Taucheruhr trifft auf Chronograph-Komplikation – das ist eine Kombination in der Welt der hochwertigen, mechanischen Uhren, die man gar nicht so häufig antrifft, wie man vielleicht annimmt (was auch daran liegt, dass beispielsweise Microbrands den beachtlichen Invest in die Anschaffung mechanischer Chrono-Kaliber erst mal stemmen müssen). Nun ist Titoni zwar natürlich keine Microbrand in dem Sinne (mit Blick auf die lange Historie des Hersteller, die bis 1919 zurückreicht, das Händlernetzwerk etc.), aber es ist durchaus eine Besonderheit, dass wir einen mechanischen Taucher-Chrono mit Schweizer Kaliber von einer unabhängigen, schon in vierter Generation geführten, inhabergeführten Marke sehen – wie nun eben von Titoni aus Grenchen.
Konkret bringt Titoni einen Taucher-Chronographen auf Basis der beliebten Seascoper auf den Markt. Im Inneren tickt das Schweizer SW510 – und zwar in einer von der COSC zertifizierten Chronometer-Variante. Das wollen wir uns nun natürlich genauer anschauen.



Eckdaten Seascoper Chronograph 94300:
- Schweizer Sellita SW510 BH a, Bicompax, Chronometer
- Gehäuse aus Edelstahl
- Saphirglas flach, beidseitige Antireflexbeschichtung
- Wasserdichtigkeit 30 bar / 300 Meter
- Durchmesser 41 mm
- Horn-zu-Horn 52,3 mm
- Höhe 15,7 mm
- Zifferblatt mit schwarzem Emaille-Lack
- Super-LumiNova BGW9 Grade A
- Silberfarben abgestufte Totalisatoren
- Edelstahlband mit werkzeugfreier Feinjustierung
- Drehbare Lünette mit Keramikeinlage
- Farbvarianten Schwarz, Grün, Blau und Bicolor
- Preis: ab 2590€, direkt über titoni.ch oder verschiedene Fachhändler

Titoni Seascoper Chronograph im Test
Grundsätzlich ist das schnörkellose Gesicht, das wir von der Seascoper-Dreizeigertaucheruhr kennen, auch bei der Chronographen-Variante deutlich (wieder)erkennbar – alles andere hätte mich auch überrascht, denn in unseren Breitengraden ist die Seascoper mit Blick auf einschlägige Foren und Communities überaus beliebt und sicherlich das Zugpferd des Grenchner Herstellers. So sind beispielsweise die auf Hochglanz polierten Minuten- und Stundenzeiger der Seascoper 300 bzw. Seascoper 600 mit ihrem „Mittelknick“ und der charakteristischen Skelettierung zum Zentrum hin unverändert an Bord. Selbiges gilt für den trapezförmigen Index und das applizierte Titoni-Bildlogo in zentraler „12 Uhr“-Position.
Das verbaute Kaliber SW510 BH a (dazu gleich mehr) sorgt für eine perfekte Symmetrie auf dem Blatt durch eine horizontale Aufteilung der Totalisatoren bzw. Hilfszifferblätter (kleine Sekunde links und 30-Minutenzähler rechts) in Ergänzung zum zentralen Stoppsekundenzeiger. Landläufig spricht man auch vom sogenannten Bicompax-Design (der Begriff geht diversen Quellen zufolge zurück auf den Schweizer Uhrenhersteller Universal Genève SA, der anno 1936 den Chronographen „Le Compax“ herausbrachte, der die zu messenden Minuten und Stunden auf zwei Hilfszifferblättern anzeigte).



Beide Totalisatoren sind silberfarben und setzen sich so optisch im Sinne des sogenannten Reverse Panda-Stils ab. Die Totalisatoren kommen ferner mit einem feinen Schallplattenmuster, das dem Zifferblatt in Verbindung mit den applizierten Stunden-Indizes eine schön plastische Optik verleiht. Das Datum fügt sich schön symmetrisch auf „6 Uhr“ ein.
Hier im Artikel sehen wir die Variante mit tiefschwarzem Blatt, das mit Emaille-Lack überzogen ist. Emaille-Lack schafft eine sehr glatte, glänzende, UV-beständige Oberfläche mit einer Art „Tiefenwirkung“. Insbesondere in Verbindung mit der Titoni-üblichen, absolut genialen Saphirglasentspiegelung, die so gut ist, dass man fast denkt, dass gar kein Glas verbaut ist, ist der Effekt wirklich phänomenal. Neben Schwarz bietet Titoni auch noch eine Variante mit dunkelgrünem und dunkelblauem Blatt an. Deutlich heraus sticht auch noch die zusätzliche Bicolor-Variante.
Als Leuchtmasse kommt weiße Super-LumiNova (BGW9) vom höheren bzw. besseren Grade A zum Einsatz. Bei Dunkelheit färben sich die Elemente zu einem hellen blauen Farbton. Die Leuchtkraft von BGW9 ist mehr als ordentlich – diese liegt bei ca. 95 Prozent im direkten Vergleich mit der stärksten Leuchtfarbe Super-LumiNova C3 (C3 wiederum hat ein ganz anderes optisches Erscheinungsbild, das eher nicht zum Seascoper-Chrono gepasst hätte). Das i-Tüpfelchen wäre natürlich noch gewesen, wenn Titoni hier auf die noch noch länger nachleutende Qualitätsstufe X1 oder gar die neue Stufe X2 gesetzt hätte. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau.


Mit 41 mm ist der Seascoper Chronograph auf dem Papier zunächst nicht besonders groß dimensioniert. Das Horn-zu-Horn-Maß ist mit 52,3 mm allerdings eher sportlicher Natur und auch die durch das mechanische Kaliber bedingte Höhe von 15,7 mm lässt den Chrono sehr präsent und sportlich am Handgelenk wirken. Zum Vergleich: Mein Handgelenkumfang beträgt ca. 18,5 cm und da passt die Uhr ziemlich perfekt (siehe Bilder unten).
Ansonsten bringt das Gehäuse die klassischen Seascoper-Merkmale mit, also eine grade, polierte Flanke, eine polierte Fase an der Innen(!)-Seite der Hörner sowie einen auf Hochglanz polierten Mittelteil im Stahlboden, der an das Guckloch eines Bullauges erinnert und so krass wie ein Spiegel wirkt, dass man darin problemlos seine Krawatte/den Taucheranzug oder was auch immer richten könnte.
Gründe für die Bauhöhe sind vor allem in der Technik zu suchen: Ein Kaliber mit Chronographen-Komplikation fordert einfach einen per se mehr Platz im Gehäuse ein als ein „einfaches“ Dreizeigerkaliber – Stichwort: Form Follows Function. Durch die Höhe ergibt sich naturgemäß eine gewisse „Kopflastigkeit“ beim Tragen, was aber durch die genial einfach zu bedienende „on the fly“-Schnellverstellung der Schließe über das Titoni-Bildlogo kein Problem im Alltag darstellt: Einfach auf das Logo, die stilisierte Pflaumenblüte, drücken und schon lässt sich das Band um circa 7 mm werkzeugfrei in der Länge verstellen.








Die Wasserdichtigkeit des Gehäuses ist mit 300 Metern bzw. 30 bar standesgemäß für einen Taucher-Chronographen, der auch für professionelle Tauchausflüge genutzt werden kann. Ich habe den Seascoper Chronographen in dem Sinne in meinem Wasserdichtigkeitsprüfgerät der Marke Eigenbau „gequält“: Ich habe den Druck in einem mit Wasser gefüllten Zylinder sogar auf kühne 80 bar hochgeschraubt und für circa 15 Minuten gehalten.
Danach habe ich die Seascoper wieder aus ihrem Gefängnis befreit – und der Chrono hat es klaglos überstanden. Auch den Kondenswassertest, den ich anschließend durchgeführt habe, um sicherzugehen, dass sich auch wirklich keine Kleinstmengen Wasser in die Uhr gedrückt haben, hat der Chrono überstanden. Daumen hoch!
Mehr zum Prozedere: Boom! Ich SPRENGE eine Uhr



Notiz am Rande, da wir grade beim Thema Wasserdichtigkeit sind: Neben der Krone sind auch die beiden Drücker verschraubt – unten im Bild sehen wir einen unverschraubten oberen und einen verschraubten unteren Drücker. Verschraubte Drücker verhindern mechanisch das Drücken – sie müssen vorher entriegelt (aufgeschraubt) werden, um die Zeitmessung starten zu können.
Titoni-Co-CEO Olivier bestätigte mir, dass die Drücker so konstruiert sind, dass die Wasserdichtigkeit grundsätzlich auch bei entsicherter Verschraubung gewährleistet ist. Die Verschraubung dient primär als Sicherung gegen unbeabsichtigtes Betätigen, nicht zur Abdichtung selbst. Dennoch wird das Betätigen der Drücker unter Wasser nicht empfohlen. Ab einer Tiefe von etwa 65 m wirkt auf die Drücker ausreichend Kraft, um einen entsicherten Drücker unbeabsichtigt auszulösen.

Sellita SW510 BH a und Chronographen-Komplikation unter Wasser: Praktische Anwendung
Schön: Es handelt sich bei dem verbauten Kaliber um die neueste Version des SW510 BH a mit deutlich aufgebohrter Gangreserve (früher: 48 Stunden, jetzt: 62 Stunden). Noch schöner: Titoni spendiert dem Modell eine Chronometer-Zertifizierung von der COSC, die eine Ganggenauigkeit im Rahmen von -4 bis +6 Sekunden pro Tag garantiert. Das ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse und ein sehr gutes Argument für alle, die Wert auf hohe Ganggenauigkeit legen – der Blick auf die Zeitwaage ist auf jeden Fall mal aus der Kategorie besser geht’s nicht.


Nun kennen Uhrenfreunde die Chronographenkomplikation vor allem wohl eher aus dem Dunstkreis Fliegeruhren & Co. Bei Taucheruhren ist diese in der Tat eher nicht so häufig anzutreffen. Daher ein paar Worte zur praktischen Anwendbarkeit bzw. ein paar Grundlagen: Müdigkeit und Schmerzen in den Muskeln und Gelenken, Taubheit, Kribbeln, Schwäche in Armen oder Beinen, Gangunsicherheit, Schwindel, Atembeschwerden und Brustschmerzen – das sind alles ernstzunehmende Symptome der sogenannten Dekompressionskrankheit (auch: Caisson-Krankheit). Wenn Taucher zu schnell auftauchen, kann es passieren, dass der Druck zu schnell abnimmt – das wiederum führt dazu, dass der im Körpergewebe gelöste Stickstoff Blasen bildet und im Körpergewebe freigesetzt wird. Diese Blasen können die genannten Symptome und Gesundheitsprobleme verursachen.

Sogenannte Dekompressionsstopps (kurz: Dekostopps), d.h. das Stoppen beim Auftauchen, ermöglichen es dem Körper den überschüssigen Stickstoff allmählich abzubauen und den Druckausgleich zu erleichtern. Es ist daher wichtig, dass Taucher die empfohlenen Dekompressionszeiten befolgen, die auf Grundlage wissenschaftlicher Fakten von zertifizierten Tauchorganisationen wie PADI (Professional Association of Diving Instructors) in Tabellenform bereitgestellt werden.

Ihr habt es sicherlich schon bemerkt: Für all diese Zwecke benötigt man eine zuverlässige und schnelle Zeitmessung. Das erledigen heute zwar digitale Tauchcomputer, aber es gibt nicht wenige Taucher, die auch noch ganz klassisch bzw. analog eine mechanische Uhr verwenden – mindestens als Backup und manchmal auch darüber hinaus. Und da bietet eine Chronographenkomplikation natürlich einfach zusätzliche Möglichkeiten: Vor dem Abtauchen ins tiefe Nass kann man einfach den oberen Chronographen-Drücker nutzen, um die Zeitmessung zu starten und die verstrichene Zeit des Tauchgangs im Blick behalten. Die Taucherlünette könnte dann auf den Minutenzeiger eingestellt wird, um die verstrichene Zeit der einzelnen Dekompressionsstopps zu messen (umgekehrt wäre es keine so geschickte Idee, da die Chronodrücker wie beschrieben nicht unter Wasser genutzt werden sollten). Und von diesem thematisch passenden Anwendungsfall mal abgesehen ist ein Chronograph für alltägliche Zeitmessungen in der Küche und dergleichen natürlich ebenfalls willkommen, wenn man einfach mal das Smartphone in der Hosentasche lassen will.
Zur Sicherheit sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass bei bei regelmäßiger (Unterwasser-)Nutzung der Chronograph einmal jährlich auf Wasserdichtheit geprüft werden lassen sollte.


Abschließende Gedanken
Die Verarbeitungsqualität des Seascoper Chronos ist summa summarum Titoni-typisch überaus hoch. Das COSC-zertifizierte Kaliber sorgt für Präzision, das Bicompax-Design für Symmetrie, die Optik ist markant-funktional. Trotz „nur“ 41 mm Durchmesser wirkt die Uhr wegen ihrer Höhe und Länge markant am Handgelenk (und markant darf ein Diver-Chrono meiner Meinung nach auch absolut sein und die werkzeugfreie Schließe bringt ja auch Bonuspunkte auf der Tragekomfort-Skala). Und dass all das von einem konzernunabhängigen, familiengeführten Hersteller kommt, macht den Seascoper Chrono umso sympathischer. Uhrenherz, was willst du mehr?
Kurz gesagt: Der Seascoper Chronograph bietet ein absolut rundes Paket und ist eine gelungene und absolut begrüßenswerte Erweiterung der Seascoper-Familie. Der Preis in Höhe von 2590€ ist – auch mit Blick auf den Wettbewerb wie Oris (Divers Sixty-Five), Mido (Ocean Star Diver) oder Vulcain (Skindiver) – absolut wettbewerbsfähig.



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Hört sich gut an für Leute mit übersichtlichen Budget, oder dem Wille nicht mehr der Gier der renommierten Marken das Geld hinterher zu werfen.
Sehr schöner Text mit Zusatzinfos, toll👍.
Schade allerdings, dass es kein Schnellwechselmechanismus fürs Band zu geben scheint und auch konnte ich nichts über den Mechanismus zur Schließe finden.