmen und Schnorcheln geeignet).

Für den Antrieb der Buser Frères Dirty Dozen sorgt ein Schweizer Standardkaliber aus dem Hause Sellita SA: Das SW216-1, eine Variante des allseits beliebten SW200-1, das per Handaufzug zum Leben erweckt wird und dank seiner flachen Konstruktion (nur 3,35 mm) einen Beitrag dazu leistet, dass das Modell angenehm flach ist. Das Kaliber kommt in der Qualitätsstufe Elaboré und wird bei Dekla noch mal nachreguliert – mit 0 Sekunden/Tag (Blatt oben) zeigt sich bei der Testuhr eine perfekte Feinregulierung bzw. Reglage. Nicht tragisch, es soll aber nicht unerwähnt bleiben: Das SW216-1 kommt mit einem Datum, das Buser aber nicht nutzt, wodurch sich eine “Ghost”-Position bei mittlerer Kronenstellung ergibt.

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Abschließende Gedanken zu Buser Frères

Eine überdurchschnittliche Detailperfektion (vor allem die extrem präzisen Zifferblattdrucke), eine für heutige Verhältnisse unglaublich hohe Fertigungstiefe (sämtliche Gehäuse, Zifferblätter und Zeiger) und ein überaus sympathischer und erfahrener Markeninitator – wo findet man heute noch so ein rundes Paket zu einem Preispunkt von unter 1000€? Das, was Yuriy in Stuttgart auf die Beine gestellt hat, ist mehr als bemerkenswert und ein echtes Unterscheidungsmerkmal unter den kleineren, unabhängigen Uhrenmarken.

Man beachte: Anders als bei der Kernmarke Dekla gibt es bei Buser keinen Konfigurator – aus dem einfachen Grund, da Yuriy die Lieferzeiten bei unter zwei Wochen halten möchte. Mit Blick auf die vielzähligen Varianten innerhalb der derzeit vier Kollektionen, gibt es aber genug Auswahl, die die Entscheidung schon schwer genug machen.

Während Dekla auch moderne Modelle im Sortiment hat, positioniert Yuriy Buser Frères vor allem im klassischen bzw. Retro-Bereich, was thematisch absolut Sinn ergibt. Gleichzeitig wünsche ich mir eine noch etwas stärkere Abgrenzung zu Dekla, denn Marineuhren beispielsweise führt Yuriy sowohl unter der Marke Dekla, als auch unter Buser Frères.

In jedem Fall freue ich mich sehr auf weitere Buser-Neuerscheinungen – ich habe bei Yuriy jedenfalls schon mal vorsichtig platziert, ob er nicht Lust auf eine Neuauflage dieses meiner Meinung nach ziemlich coolen Chronographen hat.

Buser Frères Uhren Test 04330

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Konrad
1 Monat zurück

Gerade durch die verwendete Chemin de für Minuterie wird deutlich, dass der Minutenzeiger die perfekte Länge hat. Auch Dir, Mario, Gratulation zu den wirklich aussagekräftigen Makro-Aufnahmen. Wenn die gebläuten Zeiger in Natura genau so toll aussehen wie auf den Fotos, ist das schon ziemlich großes Kino.
38 mm Durchmesser finde ich persönlich übrigens für die Uhr perfekt. Die durchbohrten Bandanstöße finde ich gerade bei einer Uhr, die ein historisches Thema aufgreift passend – damals hat man Uhrgehäuse so gefertigt. Nicht so perfekt finde ich dagegen, dass die Hörner nicht noch weiter nach unten gebogen sind. Damit hätte die historische Konstruktionsmaxime, dass der Boden einer flach auf dem Tisch liegenden Uhr über der Tischplatte „schwebt“ ebenfalls ohne großen Aufwand aufgegriffen werden können.
Auf meiner Wunschliste steht noch Leuchtmasse in „Old Radium“ Farbe, die durchaus etwas „dicker“ (vgl. Spinnaker Fleuss ) aufgetragen sein darf.

Mein Fazit lautet: Auch ohne die Umsetzung meiner ganz persönlichen Wünsche, die auch nicht „der Nabel der Welt“ sind, eine gut gemachte Uhr zu einem durchaus fairen Preis. Ich bin gespannt, wie es mit Buser weitergeht.

Konrad
1 Monat zurück
Antworten...  Konrad

Sorry, es muss natürlich chemin de fer heißen – verflixte Autokorrektur verbunden mit schlichter Unsufmerksamkeit

Konrad
1 Monat zurück
Antworten...  Konrad

Unaufmerksamkeit

Lord Cord
1 Monat zurück

Eine sehr smarte Uhr. Aber wir werden keine Buserfreunde. Dafür ist die Auswahl in diesem doch recht konformen Segment zu hoch. Handwerk in allen Ehren, letztlich muss sie sich irgendwie durchsetzen. Und bei aller Liebe und den Details – da habe gibt es genug Auswahl.
Dennoch der Marke natürlich viel Erfolg. Gottlob sind mein Geschmack und meine Meinung nicht die Nabel der Welt!