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Historisch gesehen ist Paris mit einigen großen Namen der Uhrmacherkunst wie Breguet und Cartier verbunden. Die ville lumière hat in letzter Zeit aber auch einige neue, kleinere Marken wie Serica, Baltic oder Beaubleu hervorgebracht. Insbesondere letztere setzt auf ein hochgradig eigenständiges, vergleichsweise atypisches Design. Schauen wir mal genauer hin…

Eckdaten Beaubleu Vitruve Date und GMT:

  • Made in Paris
  • Durchmesser 39mm
  • Höhe 10,5mm (inkl. Glas)
  • Horn-zu-Horn 45mm
  • Bandanstoß 20mm
  • Automatikkaliber Miyota 9015
  • Zifferblatt im Sandwich-Stil
  • Saphirglas mit Antireflexbeschichtung
  • Verschiedene Lederbandoptionen oder vollintegriertes Stahl-Mesh, jeweils mit Schnellwechselsystem
  • Preis: Ab 820€, direkt auf beaubleu-paris.com

Über Beaubleu-Uhren aus Paris

Luxusgüter “made in France” sind im Allgemeinen sehr gefragt – und das hat historische Gründe: Die herausragende Stellung Frankreichs im Luxusmarkt beruht auf einem erfolgreichen, jahrhundertealten Zusammenspiel zwischen Staat, Handwerk und Gesellschaft: Luxus als Handels- und Wertgegenstand geht in Frankreich zurück bis in das 17. Jahrhundert. Schon unter dem “Sonnenkönig” Ludwigs XIV wurden Manufakturen gegründet, die besonders hochwertige Produkte für den Export ins Ausland herstellten, darunter beispielsweise Porzellan. Diese Entwicklung hat sich über die Jahrhunderte in Frankreich zu einer Tradition entwickelt, die bis heute Bedeutung für das nationale Bewusstsein hat. Entsprechend erfolgreich sind französische Luxusmarken heute – auch bei der jüngeren Generation.

Mit eigenständigem Design und erschwinglichen Preisen schlägt der 2017 ins Leben gerufene Pariser Uhrenhersteller Beaubleu in genau diese Kerbe (für nicht so frankophile Uhrenfreunde: gesprochen Bohblöh, deutsch für “schönes Blau”). Hinter dem französischen Uhrenhersteller steckt der in Paris geborene und aufgewachsene Nicolas Ducoudert Pham, seines Zeichens ausgebildeter Designer mit Spezialisierung im Bereich Automobile und Luxusprodukte.

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Nicolas Ducoudert Pham

Als ich von Nicolas mit der Frage kontaktiert wurde, ob ich nicht Lust auf ein Review hätte, schoss mir zunächst reflexartig das Bild einer weiteren Microbrand in den Kopf. Und tatsächlich wandelte Beaubleu zu Beginn auf klassischen Microbrand-Pfaden, unter anderem mit einer Crowdfunding-Kickstarter-Kampagne, die für eine durchaus beachtliche Finanzierungsspritze von fast 130.000€ sorgte.

Davon mal abgesehen geht Nicolas mit Beaubleu einen eigenen Weg: So findet die Fertigung der Beaubleu-Uhren nicht etwa in einem der asiatischen Produktionscluster statt (wie das häufig bei Microbrands der Fall ist), sondern ausschließlich in Paris, der Heimat von Nicolas.

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Nicolas setzt außerdem nicht ausschließlich auf den Online-Vertrieb, so wie das bei Microbrands sonst üblich ist: Er hat einen eigenen (natürlich knallig-blau lackierten) Maison Beaubleu Showroom in der Rue Notre Dame de Nazareth aufgebaut, also der Straße in Paris, die gradlinig auf die gleichnamige Kathedrale Notre-Dame zuführt, dessen Restaurierungsarbeiten am Ufer der Seine nach dem großen Brand 2019 gut vorankommen. Darüber hinaus vertreibt Nicolas Beaubleu auch im stationären Einzelhandel, allerdings derzeit noch ausschließlich in Frankreich.

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Beaubleu Vitruve Date und GMT im Test

Beaubleu Vitruve Date

Der Name “Vitruve” der hier vorgestellten beiden Beaubleu-Modelle bedeutet vitruvianisch – das ist keine Vokabel, aus dem Standard-Wortschatz eines durchschnittlichen Uhrenfreundes (ziemlich sicher weder im Französischen noch im Deutschen). Wer sich aber hin und wieder mit Kunst beschäftigt kennt den Begriff vielleicht: “Der vitruvianische Mensch” ist eines der berühmtesten Werke von niemand geringerem als Leonardo da Vinci. Das Gemälde wird nur höchst selten in der Öffentlichkeit gezeigt und hängt normalerweise in einem klimatisierten Gewölbe in der Galleria dell’Accademia in Venedig. Das bis mindestens (!) eine Milliarde Euro versicherte Gemälde zeigt einen Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen in zwei überlagerten Positionen innerhalb eines Kreises. Der Name leitet sich vom antiken Architekten Vitruv (1. Jh. v.Chr.) und seiner Proportionenlehre ab.

Da Vinci Vitruve Luc Viatour
Leonardo da Vinci, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Name Vitruve könnte kaum besser zu den Uhren von Beaubleu passen: Aus dem Zentrum des Zifferblattes heraus bahnen sich keine klassischen, gradlinigen Zeiger ihren Weg, sondern sich kunstvoll über das Zifferblatt bewegende Kreise in unterschiedlichen Größen. Der kleinste Kreis zeigt dabei die Stunden, der mittelgroße Kreis die Minuten und der größte, gebläute Kreis die Sekunden an. Ganz neu ist dieses Prinzip nicht: Schon die Raketa Copernicus kam in den 80er Jahren mit runden Zeigern.

In jedem Fall ist die Größe der Zeiger-Kreise bei der Beaubleu Vitruve meiner Meinung nach sehr geschickt gelöst: So “umrahmt” bei entsprechender Stellung der Stundenkreis exakt das Beaubleu-Logo (ein gespiegeltes “B”). Der Minutenkreis wiederum umrahmt die innenliegenden Stundenziffern und zeigt gleichzeitig präzise auf die runden, außenliegenden, applizierten und (passenderweise) kreisrunden Stundenindexe. Der große gebläute Sekundenring wiederum zieht ganz am äußeren Rand seine Bahnen.

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Man beachte auch den vertikalen Streifenschliff auf dem Blatt, der sich in der Lünette fortführt.

Auch das runde Datumsfenster auf “6 Uhr”, dessen Ziffern in derselben Schriftart gehalten sind wie die Stundenziffern, fügt sich perfekt in das Gesamtbild ein – man beachte aber, dass runde Datumsfenster im Allgemeinen naturgemäß deutlich weniger Platz mitbringen, sprich: Die Ablesbarkeit ist vermindert.

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Stichwort Ablesbarkeit: Natürlich ist das Ablesen der Uhrzeit von der Beaubleu Vitruve erst mal etwas gewöhnungsbedürftig. Nach ein paar Tagen ist das aber alles in allem auch keine Raketenwissenschaft, denn Minuten- und Stundenkreis kommen jeweils mit einer runden Markierung an der Spitze, damit man die Uhrzeit präzise ablesen kann. Nur der Sekundenzeiger verzichtet auf diese Markierung, was aber verschmerzbar ist (wer regelmäßig sekundengenau die Zeit messen muss, der greift ohnehin besser zu einem Chronographen – oder zum Smartphone).

Hier im Beispiel ist es ca. 15.39 Uhr:

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Das Gehäuse ist nicht minder eigenständig und mit liebevollen Details gestaltet wie das Zifferblatt: Es macht den Anschein, als bestehe es aus mehreren Teilen, insbesondere wegen der Vertiefungen an den Flanken. Die Hörner sind schmal und wirken sehr dezent. Der Hauptteil des Gehäuses ist poliert, ins Auge sticht aber insbesondere die markant gebürstete Oberseite der Lünette, welche die vertikal gebürstete Zifferblatt-Struktur aufnimmt.

Das Gehäuse ist mit einem Durchmesser von 39mm, einem Horn-zu-Horn-Maß von 45mm und einer Höhe von 9,6mm ziemlich kompakt dimensioniert und damit auch für schmalere Herren- und durchaus auch für Damenhandgelenke geeignet. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt in etwa 19 cm (die Uhr wirkt für meinen persönlichen Geschmack einen Tick zu klein an meinem eher breiteren Handgelenk):

An das Gehäuse dockt auf vollintegrierte Art und Weise ein sehr feines und filigran wirkendes Mesh- bzw. Milanaise-Stahlband mit einer Breite von 20 mm an, das sich auf 17mm verjüngt und den dressigen Charakter der Beaubleu Vitruve wunderbar unterstreicht. Gut: Das Band lässt sich über die Schließe und die “Kerben” an der Unterseite jederzeit einfach feinjustieren. Auch verschiedene Lederbänder stehen optional zur Verfügung.

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Hinter einem Saphirglasboden tickt das robuste und zuverlässige japanische Kaliber 9015 aus dem Hause Citizen-Miyota. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung der 8000er Kaliberreihe, die vom Mutterhaus Citizen im Jahre 2009 als Alternative zur Schweizer Konkurrenz (Sellita, ETA) ins Rennen geschickt wurde. Aus technischer Sicht – so die einhellige Meinung – ist das Kaliber 9015 mit seinen Spezifikationen (28800 bph, Sekundenstopp, 42 Stunden Gangreserve etc.) auf jeden Fall eine ernstzunehmende Alternative. Mit +3 Sekunden pro Tag (Zifferblatt oben auf der Zeitwaage Weishi 1000) ist das Werk in der Beaubleu Vitruve Date außerdem ganz hervorragend einreguliert.

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Zum Einsatz kommen ein paar (nicht allzu spektakuläre und eher dezente) Dekorationen wie ein Streifenschliff. Der Rotor ist mit dem Beaubleu-Schriftzug graviert.

Alles in allem ist das Miyota 9015 eine Wahl, die pragmatisch und absolut nachvollziehbar ist – vielleicht ein bisschen zu pragmatisch mit Blick auf die Emotionen, die man gemeinhin mit Paris verbindet.

Beaubleu Vitruve GMT … aber nicht im klassischen Sinne

Beaubleu führt auch eine GMT-Variante innerhalb der Vitruve-Modellreihe – aber nanu, wo ist denn der GMT-Zeiger (bzw. im Falle der Vitruve der vierte Kreis)? Zunächst dachte ich, dass sich der Fehlerteufel in die Spezifikationen eingeschlichen hat. Tatsächlich aber ist die Vitruve GMT keine “echte” mechanische GMT im klassischen Sinne: in dem Modell tickt dasselbe (mit +3 Sekunden pro Tag ebenfalls ganz hervorragend einregulierte) Dreizeigerkaliber aus dem Hause Miyota wie in der Vitruve Date.

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Miyota 9015 Dreizeigerkaliber und GMT-Komplikation – wie das zusammenpasst? Nun, Beaubleu hat für das (Quasi-)GMT-Modell eine zusätzliche 12-Stunden-Skala am äußeren Rand untergebracht, die sich über eine unscheinbar an der linken Flanke in das Gehäuse versenkte Krone (mit der Gravur einer stilisierten Weltkugel) ansteuern lässt. So lassen sich…

  • die beiden Minuten- und Stundenkreise auf die innenliegenden, runden Stundenindizes als Referenz für die Heimatzeit und
  • anschließend die außenliegende, flexibel bidirektional drehbare Skala als Referenz für die Uhrzeit irgendwo auf der Welt nutzen.
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Am Ende des Tages ist diese ziemlich unübliche Interpretation einer GMT-Komplikation naheliegend, da ein vierter kreisrunder Zeiger vermutlich doch etwas zu viel des Guten gewesen wäre (Stichwort: Übersichtlichkeit). Gut ist auch, dass die zusätzliche Krone für die Ansteuerung der 12-Stunden-Skala unscheinbar im Gehäuse verschwindet. Allerdings hätte ich vielleicht dennoch eher einen anderen Modellnamen als “GMT” gewählt, um Verwirrungen zu vermeiden.

Ansonsten führt die Vitruve GMT die Beaubleu-Designsprache stringent fort, wenngleich das Modell deutlich dressiger als die Vitruve Date wirkt – das liegt vor allem am Gehäuse mit seiner im direkten Vergleich deutlich schmaleren Lünette. Auch das Zifferblatt wirkt dressiger. Die hier gezeigte Variante wirkt in den meisten Lichtverhältnissen fast schwarz, tatsächlich aber handelt es sich um ein sehr tiefes Grün.

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Fazit zur Beaubleu Vitruve aus Paris

Wer stets auf der Suche nach Uhrendesigns mit gewissen Besonderheiten ist, der kommt um einen näheren Blick auf die Beaubleu Vitruve eigentlich nicht herum: Die Umsetzung des Kreis-Designs ist bis ins letzte Detail durchdacht und stimmig (siehe Datumsfeld, Indizes) und auch die “Made in Paris”-Qualität kommt dabei nicht zu kurz. Summa summarum ist die Vitruve eine Uhr wie ich sie mir aus der französischen Design-Metropolen vorstelle.

In Deutschland gibt es leider keine Möglichkeit Beaubleu-Uhren live zu begutachten (Stores gibt es derzeit ausschließlich in Frankreich). Eine Online-Bestellung direkt über beaubleu-paris.com ist aber risikofrei, da das 14-tägige Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag innerhalb der gesamten EU gilt. Übrigens: Als kleines Easter Egg kommt jede Uhr in einer limitierten Auflage von 888 Stück.

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Dlanor Lepiv
1 Jahr zurück

Bei vielen chinesischen Uhren frage ich mich, wie die eine hohe Qualität für 100 Euro hinbekommen. Aber da gibt es Erklärungen wie keine Designkosten und hohe Auflagen.
Hier frage ich mich, wie BB die Uhr für 800 Euro hinbekommt. Die ganze Produktentwicklung und die exorbitanten Lohnkosten in Frankreich (die Sozialabgaben alleine belaufen sich auf 110% des ausgezahlten Gehalts) müssten eigentlich einen höheren Preis erfordern. Die Uhr erscheint fast schon als Schnäppchen. Leider ist die Uhr nicht wirklich nach meinem Geschmack. Etwas zu feminin…….

Lord Cord
1 Jahr zurück

Du gräbst immer Sachen aus…. Chapeau, wie der Italiener sagt.
DAS hier ist ja mal neu. Erst dachte ich, wo lese ich denn die Zeit ab, bis ich die Punkte sah. Jetzt finde ich das gut. Ja, das Werk ist das Werk. Aber will ich als kleinerer Hersteller gleich bei Glashütte bestellen oder ein eigenes Werk entwickeln? Eben.
So, jetzt den Bestellfinger zügeln, argh.
Ansonsten wieder toll geschrieben. Viele Informationen im Plauderton, so mag ich das, danke!

Carsten
1 Jahr zurück

Wer´s etwas ausgefallen mag und sich gern mal von Mainstream wegbewegt, ist damit wohl gut beraten. P/L finde ich gut: Made in France, gutes Japanlaufwert, tolles Design. Würde ich kaufen.