Die Blockchain-Technologie macht selbst vor der manchmal etwas eingestaubt wirkenden Uhrenwelt keinen Halt: So ist beispielsweise die Ausstellung von digitalen Eigentumszertifikaten, die über Blockchain mit der Uhr verknüpft sind, mittlerweile fast schon wieder “Schnee von gestern” – Breitling beispielsweise setzt seit 2020 auf dieses System, um Fälschungssicherheit zu gewährleisten.
Es gibt aber neue Entwicklungen, die für viele nur schwer nachzuvollziehen sind (meine Wenigkeit inklusive): Rein virtuelle (!) Uhren, die man in einer Krypto-Wallet abspeichert, um sie Freunden zu zeigen oder in sozialen Medien damit zu posen – für bis zu mehrere Tausend Euro. Oder überspitzt gesagt: Ein Haufen Pixel zum Preis einer Luxusuhr in der “echten Welt”. Gibt’s nicht? Gibt’s doch. Willkommen in der Zukunft Realität (und nein, heute ist nicht der 1. April).
Ausgerechnet der auf klassisch-traditionelle Fliegeruhren spezialisierte, Schwarzwälder Traditionsuhrenhersteller Hanhart hat im Bereich NFT-Uhren die Initiative ergriffen – und eine rein virtuelle, sogenannte NFT-Uhr für 45.000€ unter den Hammer gebracht. Ende 2023 bietet auch Casio mit der G-Shock eine rein virtuelle Uhr zum Verkauf an…
INHALT
NFT-Uhren: Was sind NFT eigentlich?
Non-Fungible Token (kurz NFT) haben in im Jahren 2021 einen kaum nachvollziehbaren Hype erlebt. Es handelt sich bei NFT im Prinzip um nichts anderes als exklusive Besitzrechte, die fälschungssicher auf der Blockchain abgelegt bzw. über einen sogenannten Smart Contract markiert werden. Das NFTs können weder repliziert noch zerstört werden. Sie sind durch die Ablage in einer Krypto-Wallet außerdem eindeutig einem Eigentümer zugeordnet.
Die meisten NFTs sind Teil der Ethereum-Blockchain. Ethereum (ETH) ist gleichzeitig die Heimat für die gleichnamige Kryptowährung (genau wie Bitcoin). Die Ethereum-Blockchain speichert aber zusätzliche Informationen, die es Käufern ermöglichen, den Besitz eines virtuellen Objektes zu überprüfen. Im Falle eines virtuellen Kunstwerks oder einer Armbanduhr beispielsweise liefert Ethereum eine eindeutige Herkunftsangabe.
Und hieraus ergibt sich auch schon der aktuell am meisten vorzufindende Anwendungszweck von NFT: die virtuelle Verbriefung der Echtheit von Kunst und Sammlerstücken.
Oder vereinfacht gesagt: Jemand erschafft ein Stück Kunst und packt es in die Ethereum-Blockchain. Dabei signiert der Künstler das virtuelle Kunstwerk in Form eines NFT. Das Pendant zu diesem Vorgang in der realen Welt wäre im Prinzip, als würde Gérald Genta höchstpersönlich eine Patek Philippe Nautilus für euch signieren.
NFT-Anwendungsbeispiel: Der Hype um die Bored Apes
Vielleicht habt ihr schon von den „Bored Apes“ (deutsch: gelangweilte Affen) gelesen – einem Hype, der nicht aus dem Zoo um die Ecke kommt, sondern Kunstobjekte in tausenden Varianten bezeichnet, die gerne als Statussymbol durch Social-Media-affine Nutzer genutzt werden – so wie der CEO im “echten” Leben seine Patek Philippe zur Schau trägt.
Die Affen sind Unikate, rein virtuell und echte Gelddruckmaschinen: Der Rapper Eminem beispielsweise hat für 123,45 ETH (rund 350.000 Euro; 1 ETH entspricht zum Stand 7. Januar 2022 etwa 2800€), ein solches Bored Ape-NFT erworben.
NFT werden vor allem (aber nicht ausschließlich) auf der Plattform OpenSea.io, eines der angesagtesten Start-ups im Silicon Valley, gehandelt. Inzwischen sind mehr als 250.000 ETH, also rund 700 Millionen Euro, für Bildchen der gelangweilten Affen ausgegeben worden. Verrückt: Aufgrund des Hypes kostet ein Bored Ape-NFT aktuell so viel wie eine kleine Wohnung. Da soll noch mal einer über den Rolex-Graumarkt meckern 😉
Natürlich kann sich jeder auch einfach einen Bored Ape als Screenshot bzw. .jpg auf dem PC abspeichern – verhindern kann das niemand. In Analogie zur “echten” Welt verhält sich dieses .jpg allerdings genauso wie die 20€-Rolex Replica vom letzten Strandurlaub – so jedenfalls der Gedanke hinter NFTs.
Aufgrund der Blockchain-Technologie hinter den NFTs ist immer klar nachvollziehbar, wem beispielsweise ein digitaler Affe gehört. In der Blockchain sind die Eigentümer eindeutig gespeichert und sämtliche Verkaufsprozesse transparent. Durch die Eigentümerschaft ergeben sich auch kommerzielle Vermarktungsrechte, d.h. Otto-Normalo darf natürlich nicht einfach das Eminem-NFT auf T-Shirts drucken und bei eBay verscherbeln.
Die eindeutige Zuordnung von Eigentumsrechten ist das eine – diebstahlsicher sind die virtuellen Güter dadurch noch lange nicht: Anfang 2022 war eine Meldung in den Schlagzeilen, bei der Kunsthändler Todd Kramer über klassisches Phishing um Bored Apes im Wert von über 2,2 Mio. US-Dollar erleichtert wurde.
Die Geschäftsmodelle rund um NFTs: Affen, Fürze – und Uhren
Gegenwärtig dominieren bei NFTs vor allem zwei Nutzungsszenarien: Einerseits der Kauf und Verkauf von virtuellen Produkten wie Kunstwerken (wie beispielsweise die Bored Apes) – aber auch virtuellen Luxusgütern wie Uhren. Verrückte neue Welt: Selbst digitale Fürze für 0,05 ETH pro Stück werden in der Blockchain angeboten (und ja, ich höre langsam auf an die Menschheit zu glauben).
Ein Schöpfer von NFT-Luxusuhren ist Jesus Calderon, ein 30 Jahre alter Uhrensammler aus Chicago, der digitale Abwandlungen von Rolex-Modellen in Form von 3D-Renderiungs an Armen von Aliens, Zombies, Affen und Robotern verkauft – so zum Beispiel die Rødex Daitona oder die Rødex Bitmariner. Stand Anfang 2022 hat er schon 69 NFT-Uhren verkauft – für rund 0,2 ETH pro Stück, insgesamt immerhin rund 27.000€.
Virtuelle Casio G-Shock als NFT-Uhren
Ab dem 15. Dezember 2023 launcht G-SHOCK eine limitierte Auflage von 2.000 Virtual G-Shock NFTs, die virtuelle Bilder von futuristischen G-Shocks zeigen.
Die Referenz VGA-001 zeigt dabei ein poppig-buntes Ballon-Design. Die VGA-002 hingegen zeigt ein Blattfederkonzept, d.h. sie nutzt die Kraft von Federn, um Stöße kraftvoll zu absorbieren (welche Stöße das in der virtuellen Welt sein sollen, sagt Casio allerdings nicht).
Den beiden NFTs vorangegangen war eine Aktion im September 2023 als Casio das Projekt VIRTUAL G-SHOCK startete, das die Kommunikation in einem virtuellen Raum ermöglicht und als Kontaktpunkt mit der Gen Z und anderen neuen Nutzern dient. Zunächst wurden kostenlose G-SHOCK CREATOR PASS NFTs verteilt, die es den Inhabern ermöglichten, an einer Discord Community teilzunehmen. Die erste Auflage von 15.000 NFTs in limitierter Auflage wurde innerhalb von sechs Stunden vollständig verteilt.
Insgesamt 2000 Stück der neuen NFT-G-Shocks stehen zum Verkauf – zum Preis von 0,1 ETH, umgerechnet zum Stand 30.11.2023 rund 190€.
Schwarzwälder Vorreiter: NFT-Uhr Hanhart CXD
Uhrenhersteller selbst waren beim Thema NFT bisher eher zögerlich. Ausgerechnet aber der auf klassische Fliegeruhren spezialisierte Schwarzwälder Uhrenhersteller Hanhart hat Ende 2021 beim renommierten Kunstauktionshaus Van Ham die virtuelle Uhr Hanhart CXD verkauft – immerhin fast 45.000€ war die Uhr dem Käufer wert. Und noch mal: Es handelt sich hier wohlgemerkt nur um einen Haufen Pixel und keine “echte” Uhr, die sich der Käufer um den Arm schnallen kann.
Neben dem digitalen Entwurf erhält der Käufer des Hanhart-NFT zusätzlich das Recht, sich die Hanhart CXD als Unikat herstellen zu lassen. Diese Option kann der Käufer bis zum 31.12.2022 ziehen – muss dann aber noch mal 38.000€ auf den Tisch legen.
Virtueller Ultra-Luxus: NFT-Uhr von Jacob & Co.
Anfang 2021 brachte der Ultra-Luxusuhrenhersteller Jacob & Company eine digitale NFT-Uhr auf den Markt: Die Jacob & Co. SF24 Tourbillion-Uhr fand in einer 24-Stunden-Auktion auf der ArtGails NFT-Plattform auch einen Abnehmer – für schlappe 100.000€, was mit Blick auf die Preise für “echte” Uhren von Jacob & Co. fast schon ein Schnäppchen ist (das “Real World”-Modell Astronomia Tourbillon Art Skulls beispielsweise kostet über 700.000€).
Auch Jean-Claude Biver, der bekannte ehemalige Chef des LVMH-Konzerns (TAG Heuer, Hublot etc.), hat mit einer digitalen Kopie des Hublot Bigger Bang Tourbillon Chronographen das NFT-Parkett betreten. Die OpenSea-Auktion für einen karitativen Zweck startete am 31. März 2021, der Erfolg hält sich aber offenbar stark in Grenzen.
NFT-Uhren und der (konkrete?) Nutzen im Metaverse
Als großer Bruce Willis-Fan konnte ich mir damals den Film Surrogates aus dem Jahre 2009 nicht entgehen lassen. Der Film ist nicht grade ein waschechter Blockbuster, zeichnet aber eine irre faszinierende Welt, in der Menschen quasi nie das Haus verlassen und durch Roboter (den sogenannten Surrogates) interagieren. Im Film muss Bruce Willis in seiner Rolle als Polizist dabei zum ersten Mal seit Jahren sein Zuhause verlassen, um Morde zu untersuchen.
Diese Film-Welt hat einige Parallelen zum sogenannten Metaverse – eine Idee aus Romanen, die meistens in kaputten Welten bzw. Dystopien spielen. Der Gedanke dahinter ist eine immer immersiver werdende digitale Welte, die Facebook-Mastermind Marc Zuckerberg als die nächste Evolutionsstufe des Internets sieht – und daher auch gleich seinen Konzern danach umbenannt hat (“Meta”).
Der Facebook-Gründers sieht als einen wesentlichen Baustein des Metaverse die virtuelle Realität (VR), bei der Nutzer mit Spezial-Brillen auf dem Kopf in digitale Welten eintauchen können.
Im Dezember 2021 launchte Zuckerberg in Nordamerika bereits seinen ersten konkreten Plattform-Entwurf namens Horizon Worlds.
NFTs wie beispielsweise virtuelle Kunstwerke, Uhren und dergleichen können in einem solchen Metaverse einen Platz einnehmen und einen funktionalen Charakter bekommen. Die Prämisse dahinter: Unser Leben wird sich künftig zu einem noch viel größeren Anteil als heute im Virtuellen abspielt und die Grenzen zwischen digitaler und echter Welt werden immer weiter verschwimmen.
Das ist alles ziemlicher Brainfuck, oder? Einerseits ja – und ich kann mir ehrlich gesagt auch nur extrem schwer vorstellen, was Leute dazu bewegt echtes Geld für virtuelle Bilder von Affen, Uhren-Renderings und dergleichen auszugeben (von den virtuellen Fürzen will ich erst mal gar nicht anfangen). Andererseits hat die Corona-Pandemie wegen der Lockdowns und der Kontaktbeschränkungen den Trend zum Leben in einer virtuellen Welt irre beschleunigt – was ich am eigenen Leib erfahren habe: Ich bin seit fast zwei Jahren nun fast ausschließlich im Home Office und habe die allermeisten Kollegen in dieser Zeit nur virtuell, über Webcam bzw. Videokonferenz, gesehen.
Der Trend ist also eindeutig. Und es gilt: Je wichtiger digitale Welten werden, umso wichtiger wird es auch, dass erkennbar ist, wem die einmal gekauften virtuellen Gegenstände gehören und, dass diese nicht einfach so kopiert oder vervielfältigt werden können. Und genau das ermöglichen NFTs.
Die Unternehmen scharren natürlich schon mit den Hufen, um das Marktpotential zu heben – von vielen Milliarden Euro ist die rede. Da leuchten schon die Dollarzeichen in den Augen vieler Unternehmen. Abwegig ist das nicht: Wie wir gesehen haben gibt es sogar schon erste Vorreiter, die echtes Geld mit virtuellen Uhren verdienen.
Es gibt aber auch viele kritische stimmen. Stimmen, die sagen, dass die virtuelle Welt niemals die echte Welt in einem solchen Maße verdrängen wird, dass das nachweisbare Eigentum an virtuellen Gegenständen eine nachhaltige Relevanz hat. Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise spricht von einem “Schneeballsystem”, das Handelsblatt von einer möglichen “Spekulationsblase”. Dennoch: Was am Ende vom Hype übrig bleibt, kann wohl nur die Zeit zeigen…
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Mir erschließt sich der Sinn einer NFT-Uhr nicht wirklich. Eine echte Uhr – egal wie teuer oder billig – kann zumindest die Uhr anzeigen oder am Handgelenk als Schmuckstück dienen. Bei einer NFT-Watch kann ich nur darauf hoffen, dass der Hype lange genug anhält, dass sie an Wert gewinnt und ich das viele Geld irgendwann wieder rein bekomme.
Ich hab ja schon Hemmungen, in irgendeinem Game Geld für unnütze Skins oder sowas auzugeben. Geld für virtuelle Gegenstände habe ich da nicht wirklich übrig.
Just my 2 Cents. Aber wem es gefällt….
Vor 20 Jahren dachten die meisten auch „Internet? Kann doch kein Mensch Kohle mit machen.“
Es irrt der Mensch, so lange er lebt. Mal schaun, was in 5 Jahren draus geworden ist!
Ach pff, dieses Internet setzt sich doch eh nicht durch.
Hallo, wir schätzt Ihr das Geschäftsmodell von solchen Blattformen, wie Timeless o.ä. ein, auf den Anteile von u.a. auch Uhren angeboten werden und die Eigentumsanteilsrechte als Blockchain-Tolken abgespeichert werden?
Mario, wie ist deine Meinung dazu?
VG
Günter
Ich halte von Uhren als Investments allgemein nicht viel, aber da spricht halt der Uhrennerd aus mir 😉
Hi Mario,
Konntest Du nicht bis zum 1. April abwarten? Der Beitrag kann doch nur ein schlechter Scherz sein?! Absolut gaga!
Sorry, ich reposte den noch mal am 1. April 😀