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Der Pforzheimer Uhrenhersteller Aristo wartet zum Jahresstart 2025 mit einem „Doppeldecker“ auf – zwei neue Fliegeruhren auf Beobachtungsuhrenbasis, die gleichzeitig unterschiedlicher kaum sein könnten…

Tipp: Dieses Review gibt es auch als YouTube-Video – schaut gerne mal rein!

Aristo Flieger 43 brüniert 7H150 / 7H151 Pilot Automatic

Fliegeruhrenaffine Uhrenfreunde sehen es sofort: das von einem kratzfesten Saphirglas geschützte Zifferblatt der Aristo Flieger 43 brüniert 7H150 / 7H151 Pilot Automatic bewegt sich im Dunstkreis klassischer bzw. historischer Beobachtungsuhren aus den 40ern. Dicke, kontrastreiche Indizes und Ziffern für eine perfekte Ablesbarkeit waren dabei durch die historische Brille betrachtet das A und O.

Man unterscheidet das sogenannte A-Muster-Ziffernblatt (mit außen liegendem Stundenkreis, Aristo-Ref. 7H151), das ursprünglich von 1940 bis 1941 gebaut wurde, und das Nachfolgedesign, das sogenannte B-Muster (mit innenliegendem Stundenkreis und großen Minutenzahlen in 5er-Schritten am Rand, Ref. 7H150 – wie hier näher gezeigt). Die gedruckte Super-LumiNova-Leuchtfarbe kommt dabei mit einem dezent bräunlichen Unterton – perfekt passend zum brünierten Gehäuse (dazu gleich mehr).

Insbesondere das zentrale Dreieck ist ein charakteristisches Merkmal, das aus Gründen der besseren Ablesbarkeit statt der arabischen „12“ zum Einsatz kommt, um auch bei schlechten Sichtverhältnissen selbst mit einem flüchtigen Blick die Stellung der Zeiger zur „12“ erkennen kann. Fun Fact am Rande: Vorgänger der Beobachtungsuhren waren die optisch ähnlich schlichten sogenannten RLM-Uhren, die von der Firma Aristo, damals durch die Familie Epple, hergestellt wurden.

Mehr: Aristo RLM mit 70er NOS-Kaliber von France Ebauches im Test

Das Gehäuse hat eine Patina in Verbindung mit einem Mattschliff – dank Brünierung. Das Brünieren dient im Allgemeinen der Bildung einer dünnen Schutzschicht auf eisenhaltigen Oberflächen. Der Begriff stammt vom französischen Wort brunir für ‚bräunen‘. Es gibt verschiedene Methoden, um Edelstahl zu brünieren. Bei Aristo wird das Gehäuse zunächst auf 800 Grad Celsius erhitzt und anschließend in Öl abgeschreckt – der Prozess findet dabei im eigenen Hause, also bei Aristo in Pforzheim, statt.

Beim Brünieren wird die Oberfläche umgewandelt bzw. durch das Erhitzen des Edelstahls wird eine Oxidschicht auf der Oberfläche des Metalls erzeugt. Das schnelle Abschrecken des erhitzten Edelstahls in Öl wiederum hat dabei gleich mehrere Effekte: Es hilft die Oxidschicht zu stabilisieren und damit die Korrosionsbeständigkeit zu verbessern. Wenig verwunderlich ist, dass dieses Verfahren, das Hansjörg Vollmer übrigens im eigenen Hause am Pforzheimer Hauptsitz umsetzt, eigentlich aus dem Werkzeugbau stammt, wo Langlebigkeit und Haltbarkeit ein wesentlicher Faktor sind.

So oder so: Die matt-dunkle Optik rundet das Modell perfekt und passend ab und sorgt für eine echte Besonderheit. Im Gegensatz zur Aristo Vintage 42 Beobachter mit NOS-Kaliber von Record/Longines fällt der Effekt bei dem hier gezeigten neuen Modell sogar deutlich intensiver aus – ich bin auf jeden Fall ein riesiger Fan dieser Optik.

An allen Uhren dieser Ausführung wird eine sandgestrahlte Kegelkrone aus Edelstahl verwendet, die allerdings nicht brüniert ist, um die Mechanik der Krone durch die Materialveränderung nicht zu beeinträchtigen. Ein Wermutstropfen dabei ist, dass die Krone sich dadurch im Vergleich zum Gehäuse natürlich optisch unterscheidet – praktisch fällt das aber nicht allzu sehr auf.

Die Uhr ist, wie hier gezeigt, auch am Mesh erhältlich, das im Hause Aristo Vollmer produziert wird – sogenannte Coils, also Wickel aus Blechband, werden dabei auf der sogenannten Zirkularschere auf die gewünschte Breite geschnitten. Später werden daraus Komponenten für die Produktion der Mesh-Bänder. Schön: Das Mesh ist passenderweise ebenfalls brüniert, die Optik damit sehr „rund“. Man beachte: das Band auf den hier gezeigten Fotos passt nicht besonders gut, da es sich um ein Prototypen-Band handelt. Der Aufpreis gegenüber der Lederbandvariante ist mit +30€ mehr als überschaubar, weshalb ich auf jeden Fall zur Variante am Mesh rate.

Anders als bei der ebenfalls brünierten und hier auf dem Blog vorgestellten Aristo Vintage 42 Beobachter tickt in der Aristo Flieger 43 brüniert 7H150 bzw. 7H151 Pilot Automatic kein NOS-Kaliber, sondern das bewährte, zuverlässige und robuste Schweizer Automatikkaliber Sellita SW200-1.

Einerseits bin ich großer Fan von NOS-Kalibern, da diese eben auch eine Besonderheit darstellen und quasi Geschichte zum Leben erwecken. Das SW200-1 ist aber (nüchtern betrachtet) naturgemäß das leichter bei jedem Uhrmacher wartbare Kaliber. Im Allgemeinen ist das SW200-1 ein nicht unwichtiger Baustein dafür, um dem Modell ein richtig gutes Preis-Leistungs-Verhältnis attestieren zu können, denn in der Preisklasse von 500-600€ findet man dieses Kaliber heutzutage nur noch sehr selten.

Eckdaten Aristo Flieger 43 brüniert Pilot Automatic 7H150 bzw. 7H151:

Aristo 3H260-VIN mit dezentraler Sekunde

Auch die Aristo 3H260-VIN kommt grundsätzlich erstmal mit einem klassischen Zifferblatt im A-Muster mit rundum laufenden Stunden-Ziffern und klassischem Dreieck mit zwei Punkten auf „12 Uhr“ – was das Modell aber vom klassischen Beobachtungsuhren-Design unterscheidet, ist der Einsatz eines kleinen Sekundenzeigers auf „6 Uhr“, der eingebettet in einen Totalisator seine Bahnen zieht.

Man dürfte nicht allzu viele Argumente dafür finden, dass die kleine Sekunde das bessere Prinzip hinsichtlich Ablesbarkeit ist (außer vielleicht, dass Minuten- und Stundenzeiger so einen Tick schneller identifiziert werden können, wenn man einen schnellen Blick auf die Uhrzeit wirft). Rein funktional kam dem zentralen Sekundenzeiger bei den ursprünglichen Beobachtungsuhren auch eine entscheidende Rolle zu – das belegt eine Passage aus dem offiziellen Leitfaden der Flugnavigation aus 1942:

„Am Ende der Laufzeit erlischt die Beleuchtung der Libelle. Für diesen Zeitpunkt ist sofort die Uhrzeit an der Beobachtungsuhr auf die Sekunde genau zu bestimmen. […] Dabei beobachtet man den Sekundenzeiger der B-Uhr. […] Erst nach Bestimmung der Zeitsekunden werden Minuten- und Stundenzeiger der B-Uhr abgelesen“Leitfaden der Flugnavigation, 1942

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Aus dem Leitfaden der Flugnavigation, 1942

Von der historischen Einordnung und der Funktionalität mal abgesehen ist die kleine Sekunde in jedem Fall aber eine schöne optische Besonderheit. Das gilt insbesondere mit Blick auf Beobachtungsuhren im klassischen A-Muster-Design: Während das Zifferblatt vom Typ B die Fläche wegen des Innenkreises mit den Stundenziffern ohnehin gut ausnutzt, ist das A-Muster deutlich schlichter. Die kleine Sekunde sorgt hier für ein deutlich tooligeres Aussehen, das an Instrumente erinnert. Im Detail stechen auf dem Blatt auch die chemisch gebläuten Zeiger ins Auge, die bei direktem Licht intensiv blau erstrahlen. Allerdings hätte ich gerne auf das Datumsfenster verzichten können: Dieses wirkt auf dem großen Zifferblatt einfach etwas verloren.

Das bis 5 bar wasserdichte und damit zum Duschen geeignete Gehäuse sieht im Vergleich zum oben vorgestellten, brünierten Gehäuse, aus „wie aus dem Ei gepellt“ – es ist durchgängig satiniert bzw. sandgestrahlt und völlig schnörkellos. Die Uhr ist dennoch sehr präsent, da mit 47 mm Durchmesser (und 55 mm Horn-zu-Horn) sehr sportlich dimensioniert – nichts für allzu schmale Handgelenke! Im Vergleichsbild unten mit der eingangs vorgestellten 43er Flieger brüniert wird der Größenunterschied auch noch mal deutlich.

Im Gehäuse tickt das Schweizer SW260-1, ein Automatikwerk mit kleiner Sekunde und Datum von Sellita, das hinter dem vergleichsweise kleinen Glasboden zum Vorschein kommt (bedingt durch den großen Gehäusedurchmesser). Wie andere Kaliber aus der SW200er-Familie basiert auch das SW260 auf dem Design der ETA 2800-Familie. Sellita produziert dieses Uhrwerk seit 2011. Mit 0 Sekunden pro Tag ist die mir vorliegende Testuhr perfekt feinreguliert (Reglage durch hauseigene Aristo-Uhrmacher).

Eckdaten Aristo 3H260-VIN mit dezentraler Sekunde:

  • Limitiert auf 12 Stück, nummerierter Gehäuseboden
  • Durchmesser 47 mm
  • Höhe 10,9 mm
  • Horn-zu-Horn 55 mm
  • Sandgestrahltes Edelstahlgehäuse
  • Vintage-Lederband in braun, handgenäht
  • Kaliber Sellita SW 260, 31 Steine, 28.800 A/h, Sekunden-Stopp, Incabloc- Stoßsicherung, dezentrale Sekunde, schwarzer Kalender.
  • Listenpreis 850€, erhältlich direkt über den Online-Vertrieb von Aristo

Mehr: Hinter den Kulissen: Einblicke in die Produktion von Aristo Vollmer in Pforzheim

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