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Großuhren wie Wand- und Standuhren sind nicht nur dekorative Elemente in Wohnungen, Büros oder öffentlichen Gebäuden, sondern auch technische Meisterwerke der Zeitmessung. Während in der Regel die Technik der Armbanduhren in meinen Berichten im Rampenlicht steht, bieten Großuhren faszinierende Einblicke in die Präzisionsmechanik, die seit Jahrhunderten weiterentwickelt wurde. Mit den „Mechanica“-Uhrenbausätzen der Marke Erwin Sattler kann sogar ein Laie in die wunderschöne Welt der Uhrenmechanik eintauchen.

Doch was macht Wand- und Standuhren eigentlich so genau? Und wie unterscheiden sie sich von günstigeren Varianten oder gar Kuckucksuhren? In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die Technik, die diese Zeitmesser so präzise macht und ich gebe den ein oder anderen Tipp zur Regulierung und Pflege.

[Beitrag von Leon Zihang,
Uhrmacher und Kopf hinter ChronoRestore.com]
Leon Zihang Uhrmacher ChronoRestore

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Bild: Erwin Sattler

Großuhren: Das Uhrwerk – Mechanische vs. Quarz-Technologie

Wand- und Standuhren gibt es sowohl mit mechanischen als auch mit quarzbasierten Uhrwerken. Hochwertige mechanische Großuhren setzen dabei oft auf ein Pendel- oder Gewichtsaufzugsystem. Die bekanntesten Varianten sind Pendeluhren mit Gewichtsantrieb oder Federantrieb. Das Pendel ist der Taktgeber der Uhr. Je länger es ist, desto langsamer schwingt es. Bei Großuhren mit Gewichtsantrieb sorgen herabsinkende Gewichte für den Antrieb des Räderwerkes, während beim Federantrieb, genau wie bei der Armbanduhr, die Kraft in einer Zugfeder im Federhaus gespeichert wird.

Quarz-Wanduhren hingegen nutzen einen Schwingquarz, der durch eine Batterie angetrieben wird. Sie sind oft günstiger, aber mechanische Pendeluhren haben ihren besonderen Charme und eine überragende Langlebigkeit.

Was macht eine Großuhr so präzise?

Die Schwingungsfrequenz des Pendels

Ein exakt reguliertes Pendel sorgt für eine gleichmäßige Zeitmessung. Das Prinzip basiert auf der Schwerkraft und der Trägheit des Pendels. Eine Temperaturkompensation, wie sie in hochwertigen Pendeluhren von Marken wie Erwin Sattler oder Kieninger zu finden ist, reduziert Fehler durch Temperaturschwankungen.

Temperatur- und Luftdruckkompensation

Temperaturschwankungen können das Material des Pendels ausdehnen oder zusammenziehen, was die Ganggenauigkeit beeinflusst. Einige Präzisionspendeluhren verwenden temperaturkompensierte Pendel, um diesen Effekt zu minimieren. Hier sind einige gängige Methoden:

  • Invar-Pendel: Diese bestehen aus einer Nickel-Eisen-Legierung mit extrem geringem Wärmeausdehnungskoeffizienten. Dadurch bleibt die Pendellänge weitgehend konstant, was die Ganggenauigkeit erhöht.
  • Quecksilberpendel: Diese Pendel bestehen aus einem Röhrensystem, in dem sich Quecksilber befindet. Bei Temperaturschwankungen dehnt sich das Quecksilber aus oder zieht sich zusammen, wodurch der Schwerpunkt des Pendels stabil bleibt.
  • Kompensationsstäbe: Diese bestehen aus zwei verschiedenen Metallen mit unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten. Bei Temperaturschwankungen biegen sie sich so, dass die Längenveränderung des Pendels ausgeglichen wird.
  • Gitterpendel: Hier werden mehrere Metallstreifen mit entgegengesetzten Ausdehnungskoeffizienten kombiniert, um eine konstante Pendellänge zu gewährleisten.
  • Luftdruckkompensation mit Druckdosen: Der Luftdruck beeinflusst den Luftwiderstand, dem das Pendel ausgesetzt ist. Bei hoher Luftdichte bremst die Luft das Pendel stärker, was zu einer leichten Gangabweichung führen kann. Einige Präzisionsuhren nutzen daher Druckdosen, die auf Änderungen im Luftdruck reagieren und mechanische Korrekturen am Pendel vornehmen, um diese Einflüsse auszugleichen.

Hochwertige Lager und Hemmungen

Die Hemmung ist das Herzstück einer mechanischen Uhr. Sie gibt die Energie aus dem Räderwerk kontrolliert an das Schwingsystem weiter und sorgt für eine gleichmäßige Schwingung des Pendels. Hochwertige Uhren setzen auf spezielle Hemmungsarten wie:

  • Graham Hemmung: Häufig bei Präzisionspendeluhren.
  • Blechanker Hemmung: Standard in vielen Wanduhren.
  • Chronometerhemmung: Selten bei Standuhren, aber extrem präzise.
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Das im Sekundenkreis durchbrochene Zifferblatt und die Ausfräsung in der Vorderplatine des Uhrwerks ermöglichen den Blick auf die vergoldeten Zahnräder und die Grahamhemmung. Bild: Erwin Sattler

Natürlich trägt auch die Qualität der Lager zur Präzision bei. Je reibungsärmer und vor allem gleichmäßiger die Kraft vom Antrieb an das Pendel weitergetragen werden kann, desto präziser läuft die Uhr.

Unterschiede zwischen hochwertigen Großuhren und günstigen Wanduhren

Während eine präzise Pendeluhr auf hochwertigste Komponenten setzt, sind günstigere Varianten oft mit einfacheren Lagern und günstigeren Materialien ausgestattet. Kuckucksuhren beispielsweise, die meist mit traditionellen Holzrädern gefertigt wurden, sind zwar charmant, aber nicht für höchste Ganggenauigkeit bekannt. Mittlerweile findet man in Kuckucksuhren auch kaum noch Holzräder. Hier wurden oft günstige Massenproduktionswerke verbaut.

Hochwertige Marken wie Erwin Sattler, Hermle oder Kieninger setzen auf Handwerkskunst und Präzisionstechnik. Während eine günstige Wanduhr meist eine Gangabweichung von wenigen Minuten pro Monat hat, können hochwertige mechanische Wanduhren mit Präzisionspendeln auf wenige Sekunden Abweichung pro Monat reguliert werden.

Unterschiede zu Armbanduhren

Ein großer Vorteil von Stand- oder Wanduhren, im Gegensatz zu Armbanduhren, ist die Ortsfestigkeit. Mechanische Armbanduhren werden immer wieder unterschiedlichen Positionen, Kräften, größeren Temperaturschwankungen usw. ausgesetzt. Eine Wanduhr hingegen ist meist nur sehr langsamen Temperaturänderungen ausgesetzt (z.B. Raumtemperatur) und befindet sich immer an Ort und Stelle. Die Trägheit der Umwelteinflüsse auf die Großuhr macht es dieser um einiges leichter deutlich präziser zu laufen. 

Die Geschichte der Großuhren und bekannte Hersteller

Großuhren haben eine lange Tradition, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Damals wurden Pendeluhren von Wissenschaftlern wie Christiaan Huygens entwickelt, um eine präzisere Zeitmessung zu ermöglichen. Huygens hat zum Beispiel den Huygenschen Läufer erfunden, auf dem das Prinzip des Auflagetellers mit den kleinen Gewichten beruht. Durch Gewichtsänderung in der Mitte des Pendels wird der Schwerpunkt des Pendels nach oben oder unten verschoben und somit schwingt das Pendel schneller oder langsamer.

Im Laufe der Jahrhunderte perfektionierten Hersteller wie Breguet, John Harrison und Thomas Tompion die Mechanik von Großuhren.

Heutzutage haben sich einige renommierte Hersteller von hochwertigen Großuhren etabliert:

  • Erwin Sattler (Deutschland): 1958 gegründet und damals wie heute in Familienbesitz. Sattler wird seit 2002 von Stephanie Sattler-Rick, der Tochter von Erwin Sattler, geführt.
  • Kieninger (Deutschland): Eines der ältesten Großuhrenunternehmen mit traditioneller Mechanik, gegründet 1912 mit Sitz in Aldingen, Baden-Württemberg
  • Hermle (Deutschland): Ein mittelständisches Familienunternehmen im Herzen Baden-Württembergs mit über 100 Jahren Unternehmensgeschichte
  • Howard Miller (USA) aus Zeeland, Michigan, gegründet 1926 von Howard C. Miller

Regulierung und Pflege einer Großuhr

Damit eine Stand- oder Wanduhr möglichst präzise bleibt, sind einige Maßnahmen erforderlich:

  • Standort wählen: Eine Standuhr sollte auf festem, ebenem Boden stehen, eine Wandpendeluhr muss fest verankert sein, um Vibrationen zu vermeiden. Am besten findet man auch einen Ort, wo eine möglichst konstante Temperatur herrscht und nicht ständig spielende Kinder daran vorbeibrausen (Vibrationen vermeiden).
  • Regelmäßige Justierung: Hochwertige Großuhren sollten alle paar Monate feinreguliert werden, insbesondere wenn sich Temperatur oder Luftfeuchtigkeit stark ändern. Dies passiert automatisch mit den Jahreszeiten und kann kaum verhindert werden.
  • Reinigung und Wartung: Alle 5 bis 10 Jahre sollte eine professionelle Reinigung und Neuölung erfolgen, um Verschleiß zu vermeiden und die Langjährigkeit der Uhr zu garantieren. (Mehr: Einfluss der Uhren-Öle auf Serviceintervalle – und was man als Kunde sonst beim Service beachten sollte)
  • Pendelregulierung: Die meisten Pendeluhren lassen sich durch eine kleine Schraube am Pendel regulieren. Ein Hoch- oder Herabsetzen des Pendels verändert die Geschwindigkeit. Bei präziseren Uhren wie Erwin Sattler hat man in der Mitte des Pendels einen kleinen Auflageteller, mit dem durch Aufstellen oder Herunternehmen von Gewichten die Uhr reguliert wird.

Großuhren sind nicht nur beeindruckende Kunstwerke, sondern auch technische Meisterleistungen. Hochwertige Stand- und Wanduhren setzen auf ausgereifte Mechaniken, temperatur- und luftdruckkompensierte Materialien und präzise Hemmungen, um eine möglichst genaue Zeitmessung zu gewährleisten.

Ich hoffe, euch hat der kleine Ausbruch meinerseits in die Welt der Großuhren gefallen! Ich freue mich jederzeit über eure Rückmeldungen in den Kommentaren und weitere Fragen von euch, die ich in meinen Berichten klären soll. 🙂

Bis zum nächsten Mal!

Euer Leon von ChronoRestore

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Wladimir
14 Stunden zurück

Wirklich sehr spannend. Für mich als großen Liebhaber mechanischer Uhren natürlich ein Traum. Aber wie ich meiner Frau den Preis erklären soll weiß ich noch nicht recht.

Tickender-Koch
7 Tage zurück

Genau mein Thema…! Danke und Gruß Torsten