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Hallo liebe Uhrenbegeisterte! Viele von euch kennen es vermutlich: das beliebte Jubilee-Armband von Rolex. Das Jubilee-Band hat auch schon eine stattliche Geschichte vorzuweisen: Bereits im Jahr 1945 wurde es von Rolex auf den Markt gebracht. Es besticht vor allem durch seinen 5-reihigen Aufbau mit 3 polierten Innengliedern und zwei größeren Außengliedern mit Strichschliff. Die Träger schwärmen vor allem vom großartigen Tragegefühl, durch die vielen kleinen Glieder schmiegt sich das Metallband nämlich exzellent an das Handgelenk an. Seinen Namen hat das Jubilee-Band übrigens zu seinem 40-jährigen Jubiläum im Jahre 1985 erhalten. Trotz zahlreicher Weiterentwicklungen in dieser Zeit, die vor allem stärkere Glieder und Stifte beinhalteten, konnte der enorme Verschleiß des Bandes nie so richtig effizient verhindert werden. Dieser Verschleiß ist unter dem Namen „Stretch“ bekannt. So gut wie sich die vielen kleinen Glieder auch ans Handgelenk anschmiegen mögen, bieten diese Glieder einen enorm guten Zugang für Verschmutzungen: Schweiß, Hautabrieb und Staub verbinden sich zu einer aggressiven Schleifpaste, welche die einzelnen Glieder innen und vor allem die Stifte, die das Band zusammenhalten, angreifen. Nach vielen Jahren des Tragens wird das Band immer länger und wirkt schlabbrig und ausgeleiert. Rolex selbst möchte natürlich neue Bänder verkaufen und bietet leider keine Reparaturen dafür an. Allerdings gibt es speziell angefertigte Werkzeuge, mit denen man die einzelnen Glieder auseinanderbauen und den Stretch entfernen kann. Meine ChronoRestore Werkstatt ist seit neuestem auch stolzer Besitzer dieser Werkzeuge und heute möchte ich mit euch gemeinsam in die Reparatur eines solchen Rolex Jubilee-Armbandes eintauchen. Viel Spaß!

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

Rolex Stretch Repair – so funktioniert’s

Wie bereits erwähnt ist das Jubilee-Armband sehr offen gestaltet, was dafür sorgt, dass Verschmutzungen leicht zu den inneren Bauteilen vordringen können. Da die einzelnen Glieder in direktem Kontakt miteinander stehen sowie aneinander reiben und die eindringenden Verschmutzungen wie eine Schmirgelpaste wirken, werden die Stifte stark beansprucht. Es entstehen Bänder, die schlabbrig und instabil aussehen. In Abbildung 1 könnt ihr ein gutes Beispiel dafür sehen.

Das Band hängt schlaff an der Uhr herunter. Grund dafür ist, dass die Stifte so sehr abgerieben und verschlissen sind, dass sich richtige Furchen in den Stiften gebildet haben (siehe Abbildung 2).

Die kleinen Glieder haben sich immer tiefer in die Stifte hineingearbeitet. Dadurch entsteht natürlich viel mehr Bewegungsfreiheit für die einzelnen Glieder. Diese Bewegungsfreiheit lässt das Band dann schlapp und instabil wirken. Zudem summiert sich der zusätzlich geschaffene Platz über das komplette Band. Das Band wird also insgesamt länger und liegt dadurch auch nicht mehr schön am Handgelenk.

Das Einzige, was hier Abhilfe schafft, ist ein komplett neues Band für ca. 2000€ oder mehr von Rolex oder ein sogenannter Stretch-Repair für pauschal 350€ (inklusive Wertversand) bei mir in der ChronoRestore Werkstatt. Beim Stretch-Repair werden die Stifte, die das Band zusammenhalten aus dem Armband ausgebaut und gegen neue Stifte ersetzt. Somit wird das Spiel der einzelnen Glieder wieder minimiert und das Band kommt annähernd wieder in seinen Neuzustand zurück. In Abbildung 3 kann man das oben gezeigte Band nach dem Stretch-Repair erkennen. Das Band ist wieder deutlich straffer und stabiler.

Aber Vorsicht: Ein Stretch-Repair ist kein neues Band! Der Stretch wird zwar auf ein absolutes Minimum reduziert, kann aber nicht vollständig behoben werden. Es verschleißen nämlich nicht nur die Stifte, sondern auch die Glieder im Inneren. Hier könnte man nur durch extrem aufwändiges Auflasern und Nacharbeiten der Innenflanken der Glieder nachhelfen. Dies ist aber keinesfalls den Aufwand wert. Zudem sollte man wissen, dass das Band durch den Stretch-Repair ein wenig kürzer wird. Das Spiel zwischen den (kleinen) Gliedern wird verkleinert und dadurch wandern alle Glieder etwas näher zusammen. Dies sorgt dann insgesamt für eine Verkürzung des Bandes.

Rolex Stretch Repair: Die Arbeitsschritte im Detail

Doch wie wird das Band überhaupt zerlegt? Das Band besteht aus zwei unterschiedlichen Gliedern: die verschraubten und die verpressten Glieder. Die verschraubten Glieder erkennt man, wie in Abbildung 4, an den Schlitzschrauben, die man an den Seiten der Glieder erkennen kann. Die verpressten Glieder hingegen sind an der Seite komplett plan und poliert. Hier sieht man keinerlei Öffnung. Die verschraubten Glieder sind dazu da, um die Länge des Bandes anzupassen und es damit an jeden Handgelenksumfang anpassen zu können.

Zuallererst müssen alle dieser Schrauben aus dem Band entfernt werden. Dafür muss man einfach mit einem passend angeschliffenen Schraubendreher in den Schlitz gehen und diese wie eine normale Schraube raus drehen. Wenn sich diese nicht so leicht oder gar nicht dreht, dann muss man die andere Seite des Gliedes mit einem Bunsenbrenner oder Feuerzeug erhitzen. Dadurch löst sich die Schraubensicherung und die Schraube sollte sich dann leichter lösen lassen. Auch an den Schrauben kann man die Abnutzungen und eingearbeiteten Riefen von den kleinen Gliedern erkennen.

Nun, wo alle Verschraubungen aus dem Band gelöst wurden, hat man einige kleine und auch längere Bandelemente, die man ohne spezielles Werkzeug nicht weiter zerlegen kann. Jetzt sieht man auch, dass die verschraubten Glieder auch zur Hälfte verpresste Glieder sind. Hier ist also im Gegensatz zu den anderen Gliedern nur ein Stift verpresst.

Mit dem speziellen Werkzeug aus Abbildung 5 können die Glieder nun auseinandergezogen werden. Hier sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass die Glieder nicht vermischt und in genau der gleichen Reihenfolge wieder montiert werden müssen. Insbesondere die Außenglieder haben nämlich unterschiedliche Größen und wenn diese nicht mehr in der richtigen Reihenfolge montiert werden, wirkt das Band unsymmetrisch. Bei der Demontage müssen die einzelnen Glieder also immer schön in der gleichen Reihenfolge abgelegt werden.

Nachdem alle auseinandergezogen und ordentlich in Reihe und Glied angelegt wurden, kann man erkennen, dass die Stifte immer nur auf einer Seite aus den Gliedern gezogen wurden. Die Stifte müssen nun noch vollständig aus den Außengliedern herausgezogen werden. Dafür wird das Werkzeug leicht umgebaut und die Kralle, die die Glieder festhält, einfach umgedreht. Nun kann man mit einer Zange auch diese Stifte einfach herausziehen.

Nun kommt der aufwändigste und unangenehmste Teil des Stretch-Repairs: die Reinigung. Wie man in Abbildung 6 sieht, haben sich unglaublich viele Verschmutzungen in den kleinen Mittelgliedern angesammelt. Diese sind mittlerweile sehr hart geworden und können leider nicht einfach herausgespült werden. Jedes Glied muss einzeln und mechanisch gereinigt werden. Dabei entsteht dann ein extremer Haufen Dreck, wie auf dem Bild 7 zu erkennen. Nachdem aus jedem einzelnen Glied die Verschmutzungen herausgekratzt wurden, geht das ganze nochmal im Ultraschallbad baden, um auch die letzten losen Reste noch weg zu spülen.

Rolex Stretch Repair und Polieren des Bandes kombinieren

An diesem Punkt würde sich nun eine Bandaufarbeitung anbieten. Im montierten Zustand lässt sich das Jubilee-Band nämlich nur sehr schlecht aufarbeiten. Meistens wird die Aufarbeitung dann nicht schön, Kanten verrunden und der gesamte Polierstaub setzt sich ebenfalls wieder in den Zwischenräumen der Glieder ab. Deshalb ergibt eine Aufarbeitung bei diesem Band nur in Verbindung mit einem Stretch Repair wirklich Sinn. Die Aufarbeitung umfasst die Politur der Mittelglieder und das Nachziehen der Schliffe auf den Außengliedern. Natürlich wird die Außenseite der Glieder auch nochmal plangeschliffen und poliert. Eine solche Aufarbeitung kann man bei mir in der Werkstatt für nur 100€ dazu buchen. Ein kompletter Stretch-Repair mit Aufarbeitung des Bandes kostet also mit allem „Drum und Dran“ insgesamt 450€.

Aber zurück zum Band! Nach der Aufarbeitung geht es dann wieder an das Verpressen der Bandglieder. Hierfür gibt es komplett neue Stifte. In Abbildung 8 kann man einen alten Stift im Vergleich zum neuen Stift erkennen. Der Unterschied ist extrem.

Mit dem zweiten Werkzeug (Abbildung 9) werden nun zuerst in eine Reihe der Außenglieder immer zwei neue Stifte eingepresst. Danach werden die Mittelglieder aufgefädelt und auf der anderen Seite das zweite Außenglied aufgepresst. Die Presse hat dabei eine leicht schräge Fläche, weil die Glieder an den Außenflächen auch leicht schräg sind. Damit man beim Verpressen nicht gleich wieder die Stifte verbiegt, muss man mit Gefühl und Präzision arbeiten. Man muss auch darauf achten, dass man mit der Schließenseite beginnt, da die Glieder zum Bandanstoß hin immer breiter werden und man die schmalen Glieder sonst nicht mehr verpressen könnte.

Zu guter Letzt wird das Band nochmal im Ultraschall und unter fließendem Wasser gereinigt. Fertig! Auch hier sieht man im Vorher-Nachher-Effekt (Abbildung 10 und 11) einen vollen Erfolg! Durch die Aufarbeitung strahlt das Band wieder mit leuchtend polierten und gleichmäßig mattierten Flächen. Der Stretch Repair lässt das Band wieder straff und sicher wirken und dadurch erhält man wieder ein angenehmes Tragegefühl. Auch das Gehäuse wurde aufbereitet.

10. Rolex Stretch Repair Vorher Nachher Effekt
Abb. 10 Rolex Stretch-Repair Vorher-Nachher-Effekt

Wer noch mehr sehen möchte, dem kann ich unseren Youtube-Kanal ChronoBros empfehlen. Hier nehme ich euch in einem Video mit durch den kompletten Stretch Repair-Prozess.

Wenn dein Rolex-Jubilee-Armband auch eine Reparatur benötigt, dann kannst du dich gerne weiter unter folgender Seite über unseren Service informieren:  Rolex Armband Reparatur | Stretch-Repair Deines Jubilee Band

Hier aber noch ein kleiner Hinweis! Ich habe schon oft Anfragen für die Reparatur eines sehr alten gefalteten Jubilee-Bands erhalten. In Abbildung 12 könnt ihr die Unterseite ein solches gefalteten Jubilee-Bands sehen. Die Außenglieder sind hier nicht gefräst, sondern aus einem gefalteten Blech. Das erkennt man an der Unterseite der Glieder. Die gefalteten Glieder haben hier wie eine Nut, während die gefrästen Glieder unten einfach flach sind. Leider kann man bei den gefalteten Bändern keinen Stretch-Repair durchführen, da die Glieder die Belastungen beim Auseinanderziehen nicht aushalten.

Ich hoffe euch hat der Einblick in meine Werkstatt gefallen! Ich freue mich, wie immer, auf eure Rückmeldungen in den Kommentaren! Bis zum nächsten Mal!

Euer Leon von ChronoRestore!

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore
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2 Kommentare
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Roland
1 Tag zurück

Vielen Dank für diesen etwas anderen aber sehr interessanten Beitrag.
Ich bin auch schon bei einigen Bändern mit diesem Problem konfrontiert worden. Die Lösung des Problems war meistens der Kauf eines neuen Bandes für einen moderaten Preis.
Mir ist bekannt, dass für manche Manufaktur-Armbänder Preise von 400 bis 800 Euro aufgerufen werden. Das ist auch schon sehr viel Geld, aber vielleicht noch mit viel Handarbeit und bester Qualität zu rechtfertigen.
Die 450 Euro für eine gut gemachte Reparatur scheinen mir wegen des Handwerklichen Aufwands gerechtfertigt.
Erschrocken bin ich aber über den im Beitrag erwähnten Neupreis von mehr als 2000 Euro für ein neues original Jubilee-Band von Rolex. Dieser Preis scheint mir für ein maschinell gefertigtes Band überhöht. Der Materialpreis für ein Edelstahlband ist vernachlässigbar.
Allerdings glaube ich nicht, dass zur Herstellung eines Jubilee-Bandes 15 bis 20 Arbeitsstunden benötigt werden.

Hans
1 Tag zurück

Sehr interessanter Beitrag.
Allerdings möchte ich noch eine Bemerkung hinzufügen:
Bei den Bi-Color Jubilee-Bändern sind die Innenglieder aus Gold natürlich „weicher“ als der Stahl-Stift.
Somit sind dort -jedenfalls bei meinem- die Glieder schon derart dünnwandig, dass hier auch kein Stretch Repair mehr möglich ist. Mir wurde daher davon abgeraten, die Uhr mit dem alten Band überhaupt noch zu tragen…