Bruno Söhnle gehört seit der Gründung anno 2000 zu den zugänglichsten Einstiegspunkten in die Welt der traditionellen Glashütter Uhrmacherei – auch dank der Verwendung von Quarzwerken. Die meisten Uhrenfreunde verbinden mit Quarz erfahrungsgemäß wohl eher nicht schick dekorierte Werke, die man sich unbedingt hinter einem Glasboden anschauen muss – so viel aber vorweg: Bruno Söhnle beweist, dass auch dieses ungewöhnliche Konzept gemäß Glashütte-Regeln funktionieren kann. Gleichzeitig ist Bruno Söhnle nun schon seit einiger Zeit auch mit veredelten mechanischen Werken unterwegs – die Modellreihe Turin vereint dabei beide Welten…
Eckdaten Bruno Söhnle Glashütte Turin:
- Turin Automatik 17-12230
- Kaliber BS175 (Basis: Sellita SW200-1)
- Durchmesser 39,5 mm
- Höhe 11,8 mm
- Horn-zu-Horn 47 mm
- Bandanstoß 20 mm
- Gewicht 137g
- Wasserdichtigkeit 10 bar
- Saphirglas, innen entspiegelt
- Listenpreis: 1490€
- Turin Chronograph 17-13229
- Basiswerk Ronda 5040.B
- Durchmesser 39,5 mm
- Höhe 12 mm
- Horn-zu-Horn 47 mm
- Bandanstoß 20 mm
- Gewicht 135g
- Wasserdichtigkeit 10 bar
- Saphirglas, innen entspiegelt
- Listenpreis: 850€
- Turin II Big 17-13225
- Basiswerk Ronda 6003.D
- Durchmesser 41 mm
- Höhe 9,5 mm
- Horn-zu-Horn 48,4 mm
- Bandanstoß 20 mm
- Gewicht 129g
- Wasserdichtigkeit 10 bar
- Saphirglas, innen entspiegelt
- Listenpreis: 695€
- Turin II Small 17-13226
- Basiswerk Ronda 6003.D
- Durchmesser 34 mm
- Höhe 9,1 mm
- Horn-zu-Horn 41,2 mm
- Bandanstoß 16 mm
- Gewicht 90g
- Wasserdichtigkeit 10 bar
- Saphirglas, innen entspiegelt
- Listenpreis: 695€
INHALT
Bruno Söhnle: Finissierte Quarzwerke aus Glashütte
Bruno Söhnle ist, im Gegensatz zu anderen historischen Marken in Glashütte, noch vergleichsweise jung – gegründet wurde der im wichtigsten deutschen Uhrencluster Glashütte ansässige Hersteller von Herrn Söhnle im Jahre 2000. Dabei ist der Fußabdruck der Familie Söhne in der deutschen Uhrenindustrie deutlich weitreichender: Anno 1957 tritt der grade mal 17 Jahre alte Bruno Söhnle in die Großuhrenfabrik seiner Brüder ein. Nach der deutschen Wiedervereinigung baut Söhnle den Vertrieb von Mühle-Glashütte auf. Kontakte in das Uhren-Mekka waren also schon lange vorhanden und auf dieser Grundlage gründete Bruno Söhnle anno 2000 mit vier Mitarbeitern sein Unternehmen in Glashütte – und machte sich damit zu seinem 60. Geburtstag selbst ein Geschenk.
Bruno Söhnle war dabei der Erste, der nach der Aufteilung der VEB Glashütter Uhrenbetriebe (GUB) wieder mit der Herstellung von Quarzuhren in Glashütte begann, sodass Söhnle sich schnell das Image als Einsteigermarke in die Welt der Glashütter Uhrmacherei erarbeitete – und das ist auch heute noch so.
Bruno Söhnle ist damals wie heute familiengeführt, was im von Konzernen geprägten Uhrenmarkt heute leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Eine wesentliche Rolle spielt dabei Brunos Tochter Stephanie, die seit 1997 im Familienbetrieb aktiv ist: Anno 2009 übernimmt sie die Geschäftsführung der Wurmberger Gebr. Söhnle GmbH & Co. KG und seit 2012 wurde auch der Generationenwechsel bei Bruno Söhnle in Glashütte vollständig offiziell vollzogen, indem Stephanie Söhnle offiziell zur Geschäftsführerin ernannt wurde und sich zusammen mit rund 30 Mitarbeitern um die Produktion von Quarz-, Automatik- und Handaufzugsuhren im Einklang mit der Glashütte-Verordnung kümmert.
Bruno Söhnle Turin: Auch ein Quarz-Rücken kann entzücken
Hinsichtlich Optik schlägt ein mechanisches Uhrwerk in der Regel Quarz – aber hier gibt es doch Ausnahmen von der Regel: Bruno Söhnle zeigt, dass auch ein Quarzwerk mehr als ansehnlich verarbeitet sein und dadurch durch einen Sichtboden schön in Szene gesetzt werden kann. Dekorierte Quarzwerke haben tatsächlich echten Seltenheitswert in der Welt der Zeitmesser. Neben Grand Seiko und Bruno Söhnle gibt es hier kaum nennenswerte Alternativen.
Mehr: Uhren mit Glasboden: Pro und Kontra (chrononautix.com)
Bruno Söhnle fertigt dabei im Einklang mit der (längst überfälligen) Glashütte-Verordnung, die anno 2022 eingeführt wurde und klar umreißt, wann eine Uhr „Made in Glashütte“ ist. Konkret: Neben definierten Herstellungsschritten am Standort Glashütte wie die Montage (Zeigersetzen, Einschalen etc.), zielt die Glashütte-Verordnung vor allem auch auf eine hohe Wertschöpfung von über 50% im Zusammenhang mit dem verbauten Uhrwerk ab (z.B. Fertigung oder Veredlung von Teilen des Uhrwerks, Reglage).
Alle Details könnt ihr dazu in diesem Artikel nachlesen: „Made in Glashütte“ (endlich) per Verordnung geschützt.
Um die Veredelung der Quarzwerke umzusetzen, werden diese durch Bruno Söhnle zunächst komplett demontiert. Anschließend bekommt die Abdeckplatte einen Glashütter Streifenschliff, der auf die Anfangstage der Glashütter Uhrmacherei zurückgeht und das Pendant zum Genfer Streifenschliff darstellt, sowie die Gravur der Schriftmarke. Abdeckplatte und Räderwerkbrücken werden anschließend galvanisch vernickelt, die Schrauben werden abgeschliffen (Nickelschicht entfernen) und anschließend von Hand thermisch gebläut. Prädikat: Mehr als ansehnlich. Einziger Wermutstropfen: Die oben aufliegende Knopfbatterie stört beim unten gezeigten Ronda-Werk, das in einigen Modellen der Turin-Reihe tickt, naturgemäß das Gesamtbild ein Stück weit. Nur das Ronda 8040.N (beispielsweise in der Bruno Söhnle Grandioso verbaut) oder das 8040.B (Pesaro Chronograph Big) haben eine abgedeckte Batterie.
Mehr: Thermisch gebläute Zeiger, Schrauben & Co. bei Uhren: Das steckt dahinter | CHRONONAUTIX Uhren-Blog
Turin II Big, Small und Turin Chronograph mit Ronda Quarzkaliber
Die Designsprache von Bruno Söhnle ist damals wie heute hauptsächlich minimalistisch bzw. reduziert auf das Wesentliche. Gleichzeitig kommen im Falle der Turin-Modellreihe Details wie applizierte Stundenindizes und ein feiner Sonnenschliff zum Einsatz – zum Beispiel bei den Einsteigermodellen Turin II Big und (41mm) und Turin II Small (34mm). Beide Modelle sind aus der Kategorie „Dresswatch“, trennen ganz klassisch in Herren- und Damengröße und kommen mit dem Schweizer Quarzkaliber Ronda normtech 6003.D mit 40 Monaten Batterielaufzeit und Datumsanzeige (Batterie 373). Dank Quarzkaliber ist auch die Höhe beider Modelle mit deutlich unter 10 mm schlank gehalten, was insbesondere bei der Turin II Small wichtig ist, damit die Proportionen dieses Damenmodells stimmig wirken.
Mit dem Turin Chronographen bietet Bruno Söhnle darüber hinaus eine sportliche Alternative mit klassischer Tricompax-Anordnung (1/10 Sekunde, 30 Minuten-Zähler,
10 Stunden-Zähler) und dank Ronda-Kaliber startech 5040.B – als besonderer Eyecatcher – ein Großdatum auf „12 Uhr“, das sich symmetrisch in das Gesamtbild einfügt. Das bis 10 bar wasserdichte Gehäuse ist quasi identisch zu dem der Automatik-Turin (dazu gleich mehr) und kommt auf 39,5 mm Durchmesser bei 47 mm Horn-zu-Horn und 12 mm Höhe.
Bruno Söhnle Turin Automatik und das Kaliber BS 175
Acht Jahre nach der Gründung begann Bruno Söhnle auch mit der Fertigung erster Modelle mit mechanischen Kalibern. Bruno Söhnle geht zwar noch immer primär den Weg der Quarzuhren, hat aber über die letzten Jahre immer wieder auch neue mechanische Modelle ins Sortiment aufgenommen – so wie die Turin Automatik.
Die Entstehung der Turin Automatik ist denkbar einfach: Auf Messen kam laut Bruno Söhnle vermehrt der Wunsch nach einer Modellvariante in Unisex-Größe unter 40mm sowie einem mechanischen Antrieb auf. Gesagt, getan: Mit 39,5mm ist die Turin Automatik auch für schmalere Herren-Handgelenke geeignet. Gleichzeitig ist die Turin im Sinne einer Unisex-Uhr sicherlich auch für viele Damenhandgelenke interessant. In der Summe wirkt die Turin Automatik am Handgelenk aber etwas größer, was vor allem an der schmalen Lünette und entsprechend großem Zifferblattdurchmesser liegt. Auch die Höhe ist mit knapp 12 mm eher sportlicher Natur, die Proportionen (Verhältnis Durchmesser zu Höhe) empfinde ich aber als sehr stimmig. Besonders ins Auge sticht die intensive, gelungene Hochglanzpolitur auf der Lünette und den Flanken. Die Oberseite der Hörner ist fein satiniert.
Das Zifferblatt der Turin Automatik ist Söhnle-typisch minimalistisch gehalten, durch die kontrastreich hervogehobene Minuterie am äußeren Rande bekommt das Blatt außerdem noch etwas Sportlichkeit eingehaucht. Man beachte auf den Nahaufnahmen unten vor allem auch die exzellente Detailqualität, insbesondere von den applizierten Indizes.
Als Zifferblattvarianten stehen tannengrün, beige, grau und „Lime“ zur Auswahl. Der Star der Show ist ohne Zweifel die extrovertierte, auffällige „Lime“-Variante. Die Geschichte dahinter ist ziemlich witzig: Marketing Manager Dario wollte für die tannengrüne Variante der mechanischen Turin Musterblätter in verschiedenen Farbtönen ordern, definiert über die Pantonefarben, eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Schon eine kleine Änderung im Code, wie das Weglassen einer Zahl, kann zu einer völlig anderen Farbe führen.
Und tatsächlich ist Dario ein kleiner Fehler mit großem Impact passiert, bei dem bei einem der Muster-Farbcodes eine Ziffer vergessen wurde – das Resultat: Eine knalliges, kräftig-intensives Limettengrün, das bei Bruno Söhnle-Geschäftsführererin Stephanie Söhnle zunächst für hochgezogene Augenbrauen sorgte. Je länger sich Dario und Frau Söhnle aber das Modell angeschaut haben, desto angetaner waren sie. Und so fand diese Farbvariante letztendlich Einzug in die Kollektion – eine sehr gute Entscheidung wie ich finde, nicht zuletzt, da knallige Farbtöne in den letzten Jahren deutlich an Interesse gewonnen haben (siehe z.B. Tiffany Blue). Und für den Sommer sind solche frisch-fröhlichen Farben natürlich sowieso perfekt (hat jemand Sommeruhr gesagt?).
In der Automatikvariante der Bruno Söhnle Turin tickt das Kaliber unter der hauseigenen Bezeichnung BS 175, wobei Bruno Söhnle auch keinen Hehl daraus macht, dass das Basiswerk ein Sellita SW200-1 aus der Schweiz ist.
Bruno Söhnle erwirbt dabei aber nicht das gesamte Werk, sondern nur den Teilesatz, um die Finissage gemäß Glashütte-Verordnung vornehmen zu können, darunter Gravuren und eine händische Perlage auf den Brücken, also viele kleine geschliffene Kreise, die sich gegenseitig überlappen. Hierbei wird das zu bearbeitende Bauteil auf eine plane Fläche gestellt. Von oben kommt dann eine Bohrspindel, in die ein Werkzeug eingespannt ist, welches an seiner Spitze eine kleine Gummikugel besitzt. Diese Gummikugel wird nun auch wieder mit einem Schleifpulver benetzt und immer kurz auf die Werkstückoberfläche gedrückt – Kreis für Kreis. Thermisch gebläute Schrauben vervollständigen das sehr ansehnliche Gesamtbild.
Mehr: Perlage, Genfer Streifen & Co.: Die 4 wichtigsten Dekorationen mechanischer Werke
Der Rotor für das BS 175 wird bei Bruno Söhnle komplett in Eigenregie aus einem Messingrohteil gefertigt und vernickelt. Ins Auge sticht insbesondere die Skelettierung, die es Uhrenfreunden erlaubt die dahinterliegende Finissage zu betrachten. Die Schwungmasse, also das Gewicht unter dem Rotor, ist außerdem aus Wolfram. Da ein hohes Gewicht sinnvoll ist, um den Automatikaufzug möglichst effizient zu gestalten, bietet sich Wolfram mit einem Gewicht von 19 g/cm³ natürlich an. Zum Vergleich: Edelstahl kommt auf ein Gewicht von ca. 7,9 g/cm³.
Das standardmäßig mit allen Turin-Varianten (Quarz und Automatik) ausgelieferte Stahlband im feingliedrigen Jubilee-Stil passt optisch wunderbar zur Turin und macht einen haptisch guten Eindruck. Die Schließe ist allerdings aus der Kategorie „Old School“: Eine Feinjustierung ist nur über die seitlichen Bohrungen und damit nicht werkzeugfrei möglich. Auch Schnellwechselfederstege, um beispielsweise schnell auf ein Lederband wechseln zu können, sind nicht an Bord. Hier hätte ich bei einer Uhr mit einem Listenpreis von bis zu 1490€ (Turin Automatik) durchaus etwas mehr erwartet.
Abschließende Gedanken
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass eine hochwertige Quarzuhr in jede gute Uhrensammlung gehört – sei es wegen der zusätzlichen Funktionen, wegen der Ästhetik (Stichwort: flachere Bauweise gegenüber Automatik) oder einfach, weil man Wert auf eine höhere Ganggenauigkeit und Robustheit legt. Bruno Söhnle Glashütte zeigt dabei, dass man beim Blick durch den Glasboden auch mit Quarz keine Abstriche hinsichtlich ansehnlicher Finissage machen muss, und das zu vergleichsweise kleinen Einstiegspreisen. Dennoch ist innerhalb der Turin-Reihe die Dreizeiger-Automatik mein Favorit – vor allem wegen der „Lime“-Variante, die mich auf Anhieb abgeholt hat und deren ungewöhnliche Farbwirkung man sich unbedingt mal live anschauen sollte.
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Um 1.500€ gibt es starke Konkurrenz von Union, Nomos und Mühle. Würde ich alle drei zumindest vom Markenimage über Bruno Söhnle stellen…
Wobei man sagen muss das es die oben genannten kaum unter dem UVP zu kaufen gibt, während Bruno Söhnle in der Vergangenheit teilweise mit hohen Rabatten angeboten wurde
Persönlich finde ich die Turin Serie laaangweilig: Ein Gehäusedesign, das schon x-mal verwurstet wurde und ein Armband, das ich meine, exakt so bereits im Zubehörhandel gesehen zu haben (nun gut, das Faltelement wurde beschriftet und poliert). Immerhin, das Werk ist schön verarbeitet und der Fehler von Marketing-Dario ist das positive Highligt, eine super Farbe, die mich an mein erstes Kadett-C Coupe erinnert.